Ubungen aus der Vergleichellden Physiologie Atmung . Verdauung . Blut . Stoffwechsel Kreislauf . N ervenmuskelsystem von Hermann J. Jordan Utrecht Unter Mitwirkung von G. ehr. Hirsch Utrecht Mit 77 Abbildungen Berlin Verlag von Julius Springer 1927 ISBN-13: 978-3-642-98522-5 e-ISBN-13: 978-3-642-99336-7 001: 10.1007/978-3-642-99336-7 A.Ile Rechte, insbesondere das del' Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Copyright 1927 by Julius Springer in Berlin. Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1927 Vorwort. Die Aufgabe dieses Buches ist ein Kursus der Tierphysiologie, dargestellt an sechs der am besten bekannten Gebiete. Der Kursus soIl zunachst die Moglichkeit geben, mit einer groBeren Anzahl von Kursusteilnehmern gleichzeitig eine Reihe von Versuchen auszufUhren. Hierbei kann es sich nicht um eingehende Untersuchungen handeln, da es nicht moglich ist, in einem Bolchen Kursus wirklich exakt zu arbeiten. Der erstgenannte Verfasser halt seit dem Jahre 1909 jedes Jahr einen derartigen Kursus der Tierphysiologie fUr Studenten der Biologie. Es war sein Wunsch, in den folgenden Blattern das Material, welches hierbei verarbeitet wird, ziemlich unverandert wiederzugeben. Er hofft, daB der subjektive Charakter dieses Buches mehr Vorteile als Nachteile haben wird. Der Hauptnachteil dieses Verfahrens ist der, daB die Auswahl der behandelten Kapitel nicht vollstandig ist; man wird zahlreiche Versuche dem hier Mitgeteilten hinzufiigen konnen; aber wir haben uns beschrankt auf Versuche, durch welche die geistige Methode der Vergleichenden Physiologie vor allem gelernt werden kann und die bei l)ns erprobt waren. Der Hauptvorteil dieser subjektiven Art, Arbeitsmethoden mitzuteilen, ist der, daB wir fiir die Brauchbarkeit der Methoden einstehen konnen, zumal wir hier linter Brauchbarkeit auch verstehen, daB die Arbeiten in kurzer Zeit, mit wenig Kosten und ohne allzuviel tTbung des betreffenden Studieren den ausgefiihrt werden konnen. Und schlieBlich ist ein Vorteil, daB auch in der Reihenfolge und dem Aufbau dieser Kursus ein erarbeitetes Ganzes darstellt. 1m Utrechter Laboratorium fiir Vergleichende Physiologie, dessen Aufgabe es ist, zahlreiche Studenten der Zoologie und der Botanik in der Tierphysiologie auszubilden (die Tierphysiologie ist in Utrecht der Zoomorphologie vollkommen gleichgestellt), werden die praktischen Arbeiten der Studenten in folgender Weise verteilt. Aile Studierenden genannter Facher miissen mit dem Kursus, des sen Material wir hier mitteilen wollen, anfangen. Die Aufgabe des Kursus ist es, ihnen iiber diese sechs Gebiete einen tTberblick zu geben und sie in die Methoden einzufiihren. Spater werden ihnen einzelne Themen gegeben, welche sie dann griindlich, mit voller Untersuchungstechnik, zu bear beiten lernen. Daher sind denn auch aIle Untersuchungen, die eine derartige griindliche Technik voraussetzen, in diesem Buche weggelassen. Immerhin ist der Kursus doch auch wieder so zusammengestellt, daB wir dem zukiinftigen Lehrer der Biologie auch dann eine hinreichende experimentelle Grundlage geben, wenn er sich in seinen spateren Stu dienjahren andern Fachern zuwendet. Es soIl ihm die Moglichkeit er- IV Vorwort. 6ffnet werden, wenn er spaterhin selbst Unterricht erteilt, tierphysio logische Versuche vor der Klasse zu zeigen. Es wurden im groBen und ganzen nur Versuche gewahlt, die mit Hilfe einer sehr einfachen Ausrustung ausgefiihrt werden k6nnen. Von dieser Regel werden einige Ausnahmen gemacht; der Gebrauch einiger Apparate wurde beschrieben, die man nicht einem jeden Teil nehmer in die Hande wird geben k6nnen. Derartige Versuche sind als Demonstrationsversuche gedacht. Unsere Apparate, die wir fUr die Lehre der Atmung und des Blutes gebrauchen, sind so billig; daB jedes Institut sie sich verschaffen kann. Etwas anderes ist es mit der Lehre vom Zentralnervensystem. Hierzu ist eine kostspieligere Appa ratur sehr erwiinscht; doch werden auch. hier die Versuche so mit geteilt, daB man mit einer billigeren Ausriistung auskommen kann. Die Auswahl der Versuche beschrankt sich vollkommen auf das Material des Binnenlandes. Das Halten .von Seetieren im Binnenlande und zwar so, daB diese Seetiere noch fiir Versuche zu gebrauchen sind, bereitet groBe Schwierigkeiten. Noch ein Wort iiber die Verteilung der Versuche auf Wirbeltiere und Wirbellose. Es ist selbstverstandlich, daB fUr die Physiologie der Wirbeltiere Untersuchungen hier mitgeteilt wurden, die langst bekannt sind. Wir konnten uns nicht auf originelle Versuche beschranken. Einzelne findet der Leser aber hier anders als in den ublichen An leitungen zu praktischen tTbungen in der medizinischen Physiologie. Die Gesichtspunkte, durch die wil' uns bei del' Ausal'beitung diesel' Xnderungen leiten lieBen, waren die folgenden: Erstens vermeiden wir, soweit es irgendwie geht, Versuche an lebenden Wirbeltieren. Es scheint uns dies schon deswegen richtig, weil der zukiinftige Lehrer ja auch vor der Klasse derartige Versuche nicht ausfUhren kann. Man wird z. B. im Abschnitt uber Blut eine Reihe zuverlassiger Versuche tinden, die an Blut ausgefiihrt werden k6nnen, welches man sich im Schlachthause verschaffen kann. In zweiter Linie lieBen wir uns bei der Auswahl leiten durch die besonderen Anforderungen der Vergleichenden Physiologie. Alle z. B. nur klinisch wichtigen Methoden wurden weggelassen. In einem Kursus miissen diejenigen Versuche den Vorrang haben, bei denen der SchUler sich ein gewisses technisches K6nnen aneignet und die ihm den geistigen Weg bahnen, aber nicht die Versuche, die nur irgendeine Erscheinung zeigen, da es sich ja nicht um eine Demonstration, sondern um eine tTbung handelt. Weiterhin solI der Biologe die einzelne Erscheinung in ihrer prin zipiellen Form studieren und dazu bediirfen wir in sehr vielen Fallen des niederen Tieres. 1m iibrigen betrachten wir es als Aufgabe der Vergleichenden Physiologie, eirie Synthese zwischen der Physio logie der h6heren und niederen Tiere zu machen. Da es uns darauf ankommt, den Teilnehmern des Kursus solche Aufgaben zu stellen, von denen wir uns etwas fiir seine Ausbildung versprechen k6nnen, durften wir auch nicht vor einfachen quantitativen Vorwort. v Versuchen zuriickschrecken, allerdings nur in solchen Fallen, wo die quantitative Methode dazu dient, um qualitative Unterschiede nach zuweisen. Es ist aUerdings nicht moglich, wirklich quantitative Arbeiten in der kurzen Zeit auszufiihren, die in einem Kursus hierfiir zur Ver fiigung steht. Um genaue Werte zu erhalten, ist eine wochen- ja monate lange Ubung notig. Der SchUler muB nicht meinen, daB die geringe Genauigkeit, die er innerhalb eines Kursus erreichen kann, wissen schaftliche Bedeutung hat. AUein er wird mit quantitativen Methoden, mit dem Zeichnen von Kurven usw. viel mehr Erfahrungen sammeln, als mit dem bloBen Beobachten einfacher Erscheinungen. Utrecht, iin August 1927. H. J. JORDAN. G. C. HIRSCH. Inhaltsverzeichnis. I. Die Atmnng. Scite A. Einfachste Formen des Gaswechsels. Tiere ohne Atmnngsventi- lation mit zeitweiser Lufterneuerung. Diffusion. Lunge und Kieme 1 Schneckenlunge • . . . . . . . . . . 1 V orratslunge . . . . . . . _ . . . . 2 Kiemen ........... 3 Exkurs iiber Land- und Wasseratmung. .... . 3 Beobachtungen und Versuche an Tieren mit Lunge ohne Ventilation und an Wasserschnecken. • . . . . . . • • • . . . . . • .' 5 B. Die Atmung der Wasserinsekten. Diffusion als Ursache des Ubertritts von O in eine Luftschicht, die dem Tier selbst zugehort 8 2 Gase des Wassers . . . . . . '. • . . . . . . . 8 Atmen durch einen Luftvorrat als physikalische Kieme . . . . 9 Tracheenkiemen. . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . 11 C. Die Wasserventilation. Atmungsbewegungen und .Regulation bei Fischen ..... 12 Versuche iiber die Gase des Wassers . 13 Versuche mit Wasserinsekten. . . . . 19 Versuche iiber die Atmung der Fische 22 D. Luftatmung bei konstanter alveolarer Gasspannung. Die Luft und die Lungengase des Menschen . 25 Versuche iiber den Gasgehalt der Luft . . . . . . . . . . . .. 27 Versuche iiber die alveolaren Gase qes Menschen ...... " 30 E. Aufnahme von O aus Wasser durch eine Stickstoffblase. 2 Physikalische Atmung, Tonometrie . . . . . . . . .. 33 Versuche iiber Physikalische Atmung und Tonometrie . . . . .. 33 F. Beispiele der Atmungvon Tierenmit inkonstanter alveolarer Gasspannung . . . 35 Versuche iiber Tiere mit inkonstanter alveolarer Luft ...... 36 II. Die Ernallrnng. A. Allgemeines iiber Nahrung und Verdauung, dargelegt an Saugetieren. . . . . . 44 Kohlehydrate 44 Nahrstoffe als kolloidale Losungen 46 Hydrolyse '. . . . . 46 Versuche mit Kohlehydraten 47 Fette. ..... 53 Versuche mit Fetten . 54 EiweiB . . . . 55 Versuche mit EiweiB 57 Die Verdauungsenzyme und ihre Wirkung 58 Allgemeine Eigenschaften der Enzyme 59 N omenklatur der Enzyme 60 Die Verdauungsenzyme der Siiugetiere .. . .. 61 Notwendigkeit des Abbaus bis zu den letzten Produkten 62 Beobachtungen am Schweinemagen 63 Versuche mit Pankreas ... . . . . . . . . . . . 66 Inhaltsverzeichnis. VII Seite B. Verg1eich der Verdauung der Sauger und einiger Wirbellosen 69 N ahrungserwerb und V orverdauung 69 Partikelfresser 69 Kauer (Magenkauer) . . . . . . 72 Kratzer. . . . . . • . . . . . 76 AuBenverdauer . . . . . . .. . .. 76 Versuche liber Nahrungserwerb und Vorverdauung 77 Die Verdauungsenzyme der Wirbellosen. Allgemeines. Astacus. 80 Versuche mit dem Magensaft bei Astacus 82 Die Verdauung bei Helix pomatia .....•. 84 Versuche liber Vorverdauung bei Helix . . . • 86 C. Produkte der EiweiBverdauung bei Saugern 87 Versuche liber EiweiBabbau 88 D. Galle ••.... 93 Versuche liber Galle . . . . 94 E. Die Sekretion ..... 96 Sekretion der Verdauungsdrlisen der Wirbeltiere 96 Mikroskopische Praparate 97 Die Leber der Wirbeltiere • 107 lYIikroskopische Praparate . 112 Morphokinetische Sekretion • 113 Mikroskopische Praparate 115 F. Die Permeation der Nahrungsteile in das Plasma 119 1. Semipermeation • . • . . • . 119 Versuche am Astacusdarm 119 2. Diffusion am Schneckendarm 120 Versuche an Helix. . . . . 120 3. "Echte" Resorption . . . . 121 Versuche an Rana und Helix . 122 4. Phagocytose ....... . 124 Versuche liber Phagocytose. • 125 G. Die intraplasmatische Verarbeitung ..... 126 Versuche zur intraplasmatischen Verarbeitung 127 H. Faces und Defakation ... 130 Versuche an Helix und Astacus 130 III. Das Blut. A. Die allgemeine Bedeutung des Blutes . 131 B. Das Saugetierblut 134 1. Formelemente . . . • . . 134 Mikroskopische Praparate 134 2. Blutfllissigkeit . . . . . . ., . 138 Versuche liber den osmotischen Druck . . . 140 Versuche liber Blutp1asma als Nahrungslosung 140 Versuche liber Blutgerinnung. . . . . . . . 144 3. Hamoglobin und Sauerstoffbindimg . . . . . 147 Versuche liber die Verbindung des Hamoglobins mit Sauerstoff 148 C. Das Blut einiger Invertebraten . . . . . 162 1. Das Blut als Salzlosung • . • . . . . . . . 162 2. Der EiweiBgehalt der verschiedenen Blutarten 165 3. Blutkorperchen . . . • . . . • 167 4. Blutgerinnung. . • . • . . • . . . 167 5. Blut Wirbelloser als Sauerstofftrager 168 vm Inhaltsverzeichnis. IV. Der Stoffwechsel. Seite 1. Anoxybiose und Oxybiose . • • . . . . . . 173 2. Faktoren des respiratorischen Stoffumsatzes . 175 3. Das Wesen des biologischen Verbrennungsprozesses 176 Versuche zum respiratorischen Stoffwechsel 180 V. Der Blutkreislauf. A. Allgemeine Prinzipien des Kreislaufes 183 B. Blutkreislauf bei Wirbeltieren •. 185 1. Eigenschaften des Herzmuskels . . . . . . 185 2. Automatie des Herzens " . . . . . . • 186 3. Herz und Blutkreislauf. . . . . . . . . • 188 Versuche zum Blutkreislauf der Wirbeltiere 189 C. Das Schneckenherz als Vergleichsobjekt 200 Versuche am Schneckenherz • • • . • . . . . 201 VI. Das N ervenmuskelsystem. A. Allgemeine Einleitung am Nervenmuskelpraparat des Frosches ...••. 203 1. Reflexe . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Reizbarkeit der Nerven. . . . . . . . . . . . . . 204 Einleitende Versuche am N ervenmuskelpraparat des Frosches 208 3. Ableitung elektrischer Strome aus dem Muskel • 212 B. Die Reflexlehre • . • • • • • . . . . • 217 1. Segmentale Anordnung. • . • . • . . . 217 2. Weitere Eigenschaften der Reflexleitung . 218 3. Ausbreitung der Erregung 220 Versuche zur Reflexlehre . 221 C. Der Tonus ••.•..• 222 Versuche iiber den Tonus • 223 D. Das zentrale Nervensystem bei den hohlorganartigen Tieren 224 1. Ein einfaches Reflexpraparat . • . . 224 2. Der viskosoide oder plastische Tonus . . . . . . . . . • 227 Versuche iiber viskosoiden Tonus. . . . . . . . . . . • 236 E. Die allgemeinen Gesetze der Bewegungsregulation 241 1. Autonomes System der Saugetiere. . . . • • • • . • 241 2. Wellenformige Kriechbewegungen bei den Schnecken 243 3. EinfluB des Cerebralganglions ••.•• 244 4. Die Hemmung ••••••••••.• 246 F. Tiere mit festem Muskelantagonismus ·246 1. Der Schwanz der Katze 247 2. Die Krebse . . . . 247 3. Die Anneliden 251 Versuche an Helix. . 253 Versuche an Astacus . 257 Versuche an Lumbricus 263 Sachverzeichnis . . . . . 264 1. Die Atmung. A. Einfachste Formen des Gaswechsels. Tiere ohne Atmungsventilation mit zeitweiser Lufterneuerung. Diffusion. Lunge und Kieme. Wir wollen die Untersuchung del' Atmungserscheinungen mit einigen einfachen Beobachtungen aniangen, um uns erst langsam an die eigent liche experimentelle Methode zu gewohnen. Die Schneckenlunge. Wir wahlen zuerst ein Objekt, bei dem die Atmungsorgane einfach sind, abel' doch auch wieder nicht so einfach, daB sich in ihrer Al'beit del' ProzeB nicht verrat, auf den es uns ankommt. Die einfachste Form del' Atmung ist zwar reine Hautatmung, wie sie etwa bei dem Regen wurm vorkommt. Allein diesel' ProzeB auBert sich durch keinerlei wahrnehmbare Erscheinungen an diesel' Haut. Etwas anderes ist es, wenn wir Tiere mit echten Lungen nehmen und zwar vom einfachsten Typus. Hier kann man ohne Hilfsmittel einiges beobachten iiber die Aufgabe del' Lunge, um als Verkehrsweg fiir Gase zwischen AuBen welt und Blut zu dienen. Wir wahlen daher als Beispiel die Lungen schnecken (Helix pomatia odeI' groBe Limax-Arten). Ehe wir an die Beobachtungen des lebenden Tieres gehen, betrachten wir uns den Bau del' Lunge, wie wir ihn aus den anatomischen Ubungen her kennen. Es ist ein einiacher Raum zwischen Mantel und Riicken des Tieres, an dessen Dach das BlutgefaBsystem ein zierliches Netz von vortretenden Leisten bildet (Abb. 1). Dann betrachten wir uns einen mikroskopischen Schnitt durch dieses Dach (Abb. 2). Hierbei beachten wir, daB in jenen Leisten, neben einem zentralen BlutgefiiBe, zahlreichere kleine Blut gefiWe auBerordentlich dicht unter die Ober£1aclle del' Leisten treten, so daB zwischen BlutgefaB und dem LungellI'aume nul' eine ganz diinne Wand sich befindet, durch welche del' Sauerstoff leicht hindnrch diffundieren kann, um in das Blut del' GefaBe zu gelangen. Nun werden wir dazu iibergehen, das lebende Tier zu beobachten. Bei einer eingezogenen Schnecke sehen wir in dem sogenannten Mantel, del' die Offnung des Rauses sehlieBt, von Zeit zu Zeit ein Loch auftreten. Es ist die Lungenoffnung; wir konnen durch sie bis tief in den Lungen raum hineinsehen. Nach einiger Zeit schlieBt sich das "Atemloeh" wie der. Auch bei kriechenden Schnecken, zumal bei Limax odeI' Arion Arten, laBt sich das Spiel des Atemloches leicht beobachten. Die Bedeutlmg del' Bewegung del' Atemoffnung ist nicht ohne wei teres verstandlich. Randelt es sich um eine Erneuerung des Sauerstoffes innerhalb des LungellI'aumes, d. h. um dasjenige was wir spater, bei Jordan-Hirsch, tlbnngen. la 2 Die Atmung. anderen Tieren, als Ventilation kennen lernen werden, oder urn etwas anderes? Urn eine Ventilation handelt es sich ganz sicherlich nicht. GewiB sehen wir ofters, daB beim Offnen des Atemloches eine Luftblase auftritt und platzt. Allein es geniigt; urn eineHelix in total feuchte Um gebung zu bringen, oder ihr Atembediirfnis durch Warme (bei hinreichen der Feuchtigkeit) zu erhohen, so wird das Loch stets offen bleiben. Die Tatsache, daB das Loch bei hinreichender Feuchtigkeit sich nicht schlieBt, gibt uns schon einen Hinweis fUr die Auffassung, daB normaliter die Atemoffnung von Zeit zu Zeit sich schlieBt, urn einen groBeren "\Vasser verlust durch die Lunge zu vermeiden. Wenn wir auf diese Weise einsehen, daB die Atmung bei den Schnek ken ohne Hille einer Pump- oder Ventilationsbewegung stattfindet, so erhalt die Lunge der Schnecke, verglichen mit derjenigen des Menschen, die folgende Bedeutung. Der Mensch saugt, wie wir iibrigens noch horen werden, bei jedem Atemzuge eine bestinimte Menge Luft in seine Lungen; doch diese Menge wird nicht bis in die eigentlichen Lungenalveolen gesogen, da diese gefiillt bleiben mit einem recht betrachtlichen Gas volumen, mit der die frische Luft sich durch Diffusionserscheinung mischt. Was beim Menschen zwischen der eingeatmeten Luft und dem Gas der Llingenalveolen stattfindet, das findet bei der Schneckenlunge statt zwischen dem gesamten Lungenraum und der umgebenden Atmo sphare. Es entspricht also die Schneckenlunge einer einzigen mensch lichen Lungenalveole: Der Verkehr zwischen ihrem Inhalt, namlich der verbrauchten Luft einerseits und der frischen Luft der Atmosphare andererseits, findet ausschlieBlich durch Diffusion statt. Die Tatsache, daB die Lunge von Zeit zu Zeit geschlossen wird, hat zur Folge, daB in den Perioden des Geschlossenseins der vorher aufge nommene Sauerstoff langsam verbraucht wird. Wir werden also in der Schneckenlunge je nach den genannten Umstanden recht verschiedene Sauerstoff-und Kohlen!:laurespannung erwarten miissen. Wir wollen hier schon feststellen, daB die Schnecke zu den "Tieren mit inkonstantem Gasdruck der Lunge" gehort, wahrend wir den Menschen als Beispiel fiir "Tiere mit konstantem alveolaren Gasdruck" kennen lernen werden, bei dem namlich durch standige, streng regulierte, rhythmische Ventila tionen der Gasdruck der Lungen fast vollstandig konstant erhalten wird. Die V orra tsl unge. Bei tauchenden Tieren, wie z. B. Limnaea und Planorbis, zwei anderen Lungenschnecken, spielt die Lunge wahrend der ganzen Zeit des Tauchens die Rolle eines Vorratsraumes, so daB sie langsam ihres Sauerstoffgehaltes beraubt wird. Es laBt sich dieses leicht aus der Zeit erschlieBen, welche derartige Tiere unter Wasser bleiben konnen, zumal dann, wenn man diese Versuche in sauerstofffreiemWasser aus fiihrt. Solange das Wasser namlich Sauerstoff enthalt, sind solche amphi bische Tiere imstande, auch dem Wasser Sauerstoff zu entnehmen. Wie kommt das? Die Atmung ist eine Leistung, die an und fiir sich nicht an bestimmte Organe gebunden ist. Jeder Teil der Korperoberflache, wenn er diinn genug ist, kann den Ubertritt von Sauerstoff in das Blut