ebook img

Zur Lebensgeschichte des Zwerggrashüpfers, Stenobothrus crassipes (Charpentier, 1825), im Vergleich zu Stenobothrus lineatus (Panzer, [1796]) und Stenobothrus nigromaculatus (Herrich-Schäffer, 1840) PDF

2009·0.15 MB·
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Zur Lebensgeschichte des Zwerggrashüpfers, Stenobothrus crassipes (Charpentier, 1825), im Vergleich zu Stenobothrus lineatus (Panzer, [1796]) und Stenobothrus nigromaculatus (Herrich-Schäffer, 1840)

ARTICULATA 2009 24 (1/2): 31(cid:3013)47 BIOLOGIE Zur Lebensgeschichte des Zwerggrashüpfers, Stenobothrus crassipes (Charpentier, 1825), im Vergleich zu Stenobothrus lineatus (Panzer, [1796]) und Stenobothrus nigromaculatus (Herrich-Schäffer, 1840) 1 Günter Köhler Abstract The pygmy grasshopper Stenobothrus crassipes (Charpentier, 1825), in Germa- ny occuring mainly in the W-Kyffhäuser Mountains, was comparatively studied in rearing experiments with S. lineatus (Panzer, 1796) and S. nigromaculatus (Her- rich-Schäffer, 1840) focussing on reproduction, egg water requirements, hatching and juvenile development. All three species glued their egg-pods mainly between dense (food-)grass leafs. In crassipes the lowest ovariole number of 2+2 was found (within the minimum in worldwide Acridoidea) versus 4+3 in lineatus and 4+4 in nigromaculatus, following this also the lowest number of eggs/pod (Ø 3.3 in crassipes versus Ø 4.6 in lineatus and Ø 7.2 in nigromaculatus), furthermore the smallest egg-pods and eggs. During the early diapause phase drought stress (75% rh) effected the lowest egg water loss and with contact water the lower re- ception in the sequence of nigromaculatus < lineatus < crassipes. During the postdiapause phase (up to hatching) the amount of contact water was absorbed in the same sequence nigromaculatus > lineatus > crassipes. In the three spe- cies a chilling period of at most two months terminated the embryonic diapause. Hatching from egg-pods somewhat delayed in the sequence lineatus – crassipes – nigromaculatus, and also the juvenile development scattered in this sequence. In crassipes micropterous and macropterous males and females occurred, which were for the first time morphometrically characterized. The results are discussed in the context of body size, habitat use (species conservation) and macropterism, focussing on crassipes. Zusammenfassung Der in Deutschland u.a. am W-Kyffhäuser vorkommende Zwerggrashüpfer Ste- nobothrus crassipes (Charpentier, 1825) wurde in einem vergleichenden Labor- experiment mit S. lineatus (Panzer, 1796) und S. nigromaculatus (Herrich-Schäf- fer, 1840) auf Reproduktion, Eiwasserhaushalt, Schlupf und Juvenilentwicklung untersucht. Alle drei Arten klebten ihre Ootheken meist zwischen dichtstehende (Futter-)Grasblätter. Es hatte crassipes mit 2+2 die wenigsten Ovariolen (am Mi- nimum bei Acridoidea weltweit) gegenüber 4+3 bei lineatus und 4+4 bei nigro- maculatus, folglich auch die niedrigste Eizahl/Oothek (Ø 3,3 versus Ø 4,6 bei lineatus und Ø 7,2 bei nigromaculatus) und die kleinsten Ootheken und Eier. In der frühen Diapausephase hatte Trockenstress (75% rL) den geringeren Eiwas- 1 In Erinnerung an die Wendezeit 1989/90 ARTICULATA24 (1/2) [15.08.2009] 31 serverlust und bei Kontaktwasser die geringere Aufnahme in der Reihung nigro- maculatus < lineatus < crassipes zur Folge. In der Postdiapause (bis zum Schlupf) und mit Kontaktwasser wurde dies in derselben Folge nigromaculatus > lineatus > crassipes von den Eiern aufgenommen. Bei den drei Arten terminierte eine mindestens zweimonatige Kühlephase die Diapause der meisten Embryo- nen. Der Larvenschlupf aus den Ootheken erfolgte geringfügig verzögert in der Reihung lineatus – crassipes – nigromaculatus, und auch die Juvenilentwicklung streute in dieser Folge. Bei crassipes traten neben mikropteren auch makroptere Männchen und Weibchen auf, die erstmals morphometrisch charakterisiert wur- den. Die Ergebnisse werden mit Blick auf crassipes im Kontext von Körpergröße, Habitatbindung (und Artenschutz) und Makropterie diskutiert. 1 Einleitung Die drei hier untersuchten Stenobothrus-Arten werden nach ihrem Ausbreitungs- zentrum als angarisch (lineatus), angarisch bzw. kaspisch (nigromaculatus) und pontomediterran (crassipes) angesehen (RÁCZ 1998, WALLASCHEK 2003), wobei nach dem Weichsel-Glazial lineatus bereits im Präboreal, die beiden anderen Arten im Boreal in unser Gebiet gekommen sein (WALLASCHEK 2003), oder im Falle von crassipes hier sogar Glaziale überlebt haben könnten. Diese Einschät- zungen beruhen vor allem auf der jeweiligen Lage und Ausdehnung ihres ge- genwärtigen Areals (crassipes – pannonisch-transsilvanisch) und auf ihrer ökolo- gischen Potenz. Dies wiederum schlägt sich auch in ihrer Verbreitung und Häu- figkeit in Deutschland nieder: lineatus >> nigromaculatus >>> crassipes (MAAS et al. 2002) und dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die allgemeinen Kenntnisse über diese Arten in derselben Folge abnehmen. Von ihren Eigen- schaften her besonders gut bekannt sind seit jeher Morphologie, Verhalten und Bioakustik dieser Arten im Mitteleuropa (zusf. JACOBS 1953; HARZ 1957, 1975). Basierend auf Wildfängen und eigens untersuchten detaillierten Gesangs- und Körpermerkmalen erstellte WAEBER (1989) erstmals ein Kladogramm der europä- ischen Stenobothrus- (und Omocestus-)Arten, in dem crassipes für sich wiede- rum etwas abseits von den beiden anderen Arten, die ihrerseits zwei Clustern zuzuordnen sind, zu stehen kommt. Ebenfalls gut bekannt ist (neben der regio- nalen Verbreitung – MAAS et al. 2002) die auf Freilandstudien basierende Ökolo- gie von lineatus und nigromaculatus, so zur Habitatbindung und Phänologie (SÄNGER 1977, 1980 – pannonischer Raum; DETZEL 1998 – Baden-Württemberg; SAMIETZ 1998 und KÖHLER 2001 – Thüringen; BECKMANN &RADLMAIR 2003 sowie DOLEK et al. 2003 – Bayern; WALLASCHEK 1995, WALLASCHEK et al. 2004 – Sach- sen-Anhalt; BEHRENS & FARTMANN 2004 – Südwestfalen/Nordhessen) und zur Mobilität (SAMIETZ 1998; lineatus), um nur einige Arbeiten zu nennen. Demgegenüber ist das vor allem in Laborzuchten zu gewinnende Wissen zur Biologie, insbesondere zum reproduktiven Komplex dieser Arten nach wie vor sehr viel lückenhafter, was in besonderem Maße auf crassipes zutrifft. Diese erst vor einem Vierteljahrhundert in Deutschland nachgewiesene und zuvor überse- hene Art ist aufgrund ihrer hier exklavischen Vorkommen sowohl zoogeografisch als auch artkonservatorisch von Bedeutung. Dies schlägt sich bislang in nur erst wenigen, überdies kompilatorischen Faunenbeiträgen nieder (KÖHLER 2001, 32 [15.08.2009] ARTICULATA 24 (1/2) MAAS et al. 2002, WALLASCHEK et al. 2004), während die Ergebnisse bereits ge- taner detaillierter Freilandstudien zwar in einzelnen Vorträgen und Postern dar- gestellt worden sind, nicht aber als Veröffentlichungen vorliegen (Meineke, in lit.; Schädler, in lit.), was keineswegs als Vorwurf verstanden werden soll. Trifft dies doch ebenso auf den vorliegenden Beitrag zu, dessen Anfänge zufällig in der Wendezeit 1989/90 liegen, wiewohl das damalige Anliegen auch heute noch aktuell ist. So werden einige laborexperimentell gewonnene Parameter der drei Arten – vor allem zur Reproduktion, Embryonal- und Juvenilentwicklung – ver- gleichend aufbereitet, um in biologischen Eigenschaften von crassipes, lineatus und nigromaculatus weitere Belege für gemeinsame bzw. trennende Merkmale zu finden, die zum einen die Ökologie der Arten genauer erklären, zum anderen auch weitere Argumente für den Artenschutz liefern. 2 Material und Methode 2.1 Fang und Haltung Die vergleichenden Untersuchungen an drei Stenobothrus-Arten (S. crassipes, S. lineatus, S. nigromaculatus – im weiteren Text meist nur Artname oder -kürzel genannt) liefen über eine Gewächshaus-Generation (F1) von Juli 1989 bis Au- gust 1990, nur bei crassipes erfolgte eine Weiterzucht aus Ootheken (nach 18 Monaten Kühle) in einer 2. Generation (F2) bis August 1992. Die Ende Juli 1989 eingetragenen Grashüpfer wurden nach Arten getrennt in drei große Zuchtkäfige (L37 x B37 x H46 cm) mit seitlichen Eingriffen gebracht, zusammen mit Blättern einer geschnittenen und in Wassergläsern frisch gehaltenen Futtergrasmischung aus dem ökologischen Versuchsgarten (Dactylis, Festuca, Arrhenatherum, Poa), ein bis zwei Ablageschalen (mit feingesiebter und feuchtgehaltener Gartenerde/ Sand-Mischung) und einem Anzucht-Grastopf (handelsübliche Rasenmischung) ebenfalls zur Ablage (Tab. 1). Nach etwa einem Monat endete am 22.08.89 die Imaginalhaltung, die toten und überlebenden Tiere wurden in Äthylalkohol kon- serviert und die Weibchen zur Feststellung ihrer Ovariolenzahl seziert. Die am selben Tag aus den Gräsern und Schalen ausgelesenen Ootheken (Tab. 1) sind gesäubert, jeweils 15-20 davon mit einer technischen Schieblehre vermessen, weiter feucht gehalten, am 25.08. je Art auf drei Versuche aufgeteilt und zu- nächst noch in Wärme (Gewächshaus) gehalten worden. In zwei Petrischalen (auf feuchter Filterpapiereinlage) kamen Gelege für Experimente zum Eiwasser- haushalt und Schlupf (cra – 16+15, lin – 11+9, nig – 8+5 Ootheken), die am 25.09. begannen (vgl. Kap. 2.2). Weitere Gelege in Erdschalen (cra – 17, lin – 10, nig – 5) kamen am 19.09. zum Überwintern in einen Kühlschrank (Ø 7 °C, 6- 8 °C im Tagesgang) für einen späteren Schlupf und zur Weiterzucht (vgl. Kap. 2.3). Tab. 1: Herkunft und Zuchtmaterial der drei untersuchten Stenobothrus-Arten. Art Herkunft Fangdatum Tiermaterial Ootheken crassipes Schloßberg / 24.07.1989 14 (cid:386) (12 adult) 49 Kyffhäuser 11 (cid:387) (5 adult) lineatus Sonnenberge / Jena 26.07.1989 8 (cid:386), 5 (cid:387) (alle ad.) 30 nigromaculatus Sonnenberge / Jena 26.07.1989 7 (cid:386), 7 (cid:387) (alle ad.) 18 ARTICULATA24 (1/2) [15.08.2009] 33 2.2 Eiwasserhaushalt und Schlupf Die für die Eigewinnung vorgesehenen Ootheken der drei Arten wurden nach kurzem Einweichen vorsichtig zerpflückt und dabei die Eizahlen pro Oothek fest- gestellt. Die von anhaftender Schaummasse gereinigten Eier wurden auf Filter- papier angetrocknet (Schale färbt sich hell), mit einem Okularmikrometer (12,5x) unter dem Stereomikroskop vermessen und anschließend mit einer Spiralfeder- waage (Wägebereich 15 mg, Wägegenauigkeit 0,02 mg) einzeln gewogen. Die Eier je Art und Oothek sind in drei Diapause-Ansätze aufgeteilt worden, von denen zwei in Postdiapause-Ansätzen weiterverwendet wurden (Tab. 2, vgl. Tab. 7). Die Eier unter 7 °C/75% rL (Ansatz I) trockneten stark aus, wurden letzt- lich zur Bestimmung von Trockenmasse und Wassergehalt verwendet (siehe un- ten) und danach verworfen. Die Eier unter 7 °C/100% rL (II) sind in einem unmit- telbar nachfolgenden Ansatz in einem Brutschrank unter konstant 25 °C/ Kontaktwasser (V), jene unter 7 °C/Kontaktwasser unter 25 °C/100% rL weiter- verwendet worden. Je Art und Ansatz wurde eine kleine Glaspetrischale (Durch- messer 6 cm, ohne Deckel) mit fein gesiebtem, trockenem Sand gefüllt, und da- hinein wurden jeweils 20(10) Eier in 4(2) Fünferreihen leicht eingedrückt (um nicht wegzurollen), so dass jedes Ei in der Reihenfolge einer Nummer 1-(10)20 zugeordnet und so über die gesamte Zeit individuell gewogen werden konnte. Für die drei Ansätze wurden zusammen 150 Eier verwendet (Tab. 2, fette Zah- len). Tab. 2: Experimente zum Eiwasserhaushalt der drei Stenobothrus-Arten. Dp – Dia- pause, Kw – Kontaktwasser, Pdp – Postdiapause (gemeint als Zeit nach der Kühlephase). Eier von II in V und von III in IV weiterverwendet; rL – relative Luftfeuchte; Fett – zu Beginn eingesetzte Eier. Ansatz Zeitraum Tage Eizahl je Art crassipes lineatus nigromaculatus I. Dp/7 °C/75% rL 26.09.-31.10.1989 36 20 20 10 II. Dp/7 °C/100% rL 26.09.-21.11. 57 20 20 10 III. Dp/7 °C/Kw 26.09.-21.11. 57 20 20 10 IV. Pdp/25 °C/100% rL 24.11.-04.12. 11 20 19 8 V. Pdp/25 °C/Kw 24.11.-04.12.1989 11 20 20 10 Die kleine Schale eines jeden Ansatzes kam in eine mit Filterpapier (zur indirek- ten Befeuchtung, für 100% rL) ausgelegte mittlere Petrischale (Durchmesser 11 cm, mit Deckel). Die 75%-Charge wurde völlig trocken (Sand und Filterpa- pier), die 100%-Charge über regelmäßig angefeuchtetem Filterpapier (um die trockene Sandschale) und die Kontaktwasser(Kw)-Charge auf angefeuchtetem Sand gehalten. Im Kühlschrank zeichnete ein Thermohygrograph die Tagesgän- ge von Temperatur (Ø 7 °C, 6-8 °C) und relativer Luftfeuchte (Ø 75%, 70-80%) auf. Die Eier der Diapause-Ansätze wurden alle 3 (75%) bzw. 7 Tage (100% und Kw) gewogen. Nach 5 Wochen wurde der 75%-Ansatz beendet und die Eier sind anschließend im Trockenschrank noch 9 h bei 80 °C getrocknet und hinterher erneut gewogen werden, um die Trockenmasse der frisch abgelegten Eier und den Wassergehalt zu Versuchsbeginn am Ende der Prädiapause (Anfangsmasse 34 [15.08.2009] ARTICULATA 24 (1/2) minus Trockenmasse) zu ermitteln. Nach 8 Wochen wechselten die Eier der bei- den anderen Ansätze in zwei weiterlaufende Postdiapause-Experimente (konst. 25 °C), in denen sie alle zwei bis drei Tage bis zum Schlupfbeginn der jeweiligen Charge nach 10-15 Tagen gewogen wurden. Die in den Petrischalen geschlüpf- ten Larven der drei Arten wurden in 70%igem Äthylalkohol konserviert. 2.3 Juvenil/Imaginalentwicklung bis zur erneuten Eiablage Die über 8,5 Monate im Kühlschrank (Ø 7 °C) gehaltenen Ootheken aller drei Arten in den Erdschalen wurden am 08.06.1990 in die Wärme eines Gewächs- hauses (Ø 20-22 °C) gestellt, woraufhin bis Ende Juni der Larvenschlupf erfolgte. Die weitere Juvenilentwicklung in den Käfigen erstreckte sich bis Anfang August und am 07.08. wurden (wegen Urlaubs) die Zuchten von lineatus und nigromacu- latus beendet. Nur crassipes blieb bis zur Eiablage weiter in Zucht und die am 31.08. noch lebenden Imagines wurden danach konserviert. Die 16 crassipes- Ootheken blieben (in Erdschalen) bis 04.10.90 in Wärme und danach bis zum 24.04.1992 in (überlanger) Kühle (7 °C). Die F2 schlüpfte Mitte Mai 1992, wurde bis zur erneuten Eiablage im Juli gehalten und die Zucht am 20.07.92 endgültig aufgelöst. 2.4 Morphometrie und Flügeldimorphismus bei S. crassipes Die ab 31.08.1990 in 70%igem Äthylalkohol konservierten mikropteren (3 (cid:386), 12 (cid:387)) und makropteren (4 (cid:386), 3 (cid:387)) Resttiere der Zucht wurden am 23.-25.02. 2009 mittels Okularmikrometer unter dem Stereomikroskop vermessen und die Teilstriche in mm umgerechnet (Pronotum, rechter Tegmen und rechter Postfe- mur – Vergrößerung bei (cid:386) 8x, (cid:387) 12,5x; Schrillleiste (cid:386)(cid:18)(cid:387) 31x; Schrillzäpfchen (cid:386)(cid:18)(cid:387) 50x). Die Weibchen wurden noch auf den Reifezustand der Ovariolen untersucht. Alle Tiere beider Geschlechter wurden anschließend genadelt und (zusammen mit den aufgeklebten rechten Postfemora) trocken präpariert. Für die Flügelskiz- zen sind die jeweils rechten Tegmina einzelner mikropterer und makropterer Männchen und Weibchen aufgeklebt und mit einen Kopierer hochvergrößert worden; die Aderung musste aber letztlich unter dem Stereomikroskop verfeinert werden. 3 Ergebnisse 3.1 Ablageorte Die Weibchen der drei Stenobothrus-Arten klebten ihre Ootheken zumeist zwi- schen engstehende Grasblätter, bevorzugt ± dicht an der Bodenoberfläche bzw. unten (über dem Wasserspiegel) zwischen die Futtergräser (im Freiland vielleicht in Grasbülten). Dies betraf bei allen drei Arten drei Viertel (76-83%) der Gelege, während nur ein Viertel (17-24%) der Eipakete in die Erde abgelegt bzw. am Kä- figboden abgesetzt wurde (Tab. 3). Dagegen klebten die crassipes-Weibchen in der F2 nur ein Drittel der Gelege zwischen Dactylis-Blätter, während sich die meisten am Käfigbodenrand fanden. Die Ablagepräferenz zwischen Gräser schien bei nigromaculatus insofern am ausgeprägtesten zu sein, als bei dieser Art überhaupt kein Gelege in die Erde verbracht wurde (Tab. 3). Ungeachtet dessen schlüpften bei allen drei Arten die Larven problemlos auch aus oberfläch- lich eingegrabenen Ootheken, wie es für deren mehrmonatige Haltung günstig ist. ARTICULATA24 (1/2) [15.08.2009] 35 Tab. 3: Ablageplätze von Ootheken der drei Stenobothrus-Arten bei Käfighaltung. Art n Auf Käfigboden, In Erde Zwischen an Käfigwand Grasblättern crassipes, F1 49 9 3 37 (76%) lineatus 30 - 7 23 (77%) nigromaculatus 18 3 - 15 (83%) crassipes, F2 32 20 keine Erde angeboten 12 (38%) 3.2 Reproduktionspotential Die Größe der Ootheken nahm in der Reihenfolge cra – lin – nig stufenweise zu, wenn sich die Arten auch in einzelnen besonders großen bzw. kleinen Eipaketen überlappten (Tab. 4). Die Gelegezahl pro Weibchen lag nach knapp einmonati- ger Haltung bei lineatus mit 5,5 deutlich über jener bei crassipes mit 3,6 und nig- romaculatus mit 3,3 (Tab. 4), was möglicherweise einem phänologischen Reife- vorsprung geschuldet war (vgl. Kap. 3.6). In allen anderen Parametern war das Reproduktionspotential von crassipes gegenüber lineatus und nigromaculatus deutlich niedriger (Tab. 4). So betrug die mittlere Ovariolenzahl bei crassipes 2+2, dagegen bei lineatus 4+3 und bei nigromaculatus 4+4, wobei diese die mögliche Eizahl/Oothek vorgibt. Deren tatsächlicher Wert blieb noch etwas nied- riger und nahm ebenfalls in der Folge cra (3,3) – lin (4,6) – nig (7,2) zu. Dement- sprechend war auch die versuchsbedingte Eizahl/Weibchen bei crassipes mit etwa 12 um die Hälfte niedriger als bei lineatus mit 25 und nigromaculatus mit 24 (Tab. 4). Bei crassipes traten in der F2 sogar leere Ootheken auf, während sich in zwei vollständigen Gelegen jeweils 4 (vertrocknete) Eier fanden. Tab. 4: Reproduktionsparameter der drei Stenobothrus-Arten im Vergleich. Oothe- kenmaße (L – Länge, B – Breite), Ovariolenzahl und mittlere Eizahl/Oothek als Median (Min – Max). Ovariolenzahl bei lineatus und nigromaculatus mit zusätzlichen Tieren. Art Oothekenmaße Ootheken/(cid:386) Ovariolen/(cid:386) Eizahl/Oothek Eizahl/(cid:386) (mm) crassipes(F1) L 7,0 (5,7-10,3) 3,6 4 (3-5) 3/4 (2-4), 1x6 11,9 B 3,6 (3,0-4,2) [nach 29 Tagen] [n=19] Mittel 3,3 [n=20] [n = 34] lineatus L 8,8 (7,2-11,2) 5,5 7 (5-9) 5 (3-6), 1x1 25,3 B 4,0 (3,9-6,2) [nach 27 Tagen] [n=44] Mittel 4,6 [n=20] [n = 18] nigromaculatus L 9,4 (7,4-12,8) 3,3 8 (6-9) 7 (4-12) 23,8 B 4,9 (3,8-5,8) [nach 27 Tagen] [n=32] Mittel 7,2 [n=15] [n = 12] crassipes(F2) Keine Werte 5,3 Keine Werte 0-4 Keine Werte [nach 32 Tagen] 36 [15.08.2009] ARTICULATA 24 (1/2) 3.3 Eigenschaften der Eier In den mit Grasblattstückchen (nach Ablage zwischen Futtergräser) oder Erdpar- tikeln (in Oberboden) beklebten Ootheken der drei Stenobothrus-Arten standen die Eier eng aneinander ± senkrecht am Grunde, darüber befand sich ein Schaumpfropf von etwa einem Drittel der Gelegehöhe. Es hatte crassipes die kleineren Eier, während sie bei lineatus und nigromaculatus etwa gleichgroß wa- ren, mit bei allen Arten erheblicher Variationsbreite (Tab. 5). Dementsprechend betrug die mittlere Eitrockenmasse bei crassipes reichlich 1 mg, bei lineatus und nigromaculatus mit jeweils reichlich 2 mg aber das Doppelte, und wiederum er- heblichen Unterschieden zwischen den Eiern bei Standardabweichungen von ±7-15% von der mittleren Eitrockenmasse (Tab. 5). Der Ansatz Diapause/7 °C/ 75% rL (vgl. Tab. 6) soll beispielhaft zeigen, dass die punktuellen Eifrischmassen – auch durch die unterschiedlichen Wasserverluste – noch etwas variabler sind, hier mit Standardabweichungen von ±12-15%. Bei den drei Arten ist der hintere Eipol (Hydropyle) kappenartig dunkelbraun ge- färbt und die Eier weisen vor der Spitze einen leichten Knick auf. Das für alle Acridoidea typische einfache Band aus Micropylarporen erscheint als eine mittel- bis dunkelbraune Reihe aus einer unterschiedlichen Porenzahl (Tab. 5). Neben der Eimasse unterschieden sich die Eier der drei Arten auch in ihrer Farbe und Struktur. Während das trockene Chorion bei crassipes und lineatus grau bis graubraun gefärbt war, erschienen trockene Eier von nigromaculatus viel heller und fast weiß (Tab. 5). Tab. 5: Vergleich von Parametern und Eigenschaften der Eier (außen trocken, zu Be- ginn der Blastokinese) von drei Stenobothrus-Arten. Maße: L – Länge, B – Breite (Durchmesser) bei 12,5x Vergr.; jeweils Median (min-max). Chorionstruktur bei 50x Vergr. Aufnahme: 27.09.1989. Art Maße Trocken- Chorion- Chorionstruktur Mikropylar- [mm] masse [mg] farbe poren crassipes L 3,7(3,3-4,2) 1,08±0,16 hellgrau fast glatt, fein ca. 35-40 B 1,1(1,0-1,2) [n=20] längsrinnig, vor [n=20] hinterem Eipol (Micropylarende) leicht warzig lineatus L 4,9(4,4-5,3) 2,08±0,22 Mittelgrau, vorn und hinten ca. 45-50 B 1,3(1,1-1,4) [n=20] graubraun, grob 5-eckig [n=20] bräunlich gefeldert, in der Mitte verwischt. Hier kleine, unre- gelmäßige Quer- furchen nigromaculatus L 5,0(4,6-5,7) 2,07±0,15 Grauweiß, fast glatt, nur ca. 50 B 1,3(1,1-1,4) [n=10] gelblichweiß hinterer Eipol [n=20] bis fast weiß gepunktet ARTICULATA24 (1/2) [15.08.2009] 37 3.4 Wasserhaushalt der Eier Der Wassergehalt der Eier, festgestellt nach ständiger Wasserverfügbarkeit am Ende der Prädiapause, war mit 66-68% bei den drei Arten gleich (Tab. 6). Umso bemerkenswerter fielen die Tendenzdifferenzen zwischen den Arten bei unter- schiedlicher Feuchte während der Diapause auf. Unter einmonatiger Kühle (7 °C) und 75% rL verloren Eier von crassipes mit 21,4% am meisten, jene von nigro- maculatus mit 10,7% anteilig am wenigsten Wasser (Tab. 6 und 7). Ökologisch gesehen würden damit crassipes-Eier am empfindlichsten auf einen trockenen Herbst/Winter reagieren. Dies kehrte sich bei längerer Kühle und 100% rL teil- weise um, mit hier etwas höheren Wasserverlusten bei nigromaculatus. Bei Küh- le und Kontaktwasser (entsprechend einem nassen Herbst/Winter) nahm crassi- pes nach einem Monat mit 11,3% etwa das Doppelte an Wasser (bezogen auf die Eistartmasse), nach zwei Monaten noch ein Drittel mehr als die beiden ande- ren Arten auf (Tab. 7). Auch nach einer "Überwinterung" unterschieden sich die Eier von crassipes in ihrem Wasserhaushalt während der Postdiapause in Wärme (25 °C) von denen der beiden anderen Arten. Bei ständiger Wasserverfügbarkeit (entsprechend ei- nem nassem Frühling) nahm crassipes nach 8 Tagen mit 5,0% anteilig nur etwa die Hälfte der Wassermenge der zwei anderen Arten auf, während 100% rL die Eier aller drei Arten gut tolerierten und dabei kaum Wasser verloren (Tab. 7). Über den hier untersuchten Teil der Embryonalentwicklung gesehen zeigten die Messungen, dass die Eier von crassipes in der embryonalen Mittelphase (d.h. während der Diapause im Herbst/Winter) anteilig das meiste Wasser verloren. Und in der Postdiapausephase (d.h. im Frühling, vor Schlupf) nahmen die Eier von lineatus und nigromaculatus das meiste Wasser auf, was für den Fall eine obligatorischen Aufnahme für eine geringere Trockenheitstoleranz spräche. Tab. 6: Verringerung der Frischmassen (mg) von Eiern (Mittelwert ± Standardabwei- chung) der drei Stenobothrus-Arten über einen Monat unter Diapause/7 °C/ 75% rL. Tag crassipes lineatus nigromaculatus (n=20) (n=20) (n=10) 1 3,37±0,53 6,45±0,82 6,18±0,87 3 3,33±0,49 6,33±0,79 6,15±0,87 5 3,28±0,48 6,27±0,77 6,10±0,87 8 3,26±0,46 6,22±0,76 6,09±0,88 11 3,22±0,44 6,16±0,76 6,03±0,87 15 3,18±0,42 6,07±0,76 5,97±0,87 18 3,13±0,42 6,02±0,75 5,95±0,88 28 3,01±0,44 5,88±0,73 5,84±0,89 31 2,88±0,49 5,72±0,71 5,74±0,89 Ø Wasserverlust 21,4% 16,7% 10,7% Trockenmasse 1,08±0,16 mg 2,08±0,22 2,07±0,15 Ø Wassermasse (Tag 1) 2,29 mg 4,37 mg 4,11 mg Ø Wasseranteil (Tag 1) 68,0% 67,8% 66,5% 38 [15.08.2009] ARTICULATA 24 (1/2) Tab. 7: Mittlerer anteilige(r) Eiwasserverlust und -aufnahme (bezogen auf Eistartmas- sen) bei drei Stenobothrus-Arten unter verschiedenen Haltungsbedingungen. Eizahl je Art und Ansatz siehe Tab. 2. Dp – Diapause, Kw – Kontaktwasser, Wa – Wasseraufnahme, Wv – Wasserverlust. Fett – abweichend im Artver- gleich. Eier von II in V, und von III in IV weiterverwendet. Haltung / Art crassipes lineatus nigromacul. Ökol. Relevanz Herbst/Winter I. Dp/7 °C/75% rL trocken Wv, nach 1 Monat -21,4% -16,7% -10,7% Herbst/Winter II. Dp/7 °C/100% rL normal Wv, nach 1 Monat -0,02% -<0,01% -4,7% Wv, nach 2 Monaten -6,6% -3,7% -11,2% IV. Postdp/25 °C/Kw Frühjahr nass Wa, nach 8 Tagen (dann +5,0% +11,2% +12,7% teils Schlupfbeginn) Herbst/Winter III. Dp/7 °C/Kw nass Wa, nach 1 Monat +11,3% +5,0% +5,4% Wa, nach 2 Monaten +14,6% +9,9% +10,8% IV. Postdp/25 °C/100% rL Frühjahr normal Wv, nach 8 Tagen (dann -0,01% -1,5% -0,01% teils Schlupfbeginn) Abb. 1: Variabler Wasserhaushalt über 2,5 Monate (Diapause- und Postdiapause) anhand der Masseveränderungen bei großen und kleinen Einzeleiern von Stenobothrus lineatus und S. crassipes. ARTICULATA24 (1/2) [15.08.2009] 39 Unabhängig von Größe und Masse war die dynamische Wasserbilanz der Eier (% der Ausgangsmasse) dieser drei Arten zwar tendenziell ähnlich, aber indivi- duell recht verschieden voneinander und vom Populationsmittel, wie das Beispiel jeweils zweier unterschiedlich schwerer Eier von crassipes und lineatus in der Diapause und Postdiapause bis zum Schlupf zeigt (Abb. 1). Während der zwei- monatigen Kühlephase kam es bei diesen Eiern zu einem nur geringfügigen Wasserverlust, der bei 3% und 6% bei crassipes und zweimal 4% bei lineatus lag. Nach dem Warmstellen (von 7 °C abrupt auf 25 °C und Kontaktwasser) wur- de in den ersten drei Tagen sehr viel Wasser aufgenommen, mit immerhin 28% und 40% bei crassipes und 23% und 30% bei lineatus. In der Postdiapause- phase nahm die Eimasse sukzessive weiter zu und bei maximaler Wasserauf- nahme entsprach dies 40% und 41% bei crassipes sowie 35% und 47% bei lineatus. Unabhängig von den Unterschieden im Wasserhaushalt schlüpften aus allen vier Eiern Junglarven, und im Falle des schwereren Eies von lineatus kam es zuvor noch zu einem Wasserverlust (Abb. 1). 3.5 Diapause, Embryonalentwicklung und Schlupf Der Schlupf aus den vereinzelten Eiern (auf Sand) in den beiden Postdiapause- Ansätzen im Wärmeschrank bei konstant 25 °C (100% rL und Kontaktwasser) setzte nach 10(-15) Tagen ein und verteilte sich bei den drei Arten über 8 Tage ohne klare Höhepunkte. Es wurde aber deutlich, dass direkte Wasserverfügbar- keit den Schlupf offenbar etwas beschleunigte und er eher einsetzte (Tab. 8). Der reale Schlupfanteil (nur Eier mit Embryonen einbezogen) in beiden rL- Chargen – bei crassipes 50% und 89%, lineatus 89% und 100% und nigromacu- latus 90% und 60% – zeigte keine Tendenzen. Bei allen drei Arten fanden sich auch nach zwei Monaten Kühle noch Eier, für welche diese Kühlephase offenbar nicht lang genug war, um die Diapause zu brechen. In solchen Eiern befanden sich die Embryonen noch in der beginnenden Keimumrollung (SA, Späte Ana- trepsis), ohne sich weiterentwickelt zu haben. Vor allem crassipes schien hiervon betroffen zu sein (Tab. 8). Tab. 8: Schlupf aus Einzeleiern am Ende zweier Postdiapause-Experimente zum Wasserhaushalt. Resteier: ub – unbefruchtet, MA – Mittlere Anatrepsis, SA – Späte Anatrepsis, vS – vor Schlupf. Experiment Eizahl Tag in Wärme Resteier Art 10 11 12 15 17 Postdiapause/25 °C/100% rL crassipes 20 - - - 4 3 10 SA, 3 vS lineatus 20 2 - 4 3 5 1 ub, 1 MA, 1 SA, 3 vS nigromaculatus 10 3 1 2 2 1 1 SA Postdiapause/25 °C/Kontaktwasser crassipes 20 4 4 3 2 - 1 ub, 2 SA, 4 vS lineatus 20 3 1 3 3 1 7 vS, 2 zerstört nigromaculatus 8 1 - - - - 3 ub, 1 MA, 1 SA, 2 vS 40 [15.08.2009] ARTICULATA 24 (1/2)

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.