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Wer hat Angst vorm bösen Wolf PDF

282 Pages·2016·1.25 MB·German
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Karin Fossum Wer hat Angst vorm bösen Wolf 01.2009/V1.0 Der Sommer hat sich mit seiner flirrenden Hitze über den kleinen norwegischen Ort Finnemarka gelegt. Da wird in der Einsamkeit ihrer Kate die alte Halldis Horn erschlagen aufgefunden. Nur der schizophrene Errki scheint als Täter in Frage zu kommen – und noch fehlt jede Spur von ihm. ISBN: 3-492-040403 Original: Den som frykter ulven (1997) Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs Verlag: Piper Erscheinungsjahr: 2000 Umschlaggestaltung: R-M-E Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!! Buch Es geschieht im Niemandsland zwischen Nacht und Morgen, wo die Vögel verstummen und niemand weiß, ob sie je wieder singen werden: Errki läuft einfach los, und keiner in der psychiatrischen Anstalt von Finnemarka hält ihn auf. Errki hört Stimmen in seinem Kopf, deshalb ist er auch der ideale Sündenbock, als man die alte Halldis Horn von einer Spitzhacke erschlagen auf ihrem einsamen Anwesen findet. Konrad Sejer aber glaubt nicht an Errkis Schuld. Aufmerksam und in seiner unaufdringlichen Beharrlichkeit geht er allen Spuren nach, während fieberhaft nach dem verschwundenen Errki gefahndet wird. Doch allein der 13jährige Kannick, ein verwahrloster Halbwaise, der großes Talent zum Bogenschützen besitzt, bietet einen Anhaltspunkt – er will Errki am Tatort gesehen haben. In der flirrenden Hitze eines norwegischen Sommers entwickelt Karin Fossum ihren vielschichtigen Mordfall, in dem sie die Schicksale dreier hilfloser Täter auf tragische Weise miteinander verknüpft. Autor Karin Fossum, 1954 in Sandefjord/ Norwegen geboren, erfand den charismatischen, wortkargen Kommissar Sejer und wurde in Norwegen über Nacht zur Bestsellerautorin. »Wer hat Angst vorm bösen Wolf« erhielt 1997 den Buchhändlerpreis. Für Kari Ich hasse die Menschen, einfach, weil es sie gibt, und ich beneide sie zutiefst, wenn ich sehe, wie sie sich durch ihr eigenes Land bewegen. Ich, der Irre, stecke in meinem Eisblock und führe ganz genau Buch über alle feindseligen Aktionen, die die Menschen gegen mich in die Wege leiten. Und in der düsteren Kammer der Rache erwächst ein Weltherrscher. ELGARD JONSSON EIN GRELLER SONNENSTRAHL fiel schräg durch die Bäume. Der Schock ließ ihn erstarren. Er war nicht darauf vorbereitet. Hatte die Matratze verlassen, war langsam durch das dunkle Haus gegangen, noch schlaftrunken, war auf die Steintreppe getreten. Und von der Sonne getroffen worden. Wie eine Nadel bohrte sich der Sonnenstrahl in seine Augen. Er schlug die Hände vors Gesicht, aber das Licht drang immer tiefer in ihn ein, bahnte sich einen Weg durch Knorpel und Knochen und erreichte die Dunkelheit der Schädelkuppe. Dort wurde alles grell und weiß. Seine Gedanken jagten in sämtliche Richtungen auseinander, wurden zu Atomen zerfetzt. Er hätte laut aufschreien mögen, aber das tat er nie, das war unter seiner Würde. Deshalb biß er die Zähne zusammen und blieb so ruhig wie möglich auf der Treppe stehen. Etwas passierte mit ihm. Seine Kopfhaut spannte sich, er spürte ein stärker werdendes Prickeln. Er zitterte und behielt die Hände vorm Gesicht. Er merkte, daß seine Augen zur Seite gezogen, daß seine Nasenlöcher geweitet und groß wie Schlüssellöcher wurden. Er wimmerte leise, wollte sich wehren, konnte die gewaltigen Kräfte aber nicht aufhalten. Langsam wurden seine Gesichtszüge ausgewischt. Am Ende blieb nur noch ein nackter Schädel, überzogen mit weißer, durchsichtiger Haut. Er kämpfte fieberhaft, er stöhnte leise, er versuchte, sein Gesicht zu berühren, sich zu vergewissern, daß es noch vorhanden war. Seine Nase war widerlich weich. Er ließ die Hände sinken. Hatte das wenige zerstört, was er noch gehabt hatte, spürte deutlich, daß die Nase verrutschte und wie eine faule Pflaume ihre Form verlor. Und dann war es plötzlich vorbei. Er holte vorsichtig Luft, merkte, wie sein Gesicht sich wieder zusammenfügte. Er zwinkerte einige Male heftig, öffnete und schloß den Mund, doch als er wieder ins Haus gehen wollte, verspürte er einen Stich in der Brust. Wie von den scharfen Krallen eines 6 unsichtbaren Untiers. Er krümmte sich, schlang die Arme um seinen Leib, um sich der Kraft zu widersetzen, die an der Haut auf seiner Brust zog. Seine Brustwarzen verschwanden in den Achselhöhlen. Die Haut seines nackten Oberkörpers wurde dünner, die Adern standen wie knotige Kabel hervor, pulsierend von schwarzem Blut. Er krümmte sich noch mehr zusammen und spürte, daß es jetzt kam, daß er es nicht würde zurückhalten können. Er barst wie ein Troll in der Sonne. Eingeweide und Gedärm quollen hervor. Er versuchte, alles bei sich zu behalten, er packte die Wundränder und preßte sie zusammen, aber seine Innereien quollen und sickerten zwischen seinen Fingern hindurch und fielen ihm wie Schlachterabfälle vor die Füße. Sein Herz schlug noch, eingesperrt hinter den Rippen, verängstigte, hämmernde Schläge. Lange verharrte er in dieser Haltung, verkrümmt und schluchzend. Seine Bauchhöhle war leer. Er öffnete ein Auge und blickte ängstlich an sich herunter. Er lief nicht mehr aus. Unbeholfen sammelte er seine Innereien auf und stopfte sie achtlos in sich hinein, während er mit der anderen Hand die Haut so hielt, daß nicht alles sofort wieder hinausgleiten konnte. Nichts landete am richtigen Ort, sein Bauch beulte sich an den seltsamsten Stellen aus, aber wenn er die Wunde schließen könnte, würde niemand etwas sehen. Er wußte, daß er nicht so beschaffen war wie andere, aber von außen merkte man das nicht. Während er mit der linken Hand die Haut krampfhaft festhielt, drückte er mit der rechten. Am Ende war fast alles wieder in seinem Bauch verstaut. Nur verschmierte Blutflecken waren noch auf der Treppe zu sehen. Er preßte die Wunde fest zusammen und merkte, wie sie sich schloß. Er atmete ganz flach, die Wunde sollte schließlich nicht wieder aufgehen. Noch immer stand er stocksteif auf der Treppe. Noch immer drang der weiße Sonnenstrahl, scharf wie ein Schwert, durch den Wald. Aber ihm ging es wieder gut. Es war nur alles so schnell gegangen. Er hätte nicht vom Bett aus 7 gleich in die Sonne treten dürfen. Er hatte sich immer schon in einem anderen Raum bewegt und die Welt durch einen dunklen Schleier gesehen, der dem Licht und den Geräuschen draußen ihre Schärfe nahm. Den Schleier hielt er durch tiefe Konzentration an Ort und Stelle. Doch diesmal hatte er vorschnell gehandelt. War einfach in den neuen Tag hineingerannt, ohne zu überlegen, wie ein Kind. Die Strafe erschien ihm übertrieben hart. Denn ein Traum hatte ihn aus seinem Schlaf auf der fauligen Matratze auffahren, aus dem Haus stürzen und die Konsequenzen vergessen lassen. Er schloß die Augen und sah einzelne Bilder vor sich. Er sah seine Mutter am Fuß der Treppe liegen. Aus ihrem Mund wurde rotes, heißes Blut gepumpt. Dick und rund in ihrer großgeblümten Kittelschürze, kam sie ihm vor wie eine umgekippte Kanne, aus der rote Soße fließt. Er dachte an ihre Stimme. Der immer ein dunkler Flötenton gefolgt war. Langsam ging er wieder ins Haus. DAS IST ERRKIS GESCHICHTE. So fing sie an: Um drei Uhr nachts verließ er die Anstalt. Wir reden nicht von Anstalt, Errki, und auch wenn du dieses Haus in deinem privaten Universum nennen kannst, wie du willst, mußt du doch auch an andere denken und eine andere Bezeichnung benutzen. Das nennt man Rücksichtnahme. Oder Takt, wenn du willst. Hast du davon je gehört? Sie wußte ihre Worte wirklich wohl zu setzen, er hatte das Gefühl, daß alles aus ihr herausfloß wie Öl. Und nach den Worten kam ihr Geräusch, eine schrille Hammondorgel. Das Haus heißt Wegweiser, sagte er daraufhin mit säuerlichem Lächeln. Wir hier im Wegweiser, eine große Familie. Das Telefon klingelt, hier Haus Wegweiser, ja bitte? Kann jemand die Post für das Haus Wegweiser holen? Genau. Das ist einfach eine Frage der Gewohnheit. Jeder muß ein wenig Rücksicht nehmen. 8 Ich nicht, erwiderte er mürrisch. Ich bin nicht freiwillig hier. Ich bin ein Paragraph-5-Fall, einer, der sich und möglicherweise andere gefährdet. Er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: Weil ich im Dreck stecke, kannst du auf Gehaltsstufe zweiundzwanzig herumtanzen. Die Nachtwache zitterte. Es gab einen Zeitpunkt, an dem sie sich wehrlos fühlte. Und zwar dieses Niemandsland zwischen Nacht und Morgen, ein graustichiger Leerraum, wo die Vögel verstummten und wo man nie wußte, ob sie je wieder singen würden. Wo alles möglich war, wo sie nicht wußte, was nun kommen mochte. Sie ließ die Schultern sinken und war plötzlich erschöpft. Brachte nicht die Kraft auf, seinen Schmerz zu sehen, zu bedenken, wer er war. Daß er sich in ihrer Obhut befand. Sie fand ihn nur widerlich, selbstsüchtig und häßlich. Das weiß ich auch, fauchte sie. Aber du bist schon seit vier Monaten hier, und soviel ich weiß, gefällt es dir ganz gut. Das sagte sie mit hühnerschnabelspitzem Mund. Die Orgel schlug einen schrillen Akkord an. Und er lief los. Das war wirklich keine große Leistung. Es war eine warme Nacht, und das Fenster stand einen fünfzehn Zentimeter breiten Spalt offen. Es war zwar mit einem Stahlbügel befestigt, aber dieses Problem löste er, indem er den ganzen Bügel demontierte. Dazu benutzte er seine Gürtelschnalle. Die Schrauben glitten locker aus dem morschen Holz, das Haus war über hundert Jahre alt. Sein Zimmer lag im Erdgeschoß. Leicht wie ein Vogel sprang er aus dem Fenster und landete auf dem Rasen. Er nahm nicht den Weg über den Parkplatz, sondern lief in den Wald und dann weiter zum Weiher, den sie »Brunnen« nannten. Ihm war es egal, wohin er ging. Nur im Haus Wegweiser wollte er nicht länger bleiben. Der Weiher war schön. Spielte sich nicht auf, lag einfach 9 spiegelglatt da. Ruhte in der Landschaft, offen und still. Stieß ihn nicht ab, lockte ihn nicht zu sich. Berührte ihn nicht. War einfach. Die Anstalt lag nur einen Steinwurf entfernt, aber wegen der Bäume konnte er sie nicht mehr sehen. Nestor bat ihn, einen Moment stehenzubleiben, was er auch tat. Er starrte in den schwarzen Brunnen. Mußte plötzlich an Tormod denken, der hier gefunden worden war, mit dem Gesicht nach unten, wie immer mit Gummihandschuhen, die blonde Mähne wogend im grauschwarzen Wasser. Kein schöner Anblick, aber den hatte er nie geboten. Er war fett und träge gewesen, mit blassen Augen und außerdem dumm. Ein schlaffer Widerling, der alle um Verzeihung bat, der Angst hatte, andere anzustecken, ihnen im Weg zu sein, sie mit seinem stinkenden Atem anzuhauchen. Jetzt war der arme Wicht zu Gott heimgekehrt. Vielleicht hing er auf einer Wolke herum, endlich befreit von den glitschigen Handschuhen. Vielleicht traf er dort oben die Mutter, vielleicht schaukelte sie auf der Nachbarwolke. Er hatte seine Mutter geliebt. Beim Gedanken an Tormods unsteten Blick und die blonden Wimpern mußte er heftig schlucken. Gereizt schüttelte er sich und ging weiter. Die dunkle Gestalt war vor dem hellgrünen Hintergrund sehr gut zu sehen, aber niemand sah sie. Die anderen schliefen noch. Und ein Neuer hatte Tormods Platz übernommen. Durch seinen Selbstmord hatte Tormod sich auf etwas Praktisches reduziert, das sie so dringend brauchten: ein freies Bett. Wirklich eine überraschende Verwandlung, dachte er. Tormod war nicht mehr Tormod, er war ein freies Bett. Und er selbst würde auch zu einem leeren Bett mit strammgezogenem Laken werden. Er lauschte auf die Stimme und nickte vage, dann schlenderte er weiter durch den dichten Wald. Als die Nachtwache endlich durch seinen Türspalt lugte, war er schon seit zwei Stunden auf der Landstraße unterwegs. Die Nachtwache wagte nicht, von ihrer Unterhaltung zu berichten. Nein, mir ist nichts aufgefallen, 10

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