Studienführer Hans Albert Ein Führer durch die Schriften von und über Hans Albert sein intellektueller Lebensweg seine Lehren und Ideen Debatten und Diskussionen seine Wirkung Ein Wikibooks Projekt Studienführer Hans Albert Dieses Buch ist eine Druckausgabe des Wikibooks "Studienführer Hans Albert" in der Version 1.0 vom 2. Juni 2006 aus dem freien Lehrbuch-Projekt Wikibooks und steht unter der GNU Lizenz für freie Dokumentation. Diese Lizenz ist dem Text am Schluss des Buches beigefügt. Dem Zweck entsprechend wurde das Layout teilweise geändert und dem Papierdruck angepasst. Bei Wikibooks ist eine Liste der Autoren verfügbar. Das Buch findet man im Regal Philosophie. Es kann bei Wikibooks bearbeitet werden. http://de.wikibooks.org/wiki/Studienführer_Hans_Albert Editieren: dort den Reiter "Bearbeiten" wählen Autoren: dort den Reiter "Versionen/Autoren" wählen Version 1.0 2006 Ein Wikibooks Projekt http://de.wikibooks.org 1 Inhaltsverzeichnis Vorwort zur ersten Druckausgabe Version 1.0 4 Zielgruppe, Lernziele, Richtlinien für Co-Autoren 6 Einführung 7 Kurze Einleitung zu Person, Werk und Wirkung 7 Charakterisierung der Philosophie Hans Alberts 9 Alberts intellektueller Lebenslauf 11 Hinweise für Leser ohne wissenschaftliches Fachinteresse 17 Was man mindestens über Hans Albert wissen sollte 17 Worum geht es in diesem Abschnitt? 17 Die Unmöglichkeit und Unnötigkeit von absoluten Begründungen 17 Komparativismus 18 Alternativen, Konsequenzen 18 Die Rolle der Kritik 19 Übertragungsprogramm 19 Antipositivismus 19 Transfer des Antipositivismus in andere Gebiete 20 Ein zentraler Aufsatz, den man lesen sollte 21 Die Tradition der kritischen Diskussion 21 Nach vorne schauen auf die Konsequenzen, nicht rückwärts auf die Begründung 22 Weiche nie der Kritik aus! 22 Vergleiche die Philosophen! 23 Bibliographisches und weiterführende Literatur 23 Was in diesem Studienführer zu finden ist 25 Hinweise zum Studium der Werke Hans Alberts 26 Schnelles Kennenlernen 26 Vertieftes Studium 27 Spezifische Schwierigkeiten 30 Die Hauptideen Hans Alberts 32 Logik als Lebensweisheit 32 Vorwort 32 Unterrichtseinheit 1: Wahres aus Falschem 32 Unterrichtseinheit 2: Aus Wahrem nur Wahres 33 Unterrichtseinheit 3: Aus jedem Satz folgt unendlich viel 34 Unterrichtseinheit 4: Unendlich viele Erklärungen 34 Unterrichtseinheit 5: Beliebiges folgt aus Widersprüchen 35 Unterrichtseinheit 6: Sei gehaltvoll! 36 Unterrichtseinheit 7: Keine gehaltserweiternden Schlüsse 37 Quellen 38 Das Begründungsproblem, das Münchhausen-Trilemma und der Fallibilismus 39 Wahrheit zu haben ist immer möglich 39 Das Begründungsproblem 39 Das Münchhausen-Trilemma 40 2 Keine Beschränkung auf bestimmte Begründungsmethoden 42 Die Folge: Fallibilismus 42 Weder Dogmatismus noch Skeptizismus: Der dritte Weg 43 Sprachregelungen 43 Kritik des Münchhausen-Trilemmas 44 Literatur 45 Alternativensuche und Komparativismus (*) 47 Halbierte Vernunft? Die Ethik des Kritischen Rationalismus (*) 47 Die kritische Diskussion als alte Europäische Tradition (*) 48 Immunisierung gegen Kritik (*) 49 Antipositivismus und Institutionenlehre (*) 50 Zur Kritik der Neohermeneutik (*) 51 Sozialphilosophie und Methodenlehre (*) 51 Theologie und Rationalität (*) 51 Kritischer Rationalismus als Lebensweise (*) 51 Debatten und Diskussionen 52 Gegen den Dogmatismus in der Nationalökonomie (*) 52 Der Werturteilsstreit und der Streit um Max Weber (*) 52 Der Positivismusstreit und die Auseinandersetzung mit der 'Kritischen Theorie' 53 Der deutsche Positivismusstreit 53 Der angelsächsische Positivismusstreit 54 Literatur zum deutschen Positivismusstreit 54 Literatur zum angelsächsischen Positivismusstreit 55 Der Letztbegründungsstreit 57 Einführung 57 Karl-Otto Apel 57 Wolfgang Kuhlmann 58 Die weitere Debatte um Alberts Lösung des Begründungsproblems 58 Hat Habermas seine Letztbegründungsposition aufgegeben? 60 Literatur (chronologisch) 61 Stillschweigende Übernahme kritisch-rationaler Positionen durch andere (*) 63 Abgrenzung von Popper 63 Zur Wirkung Hans Alberts 64 Zur Rezeption der Albertschen Philosophie (*) 64 Alberts Bedeutung für die Philosophie (*) 64 Alberts Bedeutung jenseits der Fachkreise (*) 64 Zusammenfassungen und Kommentare 65 Vorbemerkung für Co-Autoren 65 Zusammenfassungen und Kommentare zu Albert Büchern 66 Zusammenfassungen und Kommentare zu Aufsätzen 67 Aufsätze 1953-1960 (Aufsätze A1 bis A23) 67 Aufsätze 1961-1970 (Aufsätze A24 bis A64) 67 Aufsätze 1971-1980 (Aufsätze A65 bis A101) 67 Aufsätze 1981-1990 (Aufsätze A102 bis A147) 67 Aufsätze 1991-2000 (Aufsätze A148 bis A196) 67 Aufsätze 2001-2010 (Aufsätze A197 bis A226 f.) 72 Im Internet verfügbare vollständige Texte 73 Im Internet verfügbare Texte von Hans Albert 73 3 Im Internet verfügbare Texte über Hans Alberts Kritischen Rationalismus 74 Publikationslisten und bibliographische Hinweise 75 Liste der Bücher 75 Hans Albert als Herausgeber 79 Liste der wissenschaftlichen Artikel 80 Aufsätze 1953-1960 (Aufsätze A1 bis A23) 80 Aufsätze 1961-1970 (Aufsätze A24 bis A64) 82 Aufsätze 1971-1980 (Aufsätze A65 bis A101) 86 Aufsätze 1981-1990 (Aufsätze A102 bis A147) 91 Aufsätze 1991-2000 (Aufsätze A148 bis A196) 95 Aufsätze 2001-2010 (Aufsätze A197 bis A226 f.) 99 Siglenliste der Bücher 103 Konkordanz 105 Interviews, Fragebögen, Parodien usw. 106 Interviews: 106 Parodien etc.: 107 Biographisches und Autobiographisches 108 Sekundärliteratur 109 Bücher über Hans Albert und seine Philosophie 109 Aufsätze zu Alberts Philosophie 111 Festschriften und Schriften zu Ehrendoktoraten 115 Doktorarbeiten, Magisterarbeiten, Seminararbeiten etc. 116 Rezensionen 116 Zeitungsartikel 116 Persönliche Wertungen 117 Äußerungen von Autoren über Hans Albert 117 Bewertungen von Seiten der Wikibooks Community 117 Lizenzbestimmungen 118 Vorwort zur ersten Druckausgabe Version 1.0 Hans Albert ist ein deutscher Philosoph (geb. 1921) und ein führender Vertreter der Richtung Kritischer Rationalismus, die auf den österreichisch-englischen Philosophen Karl Popper (1904-1994) zurückgeht. Dieses Buch ist ein Studienführer, der Leser und Studenten durch die Schriften von und über Hans Albert führen will, sowie zu seinen Hauptideen, zu den Debatten und Diskussionen, in die seine Philosophie verwickelt war, zu seiner Wirkung, zu seinem intellektuellen Lebensweg, kurz, zu allem, was an einem Philosophen interessant sein kann. Dazu sollen jeweils die Quellen angegeben und möglichst kurz und prägnant kommentiert werden. Dieses Buch ist ein Wikibook, das heißt ein Buch das nie fertig geschrieben ist und immer von jedermann verbessert und erweitert werden kann, der Zugang zum Internet hat (Adressen siehe S. 1). 4 Jeder darf dieses Buch ausdrucken, kopieren, verändern und verbreiten, vorausgesetzt er oder sie akzeptiert die im Schlusskapitel angegebene Lizenz, die im Wesentlichen dafür sorgt, dass das Ziel der Wikibooks-Projekte nicht abhanden kommt: Die kostenlose Verbreitung von Wissen. Dieses Buch enthält leere Abschnitte! Das ist nicht ungewöhnlich bei Wikibooks. Sie laden zur Mitarbeit ein und sind nur deshalb eingefügt, um denjenigen eine Hilfe zu sein, die sich als Co-Autor(inn)en betätigen wollen. Im Inhaltsverzeichnis sind solche Abschnitte mit einem Stern gekennzeichnet. Es ist ihnen aber freie Hand gelassen, anders vorzugehen. Die ursprünglich von einen 'Papierverlag' angeforderte Version sollte nicht mehr als sechs (!) Seiten umfassen. Daraus sind nun über hundert Seiten geworden, und das Büchlein wächst weiter und weiter. Natürlich findet man die aktuelle Version nur im Internet. Doch auch diese ausdruckbare Version, die wir von Zeit zu Zeit aktualisieren werden, dürfte für Studierende und Philosophieinteressierte von Nutzen sein. Es sind jetzt ausreichend viele Abschnitte mit Darstellungen, Erklärungen, Hinweisen, Übungen gefüllt und das Buch bietet mit einigen hundert Literaturstellen so viel Material, dass man mit diesem Studienführer auch in der vorliegenden Version 1.0 (vom 1. 6. 2006) schon gut arbeiten kann. Die Autoren hoffen auf fleißigen Gebrauch und gelegentliches Revanchieren in Form von Beiträgen, und wenn es nur eine einzige neu hinzugefügte Literaturstelle ist. 5 Zielgruppe, Lernziele, Richtlinien für Co-Autoren § Zielgruppe: Philosophisch Interessierte; Studenten und Fachleute der Philosophie, Politologie, Jurisprudenz, Sozialwissenschaften und der Theologie. Mindestvoraussetzung: Wissen, dass es richtige und falsche Argumente gibt und es nicht gut ist, auf den falschen sitzen zu bleiben. § Projektumfang: Mindestens 100 Seiten, nach oben offen, da jedes Jahr Neues über Hans Albert erscheint, was hier dokumentiert werden soll. § Lernziele: Wissen, wofür Hans Albert und seine Philosophie stehen. Schnellen Zugang zu den zahlreichen Problembereichen und zu der Albert-Literatur finden. Die eigene geistige Bereicherung oder die Weiterarbeit an beliebigen Themen der Albertschen Philosophie beginnen können. § Richtlinien für Co-Autoren: Mitarbeit sehr erwünscht! Bitte schreiben Sie über Diskussionen, Tagungen und Kritik, soweit das publiziert (!) ist. Es fehlen noch viele Beiträge im mittleren Teil, vor allem Sekundärliteratur sowie Zusammenfassungen und Kommentare zu allen Veröffentlichungen. Die Siglen, die Buchnummerierung und die Aufsatznummern sollten nicht geändert werden, um sie in der Literatur einheitlich verwenden zu können. Beiträge, die Alberts Philosophie weiterführen, sie widerlegen oder sie kritisieren, bitte "wikigerecht" machen: erst anderswo veröffentlichen und dann erst hier darauf zurückkommen. Wir stellen nur den Stand der Wissenschaft dar, wir urteilen nicht. Dennoch: persönliche Einschätzungen sind im letzten Kapitel streng separat möglich. (Das "hier" bezieht sich auf die editierbare Internetausgabe, Adresse siehe S. 1) 6 Einführung Kurze Einleitung zu Person, Werk und Wirkung Zu Hans Albert gibt es einen Wikipedia-Artikel. Daher hier nur Ergänzendes und das Nötigste in Kürze. Hans Albert ist Jahrgang 1921, in Köln geboren und feierte am 8. Februar 2006 seinen 85. Geburtstag in Heidelberg, wo er seit langem wohnt. Seit 1989 ist emeritiert. Sein früherer Lehrstuhl an der Wirtschaftshochschule Mannheim, die später die Universität Mannheim wurde, war der für ›Soziologie und Wissenschaftslehre‹. Albert gilt heute als einer der beiden großen kritischen Rationalisten. Der andere ist Karl Popper. Aber wie man aus der Bezeichnung seines Lehrstuhls sieht, sind seine Hauptbetätigungsfelder die Sozialwissenschaften und die Methodenlehre, allerdings sehr stark unter kritischen-rationalen Gesichtspunkten. Popper dagegen kam mehr aus der naturwissenschaftlich-mathematischen Richtung. Hans Albert hat sich dementsprechend intensiv um die Verbesserung der wissenschaftlichen Methoden in den Sozial- und der Geisteswissenschaften bemüht und dort viel Bleibendes geleistet. In den Sozialwissenschaften galt es, den Positivismus zu überwinden, der auf eine feste Basis glaubte bauen zu können und überzeugt werden musste, dass es die bessere Methode ist, nicht von ›Verbrauchern‹ und ›Wählern‹ auszugehen, sondern Institutionen zu verbessern, mit denen das gesellschaftliche Leben der ›Verbraucher‹ und ›Wähler‹ gesteuert wird. Außerdem mussten Methoden entwickelt werden, wie man in diesen Wissenschaften, in denen es um menschliche Werte und Bewertungen geht, trotzdem das wissenschaftliche Ideal der Wertfreiheit aufrecht erhalten kann, um zu unparteiischen Lösungen zu kommen. In den Geisteswissenschaften und der Theologie ging es ihm hauptsächlich darum, die Hermeneutik mit ihrer Aufgabe, Texte zu deuten, auf den Boden der Vernunft zurückzuholen, den sie in seinen Augen verlassen hatte. Alberts Wirkung reicht weit über sein Lehrgebiet hinaus, und er spielt auch in der Philosophie eine große Rolle. Dort hat er das Verdienst, den Kritischen Rationalismus noch systematischer durchdacht und dargestellt zu haben als der Begründer dieser Richtung, Karl Popper. Er hat ihn auch wesentlich erweitert. Albert zeigt, wie dieser von ihm mitgeprägte kritische Rationalismus auf allen Gebieten menschlicher Praxis anwendbar ist, also auch in Ökonomie, Politik, Recht und Religion und dass schließlich der Kritische Rationalismus als Lebensform für jedermann interessant sein könnte. Eine ›kritisch-rationale Lebenseinstellung‹ zu haben, hört sich sehr theoretisch an, aber sie meint etwas sehr Einfaches, nämlich eine ›offene Einstellung‹ zu pflegen im Sinne von Poppers ›Offener Gesellschaft‹: offen gegenüber Kritik, offen gegenüber der Entdeckung von Fehlern. Also nicht Fehler vertuschen zu wollen, sondern aus ihnen 7 etwas lernen. Diese Einstellung gegenüber Kritik und Fehlern hat nicht die Spur von etwas Zersetzendem oder Negativem, was kritischen Menschen oft nachgesagt wird, sondern ist einfach nur die Bereitschaft, die Dinge besser machen zu wollen oder wie man heute ›neudeutsch‹ sagt: to make the world a better place. Das ist eigentlich der Kern dieser Philosophie. Alles andere ergibt sich daraus: Wer kein Realist ist, verschlimmert im allgemeinen die Probleme; wer glaubt die Wahrheit zu besitzen, kann für andere eine Gefahr werden, mitunter eine tödliche, wie man an den wahrheitsbesitzenden Terroristen sieht. Deshalb soll man, in der Fachsprache ausgedrückt, ein ›Fallibilist‹ sein, jemand, der von der Fehlbarkeit des menschlichen Wissens ausgeht. Mit ihrer kritischen Einstellung knüpfen Albert und Popper an alte Traditionen an: an die Tradition der Aufklärung im 18. Jahrhundert und an die Anfänge der Wissenschaft bei den sogenannten Vorsokratikern im 6. und 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Es handelt sich also um eine der ältesten europäischen Traditionen, die aus Alberts Sicht mehr Beachtung neben anderen, weniger rationalen Traditionen verdient hätte. ›Offen sein‹ in diesem Sinne ist dasselbe wie eine ›kritisch-rationale Lebenseinstellung‹ zu haben, für die Hans Albert ein Leben lang eingetreten ist. Auf politischer Ebene bedeutet ›Offenheit‹ (alias ›kritisch-rational‹ sein) ebenfalls die Bereitschaft, Fehler zu erkennen. Aber nicht um sie dem politischen Gegner vorwerfen zu können, sondern als ständige Bereitschaft zu Reformen. Da wir immer Fehler machen, müssen wir auch immer zu Reformen bereit sein. ›Methodologischer Revisionismus‹ heißt das dann in Alberts Fachterminologie, die uns nicht abschrecken darf, denn sie ist sehr nützlich. Die heute oft gehörte Klage über das ›ewige Nachbessern‹ ist das Gegenteil dieser Offenheit, sie entspringt dem Wunsch, endlich am Ziel angekommen zu sein. Dieser Wunsch ist unrealistisch, denn es gibt kein endgültiges Ziel der Gesellschaft. Und das ist ein weiterer Punkt, auf den Hans Alberts kritischer Rationalismus Wert legt: Man soll Realist sein. Allerdings auch da wieder ein kritischer Realist; denn die Dinge, die wir mit den eigenen Augen gesehen haben, die uns als Tatsachen präsentiert wurden, sind oft nicht so real, wie wir denken. Bekannt wurde Hans Albert - noch vor Erscheinen seiner Hauptwerke - durch brillante Diskussionsbeiträge während der Auseinandersetzungen mit der Frankfurter Schule im sogenannten Positivismusstreit in den 60er und frühen 70er Jahren. Da ging es um den Sonderstatus, mit dem bestimmte Richtungen der Sozialwissenschaften sich gegen eine mehr naturwissenschaftliche geprägte Vernunft abzuschirmen suchten. Bekannt ist auch sein Münchhausen-Trilemma. Aber diese Dinge sollen nicht schon hier, sondern im Kapitel Hauptideen erklärt werden, und dort wird dann auch auf das Für und Wider der Wissenschaftler eingegangen. In seinen achtziger Jahren hält Hans Albert immer noch viele Vorträge, veröffentlicht weitere kritische Artikel, zuletzt Auseinandersetzungen mit Hans Küng und Josef Ratzinger. Auch veröffentlicht er neue Bücher: 2005 erschien sein Briefwechsel mit Karl Popper. Mit Popper war er seit 1958 befreundet und gehörte zu den wenigen, von denen Popper niemals enttäuscht war. Popper hat seine Freundschaft immer geschätzt, und in wichtigen Dingen oft seinen Rat gesucht. 8 Charakterisierung der Philosophie Hans Alberts Hans Alberts Kritischer Rationalismus untersucht Prozesse des Entdeckens, Rechtfertigens und Anerkennens von Wissen. Typische Forschungsgegenstände sind Theorien, empirische Tatsachen, die Prüfung von Theorien, deren Bewährung und Wahrheitsnähe; die Suche nach Fehlern und Alternativen; das Bewerten der Ergebnisse, der Umgang mit Werten in der Wissenschaft und der soziale Charakter der Wissenschaft. Die grundlegende methodologischen Regeln, die sich hier als relevant erwiesen haben, sind so allgemeiner Natur, dass sie in allen Wissenschaften und jeder zielgerichteten menschlichen Tätigkeit eine Rolle spielen können, vor allem auch in den Sozial- und Kulturwissenschaften. Schon Karl Popper hatte die Analyse der naturwissenschaftlichen Methode ins Zentrum des philosophischen Denkens gerückt und auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet. Aber erfolgreiche Naturforscher haben nicht allzu viel Neues bei ihm lernen können, außer ihre eigene Praxis nicht länger als induktivistisch, also falsch, zu interpretieren. Hans Albert geht es daher um die viel wichtigere Übertragung dieser Methoden auf andere Wissenschaften und ins politische Alltagsdenken. Auch hier hatte Popper wichtige Beiträge geliefert, etwa das Programm einer ›offenen Gesellschaft‹ und methodische Vorschläge für die Sozial- und Geschichtswissenschaft. Trotzdem steht der eigentliche Umbruch in den Kultur-, Geistes- und Gesellschaftswissenschaften noch aus. Denn in diesen Disziplinen herrschen zum großen Teil noch immer unzulängliche Methoden vor, die fundamentalistisch, relativistisch, positivistisch, induktivistisch, sprachanalytisch, universalhermeneutisch, pragmatisch, dialektisch, radikal-konstruktivistisch usw. inspiriert sind. An dieser Stelle kommt Hans Alberts Kritischer Rationalismus zum Zuge: seine Wissenschaftslehre für Wissenschaften, die nicht nur nach Wahrheit und gehaltvollen Theorien suchen, sondern auch andere Ziele verfolgen, wie etwa die Steuerung der Gesellschaft, - nicht die zentrale Steuerung, sondern die durch Regeln, Normen, Verfassungen und andere Institutionen. Das sind Disziplinen wie die Ökonomie, die politische Theorie, die Soziologie, die Rechts-, Erziehungs-, Medien-, Geschichts- und Kulturwissenschaften (Cultural Studies), letztere auch mit ihrem Unterprogramm der Gender Studies, oder auch die Theologie. In der Ökonomie und den Sozialwissenschaften beginnt das Albertsche Konzept bereits Fuß zu fassen; einigen Theologen hat es zu schaffen gemacht. Um Alberts Werke zu studieren, empfiehlt es sich, sein Augenmerk auf vier Arbeitsgebiete zu richten: § (1) Die Ausarbeitung des Kritischen Rationalismus in Bezug auf die Rechtfertigung von Theorien und Argumenten, das Zusammenspiel von Wertung und Erkenntnis, die rationale Beurteilung von Werten und Zielen, den Zusammenhang von Verstehen und Erklären, die rationale Heuristik sowie das Funktionieren des sozialen Charakters der Wissenschaften und die Analyse ihrer methodologischen Institutionen. 9
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