Über die Temperaturabhängigkeit der Dielektrizitäts :=: konstanten des Gasgemisches N02 N2o4 und die elektrischen Moment.e von N02 und N2o4• Inaugural D i s s e r t a t i o n zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Naturwissenschaftlichen Fakultät der Albertus - Universität zu Königsberg Pr. vorgelegt von Rudolf Willi Sc~ulz aus Königsberg Pr. Erschienen i~ der Zeitschrift f. Physik, S.517 (1938) Gedruckt mit Genehmigung der Hohen Naturwissen schaftlichen Fakultät der Albertus - Universität zu Königsberg Pr. Referent: Professor Dr. H.A. Stuart. Korreferent: Professor Dr. W. Schütz. Tag der mündlichen Prüfung: 20. Januar 1938 ISBN 978-3-662-31316-9 ISBN 978-3-662-31521-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-31521-7 517 Über die Temperaturabhängigkeit der Dielektrizitäts konstanten des Gasgemisches NOt ~ Nt o,. und die elektrischen Momente von NOt und Nt o ... Von Rudoll Willi Schulz in Königsberg Pr. Mit 5 Abbildungen. (Eingegangen am 5. April 1938.) Es werden Präzisionsmessungen über die Temperaturabhängigkeit der Di elektrizitätskonstanten des Gasgemisches N02-:.. N204 ausgeführt. Die Unter suchungen erfolgten nach der Schwebungsmethode. Aus der ermittelten Tem peraturabhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten wird das elektrische Moment des N02-Moleküls zu 0,29 • 10-18 eist. Einh. und das des N20~-Moleküls zu 0,37 • lQ-18 eist. Einh. berechnet. In der Diskussion wird an Hand besonderer Untersuchungen gezeigt, daß die von J. W. Williams, C. H. Schwingel und C. H. Winning gezogenen Schlußfolgerungen, die ein temperaturabhängiges Dipolmoment ergeben,- nicht zutreffen. 1. Einleitung. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Bestimmung der elektrischen Momente des Gasgemisches N02 ~ N204, um daraus Schlüsse auf die Form des N02- und N204-Moleküls ziehen zu können. Zu Beginn dieser Untersuchungen lagen eine Arbeit von Ghosh und Mahantil), ferner orientierende Messungen von Zahn2) sowie eine Veröffentlichung von Williams, Schwingel und Winning3) über den gleichen Gegenstand vor. Während Ghosh und Mahanti keine eigenen Messungen ausführten, sondern auf Grund älterer Daten von Bädeker4) aus dem Jahre 1901 für das N02-Molekül ein elektrisches Moment von 0,62 ·10-18 eist. Einh. berechneten, fand Zahn für N0 ein konstantes elektrisches Moment von 2 0,39 ·10-18 und für N204 ein solches von 0,55 ·l0-18. Im Gegensatz zu diesen Untersuchungen, die für N 0 ein größeres elektrisches Moment 2 4 als für N02 ergeben, finden Williams und Mitarbeiter für N204 kein oder nur ein von Null wenig verschiedenes elektrisches Moment und für N 0 2 ein solches, das in dem beobachteten :Meßbereich von 25° C bis 125° C von 0,58 · 10-18 auf 0,30 · 10-18 abnimmt, also temperaturabhängig ist. 1) P.N. Ghosh u. P. C. Mahanti, Phys. ZS. 30, 531, 1929.-2) C. T. Zahn, Phys. ZS. 34, 461, 1933. - 3) I. W. Williams, C. H. Schwingel u. C. H. Winning, Journ. Amer. Chem. Soc. 58, 1, 197, 1936. - 4) K. Bädeker. ZS. f. phys. Chem. 36, 315, 1901. 518 Rudolf Willi Schulz, Unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten der Messung sind gewisse Abweichungen in der Größe der elektrischen Momente möglich, jedoch lassen sich die teilweise entgegengesetzten Ergebnisse der beiden zuletzt genannten Arbeiten hierdurch nicht erklären. Aus diesem Grunde war eine erneute genaue Messung erforderlich, um zuverlässige Werte für das elektrische Moment zu erhalten. Die Schwierigkeiten bei der Messung bestanden einer seits in der Notwendigkeit, die Temperaturabhängigkeit der Dielektrizitäts konstanten auf einige Milliontel genau zu messen, andererseits in dem Umstand, daß die Temperaturabhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten des N 0 allein nicht direkt gemessen werden kann, da dieses mit N 0 2 2 4 immer in einem gewissen Gleichgewicht steht und daher also stets nur die Summe der Anteile beider Komponenten des Gasgemisches zu beobachten ist. Wohl sind bei einer Temperatur von 150° C und einem Druck von einigen hundert Millimetern Quecksilbersäule fast alle N 0 -Moleküle 2 4 zu N 0 dissoziiert, doch sind dann die Messungen wegen der bei dieser 2 Temperatur bereits beginnenden Zersetzung des N0 in Sauerstoff und 2 Stickoxyd nur bedingt zu verwerten. Nach der Dipoltheorie von Debye gilt für die Molekularpolarisation von Gasen in Strenge die Beziehung (r + L) . P = s - 1 . M = 4 n N (1) s+2 e 3 SkT Hierbei bedeutet s die Dielektrizitätskonstante des untersuchten Gases, M das Molekulargewicht, e die Dichte, N die Loschmidtsche Zahl, y die molekulare Polarisierbarkeit, hervorgerufen durch die Elektronen- und Atompolarisation, fl das von vornherein vorhandene elektrische Moment des Moleküls, k die Bol tzmannsche Konstante und T die absolute Tem peratur. Da die zu untersuchende Substanz kein einheitliches Gebilde iBt, sondern ;;ich aus den Komponenten N0 und N 0 zusammensetzt, muß 2 2 4 der obige Ausdruck die Form erhalten p = s - 1 . M1 c1 + M2 c~ B- --1· -M + s+2 ~ B 2 (} (2) wobei M1 und M2 das Molekulargewicht von 1\02 und l\204 bedeuten. Weiter bezeichnet c1 die Konzentration des N02 und c2 diejenige des N204 Über die Temperaturabhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten usw. 519 in Molenbrüchen. Die Größen 8, M und (i sind Mittelwerte für das Gas gemisch N02 ~ N204. Da für Gase 8 + 2 genähert 3 ist, läßt sich der Ausdruck (2) auch Hehreiben (3 a) für den Druck p 2 Es-1=-4-n=N-(-i2 ( Cuf'l+c123pk~T +c221'!1+c22p3~k T) ' (Sb) M2 . wobei der erste Index bei der Konzentration c sich auf das N02- bzw N204-Molekül, der zweite auf die Messung beim Druck p bzw. p des Gas 1 2 gemisches bezieht. Durch Substraktion der Gleichung (3 b) von (3 a) ergibt . n2 -1 M 4nN Nach der Lorentz-Lorenzschen Bezwhung --+- ·- = --· y n2 2 (! 3 lassen sich die y-Werte aus den Molekularrefraktionen berechnen. Die Gleichung (4) kann daher einfacher geschrieben werden (5) wobei a, b, c und d bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck be kannte Größen sind. Es ist Die linke Seite die~er Gleichung Htellt die Differenz der 8-Werte dar, die sich bei gleicher Temperatur, aber verschiedenen Gasdrucken ergeben 520 Rudolf Willi Schulz, und kann direkt gemessen werden. Mißt man die Differenz e1 - e2 noch bei anderen Drucken oder bei einer anderen Temperatur, so hat man zwei voneinander unabhängige Gleichungen mit zwei Unbekannten und kann somit fit und 112 daraus berechnen. Die Messung von e1 - e2 bei ver schiedenen Temperaturen liefert genauere Werte für dieelektrischen Momente als die Messung bei verschiedenen Druckstufen, da sich der Dissoziations grad mit der Temperatur erheblich, mit dem Druck jedoch nur sehr wenig ändert. Aus diesem Grunde wurden die meisten Messungen bei verschiedenen Temperaturen ausgeführt und nur in einem besonderen Falle, der später noch behandelt werden soll, erfolgte die Messung bei gleichen Temperaturen aber geänderten Druckstufen. 2. Meßmethode. Da die Dielektrizitätskonstante bei Gasen außerordentlich klein ist, e - 1 beträgt hier nur etwa 1/1000, und dieser Wert möglichst noch auf Flg. 1. Schaltung der Scbwlngungskreise. e1n1ge Promille genau gemessen werden soll, kam nur eine Schwebungs methode mit ungedämpften elektrischen Wellen in Frage. Es wurde die gleiche Maßmethode benutzt, wie sie von S tuartl) beschrieben worden ist. Daher sei wegen der Einzelheiten auf diese Veröffentlichung verwiesen. Die benutzte Schaltung der Schwingungskreise ist der besseren Übersicht wegen hier noch einmal angegeben (Fig. 1). Der für die Untersuchung des Gasgemisches dienende Gaskondensator C ist mit dem Drehkondensator K', zu dem der feste Kondensator K parallel liegt, in Reihe geschaltet. Der Kondensator S ist thermisch besonders geschützt. Mit ihm wird die Konstanz der Kapazität des Kondensator systems CKK' überprüft. 1) H. A. Stuart, ZS. f. Phys. 47, 457, 1928. Über die Temperaturabhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten usw. 521 Bezeichnet L1 C die beim Ausströmen des Gases hervorgerufene Kapazitätsänderung des Gaskondensators, welche durch den Kapazitäts l betrag L1 K' am Drehkondensator K' wieder kompensiert wird, so gilt 1 1 1 1 CE+ K +K' CE- L1 C + K + K' + L1 K' folglich (6) CE2 L1 C + + + · LlK'. = (K K')2 (K K' +CE). L1 K' \Vie aus diesem Ausdruck ersichtlich ist, kann durch einen Kondensator K von großer Kapazität erreicht werden, daß einem kleinen L1 C im Gas kondensator ein großes L1 K' am Drehkondensator entspricht, d. h. es lassen sich kleine Kapazitätsänderungen des Gaskondensators noch sehr genau messen. Die Größe CE in Gleichung (6) setzt sich aus der wirksamen Kapazität C 0 des Gaskondensators und der. gegen diese als klein zu bezeichnenden Kapazität crJJ, herrührend von Zuleitungen und festen Isolatoren, zusammen; es gilt somit CE = C0 + c(JJ. In der Zuleitungskapazität c(JJ ist auch der durch die beiden Quarzisolatoren hervorgerufene und für die Messung unwirksame Kapazitätsbetrag der beiden Quarzisolatoren enthalten. Die Bestimmung von c(JJ erfolgte in der Apparatur selbst nach einer von Fuchs1) angegebenen Methode. Dabei ergab siQh für die Kapazität c(JJ unter Berück sichtigung der Kapazität für die Quarzisolatoren ein Wert von 17,5 cm. 3. Versuchsapparatur. Der Aufbau der Schwingungskreise und die :Meßmethode waren im wesentlichen so, wie sie von Stuart (1. c.) bei der Untersuchung von C0 2 benutzt wurden. Als Gaskondensator war der bis dahin verwandte Messing kondensator nicht brauchbar, weil das Gasgemisch N02 ~ N204 alle unedlen Metalle angreift. Da sich vergoldete und platinierte Kondensatoren bei früheren Versuchen nicht bewährt hatten, wurde ein neuer Gaskonden sator aus einer Gold-Platin-Legierung mit etwa 90% Gold und 10% Platin angefertigt. Der lO%ige Zusatz von Platin gab dem Kondensator genügend Festigkeit, um selbst bei einer Wandstärke von 0,5 mm den Zusammenbau des Kondensators mit einem definierten Plattenabstand zu ermöglichen. Die beiden Kondensatorzylinder waren oben und unten 1) 0. Fuchs, ZS. f. Phys. 63, 824, 1930. 522 Rudolf Willi Schulz, durch je ein Quarzglasscheibchen isoliert, siehe Fig. 2, und hatten 0,5 mm Abstand voneinander. Die Endflächen der Zylinder wiesen je vier Öffnungen auf, damit das Gas ungehindert ein- und ausströmen konnte. Der Konden sator war in ein Glasgefäß eingeschmolzen. Er wurde im Glaskörper durch drei um 120° gegeneinander versetzte Goldfedern gehalten. Die Verbindung mit der Apparatur erfolgte durch eingeschmolzene Platindrähte. Zur Heizung des Gaskondensators diente ein elek trischer Ofen. Dieser bestand aus einem dickwandigen Kupferrohr, das die mehrfach unterteilte Heizwicklung trug und zur guten Wärmeisolation in ein Dewar sches Spezialgefäß gesetzt war. Das Dewarsche Gefäß selbst befand sich in einem mit Kieselgur aus gefüllten Holzgehäuse. Zur Bestimmung der Tem peratur diente ein von der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt geeichtes Platin~Widerstandsthermometer mit vier Zuleitungen. Weiter waren drei Thermo elemente aus Silber-Konstantan angefertigt worden, welche die Temperatur am unteren Ende, in der Mitte Fig. 2. und am oberen Ende des Gaskondensators zu messen Gaskondensator. gestatteten. Für die Thermoelemente wurde eine Kompensationsschaltung benutzt. Zur genauen Ablesung diente ein empfindliches Spiegelgalvanometer von Hartmann & Braun. Die Beobachtung der Schwebungsfrequenz geschah mit einem Vi brationsgalvanometer, dessen Eigenfrequenz bei 622 Schwingungen in der Sekunde lag und das eine sehr steile Resonanzkurve hatte. Mittels einer Beleuchtungsvorrichtung wurde ein schmaler Spalt über den Spiegel des Vibrationsgalvanometers auf einer Mattscheibe scharf abgebildet. Im R.esonanzfall zog der Spiegel das Spaltbild zu einem breiten Lichtband auseinander. In Reihe mit dem Vibrationsgalvanometer war ein Telephon geschaltet, so daß an der Tonhöhe erkennbar war, in welcher Weise die Kapazität des Schwingungskreises geändert werden mußte, um die Schwebungsfrequenz in Resonanz mit dem Vibrationsgalvanometer zu bringen. Für die Druckmes~mng des Gaggemisches wurde ein Quarzmanonlf3ter der Firma Heraeus-Hanau verwandt. Die Yerwendung von Quecksilber w ar nicht möglich, da das N 02, auch wenn es nur in Spuren vorhanden ist, mit dem Quecksilber in Reaktion tritt. Aus diesem Grunde hatte Zahn Über die Temperaturabhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten usw. 523 bei seinen Messungen ein Manometer mit konzentrierter Schwefelsäure benutzt, wogegen die Untersuchungen von Williams und Mitarbeitern ohne Manometer vorgenommen und der Gasdruck als Sättigungsdruck nach einer empirischen Dampfdruckformel berechnet wurde. Bei der Ver wendung des Quarzmanometers vermeidet' man einerseits eine unmitte'lbare Berührung des zu untersuchenden Gases mit der Manometerflüssigkeit und hat andererseits den Vorteil einer direkten Druckablesung. Ursprünglich diente das Quarzmanometer als Nullinstrument. Da aber die Messung des Druckes auf diese Weise umständlich und zeitraubend war, wurde €S später als direkt zeigendes Instrument benutzt, nachdem durch ent sprechende Versuche festgestellt worden war, daß sich die Empfindlichkeit von 0 bis zu etwa 600 mm Hg herauf nicht merklich änderte und auch die Druckangaben jederzeit reproduzierbar waren. Der Ausschlag des Spiegeb war dem Druck im ganzen vorgenannten Bereich fast proportional. Die Eichung geschah mit einem Quecksilbermanometer. Die Ablesung erfolgte mittels Fernrohr. Ein Skalenteil bedeutete 0,8 mm Hg. Da 0,1 Skalenteil noch geschätzt werden konnte·, ist die Genauigkeit der Druckablesung etwa 0,1 mm Hg. Um eine Beeinflussung des Meßergebnisses durch Unreinheit des ver wendeten Gases auszuschließen, wurde das N02 ~ N204-Gemisch nach den Angaben von Moser 1) aus Bleinitrat von l\ferck, das vorher bei 110° C längere Zeit getrocknet wurde, in der Apparatur selbst hergestellt. Die Retorte, in der das Gas erzeugt wurde, war mit den Phosphorpentoxyd trockenrohren und der übrigen Apparatur unter Vermeidung jeglicher Kork-, Gummi-oder Schliffverbindungen direkt verblasen. UnterBenutzung aller Vorsichtsmaßnahmen konnte dann eine bei tieferen Temperaturen rein weiße Substanz erhalten werden. Diese wurde noch in der von Boden stein2) angegebenen Weise behandelt. Außer der rein weißen Farbe, die gerade bei N204 ein gutes Kennzeichen für die Reinheit der Substanz ist, zeigte die Übereinstimmung des Dampfdruckes mit den aus dem Tabellen werk von Landolt-Börnstein entnommenen Daten, daß das erzeugte Gas für die Untersuchung geeignet war. Einige Schwierigkeiten bereitete die Frage der Dichtung der Absperr hähne. Da alle fetthaltigen Dichtungsmittel von dem N02 ~ I\204- Gemisch angegriffen wurden, und die Versuche, die Dichtung mit Phosphor- 1) L. Moser, Die Reindarstellung von (~asen. Stuttgart. Verlag Enke, 1920. - 2) M. Bodenstein, ZS. f. phys. Chem. 100. 68, 1922.