Christina Erdmann Unternehmer und Nachfolger Christina Erdmann Unternehmer und Nachfolger Die Entstehung von Nachfolgebereitschaft Mit Geleitworten von Prof. Dr. Christoph Lith und Prof. Dr. Dieter Wagner und Dipl.-Bw. Anton Steinberger Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsoufnahme Erdmann, Christina: Unternehmer und Nachfolger : die Entstehung von Nachfolgebereitschaft / Christina Erdmann. Mit Geleitw. von Christoph LUth ... - Wiesbaden : DUV, Dt. Univ.-Verl., 1999 IDUV : Sozialwissenschaftl lugl.: Potsdam, Univ., Diss. u.d.T.: "Unternehmer und Nachfolger: Wirkungs zusammenhange in der Erziehung von Unternehmersbhnen. Entwicklung eines Modells", 1998 Aile Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden, 1999 Urspriinglich erschienen bei Deutscher Universitats Verlag 1999. lektorat: Ute Wrasmann / Monika Mulhausen Dos Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne lustimmung des Verlages un zulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigun gen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche rung und Verarbeitung in elektronischen System en . http://www.duv.de Hiichste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser liel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Bucher wollen wir die Umwelt schonen. Dieses Buch ist deshalb auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Ein schweiBfolie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Ge setzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. ISBN 978-3-8244-4371-0 ISBN 978-3-663-09087-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-09087-8 FUr Jorg (1964-1990) Geleitwort Christina Erdmann hat sich die Aufgabe gestellt, in Mittelstandsuntemehmen die Erziehung von Unternehmersohnen fUr eine Nachfolge zu untersuchen. Sie greift damit ein Thema auf, dem bei der Diskussion urn die Gestaltung von Nachfolgeprozessen haufig nicht die ihm ge biihrende Beachtung geschenkt wird. Haufig sind erb- und steuerrechtliche Fragen einer Nachfolge geklart. Gravierende okonomische und familiare Probleme entstehen nicht selten aber gerade dadurch, daB Kinder in Unternehmerfamilien aus familiaren Griinden nicht bereit sind, Nachfolger zu werden. Die Verfasserin geht hier zu recht davon aus, daB Erziehung und Sozialisation in Untemehmerfamilien eine wichtige Basis fUr die Entstehung von Nachfolge bereitschaft darstellen. Daher kann sie kritisch feststellen: "Obwohl die hier thematisierten Bereiche Erziehung (Aus-)Bildung und Sozialisation zentrale Themen der padagogischen und erziehungswissenschaftlichen Forschung darstellen, fallt bei der Beschaftigung mit Nachfol geprozessen in Familienunternehmen auf, daB systematische Untersuchungen zu diesem Thema und der damit verbundenen Fragestellung aus dieser wissenschaftlichen Disziplin heraus bislang nicht durchgefiihrt worden sind". Da auch in anderen Disziplinen solche Un tersuchungen bisher nicht vorliegen, schlieBt die Autorin mit der vorgelegten Arbeit eine For schungsliicke. Sie untersucht in einer interdisziplinaren Verbindung von Erziehungswissen schaft, Psycho logie, Soziologie und Betriebswirtschaft Nachfolgeprozesse und die Erziehung derjenigen, die heute als Nachfolger tatig sind. Dabei sensibilisiert sie durch eine Analyse der Ratgeberliteratur fur Nachfolgeprozesse aus den letzten knapp fUnfzig Jahren fUr die Inter pretation von Interviews mit Vatern und deren Sohnen (Nachfolgem). Diese Gesprache und ihre Analyse stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Die Pointe des dafur gewahlten Forschungsansatzes einer qualitativen Analyse liegt darin, daB er eine Konzentration auf we nige Interviews (die aber immerhin einen Materialband mit knapp 400 Seiten ausmachen) er laubt und so eine Feinanalyse von Aussagen der Interviewten ermoglicht. Dies ware bei einem standardisierten Fragebogenverfahren nicht moglich gewesen. Der Vorteil dieses Ansatzes und die Starke der gesamten Untersuchung konnen nicht genug betont werden: Die betrach teten Grundsatze zur Erziehung und die Einschatzung ihrer Wirkung stammen aus dem Um feld einer praktizierlen Erziehung. Das zentrale Ergebnis der Untersuchung besteht darin, daB durch das hier entwickelte Modell zur Erklarung der Wirkungszusamrnenhange in Erzie hungsprozessen in Unternehmerfamilien die Entstehung von Nachfolgebereitschaft erklart werden kann. DaB die Verfasserin ihr Fazit zur Entwicklung und Erhohung von Nachfolgebe reitschaft mit einem vorsichtigen ,vermutlich' relativiert, zeigt nicht nur ein ausgesprochen problembewuBtes und selbstkritisches Vorgehen. Es leitet auch iiber zu ihrer Anregung, wei tere Forschungen zur Entstehung und Erhohung von Nachfolgebereitschaft in mittelstandi schen Unternehmerfamilien durchzufUhren. DaB dabei auch das Mutter-Sohn-Verhaltnis wie ebenfalls die Erziehung der Tochter zu beriicksichtigen sind, hebt sie ausdriicklich hervor. Mit der von der Verfasserin vorgelegten Arbeit werden erstmals Erziehungs- und Sozialisa tionsprozesse in mittelstandischen Untemehmerfamilien untersucht. Dies stellt einen sehr ge wichtigen Beitrag zur Beschaftigung mit Familienunternehmen dar, der hoffentlich weitere Forschungen zu diesem Themenbereich nachhaltig beeinflussen wird. Prof. Dr. Christoph Liith Prof. Dr. Dieter Wagner Geleitwort Die Unternehmensnachfolge ist sowohl flir den Obergeber, als auch fiir den Obernehmer ein einschneidender Schritt. Der Obergeber gibt das Werk seines Lebens, sein Unternehmen, aus der Hand; fiir den Obernehmer beginnt damit ebenso ein vollig neuer Lebensabschnitt. Der Wechsel der unternehmerischen Verantwortung wird vollzogen. Etwa 300.000 mittel standi sche Unternehmen mit ca. 4 Millionen Mitarbeitern werden bis zur Jahrtausendwende in neue Hande iibergeben. Das Institut flir Mittelstandsforschung hat diese Zahl in drei Kategorien eingeteilt: 136.800 Unternehmen die im Generationswechsel iibergeben werden, 93.500 bei denen der Wechsel an der Spitze durch eine plOtzliche schwere Krankheit oder den Tod notig wird, und 69.700 Unternehmen, die sich zuriickziehen wollen oder miissen. Dieses Institut hat zudem ermittelt: Je groBer das Unternehmen ist, desto starker ist der Anteil der Obernahmen durch Mitarbeiter oder externe Fiihrungskrafte, je kleiner der Betrieb ist, desto groBer ist die Gefahr, daB er wegen einer gescheiterten Obernahme stillge-legt werden muB. Die Be triebsiibernahme im Generationenwechsel innerhalb der Familie erhalt damit eine enorme sozialpolitische Bedeutung. Haufig gilt die Weitergabe des Unternehmens innerhalb der Familie als Idealfall. Doch immer haufiger kommt es vor, daB gerade in sogenannten Traditionsunternehmen, die bereits in der dritten oder vierten Generation geflihrt werden, dieser Idealfall nicht eintritt. Aber auch in jiingeren Familienbetrieben realisiert sich der Wunsch der Nachfolge aus dem Kreis der Fa milie nicht, weil der "geborene" Nachfolger nicht bereit ist, den Betrieb so fortzuflihren, wie es der Obergeber von ihm erwartet, oder wei! er aus "vorgelebtem Unternehmersein" der El tern vollig andere Lebensziele fiir erstrebenswert halt. Christina Erdmann hat aus eigenem Erleben erkannt, daB die Losung von Nachfolgeproblemen nicht allein in Steuerrichtlinien oder Erbrechtskommentaren zu finden ist, sondern daB die eigentlichen Probleme in der Erziehung und Sozialisation der Kinder in Unternehmerfamilien zu suchen sind. Gerade deshalb orientieren sich Kinder schon bei der Ausbildung nicht mehr am Beruf der Eltern, haben vollig andere Vorstellungen beziiglich der Unternehmensnachfolge, scheuen die Risiken der Selbstandigkeit, oder haben vollig andere Lebensziele. Christina Erdmann hat durch ihre wissenschaftliche Arbeit Ursachen der Nachfolgeprobleme in den Erziehungs- und Sozialisationsprozessen erforscht und daraus Losungsansatze abge leitet. Als Unternehmensberater von Handwerksbetrieben bin ich deshalb iiberaus dankbar fiir dieses Werk, denn es ist ein neues, bisher noch nicht vorhandenes "Werkzeug" flir erfolgrei che Beratungsarbeit im Sinne einer verniinftigen und zielorientierten Nachfolgeregelung. Dipl.-Bw. Anton Steinberger Unternehmensberater der Handwerkskammer fiir Miinchen und Oberbayern Vorwort Chronologisch gesehen gilt der erste herzliche Dank allen Mitgliedem der Untemehmerfami lie, durch die mein Interesse an dem Thema Nachfolge in Familienuntemehmen iiberhaupt erst geweckt wurde. Jede/r einzelne von ihnen hat mich auf seine/ihre ganz individuelle Art und Persanlichkeit als auch durch zahllose Gesprache sowie pragmatisch-unkomplizierte und umfassende Hilfe darin bestarkt, dieses Thema zum Gegenstand meiner Doktorarbeit zu ma chen -und trotz mancher Schwierigkeiten und Hindemisse bis zurn SchluB 'dran zu bleiben'. Durch diese Familie wurde mir der Weg geebnet, die notwendigen Interviews mit Mitgliedem verschiedener Untemehmerfamilien durchflihren zu kannen. Mit Dankbarkeit und Respekt stehe ich der Bereitschaft und der Offenheit dieser Untemehmer gegeniiber, sich mit einer fur sie vollkommen unbekannten Person auf ein Gesprach iiber sehr private Aspekte der Nach folge in ihrem Familienuntemehmen einzulassen, ihre persanliche(n) Geschichte(n) zu er zahlen und meine vielen Fragen zu beantworten. Die ausfuhrlichen und tiefgehenden Gespra che mit diesen Menschen stellen ein nicht nur wissenschaftlich, sondem auch persanlich nachhaltig beeindruckendes Erlebnis dar. Dies gilt auch und in besonderem MaBe flir die Betreuung meiner Arbeit durch meinen Dok torvater, Prof. Dr. Christoph Liith und den Zweitgutachter, Prof. Dr. Dieter Wagner. Letzterem danke ich fur viele Gesprache, in denen er mich mit zahlreichen Anregungen im mer wieder in der fachiibergreifenden Betrachtung meines Dissertationsthemas bestarkt hat. Prof. Dr. Christoph Liith war mir von der allerersten, vage geauBerten Idee hinsichtlich eines mag lichen Themas bis zum endgiiltigen AbschluB des Promotionsverfahrens 'Doktor-Vater' im besten Sinne des Wortes. Das AusmaB seines wissenschaftlichen wie personlichen Interes ses an meinem Vorhaben sowie seine engagierte und zeitaufwendige, durchgangig intensive Betreuung der Arbeit, seine fachliche und menschliche Unterstiitzung und die unzlihligen An regungen in unseren (in der Regel stundenlangen) Gesprachen iiber den Fortgang des Projekts machen es schwer, eine angemessene Form der Danksagung zu tinden. Jedem Doktoranden und jeder Doktorandin ware eine solche Betreuung zu wiinschen. Ich hotTe, die vorliegende Arbeit rechtfertigt im Nachhinein sein Vertrauen und Engagement. AbschlieBend danke ich meinen Eltem und meiner Schwester fur ihre Unterstiitzung, Geduld und Zuneigung wahrend des gesamten Projekts sowie dariiber hinaus Franziska Gerke-Holz hauer, Ulrike GoBmann, Nicole Neckermann, Karin Rase, Kathrin Witzschel, Jiirgen Funk und Armin Pfannenschwarz fur wertvolle Anregungen und Kritik sowie fur das Korrekturle sen des Manuskriptes. Christina Erdmann Inhalt Tabellen-und Abbildungsverzeichnis ................................................................................ XIX EINLEITUNG ............................................................................................................. 1 1.1 Therna und Fragestellung ........................................................................................ 1 1.2 Aufbau der vorliegenden Arbeit ............................................................................. 5 2 BEGRIFFLICHE ABGRENZUNGEN ........................................................................... 6 2.1 Familie .................................................................................................................... 6 2.1.1 Begriffsbestirnrnung ................................................................................................ 6 2.1.2 Funktionen und Aufgaben von Familie .................................................................. 7 2.1.3 Zurn Familienbegriff fliT die vorliegende Arbeit .................................................... 9 2.2 Sozialisation ............................................................................................................ 9 2.2.1 Begriffsbestirnrnung ................................................................................................ 9 2.2.2 Dauer und Endlichkeit des Sozialisationsprozesses .............................................. 11 2.2.3 Berufliche Sozialisation und Berufswahl .............................................................. 12 2.2.4 UberJegungen zu Besonderheiten bei der beruflichen Sozialisation von Untemehmemachkornrnen ............................................................................ 14 2.3. Erziehung ............................................................................................................. 16 2.3.1 Etymologie und Grundauffassungen von Erziehung ............................................ 17 2.3.2 Der Erziehungsbegriffbei BREZINKA .................................................................... 18 2.3.3 Werte und Normen in der Erziehung .................................................................... 19 2.3.4 Erziehungsziele ..................................................................................................... 22 2.3.5 Erziehungsstile ...................................................................................................... 23 2.3.6 Erziehungsrnittel ................................................................................................... 24 2.3.7 Zurn Verhaltnis von Erziehung und Sozialisation ................................................ 25 2.3.8 Zurn Verhaltnis von sog. 'Laien-' und 'Expertenwissen' tiber Erziehung und Sozialisation ................................................................................. 27 2.4 Subjektive Theorien ............................................................................................. 28 2.4.1 Subjektive Theorien als Forschungsfeld ............................................................... 28 2.4.2 Begriffsbestirnrnung .............................................................................................. 29 2.5 Erziehungswissen von Eltern ............................................................................. 30 2.5.1 Grundsatzliche UberJegungen zurn elterlichen Urngang mit Erziehung ............... 30 2.5.2 Begriffsbestirnrnung .............................................................................................. 31 2.5.3 Struktur und Aufbau von Erziehungswissen ......................................................... 31 2.5.4 Aussagensysterne .................................................................................................. 35 2.5.5 Anwendung von Erziehungswissen ...................................................................... 35 2.5.6 Erziehungswissen als handlungsleitendes Wissen ................................................ 35 XIII 2.6 Familienunternehmen ........................................................................................ 36 2.6.1 Zum Begriff 'Familie' in der Literatur iiber Familienuntemehrnen ...................... 36 2.6.2 Fiihrungstatigkeit von Familienmitgliedem im Untemehrnen ............................. 36 2.6.3 Begriffsbestimmung ............................................................................................. 37 2.6.4 Zum Begriff der 'Nachfolge' in Familienuntemehrnen ....................................... 37 3 DIE THEMA T1SIERUNG DER ERZIEHUNG VON UNTERNEHMERNACHKOMMEN IN DER LITERA TUR ZU F AMILIENUNTERNEHMEN .................................................................................... 39 3.1 Zur Frage des Bezugs auf piidagogisches und erziehungswissenschaftliches Wissen in der 'Nachfolge-Literatur' ............... 40 3.2 Kausalattribnierung von Erziehnng ................................................................. 41 3.2.1 Wertgriinde und Notwendigkeit von Erziehung ................................................... 41 3.2.2 Moglichkeit und Wirksamkeit von Erziehung ..................................................... 43 3.2.3 (Un-)Tauglichkeit von Erziehungsmitteln ............................................................ 46 3.3 Finalattribniernng von Erziehung .................................................................... 46 3.3.1 Die Person des Erziehers ...................................................................................... 46 3.3.2 Die Person des Nachfolgers .................................................................................. 50 3.3.5 Das Beziehungsverhiiltnis zwischen Erziehenden und Nachkommen ................. 54 3.3.6 Familie und Erziehungserfolg .............................................................................. 56 3.3.7 Das Untemehrnen als zentraler Ort der sozialen Nahwelt des Nachkommen ........................................................................................................ 58 3.3.8 Die soziale Mikro-und Makrostruktur ................................................................. 59 3.4 Die Literatur von den fiinfziger Jahren bis heute: Vier Phasen in der Beschiiftigung mit der Erziehung von Unternehmernachkommen ................................................................................ 60 4 FORSCHUNGSANSATZ, DATENERHEBUNG UND AUSWERTUNGSVERFAHREN .................................................................................. 64 4.1 Forschungsansatz ............................................................................................... 64 4.1.1 Begriindung der qualitativen Herangehensweise ................................................. 64 4.1.2 Grundprinzipien des 'Grounded Theory' -Ansatzes ........................................... 65 4.1.3 Narrative Interviews ............................................................................................. 67 4.2 Datenerhebung .................................................................................................... 69 4.2.1 Stichprobe ............................................................................................................. 69 4.2.2 Anonymisierungsmal3nahmen .............................................................................. 69 4.2.3 Interviewdurchflihrung ......................................................................................... 70 4.2.4 Kurzfragebogen .................................................................................................... 70 4.2.5 Transkription ........................................................................................................ 70 XIV