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Zur Geschichte der Arachnologie in Österreich 1758-1955 PDF

25 Pages·2003·2.3 MB·German
by  ThalerKonrad
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Preview Zur Geschichte der Arachnologie in Österreich 1758-1955

© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Denisia | 8 | 139-163 | 1. September 2003 Zur Geschichte der Arachnologie in Österreich 1758-1955 Konrad THALER & Jürgen GRUBER Abstract: Reflections on arachnological research in Austria 1758-1955. - Arachnological studies started in Austria in the 18th century, inspired by LINNAEUS' ,JDecima", and were first promoted by entomologists, PODA (1761), SCOPOLI (1763) and SCHRANK (1781). In the period from 1800 to 1860 arachnological activities are poorly documented, as they largely remained unpublished. Main promotors were active at the Natural History Museum in Vienna, von SCHREIBERS (1775-1852) and V. K.OLXAR (1797-1860); early reports based on the museum collection were authored by ROSSI (1846), DOLESCHALL (1852) and DOBLIKA (1853); some coloured illustrations showing species described by DOLESCHALL recently have been discovered in the museum's archives. The period up to 1900, BONNET'S „Golden Age of arachnology", is represented in Austria mainly by A. AUSSERER (1843- 1889), his main contributions were on the arachnids of Tyrol and the revision of mygalomorph spiders. Further regional studies came from L. KOCH (Nuremberg) and W. KULCZYNSKI (Krakow). In the first half of the 20th century, main authors focussed on spiders (REIMOSER 1864-1940), scorpions and pedipalpi (WERNER 1867-1939), false scorpions (M. BEIER 1903-1979) and on harvest-spiders (H. STIPPERGER, 1903-2001). Early faunistic research in the area was summarised at least to a certain degree in 1954 by H. FRANZ (1908-2002) & H. WIEHLE (1884-1966), and in 1955 in „Catalogus Faunae Austriae" by K.RITSCHER. Keywords: Arachnological studies in Austria, history of arachnological research 1. Einleitung Die Zahl der Arachnologen in Österreich war stets klein. So haben die Fortschritte der Arachnologie in Mitteleuropa, besonders in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Schweden, die Fortschritte der „speziellen Zoologen" dieser Disziplin in Österreich stark beeinflusst. Für Pseudoskorpione waren allerdings die Arbeiten von Prof. Beier weltweit prägend. Arachnologische Fragestellungen, in der Frühzeit der wissenschaftlichen Systematik noch ein Teilgebiet der Entomologie, wurden erst seit 1800 in zunehmendem Maße Gegenstand einer eigenen Disziplin (VACHON 1970). Nur wenige dieser „alten Schriften" sind noch heute zugänglich. Auch ist der Weg zu den Quellen („adfontes") neben der drängenden Verpflichtung zur Kenntnis der aktuellen Befunde nicht unbedingt nahe liegend. Wir hoffen, dass dieser Rückblick auf die arachnologische Vergangenheit zu einem besseren Verständnis der rezenten Situation beitragen kann. Auch hoffen wir, dass der synergistische. Zusammenhalt zwischen den Fachrichtungen der Arachnologie, Acarologie und Entomologie in Anbetracht der nach wie vor engen thematischen Zusammenhänge weiterhin angestrebt und beibehalten wird (so auch BRIGNOLI 1981). Über das spezielle Thema haben bereits KÜHNELT (1980) - einleitend zum 8. Internationalen Kongress für Arachnologie in Wien - sowie PENTHER (1901) - über die zweite Hälfte des 19. 139 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Jahrhunderts in der Festschrift zum 50-jährigen Bestand der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien - berichtet. Hinweise zu den Forschern der Frühzeit und auf die „Gründerjahre" stehen in der Darstellung der Genese des Naturhistorischen Museums Wien (FITZINGER 1856, 1868a,b, 1880, 1881); ein „geschichtlicher Überblick" auch in den regionalen Darstellungen über Steiermark (KROPF & HORAK 1996) und Nordtirol (THALER 1998). Die zeitliche Gliederung schließt sich der historischen Darstellung von BONNET (1945) an. 2. Geschichte 2.1. Linnaeus und die Folgen 1758-1804 Das chronologische Verzeichnis araneologischer Schriften in ROEWER (1942) spiegelt zugleich die Akzeptanz des „Systema Naturae" LINNAEUS' und der binären Nomenklatur in Mitteleuropa wider. Die Durchsicht bringt die unerwartete Erkenntnis, dass zwei der ersten vier bis zum Jahr 1764 erschienenen Folgewerke aus Österreich kamen! Ein spezielles Entwicklungszentrum in Österreich lässt sich freilich daraus nicht ableiten. Die Faszination des neuen Gegenstandes, die Hinwendung zur subtilen Welt der Entomologie, ist in diesen frühen Arbeiten noch heute spürbar. Die Autoren sind: Nikolaus Poda von Neuhaus (1723-1798): Jnsecta Musei Graecensis" (1761; Nachdruck JUNK 1915) ist ROEWER (1942) zufolge das zweite araneologische Werk in der Methodologie LINNAEUS' nach dem Erscheinungsjahr 1758 der ,JDecima". Wiedergabe von Titelblatt und Tafel 1 in ASPÖCK (1999). Neun Spinnen-Arten werden angeführt, die exquisite Springspinne Philaeus chrysops (Herkunft „ex Carniolia") erinnert noch heute an ihren Entdecker (Abb. 2; nominelle Deutung durch THORELL 1873: 389). Unsere Kenntnis seiner Vita beschränkt sich auf elementare Daten (KREISSL & FRANTZ 1995); die Jnsecta" waren das Ergebnis dreijähriger Sammeltätigkeit in der Umgebung von Graz. An seinen weiteren Wirkungsorten, Schemnitz (= Banska Stiavnica, Slowakei), Wien, Linz und Klagenfurt scheint Poda entomologisch nicht hervorgetreten zu sein. Konkrete Nachrichten über das ,Museum Graecense" sind heute nicht mehr zu eruieren. Johannes Antonius Scopoli (1723-1788): Abb. 9. Die ,JEntomologia carniolica" (Wien 1763; Nachdruck Graz 1972) ist das vierte entomologische Opus „Methodo Linnaeana"; beschrieben und größtenteils neu benannt sind 44 Spinnen-Arten aus Krain, die alle die Namen früher Naturforscher tragen {Jmmortalibus Nominibus Clariss. Virorum, qui observationibus suis Entomologicum Studium locupletarunt, meas species Aranearum ... venerabundus inscribo" - p. 392), ferner 1 Weberknecht und 1 Skorpion. Auf SCOPOLI scheint somit dieses ,jummus honos" in der Namensgebung zurückführbar zu sein (BONNET 1945: 29). Abb. 1-8: 1 Arctosa alpigena (DOLESCHALL) m. (Lycosidae, Piz Lat 13.7.96); 2 Philaeus chrysops (PODA) m. (Salticidae, Zams 12.5.98); 3 Histricostoma dentipalpe (AUSSERER) w. (Nemastomatidae, Umhausen 1.8.93); 4 Dicranopalpus gasteinensis (DOLESCHALL) w. (Phalangiidae, Rotpleißkopf 19.8.95); 5 Leiobunum limbatum L. KOCH, 1861 w. (Phalangiidae, Zirl 8.11.98); 6 Aculepeira carbonaria (L. KOCH. 1869) m. (Araneidae, Ascherhütte 19.8.95); 7 Neobisium dolomiticum BEIER, 1952 (Neobisiidae, Namloser Wetterspitze 31.5.97); 8 Argiope bruennichi (SCOPOLI, 1772) w. (Araneidae, Kranebitten 9.9.91) (Alle Fotos: B. KNOFLACH) 140 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at 141 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Fünf Arten (Agalenatea redü [Araneidae], Metellina merianae [Tetragnathidae], Pirata knorrii (Lycosidae), Harpactea hombergi [Dysderidae], Holocnemus pluchei [Pholcidae]) sind noch heute valide (POLENEC 1978). Die auffälligste von SCOPOLI beschriebene Art, die Wespenspinne Argiope bruennichi (Abb. 8), datiert allerdings aus dem Jahre 1772. An Scopoli erinnert noch eine endemische Amaurobiidae der Südwest-Alpen, Amaurobius scopolii THORELL, 1871. Das öffentliche Wirken von Scopoli ist gut dokumentiert. Als „Tiroler italienischer Zunge" hat er „als beamteter Arzt in Idria, als Lehrkraft der Schemnitzer Bergakademie und schließlich als Professor der Universität Pavia ... die wissenschaftliche Atmosphäre des alten Habsburgerreiches ... in denkwürdiger Weise mitgeformt", als „Erforscher der Natur des Landes Krain, Bahnbrecher der sozialmedizinischen Fürsorge" und „mit... Poda ... [als] erster und bedeutendster Vertreter Linne's und seiner epochemachenden systematischen Schule in Österreich ..." (GUGLIA 1972; siehe auch BAKER 1999). Frühe arachnologische Aktivitäten lassen sich auch für Wien und Innsbruck anführen. Franciscus de Paula Schrank (Vita: ZIMMERMANN 1981) nennt in seinem Verzeichnis der Insekten Österreichs, ,J?numeratio Insectorum Austriae indigenorum" (Klett & Franck, Augustae Vindelicorum [Augsburg] 1781), fast durchwegs ohne Angabe des Fundortes einen Pseudoskorpion, zwei Weberknechte und 22 Spinnen-Arten (allerdings nicht aus den Alpen: „Alpes non ipse vidi; hinc pauca tantum inde delata insecta describo", p. 2). Seine Neubeschreibung einer Springspinne, Aranea goezenii aus dem „Pratter, frequens in arbustis", gilt als Synonym von Evarcha arcuata (CLERCK, 1757). Beachtenswert sind die Mitteilungen über ein Vorkommen von Zitterspinnen in Wien und das Auftreten „adventiver" Skorpione: 1103. Aranea Opilionoides, Weberknechtartige Spinne. Die nur einmal, aber in Anzahl angetroffene Art galt Schrank als eindeutiger Indikator für ungesunde Räumlichkeiten ohne Durchlüftung: ,JVumquam mihi visa Species, praeterquam Viennae in cubiculo humido, nee aurae pervio, at ibi copiosa. Hinc forte insalubritatis cubiculorum Signum ..." 1113. Scorpio Europaeus ... „Tergesti, innoeuus ibidem. Saepe cistas mercatorum intrat, & cum mereibus inde allatis mediterranea penetrat" (... Triest, dort harmlos. Er dringt oft in die Kisten der Kaufleute ein und gelangt mit von dort versandten Waren in das Binnenland). Johann Nepomuk Edler von Laicharting (1754-1797, Abb. 10), von 1793 bis zu seinem Tod Professor für „Spezielle Naturgeschichte" an der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck (JANETSCHEK 1969) und Pionier der Tiroler Entomologie, begann den 1. Band seines Werkes „Verzeichniß und Beschreibung der Tyroler Insecten" (Füeßly, Zürich 1781) mit einem „Vorbericht" über „Benennung und Bestimmung der [10] Ordnungen". In diesem sind die alten „Aptera" aufgelöst in drei Gruppen, VIII. Cancroides, IX. Aranoides „Spinnenartige Insecten", X. Oniscoides; die Spinnentiere wurden somit als selbständige Ordnung vorgeschlagen. Seine weiteren Ausführungen beschränken sich allerdings auf die Käfer, ohne auf die Großglicderung weiter einzugehen. Aus dieser Zeit ist auch ein reger Handel mit Skorpionen zu medizinischen Zwecken bezeugt (HERBST 1800): „Die Tyroler Landleute bringen sie häufig zum Verkauf in die Apotheken, und kommen damit sogar bisweilen nach Berlin; ich sähe sie ohne Scheu mit den Fingern zwischen ihnen herumgreifen, und diejenigen heraussuchen, die ich haben wollte ..." (p. 26), 142 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 9-14: 9 J.A. SCOPOLI (1723-1788; aus BONNET 1945); 10 J.N. Edler von LAICHARTING (1754-1797; aus JANETSCHEK 1969); 11 C.F.A. Ritter von SCHREIBERS (1775-1852; aus SCHOLLER 1953); 12 V. KOLLAR (1797- 1860, aus HANDLIRSCH & WETTSTErN 1901); 13 A. AUSSERER (1843-1889, aus BONNET 1945); 14 L. KOCH (1825-1908; aus BONNET 1945) „... es ist nicht zu vermuthcn, dass dieser Skorpion [i.e. Scorpio italicus] nur ein mehr ausgewachsener von jener Art [i.e. S. germanicus] sey, da bisweilen Tyrolcr hierher kommen, und grosse Schachteln voll lebendiger Skorpionen zum Verkauf bringen ..." (p. 70). 143 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at 2.2. Gründerjahre 1804-1860 Den Beginn dieser Periode markiert die erste Aufgliederung der alten Sammelgattung Araneus durch WALCKENAER und LATREILLE (BONNET 1945). In diesem Zeitraum erschien in Deutschland das große Tafelwerk von HAHN & C.L. KOCH. Die zu dieser Zeit in Österreich vorhandene arachnologische Aktivität ist selbst den Arachnologen weitgehend unbekannt und nicht ohne Tragik, sie lässt sich heute nur mehr andeutungsweise erschließen. Sie wurde getragen vom langjährigen Direktor des „Hof-Naturalien-Cabinets" in Wien, von Schreibers, und von dessen Mitarbeiter und Nachfolger als Leiter der Zoologischen Abteilung, V. Kollar. Die beiden geplanten Monographien über die „Lungenathmenden" und die „Trachealarachniden" blieben unveröffentlicht. Frühe Sammelaktivitäten in Dalmatien sind CARRARA (1846) zu entnehmen, u. a.: „II dottor de Portenschlag e l'Held, ehe nel 1817 aecompagnarono nel suo viaggio l'imperatore Francesco I, riportarono per i musei di Vienna molti insetti preziosi". Carl Franz Anton Ritter von Schreibers (H75-1852): Abb. 11. Geb. in Preßburg/Bratislava, Abschluss des Medizinstudiums in Wien 1798, anschließend Bildungsreise in die Lombardei, nach Deutschland, England, Frankreich; seit 1801 Supplent an der Lehrkanzel „für Naturgeschichte und Landwirtschaftslehre" der Universität Wien (mit Verbindung u. a. zu Cuvier und Lamarck); 1806-1851 Direktor des „Vereinigten Naturalien- Cabinets". Schreibers hat das Naturhistorische Museum zu einem „wissenschaftlichen Institut ersten Ranges" geführt (SCHOLLER 1953): durch Schaffung günstiger räumlicher Verhältnisse, den Aufbau von Fachbibliotheken und der Sammlungen (von der Brasilianischen Expedition 1817-1835 allerdings nur wenige Arachnida, ca. 60 Arten: Isis 1833 [4]: 308), durch Kontakt mit Fachleuten und die Auswahl des Personals. Er wird als ein „Universalgelehrter von großem Format" ... mit „leidenschaftlicher Vorliebe für die Zoologie" beschrieben. Sein Interesse für die Spinnenkunde ist früh verbürgt: „Auch bey der Naturgeschichte der Spinnen habe ich die freundschaftliche Unterstützung des Herrn von Schreiber [sie] in Wien zu hoffen, der schon sehr viele Arten erzogen und sie nach jedesmaliger Häutung abgebildet hat" (HERBST, in LICHTENSTEIN & HERBST 1797: vi). HERBST (1800) erwähnt weiters Schreibers' Beobachtungen über Brutpflege (nach Exemplaren aus der Steiermark, p. 18), Giftwirkung (p. 24) und den „Selbstmord" der Skorpione (p. 22): „Die alte Sage, dass die Skorpionen sich selbst tödten, wenn sie zwischen einem Kreis von glühenden Kohlen gelegt werden, ist durch neuere Versuche hinreichend widerlegt" (auch ^VACHON 1963). Der erste Band des großen Tafelwcrkes der „Arachniden" (HAHN 1831) ist Schreibers gewidmet, „dem ausgezeichneten Beobachter und Kenner der Arachniden ... aus wahrer Verehrung und Hochachtung". Bei SCHOLLER (1953) finden wir weitere Hinweise, auf eine von Schreibers 1811 begründete Spinnen-„Spezialsammlung" (p. 36) samt Monographie (mit umfangreichem Bildmaterial, 215 Blätter über 158 Species, p. 42; ebenso FiTZfNGER 1868a: 1.063, der Künstler: Bernhard von Schrötter). Doch ist diese Arbeit (mit anderen; Isis 1833 [4]: 379) nicht zum Druck gelangt: Schreibers1 „große Gewissenhaftigkeit ... war ... in den späteren Mannesjahren zu einer ... selbstquälerischen Skrupulosität entartet, die ihn immer wieder an der Vollständigkeit seiner Arbeiten zweifeln ließ". Bei der Beschießung des aufständischen Wien im Revolutionsjahr 1848 verbrannten alle diese Unterlagen in Schreibers' Amtswohnung 144 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at zusammen mit seiner privaten Bibliothek und dem Briefwechsel (SCHOLLER 1953, MARSCHALL 1852, BLÖ 1876). So erinnern an Schreibers in der Araneölogie nur eine mittelamerikanische Radnetzspinne, Micrathena schreibersü (PERTY, 1833) und zwei obsolete Synonyme, Epeira schreibersii HAHN, 1834 (= Araneus circe SAVIGNY et AUDOUFN, 1825; Araneidae) sowie Uptiotes anceps schreberi WALCKENAER, 1837 (= U. paradoxus (C.L. KOCH, 1837); Uloboridae), beschrieben nach der an Walckenaer übersandten Abbildung eines Exemplars aus der Umgebung von Wien. Vinzenz Kollar (1797-1860): Abb. 12. Geb. in Kranowitz/Kranowice, Studium der Medizin in Wien und Curriculum am Naturhistorischen Museum; Eintritt in das „Naturaliencabinet" 1817 zunächst als Volontär; 1818 Praktikant, 1835 Kustos, nach dem Ausscheiden Schreibers' 1851 bis zu seinem Tod „Oberleitung" der Zool. Abteilung. Kollar erscheint uns vor allem als vielseitiger und versierter Entomologe, mit Erfahrung auch bei „angewandten Problemen" (KOLLAR 1837, auf p. 56 wird die Bisswirkung eines Dornfingers erwähnt, Cheiracanthium sp. [Clubionidae]) (SCHINER 1860, SCHRÖTTER 1861, BLÖ 1864, ÖBL 1969). Sein andauerndes Interesse an Spinnentieren ist aus Widmungen in den frühen Arbeiten über die Arachniden-Sammlung des Museums ersichtlich (DOLESCHALL 1852, DOBLIICA 1853) und aus der Nennung als Sammler bei DOLESCHALL (Fundgebiete Wien, Gastein, „Hochalpen in Oberösterreich"). Der Artname kollari wurde bei Spinnen 5-mal vergeben (BONNET 1961); valide blieben u.a. Dysdera kollari DOBLIKA, 1853 und Ischyropsalis kollari C.L. KOCH, 1839 (Opiliones). Das arachnologische Interesse von Kollar galt in besonderem Maße den in der Gattung Phalangium zusammengefassten „Trachealarachniden" aus der Ordnung der Weberknechte, über die er (zusammen mit E. HEEGER, Abb. 31a) eine Monographie vorbereitet hat (Isis 1833 [4]: 394-395). Ein im Naturhistorischen Museum Wien (Bibliothek der Arachnoidea- Sammlung) noch erhaltenes fragmentarisches Manuskript umfasst ungefähr 13 beschriebene Seiten (6 nominelle Arten), 5 gedruckte Tafeln (14 spp.) und 27 Blätter mit handkolorierten Zeichnungen (19 spp.). Zwei Beispiele mögen die subtile Meisterschaft dieser frühen Darstellungen andeuten (Abb. 15, 16). ROEWER (1923) erwähnt (und validierte) einige dieser Namen. Diagnosen exotischer Laniatores von Kollar hat KOCH (1839) veröffentlicht. Der Koautor von Kollar, Ernst Heeger (1783-1866, Abb. 31a), war Amateur-Entomologe, Absolvent der Akademie der Bildenden Künste in Wien, „Privatcadet" in den Napoleonischen Kriegen, 1816 Angestellter beim Magistrat Wien, später Betreiber einer Schule für Sprachen und Zeichnen. Als Entomologe war er besonders an der Lebensweise und an Nutzen und Schaden durch Insekten interessiert (Erwähnungen in HANDLIRSCH & WETTSTEIN 1901, BLÖ 1862, ÖBL 1959). Die Arachniden-Sammlung des „Naturalien-Cabinets" erwies sich bei ihrer Aufstellung 1839 „reicher als in irgend einem anderen Museum" und enthielt „über 1600 Arten in mehreren tausend Exemplaren ... grösstentheils in mit Glasstöpseln versehenen Fläschchen in Weingeist ... welche systematisch geordnet, auf Staffeleien in Glasschränken aufgestellt waren, zum Theile aber auch getrocknet und an Nadeln gesteckt, familienweise vereinigt in einem Glaspulte ..." (FITZINGER 1880: 40). Kollar hat sie nach der Brandkatastrophe tatkräftig reorganisiert und zur wissenschaftlichen Bearbeitung angeregt. DOLESCHALL (1852: 625) schätzte, dass die Sammlung „beinahe 1/10 neuer unbeschriebener Species" enthielt. Auch DOBLIKA (1853: 115) wurde zur Bearbeitung der Dysderidae der „unerschöpflichen" 145 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Spinnensammlung gewonnen, durch „die einladende Güte des Herrn Directors ... welcher jedem Freunde der Wissenschaft die herrlichen Sammlungen ... zur vollen Verfügung überlässt". Die „Acquisitionsbücher" der „Sammlung der Crustaceen, Myriopoden und Arachniden" beginnen 1806 (Custos Bremser). Hinweise zur Geschichte der Sammlungen noch bei STAGL & DWORSCHAK (1998). Ein erster Bericht eines früh verstorbenen Mitarbeiters des Museums, Friedrich W. Rossi, (1817-1848) behandelt einige „neue" Arten, überwiegend aus Südeuropa und Brasilien: Salticidae (12), Eresus (2) und Weberknechte (2); lediglich E. kollari stammt aus Baden bei Wien (Rossi 1846; Diagnosen auch wiedergegeben in CARRARA 1846). Valide blieb eine exquisite mediterrane Art, Thyene imperialis (Abb. 16a). Rossi hat noch ein „Systematisches Verzeichniss der zweiflügelichten Insecten (Diptera) des Erzherzogthumes Österreich" veröffentlicht (Wien 1848, Verlag W. Braumüller, 86 pp.). Das „Systematische Verzeichniss der im Kaiserthum Österreich vorkommenden Spinnen" (DOLESCHALL 1852), als Folge eines Auftrages von Kollar entstanden, listet 205 Spinnenarten, 37 Weberknechte, 7 Skorpione und 3 Pseudoskorpione auf. Die Gesamtzahl der bekannten Arachniden belief sich damals auf ca. 1.300 Arten (inklusive Milben), sodass die Fauna des Kaiserreiches 1/6 aller bekannten Arten erreichte! Neu beschrieben wurden 23 Arten, 17 Spinnen und 6 Weberknechte. Einige haben „überlebt", so die schöne „boreoalpine" Lycosidae Arctosa alpigena (Abb. 1, vgl. Abb. 18), Locus typ. Schneeberg, leg. Mann (über diesen siehe KRUSPEL 1998), und ein exquisiter alpin-endemischer Phalangiidae, Dicranopalpus gasteinensis, Locus typ. „Alpen bei Gastein", leg. Kollar (Abb. 4). Für einige andere ist die Deutung noch nicht gelungen. Überraschenderweise wurden im Archiv des Naturhistorischen Museums bisher unbekannt gebliebene Original-Abbildungen von Doleschall zu 12 seiner Arten entdeckt (Abb. 17-28). Dementsprechend drängen sich folgende Neu-Interpretationen (gegenüber ROEWER 1923, 1942, 1954 a,b) auf: Drassus cephalotes = Coelotes sp. (Abb. 27, so schon KULCZYNSKJ 1898: 38), Pyrophorus austriacus = Myrmarachne formicaria (DEGEER, 1778) (Abb. 20), Attus manni ? = Pellenes sp. (Abb. 19), Theridion kollari = Enoplognatha sp. (Abb. 28), Ischyropsalis redtenbacheri = Zacheus crista (BRÜLLE, 1832) (Abb. 23), Lejobunum seriepunctatum ?- Leiobunum limbatum (L. KOCH, 1861) (Abb. 25). Wie Rossi war Doleschall nur ein kurzes Leben vergönnt, auch er veröffentlichte über Arachnida und Dipteren: Carl Ludwig Doleschall (1827-1859): Geb. in Väg-Uihely/Waag-Neustadtl in „Ungarn", heute Slowakei, entbehrungsreiches Medizinstudium in Wien, Lebensunterhalt bestritten durch Nachhilfestunden und Auftragsarbeiten, darunter ein Zoologie-Kompendium für angehende Mediziner (DOLESCHALL 1853). Die angestrebte bessere Zukunft in den Kolonien führte ihn als „Health Officer of the third class ... in the Military Medical Department of the Dutch East Indies" nach Indonesien, Dienstantritt 4. 1. 1853, Dienst in Java (1853-55) und in Amboina/Ambon unter Beibehaltung der entomologischen Aktivitäten mit Arbeiten über Fliegen und Arachnida (siehe BONNET 1945). Dort ist ihm WALLACE begegnet (The Malay Archipelago, Vol. 1, Kap. 20 „Amboyna"; London 1869). Donationen von Schmetterlingen und Fischen nach Wien sind bei HANDLIRSCM & WETTSTEIN (1901) erwähnt. Doleschall ist in Amboina an Tuberkulose verstorben (OSTEN-SACKEN 1881, STAGL 1999). 146 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at t I Abb. 15-16: 15 ^fhalangium mandibulare" = Zacheus crista (BRÜLLE. 1832); 16 ^halangium hellwigii" = Ischyropsalis kollari C.L. K.OCH, 1839. - Illustrationen aus KOLLAR & HEEGER (unveröff. Manuskript, Deponierung Naturhistorisches Museum Wien) (Fotos: Naturhistorisches Museum Wien) Abb. 16a: Thyene imperialis (ROSSI. 1846) m. (Salticidae, Korfu: Sgombou/Gavrolimni 29.5. 1996) (Foto: B. KNOFLACH) 147 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 17-22: 17 ,J^ycosa punctiventris" = Alopecosa albofasciata (BRÜLLE, 1832); 18 ,J*ycosa alpigena" = Arctosa alpigena (DOLESCHALL, 1852); 19 Attus mannii m. ? = Pellenes sp.; 20 ,J?yrophorus austriacus" = Myrmarachne formicaria (DEGEER, 1778); 21 Attus (Philia) setiger = Philaeus chrysops (PODA, 1761); 22 Attus viridimanus m. = ? (Unveröffentlichte Abbildungen zu DOLESCHALL (1852), Deponierung Naturhistorisches Museum Wien, Archiv) (Fotos; Naturhistorisches Museum Wien) Abb. 23-28: 23 „Ischyropsalis redtenbacheri" = Zacheus crista (BRÜLLE, 1832) [Inset: Augenhügel. Chelicere]; 24 „Thomisus graminicola" = Heriaeus graminicola (DOLESCHALL, 1852) [L.OERBROKS 1983]; 25 ,£ejobunum seriepunctatum" ?= Leiobunwn limbatum (L. KOCH, 1861); 26 „Epeira dalmatica" = Nuctenea subfusca (C.L. KOCH, 1837); 27 ,J)rassus cephalotes" = Coelotes sp. fInset: Prosoma ventral und lateral]; 28 „Theridion kollari" = Enoplognatha sp. [Inset: Augenstellung] (Unveröffentlichte Abbildungen zu DOLESCHALL (1852), Deponierung Naturhistorisches Museum Wien, Archiv) (Fotos: Naturhistorisches Museum Wien) 148

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