Ulf Matthiesen (Hrsg.) Stadtregion und Wissen Ulf Matthiesen (Hrsg.) Stadtregion und Wissen Analysen und Plädoyers für eine wissensbasierte Stadtpolitik II SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH - + III SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH VS Verlag für Sozialwissenschaften Entstanden mit Beginn des Jahres 2004 aus den beiden Häusern Leske+Budrich und Westdeutscher Verlag. Die breite Basis für sozialwissenschaftliches Publizieren Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http:// dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage Juni 2004 Alle Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 2004 Ursprünglich erschienen bei VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004 www.vs-verlag.de Das werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. umschlaggestaltung: KünkeiLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN 978-3-8100-3950-7 ISBN 978-3-663-11481-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-11481-9 Für K.- Dieter Keim Inhalt 7 I. Zur Einleitung: Wissen und Raum im Kontext von Globalisierung und Transformation . . .. ... ... .. . .. . .. . .. .. . ... .. . ... .. . .. . .. . .. . .. .. . .. . .. .. .. ... .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .... ..... .. .. .. .. .. . .. .. .. 9 Ulf Matthiesen Wissen in Stadtregionen. Forschungsresultate und Streitfragen, Orientierungswissen und Handlungsoptionen ... .... .... .... .... ..... ..... ....... ...... ......... ...... ....... 11 Klaus R. Kunzmann Wissensstädte: Neue Aufgaben für die Stadtpolitik .................................................... 29 Helmuth B. Berking Typen der Globalisierung lokaler Wissensbestände ............................................... 43 Daniela Ahrens Stadt und Region in der Wissensgesellschaft .......................................................... 53 Ulf Matthiesen/Hans-Joachim Bürkner Wissensmilieus - Zur sozialen Konstruktion und analytischen Rekonstruktion eines neuen Sozialraum-Typus ............................................................. 65 II. Vernetzte Formen der Wissenserzeugung: Wissensmilieus, Medien und wissensbasierte Dienstleistungen ........................................................ 91 Stefan Krätke Kreatives Wissen in stadtregionaler Perspektive - Medienwirtschaft im Metropolenraum Berlin ............................................................. 93 Peter Franz Innovative Milieus in ostdeutschen Stadtregionen: "sticky places" der kreativen Klasse? ................................................................................................ 109 Manuela Wolke/Suntje Schmidt Berlin und München als Standorte wissensintensiver Dienstleister Verflechtungsmuster, Interaktionsstrukturen und metropolitane Standortanforderungen .............................................................................................. 123 Gerd Bender mode 2-Wissenserzeugung in globalen Netzwerken? ................................................ 149 Hans-Joachim Bürkner Wissensmilieus und Kompetenznetzwerke mit heterogenen Ortsbezügen-Herausforderungen für eine irritierte Stadtpolitik ............................ 159 Marcel Schmidt Wissensmilieus in Jena Innovationsdynamiken und Kontrastfälle ................................................................... 171 8 Inhalt 111. Stadt-und Siedlungsentwicklung durch Wissen ... ... .. ... ... ... ... .. . .. ... ... ... .. ... ... .. ... ... ... . 191 Werner Rietdoif Disparitäten zwischen schrumpfenden und wachsenden Städten in Ost-und Westdeutschland - sowie ihre Querbezüge zu differenziellen Wissensbasierungsdynamiken ........................................................... 193 Adalbert Behr Universitäts-sowie Forschungs-und Entwicklungsstandorte als Faktoren der stadtregionalen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Manfred Kühn Wissen schafft Stadt. FuE-basierte Siedlungsentwicklung in deutschen Stadtregionen ............................... 251 Klaus Brake Berlin: Stadt des Wissens-Optionen und Handlungsansätze ................................... 269 IV. Governanceformen und Projektökologien im Entwicklungskontext von "Stadtregion und Wissen" .............................................. 277 Gernot Grabher Die Nachbarschaft, die Stadt und der Club: Wissensmilieus in Projektökologien ............................................................................... 279 Thomas Knorr-Siedow/Catalina Gandelsonas Lokales Wissen in Stadt-und Quartiersentwicklung .......................................... 293 Heidi Fichter/Petra Jähnke/Thomas Knorr-Siedow Governance Capacity für eine wissensbasierte Stadtentwicklung .. . .. .. . . . .. . . . . .. . . .. 309 V. Zu denAutorinnen und Autoren ............................................................................. 337 I. Zur Einleitung: Wissen und Raum im Kontext von Globalisierung und Transformation 11 Ulf Matthiesen Wissen in Stadtregionen Forschungsresultate und Streitfragen, Orientierungswissen und Handlungsoptionen I. Zur Ausgangslage 2. Streitfragen 3. Orientierungswissen für die Stadtpolitik 4. Die Grobstruktur dieses Bandes 5. Danksagungen, Widmung 1 Zur Ausgangslage Wissen als kulturelle Ressource und Produktionsfaktor durchdringt immer weitere Gesell schaftsbereiche. Das gilt vor allem für solche Wissensformen, die durch eine abnehmende Halbwertzeit ihrer Gültigkeit geprägt sind (These der Wissensgesellschaft). Damit ist eine Innovationsdynamik in der Welt, die auch die Konkurrenzbeziehungen zwischen den Städten und Regionen radikal verschärft. Die konkreten Raumwirkungen und raumbedeutsamen "Kausalitäten" dieses komplexen gesellschaftlichen Restrukturierungsprozesses sind weiterhin eher unklar. Dennoch herrscht an raumspezifischen Diagnosen ("The Knowledge-Based City") und entsprechenden Stadtpolitiken ("Wissensstadt", "Wissenschaftsstadt") kein Mangel. Gerade auf der EU-Ebene werden wissensbasierte regionale Entwicklungskonzepte seit dem 5. Forschungsrahmenprogramm mit hoher Priorität lanciert. Nicht zuletzt gelten auch in Ost Deutschland sowie in den avancierteren postsozialistischen Transformationsstaaten wissens basierte Entwicklungsansätze als erfolgversprechende Zukunftsoptionen für Stadtregionen. Insofern lässt sich mit Fug behaupten, dass die zeitdiagnostische Saga von der Wissensgesell schaft-ehernach einem Blindflug zwar-erfolgreich im Handlungsraum der Stadtregionen gelandet ist. Dieser Befund voluntaristisch implementierter wissenszentrierter Stadtpolitiken gilt trotz einer ansteigenden Rate von Forschungen und Veröffentlichungen in diesem Feld. Die meis ten dieser Forschungsunternehmungen operieren ohne ausreichende Berücksichtigung der Ausdifferenzierungsprozesse von Wissensformen, Trägergruppen und Netzbildungen. Viel fach fehlen selbst gegenstandsadäquate Untersuchungsverfahren, um die neuen hochgehan delten Zentralbegriffe wissensgesellschaftlicher Stadtpolitiken-so etwa den Lieblingsbegriff des Wissensbasierungsdiskurses "tacit knowledge", also des impliziten personengebundenen Wissens - in ihrer faktischen Funktionsweise überhaupt untersuchen zu können (s. Howells 2001). Die Folge sind häufig unterkomplexe und/oder technokratische Steuerungsversuche der neuen Zusammenhangsstrukturen von Wissens- und Raumentwicklung. Damit ist knapp und zunächst noch summarisch der Stand der Gegenstandsdurchdringung und die Lage wissensbasierter stadtregionaler Entwicklungspolitiken umrissen, auf die nun die Arbeiten dieses Sammelbandes reagieren. Ziel dieser Publikation ist es deshalb einmal, Optionen und Probleme wissensbasierter Stadtregionspolitiken schärfer in den Blick zu neh men. Daneben sind Begriffe und theoretische Ansätze zur Analyse der Bedingungsgeflechte und faktischen Verlaufsmuster einer Koevolution von Wissens- und Raumentwicklungen weiterzuführen. Nicht zuletzt sollen strukturangemessene Steuerungsoptionen überprüft und 12 Ulf Matthiesen einen Schritt weiter in Richtung auf neue Governanceformen hin entwickelt werden, und zwar insbesondere unter Aufnahme von zivilgesellschaftlichen Formen der Selbststeuerung und von Projekt-zentrierten Steuerungsformen. Die Ebene der konkreten Umsetzung in Stadtpolitik allerdings, also die Maßnahmenebene von Instrumentierungen und Rezeptwissen steuern wir nicht an. Die folgenden Beiträge eint vielmehr die Überzeugung, dass wissensbasierte Stadt politik-Instrumentierungen sehr detaillierte Fall-und Potenzialanalysen voraussetzen, die noch weit über die Feinkörnigkeit einiger der in diesem Band präsentierten Stadtregionsstudien hinausgehen. Gerade wissensbasierte Stadtpolitiken müssen also unter Bezug aufvorhande ne Begabungen und Probleme sehr genau kontextuiert werden. Das steht im krassen Wider spruch zu der Annahme der Übertragbarkeit der Erfahrungen von "Icon Regions" wie Silicon Valley oder von expliziten, häufiger auch impliziten Theoremen der ,nachholenden Moderni sierung', wie sie gerade seit 1989 stark in Umlauf gekommen sind. Die spezifischen geogra phischen und historischen Umstände des Erfolgs der Icon-Regionen ~so unsere Gegenthese ~ lassen sich in ihrer strukturellen Gemengelage kaum je punktgenau reproduzieren. Ziel des Bandes sind deshalb Schritte zur Weiterentwicklung wissensbasierter Raumtheorien sowie die Ertüchtigung stadtpolitischen Orientierungswissens, nicht jedoch kontextfreie Rezeptu ren für "die" florierende Wissensstadt Gleichwohl bleiben aber Standortentscheidungen für Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine der wenigen "Stellschrauben", die eine zu nehmend herausgeforderte stadtregionale Raumpolitik noch in ihren Instrumentenkoffern fin det. Relevanz wie Komplexität des Politik-und Forschungsfeldes "Stadtregion und Wissen" hängen unter anderem ab von einem uns allen vertrauten ,Phänomen': Wissen per se ist nicht direkt sichtbar. Sichtbar und in der Form von Daten, Indikatoren, Informationen, Ausdrucks gestalten etc. analysierbar sind Träger und Resultate von Wissen (Personen, Texte, Protokol le, elektronische Speichermedien, wissensimprägnierte Produkte, innovationsorientierte Vernetzungen ~aber auch F &E-kompatible Bauten und Siedlungsstrukturen). Diese Form der ,vermittelten' Sichtbarkeit von Wissen erzwingt auf Seiten der wissenschaftlichen Analy se wie der Politikempfehlungen gerade in den innovativeren Wissensbereichen neue Metho den. Häufig werden wir dabei auf die Suche nach "zweitbesten" Indikatoren und "indirek ten" Messverfahren verwiesen, etwa für Wissensnetze und ihre Trägergruppen, für Wissens milieus sowie für den zentralen Prozess der Wissensvermittlung, sogenannten Wissens-"spil lovers" also den sogenannten "knowledge spillover". Gerade auf dem Feld der "wissens basierten" Gesellschafts-und Raumanalysen entsteht damit die dreifache Gefahr von objek tivistischen Analysen, unrealistischen Trend-Extrapolationen und Placebo-Politikempfehlun gen. Hinzu tritt eine allgemeinere Unbestimmtheits Iage, die u.a. auch wissensgesellschaftlich mit beeinflusst ist: Das Verhalten hochkomplexer Systeme wie der Stadtregionen ist vor dem Hintergrund des Niedergangs industrialistischer Großstrukturen und ihrer "Kolonnengesell schaft" sowie eines globalen/europäischen Kampfes um neue Gleichgewichte grundsätzlich nicht mehr prognostizierbar ( vgl. dazu Sieverts 200 I, 199). Gerade postindustrialistische In novationsdynamiken lassen sich also kaum je exakt vorhersehen ~ das gehört gleichsam mit zum "Witz" des neuen Wissens, also auch zu den Prozessen der Emergenz innovativen Wis sens. Solche zeitdiagnostischen Unbestimmtheiten werden noch verschärft durch eine allge meine Abnahme der Steuerungswirkungen der Planungsinstrumentarien etwa der Stadt- und Regionalplanung ~bei gleichzeitiger Zunahme der Steuerungsbedarfe wohlgemerkt. Komple xitätserhöhend wirkt weiter das massive Vordringen privater Akteure und Projekte in bislang öffentlich verantwortete und verregelte Planungsbereiche. Nicht zuletzt eskalieren bekanntlich die finanziellen und fiskalischen Problemlagen, unter deren Randbedingung Stadtregionen heute ihre wissensbasierte Handlungs- und Konkurrenzfähigkeit unter Beweis stellen müs sen.
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