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Taphozönosen im Baltischen Bernstein PDF

2009·1.8 MB·German
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© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Taphozönosen im Baltischen Bernstein Wilfried WICHARD Abstract: In palaeontology, taphocoenosis is defined as an assemblage of fossil organisms found together in the same location. This definition applies to the syninclusion of Baltic amber, for syninclusions are a gathering of different organismic enclosures (inclusions) in one amber sample. This taphocoenosis is also a death assemblage, since the organisms gathered at the same time in the same place, died and were embedded together in the resin (autochthonous thanatocoenosis). Resin which fossilized into amber is the location of death (taphotope) of all amber inclusions. The majority of syninclusion samples consist of a heterogenous taphocoenosis, since the embedded organisms incidentally derive from a variety of different habitats in the neighbourhood of the resinating amber tree. These are 1. tree and soil dwellers, 2. fly- ing organisms which were attracted by the resin, or 3. small organisms and organismic parts being blown into the resin by wind- caused passive drift. Samples of syninclusions also form a homogenous taphocoenosis if the enclosed specimens derive from one shared biocoenosis of a nearby habitat in the amber forest. The definitions are explained by selected examples of heterogenous and homogenous taphocoenoses in Baltic amber. Syninclu- sions of epedaphic and aquatic biocoenoses and syninclusions that are characterized by aggregation and swarm formation all be- long to the discussed homogenous taphocoenoses. Key words:Baltic amber, syninclusion, heterogenous and homogenous taphocoenoses, swarm formation, epedaphic and aquatic biocoenoses. . Santrauka:Paleontologijoje tafokoenoze vadinama kartu toje pacˇioje radimvieteje sutinkamu˛ fosiliniu˛ organizmu˛ visuma. Šis ter- . . minas tinka ir Baltijos gintaro sininkliuzams. Sininkliuzais vadinami skirtingi organines kilmes inkliuzai, sutinkami tame pacˇiame . . gintaro gabale. Ši tafokoenoze yra ir tuo pacˇiu metu žuvusiu˛ organizmu˛ sankaupa, nes jie turejo susitelkti i˛ ta˛ pacˇia˛ vieta˛, kad kar- . . tu nusk(cid:0)stu˛ gintarmedžio sakuose (autochtonine tanatocenoze). Sakai, kurie fosilizavosi i˛ gintara˛, kartu yra ir visu˛ gintaro inkliu- zu˛ žuvimo vieta (tafotopas). Daugelis sininkliuzu˛pavyzdžiu˛sudaro heterogeniškas tafokoenozes, kadangi gintare užfiksuoti organizmai b(cid:0)na atsitiktinai kil(cid:0) iš . . daugybes i˛vairiausiu˛buveiniu˛, kurios egzistavo gintarmedžio augimo apylinkese. Jiems priklauso: 1) medienoje ir dirvožemyje gy- . venusios r(cid:0)šys; 2) skraidantys organizmai, kuriuos priviliojo išsiskiriantys sakai ir 3. maži organizmai ir organikos daleles, kurios i˛ . sakus pateko atsitiktinai jas nup(cid:0)tus vejui. Sininkliuzu˛pavyzdžiai taip pat gali sudaryti homogeniškas tafokoenozes, jei i˛gintara˛ . . patek(cid:0) pavyzdžiai yra kil(cid:0) iš tos pacˇios biokoenozes panašioje gintarmedžiu˛miško buveineje. . Apibrežimai paaiškinami, remiantis parinktais pavyzdžiais iš Baltijos gintaro heterogeniniu˛ir homogeniniu˛tafokoenoziu˛. Epeda- . finiu˛ir vandens biokoenoziu˛sininkliuzai ir sininkliuzai, susidar(cid:0) vabzdžiu˛b(cid:0)riui patekus i˛sakus, i˛vardijami kaip homogenines ta- . fokoenozes. . . . . Raktiniai žodžiai:Baltijos gintaras, sininkliuzas, heterogenines ir homogenines tafokoenozes, b(cid:0)riu˛susidarymas, epedafines ir van- . dens biokoenozes. Einleitung der Tiefe und Breite ca. 30 mm, mit einem Gewicht von ca. 6 g. Das Besondere an diesem Bernstein und Ein Klassiker unter den Syninklusensteinen ist der vieler vergleichbarer Syninklusensteine ist sein Reich- Bernstein, der in der Bernsteinsammlung des Geolo- tum an Einschlüssen (Abb. 1a-b). gisch-Paläontologischen Museums der Universität Der Begriff Syninklusenstein wurde von dem Krako- Hamburg aufbewahrt wird und aus der Sammlung wer Paläoentomologen Jan KOTEJA geprägt und meint SCHEELE (Nr. 69) stammt. Er ist dem Hamburger „Ar- ganz allgemein die Ansammlung verschiedener organis- beitskreis Bernstein“ wohlbekannt und wurde wieder- mischer Einschlüsse in einem einzigen Bernstein. Dieses holt der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt, zuletzt Phänomen kommt recht häufig vor und korreliert in der Denisia 26, „Im Bernsteinwald“ (WICHARD & WEITSCHAT 2004): Zahl der Inklusen mit der Größe der Bernsteine. Oft be- zugleich Kataloge der oberösterreichischen ein leicht geröteter, flacher und fünf-kantiger Balti- finden sich drei und mehr Inklusen in einem Bernstein. Landesmuseen scher Bernstein, in der Höhe durchschnittlich 6 mm, in Auch kleine Inklusensteine enthalten nicht selten, ne- Neue Serie 86(2009): 257–266 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at a Abb. 1a-b: Ein Klassiker unter den Syninklusensteinen, eine heterogene Mischung von 47 Arthropoden aus verschiedenen Lebensräumen, dazu angesammelte Pflanzenresten und Sternhaare, charakteristisch für Baltischen Bernstein. Zentral gelegen eine Schnepfenfliege (Diptera: Rhagionidae), umgeben von weiteren Dipteren: siebzehn Tanzfliegen (Diptera: Empididae), sieben Langbeinfliegen (Diptera: Dolichopodiden) und Trauermücken (Diptera: Sciaridae); daneben zwei große Köcherfliegen (Trichoptera: Polycentropodidae und Helicopsychidae mit Electrohelicopsyche taeniata ULMER,1912); zwei Käfer (Coleoptera), einer von beiden der Holotypus eines Hakenkäfers (Dryopidae: Palaeoriohelmis samlandicaBOLLOW, 1940). Außerdem eine kleine Blattlaus- Larve (Aphidoidea), zwei Springschwänze (Collembola), sieben kleine Milben (Acari), eine Jungspinne (Araneae) und wenige, nicht sicher zu identifizierende b Arthropoden. 258 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at ben attraktiven, ins Auge fallenden Einschlüssen un- selben geologischen Zeit (Früh- bis Mittel-Eozän) ein- scheinbare Milben, Mücken oder Springschwänze und gebettet wurden. In einzelnen Syninklusensteinen kön- die immer wiederkehrenden „Sternhaare“. Letztendlich nen homogene Grabgemeinschaften (Taphozönosen) treffen dabei ganz verschiedene Organismen aus der Um- vorliegen, deren Inklusen aus einer gemeinsamen Biozö- gebung harzender Bernsteinbäume aufeinander (Abb. nose eines nahen Lebensraumes im Bernsteinwald kom- 1a-b): Flug-Insekten, die vom Duft und Glanz des Harzes men. Doch die Mehrheit aller Syninklusensteine bein- angelockt wurden, Baum- und Rindenbewohner, die auf haltet eine heterogene Taphozönose, weil die im Bern- das klebrige Harz zu wanderten; aber auch viele andere stein eingebetteten Organismen meist zufällig aus ver- Organismen am Boden, die von herabtropfendem Harz schiedenen Lebensräumen im Einzugsbereich eines har- unvermittelt einbettet wurden, während leichte Pflan- zenden Bernsteinbaumes stammen (Abb. 1): als Baum- zenteile (Sporen, Pollen, Samen, Trichome, kleine Blät- und Bodenbewohner, oder weil sie aktiv das Harz ange- ter und Zweige), Haare von Säugetieren, Federn von Vö- flogen oder passiv mit dem Wind angeweht wurden. geln und verlassene Hüllen (Exuvien) von gehäuteten Leider wurde häufig der Fehler gemacht, Syninklu- Gliedertieren gelegentlich angeweht wurden und dabei sensteine zu zersägen, um die Inklusen von einander zu oft im Harz haften blieben. trennen und einer separaten Untersuchung und Samm- Im Baltischen Bernstein sind in gut der Hälfte aller lung zuzuführen. Dieser SCHLIEMANN-Effekt, unter dem Inklusensteine immer auch sogenannte „Sternhaare“ archäologische Einzelstücke aus dem historischen Zu- enthalten, die sich von verzweigten Trichomen aus Epi- sammenhang gerissen wurden, wobei oft nicht das Gan- dermiszellen ableiten und von Blatt- und Blütenknos- ze, sondern nur die kommerziell wertvollen Teile zähl- pen der Eichenbäume (Quercus-Arten) stammen sollen. ten, dieser Effekt muß in der Bernsteinforschung ver- Angesichts der großen Menge an Sternhaaren sind im hindert werden, denn auch ein Syninklusenstein liefert eozänen „Bernsteinwald“ weiträumige Vergesellschaf- weit mehr Informationen als die Summe ihrer separaten tungen von Eichen und Kiefern (mit der Bernsteinkie- Inklusen. fer Pinus succinifera) zu vermuten. Sternhaare sind oft fester Bestandteil vieler Syninklusen und zugleich Indi- Heterogene Taphozönose kator-Organismen für den Baltischen Bernstein, da nur in den baltischen Lagerstätten Bernsteine mit Sternhaa- Taphozönosen liefern die Grundvorausetzungen für ren vorkommen. die Rekonstruktionen von Ökosystemen und Biozöno- sen. Hierbei wirkt das Aktualitätsprinzip, nach dem die Unter Taphozönose versteht man in der Paläontolo- gie die Grabgemeinschaft einer Gruppe fossil erhaltener Gegenwart der Schlüssel zur Vergangenheit ist und die Organismen, die im selben Fundort („Grab“) vorgefun- ursprünglichen Biozönosen der fossilen Taxa einer Ta- den werden (MOSBRUGGER 1989). Für die Syninklusen phozönose über die Lebensweise ihrer heutigen, nahen eines Bernsteins trifft die Definition zu. Diese Grabge- verwandten Taxa ermittelt werden. Nicht jede Tapho- meinschaft im Bernstein ist zugleich eine Totengemein- zönose im Baltischen Bernstein ist geeignet, ein Bild ei- schaft, weil die Organismen am selben Ort und zur sel- ner ehemaligen Biozönose zu erzeugen. Die meisten ben Zeit zusammen gekommenen sind, gestorben und in Bernstein-Taphozönosen sind nicht homogen, sondern Harz gemeinsam eingebettet wurden (autochthone heterogen und spiegeln nicht eine einzige Biozönose Thanatozönose). Bei genauerer Betrachtung eines Bern- wieder, sondern setzen sich aus Komponenten ganz ver- steins mit Syninklusen fällt allerdings auf, dass ein schiedener Lebensgemeinschaften zusammen. Wenn – Bernstein meist in Schlauben geschichtet ist (Schlau- wie so oft geschehen – geflügelte Insekten im Syninklu- benstein), die nach und nach von außen durch flüssiges senstein zusammentreffen (Abb. 1), wächst die Wahr- Harz, das sich verfestigte, aufgetragen wurden. Zwischen scheinlichkeit heterogener Taphozönosen, deren einge- den Schichten (Schlauben) befinden sich meist die fos- schlossene Insekten eine diffuse, bunte Mischung aus silen Organismen, die somit von außen, etwas zeitver- verschiedenen Lebensgemeinschaften abbilden. setzt, hinzu gekommen sind. Die Interpretation der heterogenen Taphozönosen Der Todesort (Taphotop) aller Inklusen im Bern- ist daher begrenzt; erlaubt aber manchmal Hinweise auf stein ist also das Harz, das zu Bernstein fossilierte. Unter übergeordnete Komponenten, etwa auf das regionale einem sehr allgemeinen Gesichtspunkt, und unter Be- Klima, das im Gebiet eines harzenden Baumes vor- rücksichtigung aller Einzelinkusen und aller Syninklu- herrschte. Wenn typische Wasserinsekten, die aus ge- sensteine, gehören alle Einschlüsse im Baltischen Bern- mäßigten Klimazonen bekannt sind, in Form ihrer Ima- stein einer gemeinsamen Taphozönose an, die auf das gines zusammen mit Termiten oder Phasmiden-Larven Ökosystem des eozänen Bernsteinwaldes hinweist, weil im Syninklusenstein vorliegen, dann können damalige, die Inklusen im selben Raum (Bernsteinwald) und zur aquatische Lebensgemeinschaften einem tropischen 259 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at a b c Abb. 2a-c: Syninklusenstein mit einer heterogenen Taphozönose, bestehend aus einem Blüten bewohnenden Weichkäfer (Coleoptera: Cantharidae) der Krautschicht und des Waldbodens, aus einer Schmetterlingsmücke (Diptera: Psychodidae) der Gattung Trichomyia, deren Larven an faulendem, nassen Holz leben, und einem Netzflügler, Rophalis relicta(HAGEN, 1856) der Familie Nevrorthidae, deren Larven aquatisch leben. 260 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at oder subtropischen Gebiet zugeordnet werden und bei a der Interpretation der Biologie und der Verbreitung die- ser Wasserinsekten werden neue Vorstellungen entwi- ckelt. Wenn der ausgestorbene Netzflügler Rophalis relicta, ein Nevrorthidae, deren Larven aquatisch leben, zusam- men mit einem Weichkäfer (Coleoptera: Cantharidae) und mit einer Schmetterlingsmücke (Diptera: Psychodi- dae) der Gattung Trichomyia eine Syninklusen-Gemein- schaft bilden (Abb. 2), dann lebten diese Rophalis-Lar- ven mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in Seen oder Flüssen, sondern bevorzugten kleine, vielleicht tempo- räre Gewässer im Unterholz einer feuchten Waldgesell- b schaft, wo sich Schmetterlingsmückenlarven der Gat- tung Trichomyia im feuchten Holz ernährten (WAGNER 1982) und Weichkäfer ebenfalls als Blüten-Besucher in der Krautzone lebten. Derartige Szenarien sind selbstverständlich erst dann verifiziert, wenn weitere Syninklusen ähnliche Rückschlüsse zulassen. Mit jedem neu bearbeiteten Syn - inklusenstein kommen neue Entdeckungen hinzu und erteilen weiterführende Auskunft über die Biologie und Ökologie der eingeschlossenen Organismen und ihrer Lebensgemeinschaften und informieren über deren Le- Abb. 3a, b:Bernstein mit einer homogenen Taphozönose aus epedaphischen bensräume bis hin zu den Ökosystemen. Wie in einem Bodentieren. großen paläontologischen Puzzle werden die Ergebnisse zusammengesetzt, bis endlich das ganze Mosaik die Na- rer Baltischer Bernstein aus der Sammlung C. GRÖHN, tur der eozänen Biozönosen und Biotope im Bernstein- Glinde bei Hamburg, beinhaltet drei auffallende Glie- wald zu erkennen gibt. dertiere, die sehr wahrscheinlich aus einer gemeinsa- men Biozönose stammen. Beteiligt sind eine Käferlarve, ein Weberknecht und ein Felsenspringer, die alle drei Homogene Taphozönosen epedaphisch dem Boden angepasst sind (EISENBEIS & Wenn bei den Syninklusen des Baltischen Bern- WICHARD1985). steins geflügelte Insekten überwiegen, dann liegen meis- Die Käferlarve (Abb. 4a, b) gehört zur Familie der tens heterogene Taphozönosen vor, weil flugfähige In- Kurzflügler (Coleoptera: Staphylinidae) und nach ihren sekten aus unterschiedlich großen Entfernungen das Körpermerkmalen in die Nähe der Unterfamilie Steni- Harz anfliegen und dabei eine weite Fläche abdecken, nae (BÖVING & CRAIGHEAD 1953; TOPP 1978). Der auf der sich sehr verschiedene Biotope befinden können. schlanke, campodeide Körper von 5 mm Länge trägt am Bei springenden, laufenden und kriechenden Tieren 9. Abdominalsegment lange paarige Anhänge (Uro- ist der Radius der Ausbreitung und die Vielfalt an Bio- gomphi). Die gut entwickelten Laufbeine am Thorax topen deutlich begrenzt und die Wahrscheinlichkeit er- sorgen für die notwendige Bewegungsfreiheit bei der höht, dass Syninklusen in einem Bernstein von einer räuberische Lebensweise der Larven. Die Augen beste- einzigen Lebensgemeinschaft stammen. In homogenen hen beidseitig aus kreisförmig angeordneten 6 Ocellen. Taphozönosen überwiegen eindeutig die Boden- und Die Ligula ist vorne breit und zungenförmig abgerundet. Rindenbewohner, die sich in unmittelbarer Nähe des Die beiden Mandibeln sind einfach gebogen und zuge- harzenden Baumes befinden. Die Rindenfauna dieser spitzt; die viergliedrigen Antennen sind länger als die Taphozönosen charakterisieren zugleich den Bernstein- weit vorgestreckten Maxillarpalpen. In der Morpholo- baum und die Bodenfauna weist auf den unmittelbaren gie der Maxillen unterscheidet sich die fossile Larve von Lebensraum der Bernsteinbäume hin. den Steninae: Die Mala ist nicht verschmolzen, sondern in Galea und Lacinia unterteilt. Beispiele homogener Taphozönoen aus der unmit- telbaren Umgebung des harzenden Bernsteinbaunes Der Weberknecht (Opiliones) im Syninklusenstein mögen diese Beobachtungen belegen. Ein schöner, kla- (Abb. 4c, d) gehört zur Gattung Caddo, die aus dem Bal- 261 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at aa b c d e f Abb. 4a-f:Baltischer Bernstein mit einer homogenen Taphozönose epedaphischer Bodentiere, bestehend aus einer bodenbewohnenden, räuberischen Kurzflügler-Larve (Coleoptera: Staphylinidae), einem Boden bewohnendem Weberknecht Caddo dentipalpus(KOCH& BERENDT, 1854) (Opiliones: Caddidae) und einem Moos und Rinden bewohnenden Felsenspringer (Archaeognatha: Machiliidae). 262 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at tischen Bernstein wohl bekannt ist und bereits von KOCH & BERENDT (1854) als Platybunus dentipalpis be- a schrieben und später wiederholt im Bernstein nachge- wiesen wurde (DUNLOP 2006). Die Familie Caddidae fehlt rezent in Europa und Asien, ist dafür in Nord- und Südamerika, in Südafrika, und in Japan, Australien und Neuseeland verbreitet (DUNLOP2006). Der Felsensprin- ger (Archaeognatha) in dieser Taphozönose gehört zur Familie Machiliidae (Abb. 4e, f), von denen etwa 8 Ar- ten aus dem Baltischen Bernstein beschrieben wurden (SILVESTRI 1912; STURM & MACHIDA 2001). Sie leben in Bodennähe, auf Baumrinde oder zwischen Moos und ernähren sich von Algen und Flechten. Im Bernstein bilden homogene Taphozönosen im- mer wieder kleine Szenarien, die sich zuvor am Baum- b stamm, im Totholz, in der Krautschicht oder unmittel- bar auf dem Boden abspielten, so auch beim dem Synin- klusenstein (Abb 5a-c), der unter anderem neben einem Schneckengehäuse einen seltenen Saftkugler (Diplopo- da: Glomeridae) bewahrt. Wasserinsekten bilden ausnahmsweise homogene Taphozönosen. In angemessener Nähe der harzenden Bern steinbäume müssen Bäche, Flüsse, Seen, Teiche oder Tümpel vorhanden sein, damit über den Zufall hi- naus die Distanzen zwischen den Gewässern und den austretenden Baumharzen überbrückt werden können. In aller Regel wurden die Imagines und nicht die Larven der amphibischen Wasserinsekten durch die Verlockun- gen des Harzes irre geleitet. Wenn die Gewässer groß oder zahlreich waren, stiegt auch die Trefferwahrschein- lichkeit der Imagines im Harz. Immerhin sind mindes- tens 25% aller Insekten im Bernstein amphibische Was- serinsekten, überwiegend vertreten durch ihre flugfähi- gen Imagines, mit deutlicher Präferenz von Zuckmü- cken (Diptera: Chironomidae) und Köcherfliegen (Tri- choptera). Manche Insekten liefern auch Indizien dafür, c dass die Bernsteinbäume oft unmittelbar an den Gewäs- sern standen; denn anders ist das Vorkommen von flug- trägen Steinfliegen (Plecoptera), die manchmal eher laufen als fliegen, kaum zu erklären. Für den Baltischen Bernstein gibt es auch keine Hin- weise, dass ins Gewässer tropfende, leicht viskose Harze aquatische Larven einschließen konnten und danach zu Bernsteinen mit Inklusen der aquatischen Larven fossi- lierten. Deshalb sind Larven im Bernstein sehr selten und waren immer dann gefährdet, von Harz eingebettet zu werden, wenn die Gewässer austrockneten oder wenn die ausgewachsenen Larven die Gewässer verließen, um sich an Land zu verpuppen oder zu geflügelten Imagines zu schlüpfen. Werden erwachsene Larven oder Puppen Abb. 5a-c:Baltischer Bernstein mit einer homogenen Taphozönose der Wasserinsekten im Bernstein angetroffen, dann lie- epedaphischer Bodentiere, bestehend aus einem Saftkugler, einem Schneckengehäuse, sowie einer kleinen Waldameise, einem Ptiliiden-Käfer, gen sie als Einzelinklusen vor oder häufiger noch verge- einer Milbe und zwei Trauermücken, deren Larven im Boden, unter Rinde und sellschaftet in heterogenen Taphozönosen. in Pilzen leben. 263 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 6a-g:Baltischer Bernstein mit einer a homogenen Taphozönose aquatischer Insekten, bestehend aus einer Steinfliege (Plecoptera: Leuctridae), einer Zuckmücke (Diptera: Chironomidae, mit Erstnachweis der seltenen Unterfamilie Prodiamesinae) und eine Köcherfliege (Trichoptera: Polycentropodidae). b c d e f g 264 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Einen homogene Taphozönose mit Wassertieren ha- a ben WEITSCHATet al. 2002 beschrieben. Der trapezför- mige Bernstein in Abb. 6 enthält eine weitere typische, homogene Taphozönose aquatischer Insekten auf der Grundlage der zugeflogenen Imagines. Die gut erhaltene Steinfliege (Plecoptera) gehört zur Familie Leuctridae, die Mücke (Diptera) ist der Erstnachweis im Bernstein der Unterfamilie Prodiamesinae in der Familie Chiro- nomidae und die Köcherfliege (Trichoptera) gehört zur Familie der Polycentropodidae. Wahrscheinlich ten- dierten die drei eingebetteten Wasserinsekten zu seich- b ten Fließgewässern, auch wenn Prodiamesinen das Spektrum von Quellen bis bewegten Uferzonen von Seen nutzen und die Netze bauenden Polycentropodi- den eher fließende als stehende Gewässer bevorzugen; in kühlen und sauerstoffreichen Fließgewässern leben gerne die Nymphen der Leuctriden. Abschließend sei noch auf einen besonderen Typus homogener Taphozönosen hingewiesen. Im Baltischen Bernstein kommen immer wieder Aggregationen und Schwarmbildungen einiger Tiere vor. Sie stellen oft nur einen kleinen Ausschnitt eines homogenen Massenvor- kommens dar, deren tatsächlicher Umfang nur zu erah- nen ist. c Zusammenfassung Unter der Taphozönose versteht die Paläontologie die Grabgemeinschaft einer Gruppe fossil erhaltener Organismen, die im selben Fundort („Grab“) vorgefun- den werden. Für die Syninklusen des Baltischen Bern- steins trifft die Definition zu; denn Syninklusen sind verschiedene organismische Einschlüsse (Inklusen) in einem einzigen Bernstein. Diese Grabgemeinschaft im Bernstein ist zugleich auch eine Totengemeinschaft, weil die Organismen am selben Ort und zur selben Zeit zusammen kamen, gestorben sind und in Harz gemein- Abb. 7a-c:Aggregationen und Schwarmbildungen im Bernstein sind sam eingebettet wurden (autochthone Thanatozönose). homogene Taphozönosen: (a)In einem Bernstein der Größe von 23x9x4 mm Der Todesort (Taphotop) aller Inklusen im Bernstein ist sind 8 Amphipoden (Palaeogammarus Flohkrebse) eingeschlossen (COLEMAN das Harz, das zu Bernstein fossilierte. 2004), die möglicherweise nach Austrocknung eines Tümpels vom Wind zusammengeweht wurden. (b) Nach dem Hochzeitsflug von Termiten werden Die Mehrheit aller Syninklusensteine beinhaltet ei- die Flügel abgeworfen, die sich am Boden ansammeln und in diesem Fall von ne heterogene Taphozönose, weil die im Bernstein ein- Harz eingebettet wurden (WICHARD& WEITSCHAT2004). (c) Männchen vieler Dipteren-Arten (Scirtidae) neigen zur Schwarmbildung, in die die Weibchen gebetteten Organismen meist zufällig von verschiede- zur Paarung einfliegen (WICHARD2005). nen Lebensräumen im Einzugsbereich eines harzenden Bernsteinbaumes stammen: 1. als Baum- und Bodenbe- wohner, 2. weil sie aktiv den Verlockungen des Harzes An ausgewählten Beispielen heterogener und ho- zugeflogen sind, oder 3. weil sie passiv mit dem Wind mogener Taphozönosen im Baltischen Bernstein werden angeweht wurden. Syninklusensteinen können auch die Definitionen erläutert. Zu den besprochenen homo- homogene Grabgemeinschaften (Taphozönosen) bil- genen Taphozönosen zählen Syninklusen aus epedaphi- den, wenn deren Inklusen aus einer einzigen gemeinsa- schen Lebensgemeinschaften, aus aquatischen Biozöno- men Biozönose eines nahen Lebensraumes im Bern- sen und Syninklusen, die Aggregationen und Schwarm- steinwald stammen. bildungen kennzeichnen. 265 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Danksagung Mein herzlicher Dank geht an Agnes GRAS für die aufwendige Bernstein-Präparation, an TimoBUDERund ClausLÜER, Institut für Biologie und ihre Didaktik der Universität zu Köln, für die sorgfältigen Zeichnungen und Photoarbeiten. Ganz besonders danke ich Dr. Wolf- gangWEITSCHATund CarstenGRÖHNfür die großzügi- ge Bereitstellung der ausgesuchten Syninklusen-Bern- steine. Literatur BÖVINGA.G. & F.C. CRAIGHEAD(1953): An Illustrated Synopsis of the Principal Larval Forms of the Order Coleoptera. — The Brooklyn Entomological Society, New York. COLEMANC.O. (2004): Aquatic Amphipods (Crustacea: Amphipo- da: Crangonytidae) in three Baltic Amber. — Organ., Div. & Evol. 4(Electr. Suppl. 3): 1-7. DUNLOPJ.A. (2006): Baltic amber harvestman types (Arachnida: Opiliones: Eupnoi and Dyspnoi). — Fossil Rec. 9: 167-182. EISENBEISG. & W. WICHARD(1985): Atlas zur Biologie der Boden- arthropoden. —G. Fischer, Stuttgart. KOCHC.L. & G.C. BERENDT(1854): Die im Bernstein befindlichen Crustaceen, Myriapoden, Arachniden und Apteren der Vor- welt. —In: BERENDTG.C. (Hrsg.), Die im Bernstein befindli- chen organischen Reste der Vorwelt. – Vol. I, Bd. II. Nicolai, Berlin: 1-124. MOSBRUGGERV. (1989): Zur Gliederung und Benennung von Ta- phozönosen. —Cour. Forsch.-Inst. Senckenberg 109: 17-28. SILVESTRIF. (1912): Die Thysanuren des baltischen Bernsteins. — Schr. phys.-ökon. Ges. Königsberg 53: 42-66. STURMH. & R. MACHIDA(2001): Archaeognatha. —In: Handbuch der Zoologie, Bd IV/37. De Gruyter, Berlin. TOPPW. (1978): Bestimmungstabelle für die Larven der Staphili- nidae. — In: KLAUSNITZER B. (Hrsg.), Ordnung Coleoptera (Larven). Junk Publisher, The Hague: 304-334. WAGNER R. (1982): Palaearctic moth-flies: a review of the Tri- chomyiinae (Psychodidae). — Syst. Entomol. 7: 357-365. WEITSCHATW., A. BRANDT, C.O. COLEMAN, N. MOLLER-ANDERSEN, A.A. MYERS& W. WICHARD(2002): Taphocoenosis of an extraordi- nary arthropod community in Baltic amber. — Mitt. Geol.- Paläont. Inst. Univ. Hamburg 86: 189-210. WICHARD W. (2005): Wasserinsekten im Baltischen Bernstein - Zeitzeugen eines alttertiären Waldes. — Biol. in unserer Zeit 35(2): 83-89. WICHARDW. & W. WEITSCHAT(2004): Im Bernsteinwald. —Gers- tenberg, Hildesheim. Anschrift des Verfassers: Wilfried Wichard Institut für Biologie Universität zu Köln Gronewaldstr. 2 50931 Köln, Deutschland E-Mail: Wichard@uni-köln.de 266

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