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Wirtschaftssoziologie nach Max Weber PDF

278 Pages·2010·1.497 MB·German
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Andrea Maurer (Hrsg.) Wirtschaftssoziologie nach Max Weber Wirtschaft + Gesellschaft Herausgegeben von Andrea Maurer und Uwe Schimank Beirat: Jens Beckert Christoph Deutschmann Susanne Lütz Richard Münch Wirtschaft und Gesellschaft ist ein wichtiges Themenfeld der Sozialwissenschaften. Daher diese Buchreihe: Sie will zentrale Institutionen des Wirtschaftslebens wie Märkte, Geld und Unternehmen sowie deren Entwicklungsdynamiken sozial- und gesellschaftstheoretisch in den Blick nehmen. Damit soll ein sichtbarer Raum für Arbeiten geschaffen werden, die die Wirtschaft in ihrer gesellschaftlichen Einbettung betrachten oder aber soziale Effekte des Wirtschaftsgeschehens und wirtschaftlichen Denkens analysieren. Die Reihe steht für einen disziplinären wie theoretischen Pluralismus und pflegt ein offenes Themenspektrum. Auswahl bisher erschienener Titel: Andrea Maurer / Uwe Schimank, Die Gesellschaft der Unternehmen – die Unternehmen der Gesellschaft, 2008 Andrea Maurer, Handbuch der Wirtschaftssoziologie, 2008 Christoph Deutschmann, Kapitalistische Dynamik, 2008 Johannes Berger, Der diskrete Charme des Marktes, 2009 Andrea Maurer (Hrsg.) Wirtschafts- soziologie nach Max Weber Mit einem Vorwort von Richard Swedberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Frank Engelhardt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältig ungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinn e der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Titelbild: Uwe Schimank / Ute Volkmann Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-16770-1 Inhaltsverzeichnis Vorwort 7 Richard Swedberg Einleitung. Max Weber – Soziologe und Ökonom? 13 Andrea Maurer Grundlagen der Wirtschaftssoziologie Die Bedeutung der Weber’schen Kategorien für die Wirtschaftssoziologie 21 Richard Swedberg Soziologische Erklärungen wirtschaftlicher Sachverhalte mit Weber 40 Zenonas Norkus Neoklassik, Institutionenökonomik und Max Weber 69 Mathias Erlei Wirtschaftssoziologische Konzepte und Analysen auf dem Prüfstand Der Markt bei Weber und in der neuen Wirtschaftssoziologie 97 Gertraude Mikl-Horke Der privat-kapitalistische Wirtschaftsbetrieb: ein wirtschaftssoziologischer Blick auf Unternehmen? 118 Andrea Maurer Kapitalismus und Konsum. Determinanten und Relevanz des Konsumverhaltens in Max Webers Wirtschaftssoziologie 142 Jörg Rössel Die Religionssoziologie Max Webers im Lichte der neueren Kulturwissenschaft und der Religionsökonomie 168 Anne Koch 6 Inhaltsverzeichnis Wirtschaftssoziologie differenzierungstheoretisch Wirtschaftssoziologie als Gesellschaftstheorie? Kritische Anfragen aus einer Weber’schen Perspektive 199 Thomas Schwinn Max Webers Rationalisierungsthese – differenzierungstheoretisch und wirtschaftssoziologisch gelesen 226 Uwe Schimank Eigengesetzlichkeit, Spannungsverhältnis, Wahlverwandtschaft und Kausalität. Zum Verhältnis von Religion und Wirtschaft bei Max Weber 248 Ingo Schulz-Schaeffer Stichwortverzeichnis 279 Autoren 281 ∗ Vorwort Vorwort Richard Swedberg Die gegenwärtige Finanzkrise und ihre Folgen haben uns daran erinnert, dass wir noch viel tun müssen, um die Wirtschaft besser verstehen zu können. Dies macht die Bedeutung der Wirtschaftssoziologie aus, da sie eine spezifische, wenn auch noch nicht völlig anerkannte und auch noch nicht vollständig ausgearbeitete Zugangsweise zur Wirtschaft darstellt, die das soziale Handeln und die sozialen Strukturen besonders berücksichtigt. Die Feststellung, dass die Wirtschaftssoziologie weder völlig anerkannt noch vollständig ausgearbeitet ist, geht auf ihren Begründer und wichtigsten Vertreter zurück: Max Weber. Der zutreffenden Formulierung der Herausgeberin Andrea Maurer folgend, muss sich die Wirtschaftssozio- logie ihrer Grundlagen nach Max Weber versichern. Eine Möglichkeit, die Formulierung Wirtschaftssoziologie nach Max Weber zu interpretieren ist, dass wir sie als Aufforderung le- sen, die von Weber in seinem Werk vertretene Erklärungsweise besser zu erschließen. Na- hezu ein Jahrhundert nach Webers Tod sollte man meinen, dass dieses Thema hinreichend bearbeitet ist – aber das ist nicht der Fall, und der Grund dafür ist, dass der Großteil der wirtschaftssoziologischen Arbeiten Webers erst seit zehn oder 15 Jahren ernsthaft wahrge- nommen wird. Dem mögen manche Leser entgegenhalten, dass die Protestantische Ethik un- mittelbar nach ihrer Veröffentlichung 1904/1905 eine intensive Debatte ausgelöst hat. Das ist völlig zutreffend, aber es wäre nicht richtig, diese Einzelstudie mit der Wirtschaftssoziologie Webers an sich gleichzusetzen. Zum einen ist die Protestantische Ethik vor der Zeit verfasst worden, die wir normalerweise dafür ansetzen, dass Weber als Soziologe zu betrachten ist. Und zum anderen schrieb Weber viel mehr über Wirtschaft und Gesellschaft, als in der Protestantischen Ethik steht, so dass wir diese Arbeit einfach nicht mit seiner Wirtschaftsso- ziologie gleichsetzen können. Meiner Meinung nach gibt es drei Möglichkeiten, um sich die Grundlagen der We- ber’schen Wirtschaftssoziologie zu erschließen. Die erste wäre, sich auf alle seine Schriften zu beziehen, in denen Wirtschaft eine zentrale Rolle spielt und in denen der soziologische Zugang vor dem rechtlichen oder ökonomischen steht. Aus dieser Perspektive ist Webers Beitrag zur Wirtschaftssoziologie sehr substantiell und hat seine Wurzeln vor allem in der deutschen „Historischen Schule der Ökonomie“, die in ihrer Sichtweise soziologisch war. Diese Einordnung der Weber’schen Wirtschaftssoziologie ist für mich bedeutsam, weil sich so große Teile seiner Arbeit für die Wirtschaftssoziologie erschließen lassen. Die daran an- schließende Wirtschaftssoziologie wäre weit und offen angelegt. Aber es ist auch berechtigt zu argumentieren, dass eine eigenständige und analytisch präzise Wirtschaftssoziologie zuerst definieren müsste, was Soziologie überhaupt ist, und davon ausgehend dann, was Wirtschaftssoziologie ist. Webers erster Versuch, diese Aufga- ∗ Aus dem Englischen übersetzt von Andrea Maurer. 8 Richard Swedberg be zu lösen, findet sich in einem 1913 in Logos veröffentlichten Aufsatz (Weber 1981*), sein wichtigstes Werk dazu aber im ersten Kapitel von Wirtschaft und Gesellschaft (‚Soziologische Kategorienlehre’; Weber 1978**; 1981). Die Frage, was Wirtschaftssoziologie ist, hat Weber dagegen nur einmal im zweiten Kapitel von Wirtschaft und Gesellschaft (‚Soziologische Grundkategorien des Wirtschaftens’) angesprochen. Sowohl das erste als auch das zweite Kapitel von Wirtschaft und Gesellschaft sind zu einem späten Zeitpunkt in Webers Leben, 1919-1920, verfasst worden. Im zweiten Kapitel präsentiert und diskutiert Weber die Begriffe, die in der Wirt- schaftssoziologie genutzt werden sollten. Der Leser findet einen dicht geschriebenen Text, der ihn oder sie mit theoretischen Werkzeugen von großer Präzision ausstattet: vom wirt- schaftlichen sozialen Handeln über den Wirtschaftsbetrieb und andere Wirtschaftsorganisa- tionen bis hin zu Wirtschaftssystemen wie dem Kapitalismus und dem Sozialismus. Die im zweiten Kapitel von Wirtschaft und Gesellschaft dargestellte Wirtschaftssoziologie ist durch eine kohärente und präzise analytische Perspektive zusammengehalten und rückt den Be- griff des wirtschaftlichen sozialen Handelns in den Mittelpunkt. Und letztendlich gibt es noch einen dritten Weg, Webers Wirtschaftssoziologie zu le- sen, der zwischen einer breiten sozialwissenschaftlichen Perspektive auf der einen Seite und einer engen soziologischen Perspektive auf der anderen Seite angesiedelt ist. Was diese Sichtweise charakterisiert, ist die Konzentration auf Webers Verständnis von Sozialökonomik (im Original; Anm. der Übers.). Späterhin proklamierte Weber, dass die Ökonomie als Wis- senschaft verschiedene Sichtweisen auf das Wirtschaftsleben umfassen sollte. Für dieses weite Verständnis von Ökonomie benutzte er den Begriff Sozialökonomik. Am prägnantesten führte Weber dies in einem Artikel von 1904 über die Politik der Herausgeber des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik aus (Weber 1949). Joseph Schumpeter, einer von Webers Mitherausgebern des Archivs, war von Webers Idee der Sozialökonomik angetan und führte deren Implikationen mit großer Klarheit aus. Sozialökonomik, so Schumpeter, kann als Dach gesehen werden, das vier unterschiedliche Sichtweisen umfasst, die für die Analyse wirtschaftlicher Phänomene unentbehrlich sind. Dies sind: Wirtschaftsgeschichte, Wirtschaftstheorie, Wirtschaftssoziologie und Wirtschafts- statistik (Schumpeter 1954: 13-24). Ein guter Ökonom muss in allen vieren ausgebildet sein. Die Weber’sche Wirtschaftssoziologie entfaltet ihre analytische Kraft im Kontext einer sol- chen Sozialökonomik, sie ist aber auch Teil eines übergreifenden Projekts, das noch über deren Bedeutung hinausgeht und eine soziologische Perspektive hat. Die Formulierung Wirtschaftssoziologie nach Max Weber kann aber noch auf eine ganz andere Art gelesen werden, nämlich mit Bezug auf in der Zeit nach Weber entstandene Wirtschaftssoziologie, das heißt von 1920 – dem Jahr, in dem Weber starb – bis heute. Und diese Lesart lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Ausbildung der Wirtschaftssoziologie. Der Blick in die Geschichte der Wirtschaftssoziologie macht sofort auf den Sachverhalt auf- merksam, dass diese Analyseform, nach einem guten und starken Start, in den folgenden 50 Jahren mehr oder weniger ausstarb. Die Gründerväter der Soziologie: Weber, Durkheim und Simmel, haben alle wegweisende Arbeiten zur Wirtschaft verfasst. Wenn wir noch * Deutsche Ausgabe Weber 1988/1913 (Anm. der Übers.). ** Deutsche Ausgabe Weber 1972/1922 (Anm. der Übers.). Vorwort 9 Marx, Pareto und Veblen zu den Gründern der Soziologie zählen, können wir noch mehr grundlegende Werke nennen. Aber nach 1920 verschwand die Wirtschaftssoziologie mehr oder weniger. Das Thema wurde nicht mehr an den Universitäten gelehrt und es wurde auch nicht mehr darüber geschrieben. Sofern die Wirtschaftssoziologie nicht gänzlich igno- riert wurde, war sie doch in eine Vielzahl verschiedener Aspekte wie Schichtung, Industrie- soziologie oder Konsumsoziologie zersplittert. Erst seit den 1980er Jahren haben Soziolo- gInnen wieder damit begonnen, explizit Wirtschaftssoziologie zu betreiben, und seither gibt es einen stetigen Strom an Arbeiten sowohl aus den USA als auch aus Europa. Es gibt aber auch einige bedeutende Ausnahmen von dieser generellen Einschätzung der Entwicklung der Wirtschaftssoziologie zwischen 1920 und 1980. Das sind zum einen die interessanten Essays über Wirtschaftssoziologie von Joseph Schumpeter und Karl Mannheim. Und es sind zum anderen die wichtigen Bücher und Artikel von Karl Polanyi und Talcott Parsons. Als Fazit bleibt aber festzuhalten, dass, obgleich diese Werke zwischen 1920 und 1980 verfasst wurden, sie isoliert blieben und keine starke wirtschaftssoziologische Tradition etablierten. Über diese Diskussion der Renaissance der Wirtschaftssoziologie in den 1980er Jahren gelangen wir noch zu einer anderen Bedeutung der Formulierung Wirtschaftssoziologie nach Max Weber. Nämlich der Wirtschaftssoziologie, wie sie durch das Werk Webers inspiriert worden ist. Zwei zusammenhängende Punkte scheinen mir wichtig zu sein, um diese Inter- pretation auszuarbeiten. Erstens ist der Einfluss der Weber’schen Wirtschaftssoziologie, da sie im 20. Jahrhundert so wenig diskutiert wurde, auf die gegenwärtige Wirtschaftssoziolo- gie nicht so, wie er sein könnte oder sollte. Zweitens wäre es besser, wenn Weber nicht zu sehr als Geschichte der Wirtschaftssoziologie betrachtet werden würde. Auch wenn es dem noch zu verfassenden Essay über die Geschichte der Wirtschaftsso- ziologie vorbehalten bleiben muss, dem Einfluss Webers auf die gegenwärtige Wirtschafts- soziologie nachzugehen, sind doch einige Fakten angebracht. Ein Fakt ist, dass die Protestan- tische Ethik viele Arbeiten in der Wirtschaftssoziologie nachhaltig beeinflusst hat. Der Zu- sammenhang zwischen Wirtschaft und Religion, nicht nur den westlichen Religionen, ist im 20. Jahrhundert oft untersucht worden und geht wesentlich auf Weber zurück (vgl. Collins 1986; Bourdieu 1987; Hamilton 1996). Und es gibt auch einige wirtschaftssoziologische Stu- dien, die Webers Begriff vom Geist des Kapitalismus verwenden (vgl. Greenfeld 2001; Boltans- ki und Chiapello 2005; vgl. in diesem Zusammenhang auch Bourdieu 1963; Redding 1990). Der Einfluss, den Wirtschaft und Gesellschaft, das zweite Kapitel eingeschlossen, gehabt hat, ist schwieriger zu bestimmen. Es ist offensichtlich, dass Webers Verständnis von der Rolle des Staates in der Wirtschaft tiefe Spuren in der Wirtschaftssoziologie hinterlassen hat (vgl. Hamilton und Biggart 1988; Evans und Rauch 1999). Und dass Webers Theorie über Klassen und Schichten der Theorie sozialer Schichtung ihren Stempel aufgedrückt hat, ist auch offensichtlich (vgl. Grusky 2007). In diesem Zusammenhang ist überdies Webers Kon- zept „sozialer Schließung“ zu erwähnen, das sowohl Themen sozialer Schichtung als auch viele andere wirtschaftliche Aspekte wie etwa Eigentum, Rentenabschöpfung und Monopo- le anspricht (vgl. Murphy 1988). Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch andere Schriften Webers, haben ganze Teildiszip- linen der Soziologie beeinflusst, die entweder Teil der Wirtschaftssoziologie sind oder dieser doch sehr nahestehen. Die wichtigsten sind die Industriesoziologie, die Organisationssozio- logie, die Konsumsoziologie und vergleichende Studien in der Wirtschaftssoziologie (z. B. 10 Richard Swedberg Albrow 1970; Campbell 1987; Biggart 1989; Carruthers und Espeland 1991; Dobbin 2005; Clegg und Lounsbury 2009). Wie dies genau geschah, muss erst noch erforscht und von zukünftigen Geschichtsschreibern der Wirtschaftssoziologie dargestellt werden. Ich fasse mich an dieser Stelle kurz, nicht aus Ignoranz, sondern weil ich die Aufmerksamkeit auf einen anderen, wichtigeren Punkt für das Verständnis einer von Weber inspirierten Wirt- schaftssoziologie lenken will. Dies bezieht sich auf unsere zukünftige Arbeit und die Rolle, die die Weber’sche Wirtschaftssoziologie dabei spielen sollte. Es ist meine feste Überzeugung, dass unser gegenwärtiges Wissen über Webers Arbei- ten im Bereich der Wirtschaftssoziologie nicht so weit ist, wie es sein sollte. Um genau zu sein: Wir haben heute ein umfassendes Wissen zur und Verständnis über die Protestanti- schen Ethik, aber nicht im Hinblick auf das restliche Werk Webers zur Wirtschaftssoziologie. Wir brauchen vor allem mehr Wissen über Wirtschaft und Gesellschaft und das zweite Kapitel dort. Mehr Aufmerksamkeit sollte außerdem Webers vielen wirtschaftshistorischen Studien sowie auch seinen Analysen von Recht und Wirtschaft zukommen. Ohne ein solches Wis- sen, so viel steht für mich fest, läuft die gegenwärtige Wirtschaftssoziologie Gefahr, weniger gehaltvolle Studien vorzulegen als sie sollte. Ihre Studien wären nicht nur von geringerer Qualität im Hinblick auf vergangene Wirtschaftsformen, sie würden auch die theoretische Stringenz und den soziologischen Blick entbehren, den Weber zur Verfügung stellt. Die theoretischen Grundlagen, die sich im ersten und zweiten Kapitel von Wirtschaft und Gesell- schaft finden, sind aus meiner Sicht unentbehrlich, um dem entgegenzuwirken. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig klarzustellen, dass unser Verhältnis zu Webers Werk nicht das eines devoten Kurators im Museum der Soziologie sein sollte. Wir sollten damit so umgehen, wie es alle guten SoziologInnen mit dem Werk ihrer Vorgänger getan haben: mit Dankbarkeit für das, was sie uns gelehrt haben, und rebellierend gegen die am meisten geschätzten Ideen. Es ist wichtig, dass die gegenwärtigen Vertreter und Vertrete- rinnen der Wirtschaftssoziologie wissen, was bereits vorliegt. Aber es gehört auch der Ver- gangenheit an, und was wirklich wichtig ist, ist das, was wir heute erreichen können. Was wir brauchen, ist, kurz gesagt, eine lebendige Beziehung zu den zentralen Ideen der wirt- schaftssoziologischen Vergangenheit, vor allem denen Max Webers, da sie zu den am besten entwickelten gehören. Mit ‚lebendig’ meine ich, dass wir nicht nur einfach daran interessiert sein sollten, was Max Weber gesagt hat – das hätte wenig Sinn und ist von Weber besser gemacht worden. Was wir brauchen, ist ein tieferes Verständnis der wirtschaftssoziologi- schen Arbeiten Webers, um bei der Bearbeitung zukünftiger Aufgaben besser zu werden. Ich befürchte, dass nur wenige gegen das eben Gesagte Einwände erheben würden, so dass ich etwas genauer werden will. Der Hauptaufwand sollte nicht so sehr dem gelten, was Max Weber wirklich gesagt hat, sondern der Art und Weise, wie er gedacht hat. In meinem Beitrag zu diesem Sammelband bezeichne ich das als „thinking with Weber“. Eine bessere Ausdrucksweise wäre vielleicht „learning to think from Weber“. Bei Weber gibt es eine sehr spezifische Weise, Probleme zu bearbeiten, die ihn letztlich auch veranlasste bestimmte Posi- tionen zu vertreten und andere abzulehnen. Es ist diese Arbeitsweise, der wir uns nähern und von der wir lernen sollten. Bevor sich Weber auf die Lösung eines Problems festlegte, die er dann in einem Text präsentierte, hat das Problem auf verschiedene Weisen durchdacht. Wenn wir diese Vorgehensweise einmal in unser Denken aufgenommen haben, sind wir gut gerüstet, neue Themen aus einer genuin Weber’schen Perspektive zu erschließen.

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