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Welt-System-Analyse: Eine Einführung PDF

127 Pages·2019·1.069 MB·German
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Neue Bibliothek der Sozialwissenschaften Immanuel Wallerstein Welt-System-Analyse Eine Einführung Neue Bibliothek der Sozialwissenschaften Reihe herausgegeben von J. Rössel, Zürich, Schweiz U. Schimank, Bremen, Deutschland G. Vobruba, Leipzig, Deutschland Die Neue Bibliothek der Sozialwissenschaften versammelt Beiträge zur sozial- wissenschaftlichen Theoriebildung und zur Gesellschaftsdiagnose sowie paradig- matische empirische Untersuchungen. Die Edition versteht sich als Arbeit an der Nachhaltigkeit sozialwissenschaftlichen Wissens in der Gesellschaft. Ihr Ziel ist es, die sozialwissenschaftlichen Wissensbestände zugleich zu konsolidieren und fortzuentwickeln. Dazu bietet die Neue Bibliothek sowohl etablierten als auch vielversprechenden neuen Perspektiven, Inhalten und Darstellungsformen ein Fo- rum. Jenseits der kurzen Aufmerksamkeitszyklen und Themenmoden präsentiert die Neue Bibliothek der Sozialwissenschaften Texte von Dauer. Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12541 Immanuel Wallerstein Welt-System-Analyse Eine Einführung Herausgegeben und übersetzt von Julien Bucher, Felix Merz und Sylke Nissen Immanuel Wallerstein Department of Sociology Yale University New Haven, USA Neue Bibliothek der Sozialwissenschaften ISBN 978-3-658-21961-1 ISBN 978-3-658-21962-8 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-21962-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Verantwortlich im Verlag: Katrin Emmerich Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Danksagung Nachdem ich zugesagt hatte, dieses Buch zu schreiben, erhielt ich durch einen glücklichen Zufall die Einladung der Universidad Internacional Menéndez Pelayo in Santander in Spanien, einen einwöchigen Sommerkurs über die Welt-System-Analyse zu halten. Der Kurs bestand aus fünf Vorträgen. Es waren insgesamt rund vierzig Teilnehmer, Großteils Studierende im Aufbaustudium und junge Wissenschaftler von spanischen Universitäten, von denen die meisten zuvor relativ wenig Kontakt mit der Welt-System-Analyse gehabt hatten. Ich nutzte die Gunst der Stunde und referierte eine frühe Version der fünf Kapitel dieses Buches. Und ich profitierte von ihrem Feedback, dafür danke ich ihnen. Als ich einen ersten Entwurf dieses Buchs geschrieben hatte, bat ich vier Freunde, es zu lesen und zu rezensieren. Alle diese Freunde waren Personen, deren Urteil als Leser und deren Erfahrung als Lehrer ich respektiere. Aber sie waren in unter- schiedlichem Ausmaß mit der Analyse von Welt-System vertraut und verbunden, weshalb ich eine Bandbreite von Reaktionen erhoffte. Und ich erhielt sie. Wie bei jeder derartigen Aufgabe bin ich ihnen dankbar, dass sie mich vor Torheiten und Unklarheiten bewahrten. Sie gaben mir hilfreiche Vorschläge, die ich einarbei- ten konnte. Aber natürlich bestand ich darauf, das Buch nach meinen eigenen Vorstellungen zu schreiben, und so habe ich in eigener Verantwortung Hinweise auch nicht berücksichtigt. Dennoch ist es aufgrund des sorgfältigen Gegenlesens von Kai Erikson, Walter Goldfrank, Charles Lemert und Peter Taylor ein besseres Buch geworden. V Inhalt Einleitung. Zum Verständnis unserer heutigen Welt ....................... 1 1 Historische Wurzeln der Welt-System-Analyse: Von sozialwissenschaftlichen Disziplinen zu historischen Sozialwissenschaften ................................. 5 2 Das moderne Welt-System als kapitalistische Welt-Wirtschaft: Produktion, Mehrwert und Polarisierung ............................ 29 3 Der Aufstieg des Staatensystems: Souveräne Nationalstaaten, Kolonien und das zwischenstaatliche System .................................. 49 4 Die Entstehung einer Geokultur: Ideologien, soziale Bewegungen und die Sozialwissenschaften .......... 69 5 Das moderne Welt-System in der Krise: Bifurkation, Chaos und Wahlmöglichkeiten ......................... 87 Glossar ............................................................ 103 Bibliografische Hinweise ............................................. 119 VII Einleitung Zum Verständnis unserer heutigen Welt Einleitung Einleitung Die Medien und auch die Sozialwissenschaftler erzählen uns ständig, dass die Welt, in der wir seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts leben, von zwei Dingen dominiert wird: Globalisierung und Terrorismus. Beide Phänomene werden uns als substanziell neu präsentiert – das erste mit großer Hoffnung verbunden und das zweite mit furchtbaren Gefahren. Die Regierung der Vereinigten Staaten scheint eine zentrale Rolle dabei zu spielen, das eine zu fördern und das andere zu bekämpfen. Aber selbstverständlich sind dies nicht rein amerikanische Gegeben- heiten, sondern globale. Ein wesentlicher Hintergrund dieser Analyse ist der Slogan von Mrs. Thatcher, Großbritanniens Premierministerin von 1979–1990: There Is No Alternative (TINA). Angeblich gibt es keine Alternative zur Globalisierung, deren Anforderungen sich alle Regierungen fügen müssen. Und es heißt, dass es keine Alternative zur schonungslosen Ausrottung aller Formen des Terrorismus gibt, wenn wir überleben wollen. Dieses Bild ist nicht falsch, aber sehr unvollständig. Wenn wir Globalisierung und Terrorismus als zeitlich befristete Phänomene mit begrenzter Reichweite betrachten, neigen wir zu Ergebnissen so kurzlebig wie Zeitungen. Im Großen und Ganzen sind wir dann nicht in der Lage, die Bedeutung, die Herkunft und Verläufe dieser Phänomene zu verstehen. Vor allem verstehen wir nicht, wie sie in den Gesamtzusammenhang passen. Wir tendieren dazu, ihre Geschichte zu ignorieren. Wir können die einzelnen Stücke nicht zusammensetzen, und wir sind immer wieder überrascht, dass unsere kurzfristigen Prognosen nicht zutreffen. Wie viele Menschen hätten in den 1980er Jahren gedacht, dass die Sowjetunion so schnell und unblutig zerfallen wird? Und wer hätte 2001 erwartet, dass die Führer einer bis dahin recht unbekannten Bewegung, Al Qaida, am 11. September die Zwil- lingstürme in New York und das Pentagon so dreist angreifen und so viel Schaden anrichten könnten? Und doch sind, aus einer distanzierten Perspektive betrachtet, beide Ereignisse Teil eines größeren Szenarios, dessen Details wir zwar nicht im Voraus hätten wissen können, dessen Umrisse aber ziemlich vorhersehbar waren. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 1 I. Wallerstein, Welt-System-Analyse, Neue Bibliothek derSozialwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21962-8_1 2 Einleitung Teil des Problems ist, dass wir diese Phänomene bisher nur in einzelnen, von uns mit speziellen Namen versehenen Schubladen untersucht haben – Politik, Ökonomie, Sozialstruktur, Kultur, ohne uns darüber im Klaren zu sein, dass diese Schubladen eher Konstrukte unserer Vorstellungskraft als die Wirklichkeit sind. Die untersuchten Phänomene in den einzelnen Schubkästen sind so eng miteinander verflochten, dass sie einander bedingen, beeinflussen und jedes für sich allein be- trachtet unverstanden bleibt, wenn nicht die anderen Schubladen mit berücksichtigt werden. Ein weiterer Teil des Problems ist, dass wir bei unserer Analyse dessen, was „neu“ ist und was nicht, dazu neigen, die drei wichtigen Wendepunkte unseres modernen Welt-Systems nicht zu berücksichtigen: (1) das lange 16. Jahrhundert, in dem unser modernes Welt-System als kapitalistische Welt-Wirtschaft entstanden ist; (2) die Französische Revolution von 1789 als globales Ereignis, durch das sich in den darauffolgenden zwei Jahrhunderten die Dominanz einer Geokultur des gemäßigten Liberalismus in diesem Welt-System herausbilden und durchsetzen konnte und (3) die Weltrevolution von 1968, die die lange Endphase des modernen Welt-Systems ankündigte, in der wir uns gegenwärtig befinden und die jene ge- mäßigt-liberale Geokultur unterminierte, die unser Welt-System zusammenhielt. Von Globalisierung haben die Befürworter der Welt-System-Analyse schon lange vor der Erfindung dieses Wortes gesprochen – nicht als etwas Neues, aber als etwas, das grundlegend für das moderne Welt-System ist, seit es im 16. Jahrhundert entstand. Wir, die Befürworter, haben argumentiert, dass die einzelnen Schubladen der Analyse – die in den Universitäten Disziplinen genannt werden – ein Hindernis und keine Hilfe für das Verstehen der Welt sind. Wir haben argumentiert, dass die soziale Wirklichkeit, in der wir leben und die unsere Handlungsmöglichkeiten bestimmt, nicht die zahlreichen Nationalstaaten sind, zu deren Bürgern wir zählen, sondern etwas Größeres ist, das wir Welt-System nennen. Wir haben gesagt, dass dieses Welt-System viele Institutionen hat – Staaten und das zwischenstaatliche System, produktive Firmen, Haushalte, Klassen sowie Identitätsgruppen aller Art. Diese Institutionen bilden eine Matrix, die einerseits das Funktionieren des Systems ermöglicht, aber andererseits auch jene Konflikte und Widersprüche verursacht, die das System durchziehen. Wir haben behauptet, dass dieses System eine soziale Schöpfung mit einer Geschichte ist, dessen Ursprünge erklärt, dessen Funktionsmechanismen beschrieben und dessen unausweichlicher Niedergang erkannt werden müssen. Mit dieser Argumentation stellen wir uns nicht nur gegen weit verbreite Ansichten von Machthabern1, sondern ebenso gegen die gängigen, von Sozialwissenschaftlern 1 Anmerkung der Herausgeber: Im vorliegenden Text wird die englische Bezeichnung für Personen oder Funktionen mit der männlichen Form ins Deutsche übertragen. Auf das Einleitung 3 seit gut zwei Jahrhunderten hervorgebrachten Erkenntnisse. Aus diesem Grund haben wir gesagt, dass es wichtig ist, nicht nur erneut zu schauen, wie unsere Welt funktioniert, sondern auch wie unser Denken über diese Welt entstanden ist. Wer Welt-Systeme analysiert, sieht sich daher in einem fundamentalen Protest gegen unser bisheriges Verständnis der Welt. Aber wir meinen zugleich, dass die Ent- stehung dieses Analysemodus eine Reflexion, ein Ausdruck des realen Protestes gegen tiefsitzende Ungleichheiten des Welt-Systems ist, die gegenwärtig politisch so zentral sind. Ich selbst engagiere mich für und schreibe über die Welt-System-Analyse seit über dreißig Jahren. Ich habe die Analyse genutzt, um die Geschichte und die Mechanis- men des modernen Welt-Systems zu beschreiben und die Strukturen des Wissens zu skizzieren. Ich habe sie als eine Methode und als einen Standpunkt diskutiert. Aber ich habe bisher nie versucht, in einem einzigen Werk niederzuschreiben, was ich unter der Welt-System-Analyse verstehe. Im Laufe dieser dreißig Jahre ist die Welt-System-Analyse bekannter geworden und ihre Vertreter forschen geografisch weit verstreut. Nichtsdestotrotz stellt dieser Ansatz in der Welt der historischen Sozialwissenschaften nach wie vor die Perspektive einer Minderheit, einen Gegenpol dar. Ich habe erlebt, wie dieser Ansatz gepriesen, attackiert und häufig falsch dargestellt sowie missinterpretiert wurde – zuweilen von feindlich gesinnten und nicht gut informierten Kritikern, aber manchmal auch von Personen, die sich selbst als Verteidiger oder wenigstens als Sympathisanten sehen. Ich habe mich daher für die gebündelte Erläuterung der Prämissen und Prinzipien entschieden, um eine ganzheitliche Perspektive zu vermitteln, die den Anspruch erhebt, ein Aufruf zu einer ganzheitlichen historischen Sozialwissenschaft zu sein. Dieses Buch soll gleichzeitig drei verschiedene Zielgruppen bedienen. Es ist erstens für einen Leser geschrieben, der kein spezielles Vorwissen hat. Das kann ein Bachelorstudent am Beginn seines Studiums an der Universität oder ein Angehöriger der breiten Öffentlichkeit sein. Zweitens richtet es sich an Studenten der historischen Sozialwissenschaften, die eine ernsthafte Einführung in die Fragestellungen und Standpunkte zu all dem möchten, was unter die Rubrik der Welt-System-Analyse fällt. Und schließlich ist es auch für erfahrene Fachleute geschrieben, die sich in einer jungen, aber stetig wachsenden Gemeinschaft von Wissenschaftlern mit meiner besonderen Sichtweise auseinandersetzen möchten. üblicherweise vorgenommene „Gendern“ dieser Begriffe haben wir verzichtet, weil in der überwiegenden Zahl der Fälle als historische Tatsache von Männern die Rede ist. In allen anderen Fälle sind Angehörige beider Geschlechter gemeint. Der Leser und die Leserin mögen selbst entscheiden, wann dies zur Anwendung kommt. 3

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