View metadata, citation and similar papers at core.ac.uk brought to you by CORE provided by OTHES DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit Sprachidentität - Identität durch Sprache: untersucht anhand der Situation der deutschsprachigen Südtiroler Verfasser Mag.phil. Mag.phil. Harald Fussenegger angestrebter akademischer Grad Magister der Philosophie (Mag. phil.) Wien, im Dezember 2012 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 332 Studienrichtung lt. Studienblatt: Diplomstudium Deutsche Philologie Betreuer: O. Univ.-Prof. Mag. Mag. Dr. Hans-Jürgen Krumm Dank: Mein Dank gilt allen, die mich bei dieser Arbeit unterstützt haben, insbesondere danke ich meinem Betreuer, Herrn O. Univ.-Prof. Mag. Mag. Dr. Hans-Jürgen Krumm. 2 Inhaltsverzeichnis Einleitung 5 a) Anmerkungen zur Diplomarbeit 5 b) Einführung in das Thema 7 c) Gliederung der Diplomarbeit 9 I. Sprachliche Identität/Identität durch Sprache 10 II. Die Italianisierung Südtirols 20 II.1. Einleitung 20 II.2. Zweisprachigkeit in Tirol bis 1918 21 II.3. Italiens Anspruch auf Alto Adige 24 II.4. Italiens Pläne für Südtirol 26 II.5. Erste Italianisierung: Die (geplante) vollständige Assimilierung der autochthonen Bevölkerung 28 II.5.1. Das Verbot der deutschen Sprache 28 II.5.2. Die Italianisierung des Schulwesens 34 II.5.3. Die sprachliche Italianisierung Südtirol 42 II.5.4. Die Italianisierung der Familien- und Ortsnamen 45 II.6. Zweite Italianisierung: Die staatlich geplante massive Einwanderung von Italienern am Beispiel Bozen/Bolzano 51 II.7. Dritte Italianisierung: Die (geplante) Vertreibung der Südtiroler - Die Option bzw. der Entschluss, „das Kapitel Deutsch-Südtirol endgültig zu schließen“. 57 II.8. Die „schleichende“ Italianisierung 61 II.9. Das Ende der Italianisierung: Das Südtirolpaket 66 3 III. Bedeutung der Sprache in Südtirol im 21. Jahrhundert 67 III.1. Die sprachliche Situation in Südtirol 67 III.1.1. Südtirols sprachlich-rechtliche Bestimmungen 67 III.1.2. Die sprachliche Demografie Südtirols 69 III.1.3. Der Sprachproporz 71 III.1.4. Die sprachlich geteilte Medienlandschaft in Südtirol 75 III.1.5. Südtirols „sprachliche“ Schulpolitik 77 III.1.6. Die Zweisprachigkeitsprüfung 79 III.1.7. Resümee 80 III.2. Brennpunkt Sprache- Sprache als Konfliktthema in Südtirol 81 III.2.1. Einleitung 81 III.2.2. Der „Sprachenstreit“ in Südtirols Gegenwart 82 III.2.3. Sprache und Identität der deutschsprachigen Südtiroler 85 III.2.4. Sprache und Identität der italienischsprachigen Südtiroler 87 III.2.5. Mehrsprachigkeit in Südtirol/Sprachkontakte zwischen deutsch- und italienischsprachigen Südtirolern 88 III.3. Resümee und Ausblick: Identität und Sprache in Südtirol/ Gesamt-Südtiroler-Identität: Gegenwart und Vision 98 IV. Bibliographie 109 V. Anhang a) Zusammenfassung der Diplomarbeit 121 b) Curriculum Vitae 122 4 Einleitung a) Anmerkungen zur Diplomarbeit: Einführend stellte sich für den Autor dieser Arbeit, im Text mit Autor bzw. Verfasser abgekürzt, die Frage, welche Bezeichnungen in einer Abschlussarbeit für das Studium der Germanistik, gerade im in solchen Fragen so sensiblen Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache für die italienisch-, deutsch- oder ladinischsprachige Bevölkerung in Südtirol zeitgemäß sind. Bei den Ladinern ist es weniger kompliziert, bei den anderen beiden Sprachgruppen jedoch eine politisch heikle Frage. Wählt man nun die Bezeichnungen Südtiroler und Italiener? Diese mögen geschichtlich korrekt sein, aktuell sind sie nicht mehr (siehe im übernächsten Absatz). Auch die Benennung deutsche oder österreichische Minderheit hält der Autor für historisch überholt. Ebenfalls ist der Verfasser der Meinung, dass Bezeichnungen wie deutschsprachige Minderheit bzw. italienische Mehrheit unzutreffend sind, da innerhalb Südtirols mehrheitlich deutsch gesprochen wird. Aus diesen Gründen soll hier ein Kompromiss gefunden werden: Bis zum Abschluss des Südtirolpakets 1972 werden die in der Literatur üblichen, vor allem in geschichtswissenschaftlichen Arbeiten geläufigen Bezeichnungen Südtiroler bzw. Italiener verwendet. Für diese Benennung der Volksgruppen spricht, dass sich bis in die 1970er-Jahre die italienische Sprachgruppe deutlich von den deutschsprachigen Bewohnern Südtirols (und umgekehrt) abgrenzte, kaum ein italienischsprachiger Bewohner Südtirols fühlte oder bezeichnete sich damals als Südtiroler. Außerdem wäre es sprachlich zu umständlich, immer zwischen Italienern, die sich bis 1972 aus den italienischen Gebieten außerhalb Südtirols in der Provinz Bozen ansiedelten, und italienischsprachigen Bewohnern Südtirols zu unterscheiden. Erst in den letzten dreißig bis vierzig Jahren hat sich zaghaft ein gewisses Gemeinschaftsdenken der Südtiroler, über die Sprachgrenzen hinaus, entwickelt. Dieses will der Autor sprachlich betonen, auch wenn es noch viele Dissonanzen zwischen den Sprachgruppen gibt. Folglich spiegelt sich im Text der Diplomarbeit, 5 der die Zeit nach 1972 behandelt, die neue, völkerverbindende Idee einer grenzüberschreitenden, mehrsprachigen Europaregion Tirol auch in der Bezeichnung der Volksgruppen wider. Die Bewohner der Provinz Bozen werden im letzten Teil der Arbeit deutschsprachige bzw. italienischsprachige Südtiroler genannt. Thematisch konzentriert sich diese Arbeit auf die deutschsprachigen und weniger ausführlich auf die italienischsprachigen Südtiroler, auf die beiden größten hiesigen Sprachgruppen, welche sich in sprachbezogenen Themen immer wieder gegenüberstanden bzw. -stehen. Die Ladiner, die sich historisch bzw. im Bemühen um ihre Sprachenrechte und politisch den Deutschsprachigen sehr verbunden fühlen,1 werden hier zwar immer wieder erwähnt, im Detail auf die Situation dieser Sprachgruppe einzugehen, ist in dieser Arbeit aber nicht möglich. Um den folgenden Text „flüssiger“ zu formulieren, sind in der vorliegenden Diplomarbeit, außer der Text verlangt es anders, nur die im deutschen Sprachgebiet üblichen deutschen Ortsnamen angeführt. Dies ist nicht politisch zu werten. Aus demselben Grund werden lediglich männliche Formen verwendet. Zwei sprachwissenschaftliche Begriff finden sich in dieser Arbeit des Öfteren: Muttersprache, auch L1- bzw. Erstsprache und Primärsprache genannt, und Zweitsprache bzw. L2-Sprache. Die Muttersprache ist die erste Sprache, die ein Kind in seiner unmittelbaren Umgebung in der Familie spricht. Dieser Begriff soll in dieser Bedeutung in der vorliegenden Arbeit verwendet werden.2 „Zweitsprache“ darf wiederum nicht mit dem Begriff Fremdsprache gleichgesetzt werden. Der auf die Zweisprachigkeit in seiner Heimat spezialisierte Südtiroler Sprachwissenschaftler Kurt Egger definiert sie folgendermaßen: „Eine Sprache, die nicht die Muttersprache ist, gilt nur dann als “Zweitsprache“, wenn sie in einem Territorium im alltäglichen Kontakt zwischen den Sprechern benutzt wird oder benutzt werden kann, weil die Sprecher im Gebiet vorhanden sind. Die Zweitsprache ermöglicht die unmittelbare Kommunikation mit Menschen, deren Sprache ebenfalls 1 Kristian Naglo: Rollen von Sprache in Identitätsbildungsprozessen multilingualer Gesellschaften in Europa. Frankfurt am Main: Peter Lang-Verlag 2007, S. 167. 2 Werther Ceccon, Kurt Egger, Angela Giungaio (Hg.): Südtiroler Sprachbarometer – Sprachgebrauch und Sprachidentität in Südtirol. Bozen: astat-Verlag 2004, S. 26. 6 im Territorium verankert ist. Gegenüber dem Ausdruck “Fremdsprache“ drückt der Begriff Zweitsprache eine gewisse Nähe zu den Sprechern der Sprache aus.“3 Abschließend ist es dem Verfasser der Arbeit noch ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass sich diese Arbeit nicht als eine Anklage gegen Italien versteht. Jeder Minderheit weltweit, der eine Geschichte wie jene der Südtiroler widerfahren ist, gehören die Sympathien des Autors des vorliegenden Werkes, egal welcher Nationalität sie sind. b) Einführung in das Thema Die Bewohner Südtirols, auch Provinz Bozen oder italienisch Alto Adige genannt, sind - wissenschaftlich definiert – eine territorial mehrsprachige Gesellschaft mit Autonomiestatus in einem als einsprachig definierten Staat.4 Südtirol befindet sich in einer für Sprachwissenschaftler interessanten sprachlichen Situation: Zwischen Salurner Klause und Brenner, der südlichen bzw. nördlichen Grenze Südtirols, kann man von drei Volksgruppen5 sprechen, von der deutsch-, der italienisch- und der ladinischsprachigen. Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Provinz Bozen definieren sich durch ihre Sprache. Jedes Jahrzehnt - wie in ganz Italien, immer in den „Einserjahren“, also 1981, 1991, 2001, 2011 usw. - erfolgt eine Volkszählung, bei der die Erstsprache anzugeben ist und nach deren Ergebnis im öffentlichen Dienst Stellen und staatliche Wohnungen vergeben werden. Daraus folgert der Autor, dass die Sprache die Identität der Südtiroler zu einem großen Teil bestimmt. Mit ca. 310.000 aktiven Sprechern6 sind die Südtiroler die größte deutschsprachige Gruppe außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachraums, da die aktive Sprachkompetenz in der deutschen Sprache im bevölkerungsreicheren Elsass und Lothringen massiv zurückgegangen ist.7 3 Werther Ceccon, Kurt Egger, Angela Giungaio (Hg.): Südtiroler Sprachbarometer – Sprachgebrauch und Sprachidentität in Südtirol, S. 27. 4 Claudia Maria Riehl: Schreiben, Texte und Mehrsprachigkeit – Zur Textproduktion in mehrsprachigen Gesellschaften am Beispiel der deutschsprachigen Minderheiten in Südtirol und Ostbelgien. Tübingen: Stauffenburg Verlag 2001, S. 13. 5 Die FUEV (Föderalistische Union Europäische Volksgruppen) definiert den Status einer Volksgruppe folgendermaßen: „Eine Volksgruppe [...] ist eine völkische Gemeinschaft, die durch Merkmale wie eigene Sprache, Kultur oder Tradition gekennzeichnet ist. Sie bildet in ihrer Heimat keinen eigenen Staat oder ist außerhalb ihres Staates ihrer Nationalität beheimatet (nationale Minderheit).“ Siehe: Magdalena Katharina Vötter: Kulturelle Selbstbehauptung. Diplomarbeit der Universität Salzburg. Salzburg 2006, S. 17. 6 Landesinstitut für Statistik – ASTAT - Volkszählung 2011, siehe Anhang [PDF] der Seite http://www.provinz.bz.it/astat/de/bevoelkerung/458.asp?aktuelles_action=4&aktuelles_article_id=396330 am 17. Juli 2012 um 11 Uhr 20. 7 Claudia Maria Riehl: Schreiben, Texte und Mehrsprachigkeit – Zur Textproduktion in mehrsprachigen Gesellschaften am Beispiel der deutschsprachigen Minderheiten in Südtirol und Ostbelgien, S. 15. 7 Die Südtiroler Autonomie gilt Anfang des 21. Jahrhunderts als eine der besten der Welt und dient vielen Gebieten auf der Welt, wie beispielsweise dem Kosovo, als Vorbild: Oft wird aus diesem Grund seit Ende des 20. Jahrhunderts von den - in der Arbeit im Fokus stehenden - deutschsprachigen Südtirolern als einer „dominierenden Minderheit“ gesprochen. Sie sind eine Minderheit gegenüber dem Staat, dominieren aber in der eigenen, autonomen Provinz Bozen–Südtirol.8 Auch in den für Minderheiten so wichtigen sprachlichen Bestimmungen hat die Südtiroler Autonomie eine Vorbildfunktion. Sprache ist ein wichtiger Teil der Identität von Gruppierungen, viele Völker oder ethnische Gruppen definieren sich unter anderem durch sie, wie beispielsweise die Flamen im dreisprachigen Belgien.9 Auch für die drei Sprachgruppen in Südtirol gilt dies. Die Sprachwissenschaftlerin Christine Tim-Mabrey bringt es - beinahe wie genau für die Situation in Südtirol geschrieben – auf den Punkt: „Sprache bildet eine wesentliche Grundlage des Selbstverständnisses sowohl von Völkern und ethnischen Minderheiten als auch von kleineren und größeren, regionalen oder sozialen Gruppen. Sie kann als soziales, kulturelles oder politisches Mittel zur Identitätsstiftung und –vergewisserung oder - im Konfliktfall - zur Identitätssicherung verstanden und instrumentalisiert werden. Das Bedürfnis, sich auch auf einer sprachlichen Ebene repräsentiert zu fühlen, das Bedürfnis nach Identität durch Sprache und Sprachidentität ist ein genuin menschliches, das sich im Zusammenleben mit anderen ergibt. Dadurch gerät es oft in den Blickpunkt öffentlicher Diskussion [...].“10 Die Arbeit versucht zu zeigen, wie wichtig die Sprache für die deutschsprachige Minderheit in Südtirol im 20. Jahrhundert war, wie verschiedene Regierungen des Mehrheitsvolks der Italiener versuchten, durch das Verbot der deutschen Sprache, danach der Ansiedelung italienischsprachiger Bürger und schließlich mit der Aussiedelungen der Südtiroler mithilfe Nazideutschlands ein Minderheitengebiet 8 Alexander Langer: Die Mehrheit der Minderheiten. Berlin: Verlag Wagenbach 1996, S. 16. 9 Der Fortbestand Belgiens ist bekanntlich aus Gründen, die in Südtirol schon überwunden scheinen, vor allem wegen Sprachenrechten in bestimmten Regionen rund um Brüssel keineswegs gesichert (Anmerkung des Autors). 10 Christiane Thim-Mabrey: Sprachidentität - Identität durch Sprache. Ein Problemaufriss aus sprachwissenschaftlicher Sicht, S. 1-18. In: Nina Janich, Christiane Thim-Mabrey (Hg): Sprachidentität - Identität durch Sprache. Tübingen 2003, S. 5. 8 ethnisch umzuwandeln und dass sich die Geschichte Südtirols noch anfangs des 21. Jahrhunderts auf die Sprache und die Identität der Bewohner der Provinz Bozen auswirkt. c) Gliederung der Diplomarbeit Die vorliegende Diplomarbeit ist in drei Teile gegliedert, in einen theoretischen, einen historischen und einen aktuellen. Im ersten, theoretischen Teil soll die Bedeutung der Sprache für die Identität des Individuums, für Sprachgruppen wie z.B. Minderheiten und die historische Relevanz der Identität von Sprachgemeinschaften seit der Französischen Revolution in Europa erläutert werden. Dazu passend will der Autor Beispiele für Minderheiten geben bzw. immer einen Bezug zur Situation in Südtirol herstellen. Der zweite, historische Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Geschichte Südtirols bzw. der Geschichte der deutschsprachigen Südtiroler von 1918, der Abtrennung Südtirols von Österreich, bis 1972, dem Jahr des Beschlusses des Südtirol-Pakets. Hierbei sind die Südtiroler als Beispiel für eine sprachliche Minderheit in Europa zu sehen, welche unterdrückt wurde bzw. lange um ihre Rechte kämpfen musste. In diesem Teil wird ein Schwerpunkt auf den Sprachenstreit gelegt, der zeigt, wie viel Symbolkraft eine Sprache, zum Beispiel Ortsbezeichnungen, für Minderheiten haben kann. Es soll weniger um die politische Geschichte Südtirols - die aber zu diesem Thema „als Nebenschauplatz“ unerlässlich ist - seit 1918 gehen, sondern vor allem um den „Sprachenkampf“ im 20. Jahrhundert bzw. seine Auswirkungen bis ins 21. Jahrhundert. Die Versuche Italiens, das deutschsprachige Südtirol mithilfe der Sprache zu italianisieren, sind genauso Thema dieses Teils der Arbeit wie die Maßnahmen der deutschsprachigen Südtiroler dagegen, denen immer schon bewusst war, dass mit ihrer Sprache auch ihre Kultur und letztendlich ihre Identität südlich des Brenner verschwinden würde. Auf die Sprachidentität und die aktuelle sprachliche Situation in Südtirol wird im dritten Teil der Diplomarbeit eingegangen bzw. der Versuch gemacht, unter anderem folgende Fragen zu beantworten: Wie wirkt sich der Sprachproporz, eine „Besonderheit“ der Provinz Bozen, in Südtirol auf die aktuelle Sprachsituation bzw. 9 Sprachkontakte aus? Ist die sprachliche Identität der Südtiroler Anfang des 21. Jahrhunderts für die deutschsprachige Minderheit von Belang? Existiert in der Provinz Bozen ein sprachliches Miteinander bzw. eine mehrkulturelle Gesellschaft oder ein sprachliches Nebeneinander, eine - von Kritikern zugespitzt ausgedrückt - sogenannte „sprachliche Apartheid“11? I. Sprachliche Identität/Identität durch Sprache Jede Äußerung ist ein Sprechakt. Mit diesem gibt jeder Sprecher Teile seiner Identität preis. Diese Sprechakte kategorisiert der amerikanische Philosoph John Rogers Searle in fünf Typen und bringt damit die Subjektivität ins Spiel. Er unterscheidet Repräsentative (Behauptungen, Schlussfolgerungen,...), Direktive (Bitten, Fragen, Befehle,...), Kommissive (Versprechungen, Drohungen, Angebote,...), Expressive (Danksagungen, Entschuldigungen,...) oder Deklarative (Kriegserklärungen, Taufen, Verurteilungen,...). Alle diese Sprechakte sind für Searle Manifestationen eines handelnden Subjekts.12 Eine Person drückt also unter anderem durch ihre Sprechakte das Eigene, das Innere aus. So ist in dieser Funktion die Sprache ein wichtiger Bestandteil der eigenen Identität. Der deutsche, emigrierte Sprachphilosoph Ernst Cassirer meint, die Sprache könne man sich auch als „eine Fülle verschiedenster Ausdrucksmöglichkeiten vorstellen, das Ich darzustellen.“13 Die Sprache ist also Medium der Selbstdarstellung, der Präsentation der eigenen Identität, die jeder durch die Wahl, Verwendung und punktuelle Um- und Neugestaltung sprachlicher Mittel und Verfahren selbst gestaltet.14 Zu ergänzen ist, dass neben Sprechhandlungen auch der Name - dazu passend wollten die italienischen Faschisten auch die Eigennamen der deutschsprachigen 11 Zitat der Universitätsprofessorin Flavia Pfisterer, die damit meinte, dass die deutschsprachigen Südtiroler die Provinz Bozen mittlerweile insbesondere durch die starke SVP (Südtiroler Volkspartei) in allen Bereichen dominieren. Siehe: Peter Bettelheim (Hg. u.a.): Apartheid in Mitteleuropa? Sprache und Sprachenpolitik in Südtirol. Wien–München: Verlag Jugend & Volk GmbH 1982, S. 177. 12 Eva Lia Wyss: Sprache, Subjekt und Identität - Zur Analyse der schriftlichen Genderpraxis am Beispiel von Liebesbriefen aus dem 20. Jahrhundert, S. 176-206. In: Germanistische Linguistik Nr. 167/168 (2002), S. 183. 13 Ebd., S. 6. 14 Christiane Thim-Mabrey: Sprachidentität - Identität durch Sprache. Ein Problemaufriss aus sprachwissenschaftlicher Sicht, S. 3. 10
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