Vertiefung der Algebra Wintersemester 2011/2012 Universit¨at Bayreuth Michael Stoll Inhaltsverzeichnis 25. Einfu¨hrung 2 26. Separable K¨orpererweiterungen 7 27. Galois-Erweiterungen 14 28. Die Diskriminante 19 29. L¨osungsformeln fu¨r Gleichungen vom Grad 3 und 4 22 30. Kreisteilungsk¨orper und Kreisteilungspolynome 28 31. Radikalerweiterungen und aufl¨osbare Gruppen 32 32. Semidirekte Produkte von Gruppen 40 Literatur 44 2 25. Einfu¨hrung Diese Vorlesung setzt die Vorlesung Einfu¨hrung in die Algebra“ fort. Die Num- ” merierung der Abschnitte in diesem Skript fu¨hrt deshalb die Nummerierung aus dem Skript fu¨r die Einfu¨hrung in die Algebra“ weiter. ” Zweck der Vorlesung ist es, Ihnen den Stoff aus dem Bereich der Algebra nahe zu bringen, den Sie fu¨r die Staatsexamensklausur brauchen, der aber in den ersten beiden Algebra-Vorlesungen ( Einfu¨hrung in die Zahlentheorie und algebraische ” Strukturen“ und Einfu¨hrung in die Algebra“) nicht untergebracht werden kann. ” Natu¨rlichkanndie VertiefungderAlgebra“ auchfu¨rFach-Studierendeinteressant ” sein, die sich im Bereich der Algebra spezialisieren wollen; Leistungspunkte gibt es allerdings nur fu¨r die Lehramts-Studierenden. W¨ahrend eines großen Teils unserer Zeit werden wir uns mit der sogenannten Galois-Theorie besch¨aftigen. Kurz gesagt, handelt es sich um das Studium der StrukturvonZerf¨allungsk¨orpern;insbesondereumdieBeschreibungderZwischen- k¨orper zwischen dem Grundk¨orper k und dem Zerf¨allungsk¨orper K eines Poly- noms f ∈ k[X]. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Automorphismengruppe der K¨orpererweiterung k ⊂ K. Dies ist eine endliche Gruppe der Ordnung [K : k], deren Elemente man mit gewissen Permutationen der Nullstellen von f in K iden- tifizieren kann. Daran k¨onnen Sie schon sehen, dass Sie sich noch einmal die Theo- rie der algebraischen K¨orpererweiterungen und die Theorie der endlichen Gruppen aus der Einfu¨hrung in die Algebra“ gut ansehen sollten. ” Um diese Zusammenh¨ange zu verdeutlichen, beginnen wir mit einem Beispiel, das so oder ¨ahnlich immer mal wieder als Aufgabe im Staatsexamen auftaucht. 25.1. Beispiel. Wir setzen k = Q und betrachten das Polynom f = X4 −17 ∈ Q[X]. Das Eisenstein-Kriterium 12.10 mit p = 17 sagt uns, dass f in Z[X] und damit auch in Q[X] irreduzibel ist. Wir wollen einen Zerf¨allungsk¨orper K von f konstruieren. Da Q in den algebraisch abgeschlossenen K¨orper C eingebettet ist, erhalten wir K als Q(α ,...,α ) ⊂ 1 4 C, wobei α ,...,α ∈ C die vier Nullstellen von f sind. Wir mu¨ssen also die 1 4 √ komplexen Nullstellen von f finden. Eine davon ist sicherlich α = 4 17. Fu¨r jede 1 weitere Nullstelle α gilt dann (α/α )4 = α4/α4 = 17/17 = 1, also ist α/α eine 1 1 1 vierte Einheitswurzel. Davon gibt es vier Stu¨ck, n¨amlich 1, i, i2 = −1 und i3 = −i. Wir erhalten also √ √ √ √ α = 4 17, α = i 4 17, α = − 4 17 und α = −i 4 17. 1 2 3 4 √ (Allgemeingiltanalog,dassdieNullstelleninCvonXn−agenaudieZahlenζj n a n sind fu¨r j = 0,1,...,n − 1, wobei ζ = e2πi/n eine primitive nte Einheitswurzel n ist.) Wegen α = −α und α = −α ist 3 1 4 2 √ √ √ K = Q(α ,α ,α ,α ) = Q(α ,α ) = Q( 4 17,i 4 17) = Q( 4 17,i). 1 2 3 4 1 2 Die letzte Gleichheit folgt aus √ √ √ i 4 17 = i· 4 17 ∈ Q( 4 17,i) und √ i 4 17 √ √ i = √ ∈ Q( 4 17,i 4 17). 4 17 Hier verwenden wir, dass der K¨orper k(α,β,γ,...) genau aus allen rationalen Aus- dru¨ckeninα,β,γ,...u¨berk besteht,alsoQuotientenvonPolynomeninα,β,γ,... mit Koeffizienten in k (wobei der Nenner natu¨rlich nicht verschwinden darf). 3 Was ist der Grad der K¨orpererweiterung Q ⊂ K? Um ihn zu bestimmen, zerlegt man die K¨orpererweiterung am besten in zwei Schritte: √ √ [K : Q] = [K : Q( 4 17)]·[Q( 4 17) : Q]. DenzweitenFaktork¨onnenwirleichtbestimmen:Fu¨reinfache algebraischeK¨orperer- weiterungen k ⊂ k(a) gilt [k(a) : k] = deg(m), wenn m ∈ k[X] das Minimalpoly- √ nom von a u¨ber k ist (vgl. 21.3–5). Hier wissen wir, dass 4 17 eine Nullstelle des √ normierten irreduziblen Polynoms f ist, also ist f das Minimalpolynom von 4 17, und es folgt √ [Q( 4 17) : Q] = deg(f) = 4. Es bleibt der Faktor √ √ √ [K : Q( 4 17)] = [Q( 4 17,i) : Q( 4 17)] zu bestimmen. Dies ist ebenfalls eine einfache K¨orpererweiterung, denn wir adjun- √ gieren i zu Q( 4 17). Da i Nullstelle von X2+1 ist, ist der Grad dieser Erweiterung √ h¨ochstens deg(X2 +1) = 2. Da i nicht reell ist, aber wegen 4 17 ∈ R der K¨orper √ √ Q( 4 17) in R enthalten ist, ist X2 + 1 auch in Q( 4 17)[X] irreduzibel (da ohne Nullstelle), und es folgt √ [K : Q( 4 17)] = 2, also [K : Q] = 2·4 = 8. Wir betrachten jetzt die Automorphismen der K¨orpererweiterung Q ⊂ K. Diese sind die Elemente der Untergruppe Aut(K/Q) = {σ ∈ Aut(K) | ∀x ∈ Q : σ(x) = x} ≤ Aut(K) der Automorphismengruppe von K. Allgemein ist ein Automorphismus einer K¨or- pererweiterung k ⊂ K ein Automorphismus von K (also ein bijektiver Ringho- momorphismus σ : K → K — man erinnere sich daran, dass ein Ringhomo- morphismus von einem K¨orper in einen nichttrivialen Ring stets injektiv ist; das Entscheidende ist also die Surjektivit¨at), der k elementweise fest l¨asst“; es muss ” also σ(x) = x gelten fu¨r alle x ∈ k. Fu¨r k = Q ist das automatisch der Fall, da die Elemente von Q aus 0 und 1 (die beide fest bleiben) durch die vier Grundrechen- arten gebildet werden k¨onnen. Ist k ⊂ K eine endliche K¨orpererweiterung, dann ist jeder Ringhomomorphis- mus σ : K → K, der k elementweise fest l¨asst, bereits ein Automorphismus der K¨orpererweiterung. Es folgt n¨amlich, dass σ ein Endomorphismus des endlich- dimensionalen k-Vektorraums K ist (Beweis als U¨bung); außerdem ist σ injektiv und damit auch bijektiv. Wie k¨onnen wir die Elemente von Aut(K/Q) beschreiben? Offenbar genu¨gt es, die √ Bilder der Erzeuger 4 17 und i zu kennen, denn dann weiß man auch, wie jeder Q-rationale Ausdruck in diesen Erzeugern abgebildet wird, also kennt man die √ Abbildung auf ganz K. Was sind nun die m¨oglichen Bilder von 4 17 und von i? Dazu ein Lemma: 25.2. Lemma. Sei k ⊂ K eine K¨orpererweiterung, α ∈ K und f ∈ k[X] ein Polynom mit f(α) = 0. Ist σ ∈ Aut(K/k), dann ist σ(α) eine Nullstelle von f in K. 4 Beweis. Sei f = a Xn +a Xn−1 +...+a X +a . Dann ist n n−1 1 0 f(σ(α)) = a σ(α)n +a σ(α)n−1 +...+a σ(α)+a n n−1 1 0 = σ(a )σ(αn)+σ(a )σ(αn−1)+...+σ(a )σ(α)+σ(a ) n n−1 1 0 = σ(a αn +a αn−1 +...+a α+a ) n n−1 1 0 = σ(f(α)) = σ(0) = 0. Hierbei haben wir verwendet, dass σ ein Ringhomomorphismus ist, und dass σ(a) = a gilt fu¨r alle a ∈ k, also insbesondere fu¨r die Koeffizienten von f. (cid:3) Damit sehen wir, dass fu¨r σ ∈ Aut(K/Q) gelten muss √ √ √ √ √ σ( 4 17) ∈ { 4 17,i 4 17,− 4 17,−i 4 17} und σ(i) ∈ {i,−i}. Um zu sehen, welche dieser (insgesamt acht) M¨oglichkeiten tats¨achlich zu einem Automorphismus fu¨hren, brauchen wir ein weiteres Lemma. 25.3. Lemma. Sei k ⊂ K = k(α) eine einfache K¨orpererweiterung, sei f das Minimalpolynom von α u¨ber k, und sei β ∈ K eine Nullstelle von f. Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Automorphismus σ ∈ Aut(K/k) mit σ(α) = β. Beweis. Das ist ein Spezialfall von Satz 22.2. (cid:3) Wir k¨onnen das hier wie folgt anwenden: (1) Es gibt ein eindeutig bestimmtes σ ∈ Aut(K/Q(i)) ≤ Aut(K/Q) mit √ √ σ( 4 17) = i 4 17. √ (2) Es gibt ein eindeutig bestimmtes τ ∈ Aut(K/Q( 4 17)) ≤ Aut(K/Q) mit τ(i) = −i. Die erste Aussage folgt daraus, dass f auch u¨ber Q(i) irreduzibel ist (denn es gilt √ √ [Q(i, 4 17) : Q(i)] = 4 = deg(f)), die zweite daraus, dass X2 + 1 u¨ber Q( 4 17) irreduzibel ist (das haben wir bereits bei der Bestimmung von [K : Q] benutzt). Fu¨r σ,τ ∈ Aut(K/Q) gilt also √ √ √ √ σ( 4 17) = i 4 17, σ(i) = i und τ( 4 17) = 4 17, τ(i) = −i. Daraus folgt σ4 = τ2 = id und τστ = σ−1, wie folgende Tabellen zeigen. Wir √ K schreiben α = 4 17. (Beachte: στ = σ ◦τ; τ wird zuerst ausgefu¨hrt.) σ σ2 σ3 σ4 τ τ2 στ σ2τ σ3τ τστ α iα −α −iα α α α iα −α −iα −iα i i i i i −i i −i −i −i i Wir erhalten insgesamt acht verschiedene Automorphismen, n¨amlich id ,σ,σ2,σ3,τ,στ,σ2τ,σ3τ , K und die Relationen σ4 = τ2 = id , τστ = σ−1 zeigen, dass die Gruppe Aut(K/Q) K isomorph zur Diedergruppe D ist, wobei σ der Drehung um π/2 und τ einer 4 Spiegelung entspricht. Wenn man die vier Nullstellen von f betrachtet, dann er- gibt sich folgende Wirkung der acht Automorphismen (die natu¨rlich auch dadurch 5 festgelegt sind, was sie mit diesen Nullstellen machen, denn die Nullstellen von f erzeugen K). id σ σ2 σ3 τ στ σ2τ σ3τ K α α iα −α −iα α iα −α −iα iα iα −α −iα α −iα α iα −α −α −α −iα α iα −α −iα α iα −iα −iα α iα −α iα −α −iα α Wir sehen, dass die vier Nullstellen jeweils permutiert werden. Das gilt allgemein: 25.4. Lemma. Sei k ⊂ K eine K¨orpererweiterung, σ ∈ Aut(K/k) und f ∈ k[X] normiert. Sei N = {α ∈ K | f(α) = 0} die Menge der Nullstellen von f in K. f Dann permutiert σ die Elemente von N , und wir erhalten einen Gruppenhomo- f morphismus Aut(K/k) → S(N ), σ (cid:55)→ σ| . Ist K ein Zerf¨allungsk¨orper von f, f N f dann ist dieser Gruppenhomomorphismus injektiv. Dabei bezeichnet S(X) die symmetrische Gruppe (Gruppe der Permutationen) einer Menge X. Wir k¨onnen die Gruppe Aut(K/k) also als eine Untergruppe von S(N ) betrachten. f Beweis. Nach Lemma 25.2 bildet σ die Menge N in sich ab. Da σ bijektiv ist, ist f σ| jedenfallsinjektiv.WeilN endlichist,mussσ| dannauchbijektivsein,also N f N f f ist σ| ∈ S(N ). Dass die Abbildung σ (cid:55)→ σ| ein Gruppenhomomorphismus N f N f f ist, ist klar. Ist K Zerf¨allungsk¨orper von f, dann gilt K = k(N ), und σ ist durch σ| ein- f N f deutig bestimmt. Also ist die Abbildung Aut(K/k) → S(N ), σ (cid:55)→ σ| in diesem f N f Fall injektiv. (cid:3) In unserem Beispiel k¨onnen wir die Diedergruppe D sogar sehen“: Die Gruppe 4 ” Aut(K/Q) entspricht n¨amlich genau der Symmetriegruppe des Quadrats in der Ebene C, dessen Ecken die vier Nullstellen von f sind. (Es gilt aber nicht, dass die Wirkung etwa von σ auf jedes Element von K einer Drehung um π/2 entspricht, denn zum Beispiel ist σ(1) = 1. Diese Entsprechung gilt nur fu¨r die Menge der Nullstellen von f; sie kommt aus der speziellen Form des Polynoms und l¨asst sich nicht unbedingt auf andere Polynome u¨bertragen.) Wir k¨onnen also einem Polynom f ∈ Q[X] eine Gruppe zuordnen. 25.5. Satz und Definition. Sei f ∈ Q[X] ein nicht-konstantes Polynom und K ⊂ C der Zerf¨allungsk¨orper von f in C. Dann gilt #Aut(K/Q) = [K : Q], und Aut(K/Q) ist in natu¨rlicher Weise eine Untergruppe von S(N ), wobei N = f f {α ∈ C | f(α) = 0} die Menge der Nullstellen von f ist. Diese Untergruppe von S(N ) heißt die Galoisgruppe von f (u¨ber Q), Gal(f/Q). f Beweis. Die Aussage #Aut(K/Q) = [K : Q]“ wurde in Bemerkung 22.6 gezeigt. ” Die zweite Aussage wurde in Lemma 25.4 bewiesen. (cid:3) Wenn#N = nistundmandieNullstellenirgendwienummeriert,dannkannman f S(N ) mit der symmetrischen Gruppe S identifizieren. Die Galoisgruppe von f f n ist dann eine Untergruppe von S ; sie ist bis auf Konjugation in S eindeutig n n bestimmt. (Konjugation in S entspricht einem Wechsel der Nummerierung — n U¨bung!) In unserem Beispiel k¨onnen wir also schreiben Gal(f/Q) = D . 4 Wir werden das bald auf beliebige K¨orper (an Stelle von Q) verallgemeinern. 6 Damit Sie sehen, dass die Gleichung #Aut(K/Q) = [K : Q] nicht immer gelten √ muss, betrachten wir jetzt noch den K¨orper L = Q( 4 17). Die Nullstellen von f √ √ in L sind 4 17 und − 4 17. Damit gibt es nur die beiden Automorphismen id und L σ2| , also ist L 4 = [L : Q] (cid:54)= #Aut(L/Q) = 2. Wir k¨onnen nun jeder Untergruppe U ≤ Gal(f/Q) = Aut(K/Q) einen Zwi- schenk¨orper der K¨orpererweiterung Q ⊂ K zuordnen durch Z(U) = {a ∈ K | σ(a) = a fu¨r alle σ ∈ U}. Dieser K¨orper Z(U) heißt auch der Fixk¨orper von U, weil er aus den Elementen besteht, die von U fest gelassen werden, die also Fixpunkte von allen σ ∈ U sind. Wie sieht das im Beispiel aus? Dazu beachten wir, dass sich jedes Element von K eindeutig in der Form a+bα+cα2 +dα3 +ei+fiα+giα2 +hiα3 mit a,b,c,d,e,f,g,h ∈ Q schreiben l¨asst. Wenn wir dafu¨r kurz (a,b,c,d,e,f,g,h) schreiben, dann operieren die Elemente von Gal(f/Q) wie folgt: id (a, b, c, d, e, f, g, h) σ (a,−f,−c, h, e, b,−g,−d) σ2 (a, −b, c,−d, e,−f, g,−h) σ3 (a, f,−c,−h, e, −b,−g, d) τ (a, b, c, d,−e,−f,−g,−h) στ (a, f,−c,−h,−e, b, g,−d) σ2τ (a, −b, c,−d,−e, f,−g, h) σ3τ (a,−f,−c, h,−e, −b, g, d) Welche Untergruppen hat die Diedergruppe D ? Außer der trivialen Gruppe und 4 D selbst kann es noch Untergruppen der Ordnung 2 und 4 geben. Eine Unter- 4 gruppe der Ordnung 2 besteht aus id und einem Element der Ordnung 2; es gibt also die fu¨nf Untergruppen (cid:104)σ2(cid:105), (cid:104)τ(cid:105), (cid:104)στ(cid:105), (cid:104)σ2τ(cid:105), (cid:104)σ3τ(cid:105). Untergruppen der Ordnung 4 sind entweder zyklisch, also von einem Element der Ordnung 4 erzeugt — das liefert eine Untergruppe (cid:104)σ(cid:105) — oder von zwei mitein- ander kommutierenden Elementen der Ordnung 2 erzeugt. Das liefert noch zwei Untergruppen (cid:104)σ2,τ(cid:105) und (cid:104)σ2,στ(cid:105). Wir bestimmen jetzt die zugeh¨origen Zwischenk¨orper. • Z({id}) = K, denn alle Elemente sind Fixpunkte der Identit¨at. √ • Z((cid:104)σ2(cid:105)) = Q( 17,i), denn aus der obigen Tabelle findet man fu¨r x ∈ K in der Basisdarstellung: σ2(x) = x ⇐⇒ b = d = f = h = 0. √ • Z((cid:104)τ(cid:105)) = Q( 4 17). Hier muss e = f = g = h = 0 sein. √ • Z((cid:104)στ(cid:105)) = Q((1+i) 4 17). Hier gilt c = e = 0, b = f, d = −h; die Elemente haben die Form g d a+b(1+i)α+giα2 +d(1−i)α3 = a+b(1+i)α+ (cid:0)(1+i)α(cid:1)2 − (cid:0)(1+i)α(cid:1)3. 2 2 7 √ • Z((cid:104)σ2τ(cid:105)) = Q(i 4 17). Es gilt b = d = e = g = 0; die verbleibenden Terme sind Potenzen von iα. √ • Z((cid:104)σ3τ(cid:105)) = Q((1−i) 4 17). Das ist analog zu (cid:104)στ(cid:105). • Z((cid:104)σ(cid:105)) = Q(i), denn σ(x) = x ⇐⇒ b = c = d = f = g = h = 0. √ • Z((cid:104)σ2,τ(cid:105)) = Q( 17). Fixpunkt von σ2 und τ zu sein bedeutet b = d = e = f = g = h = 0, also √ haben die Elemente die Form a+cα2 = a+c 17. √ • Z((cid:104)σ2,στ(cid:105)) = Q(i 17). A¨hnlich wie eben findet man die Bedingung b = c = d = e = f = h = 0; √ die Elemente haben die Form a+giα2 = a+gi 17. • Z(D ) = Q. 4 Wenn ein Element sowohl unter σ als auch unter τ fest bleibt, folgt b = c = d = e = f = g = h = 0. 26. Separable Ko¨rpererweiterungen Eine wichtige Eigenschaft der Galois-Erweiterungen (die wir in dieser Vorlesung genauer studieren wollen) ist, dass sieseparabel sind. Endliche separable K¨orperer- weiterungen haben außerdem die sch¨one Eigenschaft, dass sie einfach sind. In die- sem Abschnitt werden wir separable Elemente und Erweiterungen einfu¨hren und untersuchen und insbesondere auch diesen Satz vom primitiven Element“ bewei- ” sen. Wir orientieren uns hier an [KM, Kap. 24]. 26.1. Definition. Sei K ein K¨orper, 0 (cid:54)= f ∈ K[x] ein Polynom. f heißt separa- bel, wenn fu¨r jeden irreduziblen normierten Teiler h von f gilt, dass h in einem Zerf¨allungsk¨orper von h (oder f) nur einfache Nullstellen hat. H¨aufig wird einfach gefordert, dass f selbst in seinem Zerf¨allungsk¨orper nur einfa- che Nullstellen hat, was eine st¨arkere Einschr¨ankung ist. Fu¨r irreduzible Polynome stimmenbeideVersionenu¨berein,undwirwerdendenBegriff separabel“ fastaus- ” schließlich im Zusammenhang mit irreduziblen Polynomen verwenden. In diesem Fall k¨onnen wir Separabilit¨at auf einfache Weise charakterisieren. 26.2. Lemma. Sei K ein K¨orper und f ∈ K[x] irreduzibel. Dann ist f genau dann separabel, wenn die Ableitung f(cid:48) (cid:54)= 0 ist. Beweis. Wir k¨onnen ohne Einschr¨ankung annehmen, dass f normiert ist. Sei K ⊂ L ein Zerf¨allungsk¨orper von f. Ist f nicht separabel, dann hat f eine mehrfache Nullstelle α in L. Damit ist α eine Nullstelle von f(cid:48) ∈ K[x] (denn f = (x−α)2g impliziert f(cid:48) = (x−α)(2g +(x−α)g(cid:48))), also muss das Minimalpolynom f von α u¨ber K ein Teiler von f(cid:48) sein. Auf der anderen Seite ist deg(f(cid:48)) < deg(f), daher bleibt nur die M¨oglichkeit, dass f(cid:48) = 0 ist. Damit ist ⇐“ gezeigt. ” Ist umgekehrt f separabel, dann sei α ∈ L eine einfache Nullstelle von f; wir schreiben f = (x−α)g in L[x]. Dann gilt f(cid:48) = g +(x−α)g(cid:48), also f(cid:48)(α) = g(α) (cid:54)= 0, denn α ist eine einfache Nullstelle von f. Das zeigt f(cid:48) (cid:54)= 0. (cid:3) Aus dem Beweis ergibt sich auch, dass entweder alle Nullstellen von f in L einfach sind oder keine. 8 26.3. Folgerung. Ist K ein K¨orper der Charakteristik 0, dann ist jedes irreduzible Polynom u¨ber K separabel. Beweis. In Charakteristik 0 gilt fu¨r f nicht konstant, dass deg(f(cid:48)) = deg(f)−1 ist (Lemma 12.13, (4)); es folgt f(cid:48) (cid:54)= 0, also ist f nach Lemma 26.2 separabel. (cid:3) 26.4. Beispiel. NichtseparablePolynomesindalsonichtsoeinfachzufinden.Das Standardbeispiel sieht so aus: Sei K = F (y) der Quotientenk¨orper der Polynom- p rings F [y] und sei f = xp −y ∈ K[x]. Nach dem Eisenstein-Kriterium (mit dem p Primelement y ∈ F [y]) ist f irreduzibel. Auf der anderen Seite ist f(cid:48) = pxp−1 = 0, p da K Charakteristik p hat. Also ist f nicht separabel. Sei L ein Zerf¨allungsk¨orper von f u¨ber K und sei α ∈ L eine Nullstelle von f. Dann ist αp = y und es gilt (x−α)p = xp −αp = xp −y = f , also hat f die p-fache Nullstelle α in L. Das l¨asst sich verallgemeinern: 26.5. Lemma. Sei K ein K¨orper der Charakteristik p > 0 und f ∈ K[x] irredu- zibel. Dann ist f genau dann nicht separabel, wenn es ein Polynom g ∈ K[x] gibt mit f = g(xp). Beweis. Nach Lemma 26.2 genu¨gt es zu zeigen, dass f(cid:48) = 0 ist genau dann, wenn f = g(xp) ist fu¨r ein g ∈ K[x]. Gilt f = g(xp), dann ist f(cid:48) = pxp−1g(cid:48)(xp) = 0. Fu¨r die Gegenrichtung sei f = a xn +a xn−1 +...+a x+a . Dann ist n n−1 1 0 f(cid:48) = na xn−1 +(n−1)a xn−2 +...+a . n n−1 1 Ist f(cid:48) = 0, dann folgt ma = 0 fu¨r alle 0 ≤ m ≤ n. Ist m kein Vielfaches von p, m dann ist m (cid:54)= 0 in K und es folgt a = 0. Also hat f die Form m a xpn(cid:48) +a xp(n(cid:48)−1) +...+a xp +a = g(xp) pn(cid:48) p(n(cid:48)−1) p 0 mit g = a xn(cid:48) +a xn(cid:48)−1 +...+a x+a . (cid:3) pn(cid:48) p(n(cid:48)−1) p 0 Wir erweitern den Begriff separabel“ auf Elemente und K¨orpererweiterungen. ” 26.6. Definition. Sei k ⊂ K eine K¨orpererweiterung. Ein Element a ∈ K heißt separabel u¨ber k, wenn es algebraisch u¨ber k ist und sein Minimalpolynom u¨ber k separabel ist. Die K¨orpererweiterung k ⊂ K heißt separabel, wenn jedes Element a ∈ K separabel u¨ber k ist. Anderenfalls heißt sie inseparabel. 26.7. Proposition. Sei k ⊂ K eine K¨orpererweiterung und a ∈ K algebraisch u¨ber k. (1) Ist char(k) = 0, dann ist a separabel u¨ber k. (2) Ist char(k) = p > 0, dann ist a separabel u¨ber k genau dann, wenn k(ap) = k(a) ist. (3) a ist separabel u¨ber k genau dann, wenn die K¨orpererweiterung k ⊂ k(a) separabel ist. 9 Beweis. Der Fall von Charakteristik 0 folgt aus Folgerung 26.3. Sei also char(k) = p > 0. Wir haben den Zwischenk¨orper k ⊂ k(ap) ⊂ k(a). Ist a separabel u¨ber k, dann ist a auch separabel u¨ber k(ap) (denn das Minimal- polynom von a u¨ber k(ap) teilt das Minimalpolynom von a u¨ber k). Sei f das Minimalpolynom von a u¨ber k(ap), dann ist f ein Teiler von xp −ap ∈ k(ap)[x], denn a ist eine Nullstelle dieses Polynoms. Auf der anderen Seite gilt in k(a)[x], dass xp−ap = (x−a)p ist. Da f keine mehrfachen Nullstellen hat, folgt f = x−a, also a ∈ k(ap) und damit k(a) = k(ap). Ist a nicht separabel u¨ber k, dann hat das Minimalpolynom h von a u¨ber k die Form h = g(xp) nach Lemma 26.5. Da h irreduzibel ist, muss auch g irreduzibel sein (eine Faktorisierung von g wu¨rde sich auf h u¨bertragen), und da g(ap) = h(a) = 0 ist, ist g das Minimalpolynom von ap u¨ber k. Es folgt [k(a) : k] deg(h) [k(a) : k(ap)] = = = p, [k(ap) : k] deg(g) also gilt hier k(ap) (cid:40) k(a). In der dritten Aussage gilt ⇐“ nach Definition. Fu¨r die Gegenrichtung ist nur ” im Fall char(k) = p > 0 etwas zu zeigen. Sei b ∈ k(a) und sei f ∈ k(b)[x] das Minimalpolynom von a u¨ber k(b). Wir schreiben φ : K → K fu¨r den Frobenius- Endomorphismus λ (cid:55)→ λp und fφ ∈ k(bp)[x] fu¨r das Polynom, das man erh¨alt, wenn man φ auf die Koeffizienten von f anwendet. Dann gilt fφ(ap) = fφ(φ(a)) = φ(f(a)) = φ(0) = 0, also hat fφ die Nullstelle ap. Damit gilt [k(ap) : k(bp)] ≤ deg(fφ) = deg(f) = [k(a) : k(b)], also folgt unter Verwendung von k(a) = k(ap): [k(a) : k(bp)] [k(ap) : k(bp)] [k(b) : k(bp)] = = ≤ 1. [k(a) : k(b)] [k(a) : k(b)] Das heißt aber k(b) = k(bp), also ist b separabel u¨ber k. (cid:3) K¨orper mit der Eigenschaft, dass jede algebraische Erweiterung separabel ist, ha- ben einen besonderen Namen. 26.8. Definition. Ein K¨orper K heißt vollkommen oder perfekt, wenn jedes irre- duzible Polynom in K[x] separabel ist. Dann ist auch jede algebraische K¨orperer- weiterung von K separabel. 26.9. Satz (Steinitz). Sei K ein K¨orper. (1) Gilt char(K) = 0, dann ist K vollkommen. (2) Gilt char(K) = p > 0, dann ist K genau dann vollkommen, wenn {ap | a ∈ K} = K gilt, wenn also der Frobenius-Endomorphismus φ : K → K, a (cid:55)→ ap, surjektiv ist. (3) Ist K endlich, dann ist K vollkommen. Beweis. Der Fall von Charakteristik 0 folgt wieder aus Folgerung 26.3. Wir betrachten den Fall char(K) = p > 0. Wir nehmen zun¨achst an, dass φ nicht surjektiv ist. Dann gibt es a ∈ K mit a (cid:54)= bp fu¨r alle b ∈ K. Wir betrachten eine K¨orpererweiterung L von K, in der xp−a eine Nullstelle α hat. Es gilt dann α ∈/ K, aber αp = a ∈ K, also ist K(αp) = K (cid:40) K(α) und damit ist α nicht 10 separabel u¨ber K nach Proposition 26.7. Jetzt nehmen wir an, dass ϕ surjektiv ist. Sei f ∈ K[x] ein irreduzibles Polynom. Wenn f nicht separabel w¨are, dann g¨abe es g ∈ K[x] mit f = g(xp). Wir schreiben g = a xn +...+a x+a , dann n 1 0 ist f = a xpn +...+a xp +a . Da ϕ surjektiv ist, gibt es b ,b ,...,b ∈ K mit n 1 0 0 1 n bp = a fu¨r 0 ≤ j ≤ n. Dann ist j j f = bpxnp +bp x(n−1)p +...+bpxp +bp = (b xn +b xn−1 +...+b x+b )p, n n−1 1 0 n n−1 1 0 also kann f nicht irreduzibel sein, ein Widerspruch. Also muss f separabel sein, und K ist vollkommen. Ist K endlich, dann gilt char(K) = p fu¨r eine Primzahl p. Der Frobenius-Endo- morphismus ϕ ist ein K¨orperhomomorphismus und als solcher injektiv. Weil K endlich ist, ist φ dann auch surjektiv, also ist K nach Teil (2) vollkommen. (cid:3) 26.10. Beispiel. Ein unvollkommener K¨orper ist also nicht so leicht zu finden. Wie Beispiel 26.4 zeigt, ist F (y) ein solcher. In jedem Fall muss es ein unendlicher p K¨orper von Primzahlcharakteristik sein. Wir kommen zum Satz vom primitiven Element. Wir behandeln den wesentlichen Schritt als Lemma vorneweg. 26.11. Lemma. Sei k ⊂ K eine K¨orpererweiterung und seien a,b ∈ K algebraisch u¨ber k mit b separabel u¨ber k. Dann gibt es c ∈ k(a,b) mit k(c) = k(a,b). Beweis. k(a,b) ist eine endliche Erweiterung von k. Ist k ein endlicher K¨orper, dann ist auch k(a,b) endlich. Damit ist die multiplikative Gruppe zyklisch (siehe Folgerung 15.5), also k(a,b)× = (cid:104)c(cid:105) fu¨r ein c ∈ k(a,b). Dann gilt natu¨rlich auch k(c) = k(a,b). Wir k¨onnen ab jetzt also annehmen, dass k unendlich ist. Seien f das Minimalpolynom von a und g das Minimalpolynom von b u¨ber k und sei k(a,b) ⊂ L ein Zerf¨allungsk¨orper von fg u¨ber k. Wir bezeichnen die verschiedenen Nullstellen von f in L mit a = a ,a ,...,a und die verschiedenen 1 2 m Nullstellen von g in L mit b = b ,b ,...,b . Die Menge der λ ∈ k, fu¨r die es ein 1 2 n Paar (i,j) (cid:54)= (1,1) gibt mit a+λb = a +λb i j ist endlich (jedes Paar (i,j) schließt h¨ochstens ein λ aus). Da k unendlich ist, gibt es also ein λ ∈ k mit c := a + λb (cid:54)= a + λb fu¨r alle (i,j) (cid:54)= (1,1). Wir i j wollen jetzt k(c) = k(a,b) zeigen. Die Inklusion ⊂“ ist klar; es bleibt also zu ” zeigen, dass a,b ∈ k(c). Wir zeigen b ∈ k(c), dann folgt a = c−λb ∈ k(c). Dazu betrachten wir h = ggT(g,f(c−λx)) in k(c)[x]. Da b eine gemeinsame Nullstelle von g und f(c−λx) ist, muss x−b ein Teiler von h sein (in k(a,b)[x]). W¨are b mit j j > 1 eine Nullstelle von h, dann w¨are b auch eine Nullstelle von f(c−λx), also j w¨are c−λb = a fu¨r ein 1 ≤ i ≤ m, im Widerspruch zur Wahl von λ. Da h ein j i Teiler von g sein muss und da g nur einfache Nullstellen hat (denn b ist separabel u¨ber k — hier wird diese wichtige Voraussetzung verwendet!), folgt h = x − b. Da der ggT aber durch den Euklidischen Algorithmus in k(c)[x] berechnet werden kann, folgt b ∈ k(c). (cid:3) √ 26.12. Beispiel. Wir kommen zuru¨ck zu unserem Beispiel Q ⊂ K = Q( 4 17,i). √ Mit λ = 1 sehen wir, dass alle Elemente im 4 17 ± i (mit 0 ≤ m ≤ 3) paarweise verschieden sind. Da wir uns in Charakteristik 0 befinden, sind alle Elemente √ separabel. Es folgt K = Q( 4 17+i).
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