FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Nr. 2010 Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Heinz Kühn von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt DK 532.135:666.31 Prof Dr.phil. nat. habil. Hans-Ernst Schwiele Dr.-lng. Rainer Gauglitz Dr.-Ing. Klaus Steinmetz Institut für Gesteinshüttenkunde der Rhein.-Westf. Techn. Hochschule Aarben Über den Einfluß der Mineralart auf das Deformationsverhalten dispers-plastischer Ton-Wasser-Systeme Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1969 Verlags-Nr. 012010 © 1969 by Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Köln und Opladen 1969. ISBN 978-3-663-19991-5 ISBN 978-3-663-20341-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-20341-4 Inhalt Einleitung 10 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 Literaturübersicht 20 o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o 0 0 0 o o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 Allgemeine Betrachtungen über die Deformationsmechanik 201 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 Elastizität 20101 0 o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 Kristall- oder Energieelastizität 6 201.1.1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Entropie-, Hoch- oder Gummielastizität 6 201.1.2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Anelastizität 6 201.2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Retardation und Relaxation 6 201.201 0 0 0 0 o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Bleibende Verformung, Plastizität 201.202 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 7 Rheologie 20103 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 7 Zeitunabhängiges Fließen 2010301 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 7 Zeitabhängiges Fließen 2o1.3o2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 9 Viskoelastisches Verhalten und Modellbetrachtungen 201.303 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 10 Die Plastizität aus der Sicht der Keramik 2o2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 11 Ursachen der Plastizität 20201 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 11 Bestimmung der Plastizität 13 20202 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Betrachtungen über Bindungsarten und Wechselwirkungskräfte 203 0 0 0 0 0 0 15 Struktur dispers-plastischer Systeme 16 2.4 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Koagulationsstruktur und Kondensations- oder 2.401 Kristallisationsstruktur 16 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Struktureller Aufbau von Ton-Wasser-Systemen 2.402 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 17 Rheologisches Verhalten von Ton-Wasser-Systemen 18 205 0 0 0 0 0 o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Schlicker 18 20501 o o o o 0 o o o o 0 o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o 0 0 0 0 o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Plastische Massen 20502 o o o o o o o o o o o o o o o o o o 0 0 0 0 0 0 o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 19 Elastische Eigenschaften von Tonen 20503 o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 19 Kurze Zusammenfassung der Literaturergebnisse 206 und Ziel der eigenen Versuche 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 20 Eigene Versuche 30 21 Rohstoffe 301 21 Chemische und mineralogische Daten 3o1.1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 21 V arbehandJung 30102 0 o o o 0 0 0 0 o o o o 0 0 0 0 o o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 24 Versuchsapparatur 3o2 0 0 o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 24 Theoretische Betrachtungen über das Parallelplattenplastometer 30201 0 0 0 0 0 0 25 Versuchsanordnung 30202 o o o o 0 0 0 0 0 0 0 0 o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 26 Versuchsdurchführung 30203 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 27 3 4. Versuchsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4.1 Vorversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4.2 Hauptversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.2.1 Deformationsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.2.2 Elastisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 7. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4 1. Einleitung Historisch gesehen ist die Verarbeitung keramischer Massen im plastischen Zustand eine der ältesten Methoden der Formgebung. Daher ist es verwunderlich, daß es bis heute noch nicht gelungen ist, das deformationsmechanische Verhalten von Ton Wasser-Systemen mit all seinen Nebenerscheinungen meßtechnisch befriedigend zu erfassen. Deshalb kennt man auch für diese Eigenschaft keinen exakt definierten Be griff, sondern eine Reihe von Namen, wie Plastizität, Bildsamkeit, Verformbarkeit, Verarbeitbarkeit. Diese Vielfalt ist durch die Tatsache bedingt, daß mehrere Faktoren die Verformbarkeit plastischer Tone verursachen. Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag zur Problematik des Verformungsverhaltens von Ton-Wasser-Systemen und seine Ursachen geben. 2. Literaturübersicht 2.1 Allgemeine Betrachtungen über die Deformationsmechanik Das deformationsmechanische Verhalten eines Materials wird durch die Einflußgrößen Elastizität, Plastizität, Viskosität und Relaxation bestimmt. Nachfolgend soll versucht werden, diese Begriffe in Anlehnung an andere Gebiete der Wissenschaft möglichst klar zu definieren. 2.1.1 Elastizität Das mechanische V erhalten eines belasteten Körpers nennt man elastisch, wenn die hervorgerufenen Deformationen nach Entlastung wieder verschwinden. Mathematisch wird dies durch das Hookesche Gesetz beschrieben: a = E!Jlfl (1) Die Spannung ist der Verformung direkt proportional, wobei der Proportionalitäts faktor, der ElastizitätsmodulE das Verhalten des Festkörpers kennzeichnet. Der E Modul beschreibt den Widerstand des Körpers, der einer einachsigen Zug-oder Druck spannung unterliegt, gegen eine Längenänderung !Jl. Diese Gesetzmäßigkeiten sind phänomenologischer Art, die nicht von bestimmten Zusammenhaltsmechanismen abhängig sind; jedoch bewirken die letzteren, daß die elastischen Kenngrößen entweder konstant sind oder von den Versuchsbedingungen beeinflußt werden. Das Proportionalitätsgesetz gilt auch bei Metallen nur im Bereich kleiner Verformungen [1 ], bildet jedoch innerhalb eines praktisch sehr wichtigen Be reiches ein sehr gutes Modell für das Verhalten technischer Werkstoffe. Untersucht man das elastische Verhalten auf seine Ursachen hin, so gelangt man zu zwei nach ihren molekularen Mechanismen benannten Arten der Elastizität. 5 2.1.1.1 Kristall- oder Energieelastizität Sie kennzeichnet das elastische Verhalten kristallirrer Körper (Metalle). Die elastische Verformung besteht darin, daß sich unter einer Belastung die Abstände zwischen Atomen und Molekülen des Körpers und die Winkel zwischen den Kristallachsen ändern, d. h. eine Verschiebung aus der Gleichgewichtslage erfolgt. Dadurch werden innermolekulare primäre Bindungen beansprucht, die das Entstehen von Rückstell krähen bewirken. Da die Verformungsarbeit hauptsächlich als potentielle Energie ge speichert wird, nennt man dieses elastische Verhalten auch Energieelastizität. Ein we sentliches Charakteristikum ist die Größe des E-Moduls, die im Bereich von 1010-1012 dynjcm2 liegt. 2.1.1.2 Entropie-, Hoch- oder Gummielastizität [2] Sie kennzeichnet wesentlich das Verhalten von Hochpolymeren. Diese haben die Eigen art, lange Kettenmoleküle zu bilden, die über sekundäre Bindungen (V an der Waalssche Kräfte) vernetzt sind. Durch den Einfluß der Brownschen Bewegung nehmen diese die statistisch günstigste Lage (maximale Entropie) ein. Jede Deformation verändert diese Lage und setzt die Entropie des Systems herab. Die Rückstellkraft wird dadurch ver ursacht, daß der Körper versucht, in einen Zustand höherer Entropie zu gelangen. Da die Brownsche Bewegung temperaturabhängig ist, wächst auch die Entropieelastizität mit steigender Temperatur an. Sie ist gekennzeichnet durch eine große reversible Dehn barkeit und kleine E-Moduli (104_106 dynjcm2). Als Folge einer unterschiedlichen Größe der Moleküle und Molekülform unterliegt der Körper einer Relaxation, die einen zeitabhängigen Elastizitätsmodul bewirkt: E = E1e-t1r: (2) Bei Berücksichtigung des Relaxationszeitspektrums erhält man Gleichung (3) J -- oo dE E = 0 e-t/r dr (3) dr 0 2.1.2 Anelastizität Es ist bekannt, daß sowohl kristallirre als auch amorphe Stoffe nach Entlastung den end gültigen Zustand manchmal nicht sofort, sondern nur sehr langsam erreichen. Diesen Vor gang nennt man elastische Nachwirkung oder Anelastizität. Auch eine nur geringe De formation wird neben elastischen Verformungen örtliche Zerstörungen zur Folge haben. Nach Entlastung wollen die elastisch deformierten Bereiche zurückfedern, werden jedoch teilweise durch diese Zerstörungen blockiert. Die elastischen Spannungen versuchen nun, örtlich die verformte Materie in der Art zu verschieben, daß sich ein neues Glei'ch gewicht einstellt. Erhöht man die Spannung über den elastischen Bereich hinaus, dann kommt man in das Gebiet der bleibenden Verformung, das nach A. M. FREUDENTHAL [3] mit Irrelastizität definiert wird. Plastizität und Anelastizität stellen nach FREUDENTHAL Grenzfälle der Irrelastizität dar, wobei die Plastizität bei Metallen den Bereich großer Deformationen kennzeichnet. Der Ausdruck Anelastizität charakterisiert nach C. ZENER [4] die elastische Nachwirkung im Bereich kleiner Deformationen für zwei- oder mehrphasige Stoffe. 2.1.2.1 Retardation und Relaxation Beim Anlegen einer konstanten Spannung wird ein Körper sowohl elastisch als auch plastisch deformiert. Der Endzustand der Verformung wird also erst nach einer ge- 6 wissen Zeit erreicht. Diesen Vorgang nennt man Retardation. Die Retardationszeit ist die Zeit, in der sich die Deformation des Materials bis auf den e-ten Teil der gesamten Deformationsänderung dem Endwert genähert hat. Vertauscht man Ursache und Wirkung, d. h. unterwirft man eine Probe zur. Zeit t = 0 einer Verformung, die konstant gehalten wird, so stellt man fest, daß die hierfür be nötigte Spannung mit der Zeit abnimmt. Diese Beanspruchungsart nennt man Re laxation; wobei man unter Relaxationszeit die Zeit versteht, die eine Spannung be nötigt, um auf den e-ten Teil ihres ursprünglichen Wertes zurückzugehen. Die strukturelle Erklärung dieses Vorganges ist in der Brownschen Bewegung, d. h. Wärmebewegung der Materie, begründet. Unterwirft man einen Körper einer zeitlich konstanten Verformung, so wird die auftretende innere Spannung irrfolge Wärme bewegung der Moleküle abgebaut. Daraus ist ersichtlich, daß sowohl Anelastizität als auch Retardation und Relaxation demselben Mechanismus unterliegen. Da der Span nungsabbau durch die Inhomogenität der Substanz, wie z. B. Kettenlänge bei Hoch polymeren, Korngröße bei Kristallen, beeinflußt wird, erhält man ein sogenanntes Relaxationszeitspektrum. 2.1.2.2 Bleibende Verformung, Plastizität Eine Spannungserhöhung über den elastischen Bereich hinaus verursacht eine bleibende Verformung. Nach A. M. FREUDENTHAL [3] spricht man nur bei Metallen im Bereich großer Verformungen von Plastizität, während G. MASING [1], [5] und A. KocHEN DÖRFER [6] den Begriff plastische Verformung ohne eingehende Definition verwenden. Die Gründe dieser Deformation sind im physikalischen Verhalten der Kristalle zu suchen. Schon im Jahre 1900 wurde von J. A. EwrNG und W. RosENHAIN [7] die Translation als Grundvorgang der plastischen Verformung betrachtet. Diese Gleitungstheorie wurde besonders von G. T AMMANN [8] vertreten, die später G. ]. T AYLOR und C. F. ELAM [9] rechnerisch an kubischen Kristallen nachweisen konnten. Das bedeutet, daß auch bei Metallen die plastische Verformung nur längs bevorzugter Gleitebenen erfolgt. DieseVorstellungen bezogen sich auf Einkristalle, lassen sich aber direkt auf Haufwerke übertragen, wobei durch die Inhomogenität des Gefüges bei einer Deformation die Gleitebenen häufig blockiert werden und die sogenannteVerfestigungbei Metallen eintritt. 2.1.3 Rheologie Das Fließverhalten einer Substanz kennzeichnet die verschiedenen Aggregatzustände und deren Übergänge. Es wird beeinflußt durch Temperatur, Druck und die Eigen schaften des Mediums wie Konzentration, Teilchengröße, Teilchenform usw. Diese Einflußgrößen bedingen, daß das Fließverhalten in seinen Erscheinungsformen sehr vielfältig ist und die Kennzeichnung durch Meßgrößen teilweise noch Probleme be reitet. Der Grund liegt in der schwierigen mathematischen Behandlung der Vorgänge, die bis heute erst in wenigen einfachen Fällen gelöst sind, während für die meisten rheologischen Fragestellungen bestenfalls ungenaue Näherungslösungen zur Verfügung stehen. Rein phänomenologisch kann man das rheologische Verhalten von Materialien in zeitunabhängiges und zeitabhängiges Fließen einteilen. 2.1.3.1 Zeitunabhängiges Fließen Eine ideale Flüssigkeit, oder auch Newtonsehe Flüssigkeit genannt, setzt einer beab sichtigten Verformung - laminare Strömung vorausgesetzt - einen Fließwiderstand entgegen, der durch den Quotienten aus Schubspannung und Geschwindigkeitsgefälle gegeben ist: 7 T 'Yj=- (4) D 'YJ [Poise] =Viskosität -r [dynfcm2] = Schubspannung D = dz1 [sec-I] = Geschwindigkeitsgefälle dn 'YJ, der Proportionalitätsfaktor dieses Newtonsehen Ansatzes, wird dynamische Viskosi tät genannt und ist nach dieser Gleichung nur bei Newtonsehen Flüssigkeiten ein kon stanter Wert. Für den allgemeinen Fall gilt: D = 1(•) (5) Durch diese Gleichung wird die sogenannte » Fließkurve« beschrieben, die kein lineares Verhalten mehr zeigt. In Abb. 1 sind die verschiedenen, wenn auch idealisierten Formen der Fließkurven zusammengestellt [10]. Diese Kurven lassen sich von der Exponentialdarstellung nach W. H. HERSCHEL und R. BuLKLEY [11] als Sonderfälle ableiten, wobei zu beachten ist, daß diese Gleichungen Approximationen an den wahren Kurvenverlauf liefern: 1 D =- (-r-1)n (6) 'YJ* J. = Fließgrenze 'YJ * = scheinbare Viskosität Viskoses Fließen: 1 n = 1,1 = 0, D =- -r 'YJ Kurve 1 Newtonsehe Flüssigkeit Quasiviskoses Fließen: 1 11 = n, 1 = 0, D = - -rn 'Y)* Kurve 2 Dilatanz Kurve 3 und 4 Strukturviskosität Plastisches Fließen: n = 1, 1=f, D = _2._ (•-1) 'YJ Kurve 5 Binghamscher Körper Quasiplastisches Fließen: *1 (•- n = n, 1 = j, D = 1)n 'YJ Kurven allgemeinster Art Viskoses Fließen (Kurve 1) ist durch Linearität zwischen Schubspannung und Ge schwindigkeitsgefälle, d. h. durch die Viskosität, genügend gekennzeichnet. Beim quasiviskosen Fließen ist 'YJ von der Schubspannung -r abhängig, d. h. keine Kon stante mehr. Deshalb führte man den Begriff »scheinbare Viskosität« 'YJ* ein: (7) 8 In diesem Falle ist r;* mit veränderlichem r variabel. Je nach der Krümmung der Fließ kurve unterscheidet man zwischen dilatantem und strukturviskosem Fließen. Dilatante Substanzen (Kurve 2) zeigen nach 0. REYNOLDS [12] bei konstanter Schubspannungs zunahme zuerst einen starken Anstieg des Geschwindigkeitsgefälles, der aber ständig abnimmt, d. h., mit zunehmender Belastung verfestigt sich das Material, wobei sich gleichzeitig das Volumen während der Belastung vergrößert. Als Beispiele sind nach [13], [14], [15] Quarzmehlsuspensionen zu nennen, die sich im Bereich höherer Konzen trationen und Schubspannungen so verhalten, wobei der Übergang von einer dichten in eine weniger dichte Teilchenpackung während des Fließens diese Erscheinung be wirkt. Als Strukturviskosität bezeichnet man das rheologische V erhalten von Substanzen, wenn es durch Kurve 3 oder 4 dargestellt werden kann, d. h., mit wachsender Schub spannung tritt eine Abnahme des Fließwiderstandes auf. Sie kann nach S. PETER und H. PETERS [16] durch Orientierung anisotroper Teilchen oder nach W. und H. KuHN [17] durch Deformation und Entknäuelung von Fadenmolekülen verursacht werden. Die erste mathematische Beschreibung dieser Kurven gelang Wo. OsTWALD [18] und A. DE W AELE [19] mit dem empirisch gewonnenen Potenzgesetz: 1 D=-rn (8) r;* Plastisches Fließen (Kurve 5) ist durchVorhandensein einer Fließgrenze und Linearität zwischen Schubspannung und Geschwindigkeitsgefälle gekennzeichnet. E. BrNGHAM [20] beschrieb erstmalig den Fließvorgang bei solchen Stoffen durch die Gleichung 1 D =- (r--fs) (9) r; fs [dynjcm2] = Fließgrenze Deshalb spricht man auch von » Bingham «-Körper und von » Bingham «-Fließgrenze f 8 . Bleibt eine Schubspannung unterhalb dieses Grenzwertes, dann verformt sich die Substanz nicht. Erst nach Überschreitung dieser Fließgrenze hat sie Newtonsches Fließ verhalten. Die meisten Mehrstoff-Systeme zeigen Fließkurven allgemeiner Art, wie sie in den Kurven 6-8 gezeichnet wurden, die in weiten Bereichen durch die Gleichung (6) von W. H. HERSCHEL und R. BuLKLEY [11] beschrieben werden. Kurve 6 zeigt dilatantes Verhalten mit einer Fließgrenze, während bei den strukturviskosen Systemen in Kurve 7 und 8 die Fließgrenze nicht genau zu bestimmen ist, so daß m;m durch Konventionen drei verschiedene Fließgrenzen, die untere, die Binghamsche und die obere, unter scheidet. Ganz allgemein ergibt sich aus den obigen Betrachtungen eine Zweiteilung in Sub stanzen mit viskosem und in Stoffe mit plastischem Verhalten. Das Kriterium für eine Zuordnung in eine der beiden Stoffgruppen bietet die Fließgrenze, deren Vorhanden sein ein Material eindeutig als plastisch kennzeichnet. Neben all diesen Erscheinungen können Effekte die Fließkurve verändern, die durch den Einfluß der Zeit verursacht werden. 2.1.3.2 Zeitabhängiges Fließen Dem belastungsabhängigen Verhalten kann sich noch zeitabhängiges Fließen überlagern. Die Untersuchung der Zeitabhängigkeit erfolgt u. a. durch Aufnahme von Hysteresis kurven, wobei man zwischen Thixotropie und Rheopexie unterscheidet (Abb. 2). 9