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Staatensouveränität und ius cogens: Eine Untersuchung zu Ursprung und Zukunftsfähigkeit der beiden Konzepte im Völkerrecht PDF

435 Pages·2019·5.354 MB·German
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Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 287 Martin Philipp Sommerfeld Staatensouveränität und ius cogens 123 Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Begründet von Viktor Bruns Herausgegeben von Armin von Bogdandy • Anne Peters Band 287 Martin Philipp Sommerfeld Staatensouveränität und ius cogens Eine Untersuchung zu Ursprung und Zukunftsfähigkeit der beiden Konzepte im Völkerrecht State Sovereignty and ius cogens An Analysis of Origin and Sustainability of Both Concepts in International Law (English Summary) ISSN 0172-4770 ISSN 2197-7135 (electronic) Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht ISBN 978-3-662-59628-9 ISBN 978-3-662-59629-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-59629-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer © Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck- Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany Vorwort Die vorliegende Arbeit macht auf den ersten Blick – taktisch gesehen – alles falsch, was man bei der Wahl des Dissertationsthemas nur falsch machen kann. Statt sich auf ein abgrenzbares und beherrschbares Rechtsproblem zu konzentrieren und die- ses detailliert zu erörtern (wie es die meisten Ratgeber zur effizienten Bewältigung einer Dissertation empfehlen), beschäftigt sie sich mit dem Verhältnis von Staaten- souveränität und ius cogens. Die Beschäftigung nur mit einem der beiden (Rechts-) Prinzipien, würde für sich genommen mehr als ausreichen, um zahlreiche Disserta- tionen zu füllen. Hinzu kommt, dass die Arbeit versucht, diese Prinzipien aus rechts- und ideengeschichtlicher Perspektive zu beleuchten. Ein Vorhaben, dessen vollständige Realisierung schon von Beginn an aufgrund der Unmenge an historischen Quellen und an juristischer Literatur zu den ge- schichtsträchtigen Prinzipien zum Scheitern verurteilt war. Dennoch war das ver- meintliche Scheitern bei der Bewältigung meines Vorhabens für mich als Autor fachlich sehr gewinnbringend und interessant, so dass aus meinem Scheitern diese Arbeit entstanden ist. An dieser Arbeit möchte ich gerne den geneigten Leser in der Hoffnung teilhaben lassen, dass meine Untersuchung zumindest einen kleinen Beitrag zum historischen Verständnis des ius cogens zu leisten vermag und auch juristisch interessiert. Insofern ist Anspruch dieser Arbeit nicht mehr – aber auch nicht weniger – als einen schmalen Spalt zu öffnen, durch den ein Blick auf die Gesamtzusammenhänge geworfen werden kann, deren Erforschung diese Arbeit gewidmet ist. Am Anfang dieser Arbeit stand mein geschichtliches Interesse. Dieses blieb mir trotz meiner „Vernunftehe“ mit der Rechtswissenschaft stehts erhalten, sodass ich mich während meines Jura-Studiums an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau für den Schwerpunktbereich Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung entschied. Im Studium des Schwerpunktbereichs begann ich mich – zunächst anhand eines Seminars zur Wolfenbüttler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels bei Prof. Bernd Kannowski – mit mittelalterlichen Herrschaftsverständnissen zu beschäftigen. Fas- ziniert vom mittelalterlichen Gedanken der Rechtseinheit, der im Sachsenspiegel meines Erachtens deutlich hervortritt, war es – für mich überraschend – trotz der V VI Vorwort großen historischen Zeitspanne nur ein kleiner gedanklicher Schritt zu der Gedan- kenwelt Hans Kelsens. Kelsen, berühmt für seine reine Rechtslehre, beschäftigte sich früh mit dem Konzept der mittelalterlichen Rechtseinheit und dem Weltbild Dante Alighieris, die beide für seine Vorstellungen von Staatensouveränität und ei- ner internationalen Gemeinschaft prägend waren. Es faszinierte mich, dass theore- tische juristische Gebilde – trotz der Trennung durch rund 700 Jahre – eine starke Ähnlichkeit aufwiesen und – nach meinem Empfinden – sehr ähnliche abstrakte Gedankenmuster auf gänzlich unterschiedliche Lebenswelten zur Anwendung kamen. Von der durch den mittelalterlichen Einheitsgedanken inspirierten Theorie Kel- sens war es gedanklich abermals nicht allzu weit zu Alfred Verdross – und dessen Überlegungen zur „Einheit des rechtlichen Weltbildes“ – und von dort zum völker- rechtlichen ius cogens. Von Verdross Einheit des rechtlichen Weltbildes war es indes abermals nur ein kleiner Schritt „zurück“ zum mittelalterlich-katholischen Mehre- benensystem der res publica christiana. Ebenso wie Verdross beschäftigten sich auch die hierokratischen Autoren des Mittelalters mit der Frage, ob ein an der Spitze des Rechts gedachter Souverän durch – für ihn – nicht dispositive Normen gebun- den war. Dabei wiesen die Vertreter der res publica christiana abermals Gedanken- gänge auf, die wiederum Ähnlichkeiten zur Vorstellung der Rechtseinheit im juris- tischen Weltbild Kelsens hatten. Zugleich war es dieser Einheitsgedanke, den ich auch in den Werken von Marsilius von Padua, Jean Bodin und Thomas Hobbes wiederzufinden meinte. Je mehr ich mich mit diesen Autoren beschäftigte, desto stärker traten für mich die inhaltlichen Ähnlichkeiten hervor. Die verschiedenen Autoren schienen mir ideengeschichtlich über große historische Abstände hinweg eng verwoben. Es zeigten sich für mich – zunächst verschwommene – Ideenmuster in der Rechtsgeschichte, die mich zunehmend faszinierten und mit denen ich mich nach dem ersten juristischen Staatsexamen „zur Belohnung“ beschäftigen wollte. Aus dieser Belohnung und einem zunächst sehr ungenauen Vorhaben, das auf rein privatem Interesse beruhte, wuchs die Ihnen nun vorliegende Arbeit, die – bei weitem – keinen Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit erheben kann. Ih- ren Ursprung nicht in strategischen Überlegungen zur Bewältigung einer Disserta- tion sondern in der Lust am Erkenntnisgewinn nehmend, hat sie mich über die Jahre durch einige Höhen und zahlreiche Tiefen geführt. Wie wichtig es gewesen wäre, den Stoff vorab stärker einzugrenzen, ist mir erst im Prozess und im Nachhinein schmerzhaft bewusst geworden. Andererseits war es aber gerade mein Bedürfnis, „frei“ und nicht nach „Lehrplan“ zu studieren und dabei die von mir ausgemachten Muster in der (Völker-)Rechtsgeschichte zu verfolgen, das mich auch während der fachlichen und motivatorischen Tiefphasen dieser Arbeit immer wieder angetrieben hat. Hätte ich mich dagegen entschieden, diese Muster zu verfolgen und stattdessen gezwungen, meinen Fokus allein auf einzelne Quellen im Mittelalter oder Teil- stränge der modernen ius cogens-Debatte zu richten, so wäre das gefertigte Bild mit Sicherheit um einiges akkurater geworden. Auch wäre die Arbeit weniger – berech- tigter – Kritik ausgesetzt und sicherer im Ergebnis geworden. Vorwort VII Jedoch hätte ein scharfes Detailbild, von denen es ohnehin zahlreiche ausge- zeichnete in der Rechtsgeschichtswissenschaft und im Völkerrecht gibt, eben die großen und verschwommenen Zusammenhänge nicht skizzieren können, die mein ursprüngliches Erkenntnisinteresse begründen. Dementsprechend muss ich die Unschärfe der vorliegenden Arbeit als Preis für mein Erkenntnisinteresse akzeptieren und hoffe, dass sie zumindest bei manchen Lesern ein Bewusstsein und Interesse an den von mir ausgemachten historischen Gedankenmustern schafft. Um die Arbeit nicht „ad infinitum“ weiterzuschreiben, entschloss ich mich zudem während meines Referendariats am Kammergericht Ber- lin Anfang 2015 dazu, jüngere Arbeiten zum Thema ius cogens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vollumfassend zu würdigen. Dementsprechend wird auf einige Arbeiten zur Theorie des ius cogens, die nach 2015 erschienen, wie etwa neuere Arbeiten von Robert Kolb und Thomas Weatherall, nur verwiesen, ohne sie eingehend studiert und in die vorliegende Arbeit gebührend eingearbeitet zu haben. Auch dies ist ein Preis, den ich in Kauf genommen habe, um die vorliegende Arbeit fertigstellen zu können, denn die Geburt meiner Kinder, meine neue Rolle als Vater und meine ebenso neue berufliche Tätigkeit als Jurist haben mir gezeigt, dass jenseits der Ide- engeschichte auch die Gegenwart ein reizvolles – und überaus zeitraubendes – Vor- haben sein kann. Mein Dank gilt vielen Menschen und Institutionen gleichermaßen. Nennen möchte ich, neben der Betreuerin meiner Arbeit, Frau Prof. Silja Vöneky, insbeson- dere die Heinrich-Böll-Stiftung, deren finanzielle und ideelle Unterstützung die Fertigstellung erst ermöglich hat. Weiterhin möchte ich meiner Frau und meinen Eltern ebenso danken, wie zahlreichen Weggefährten (und „Leidensgenossen“) und Freunden aus verschiedenen Fachdisziplinen, mit denen ich zahlreiche Monate und Jahre in der Bibliothek verbracht, studiert und diskutiert habe. Weiterhin gilt mein Dank auch Prof. Anne Peters und Prof. Armin von Bogdandy, die es mir ermöglicht haben, meine Arbeit in der „Schwarzen Reihe“ zu veröffentlichen. Berlin, Deutschland Martin Philipp Sommerfeld Mai 2019 Inhaltsverzeichnis Kapitel 1: Einleitung ........................................................................................ 1 1. Problemlage: Das Verhältnis von ius cogens, Staatensouveränität und ius publicum ......................................................................................... 1 a) Das Paradoxon der Normsetzung ............................................................ 1 b) Der Wandel des Völkerrechts .................................................................. 4 c) Bedeutung und Unklarheiten des ius cogens-Konzepts .......................... 6 aa) Unklarheiten hinsichtlich der Funktion des ius cogens .................... 7 bb) Unklarheiten hinsichtlich des ius cogens-Normgebers .................... 8 (1) D er Norminhalt als Setzer zwingender Normen ....................... 8 (2) D ie internationale Gemeinschaft als Normsetzer ...................... 10 (3) Die verschwommene Dichotomie des ius cogens und die Theorienvielfalt .................................................................... 10 d) Die Wirksamkeit des ius cogens ............................................................. 11 e) Die Kernthese der vorliegenden Arbeit ................................................... 12 aa) Die gemeinsamen, rechtshistorischen Wurzeln ................................ 13 bb) Der rechtshistorische Erkenntnisgewinn .......................................... 13 2. Gang der Untersuchung und methodisches Vorgehen ................................. 16 3. M ethodische Bedenken ............................................................................... 17 a) Die rechtliche Aussagekraft ideengeschichtlicher Arbeiten .................... 17 b) Die historische Aussagekraft ideengeschichtlicher Arbeiten .................. 17 c) Das Potenzial ideengeschichtlicher Arbeiten .......................................... 18 4. B egriffliche Vorüberlegungen ..................................................................... 19 5. Z wischenergebnis ........................................................................................ 20 Kapitel 2: Begriffliche Grundlagen ................................................................ 23 1. D er Begriff des ius cogens .......................................................................... 23 a) Die formaljuristische Komponente ......................................................... 24 b) Die metarechtliche Komponente ............................................................. 28 IX X Inhaltsverzeichnis 2. Der Begriff der Legitimität/Legitimierung/Legitimation ............................ 32 a) Die Dichotomie juristischer Legitimation ............................................... 32 b) Wandel und Bedeutungsverlust des Legitimationsbegriffs ..................... 36 c) Das fortbestehende Interesse an der Legitimation .................................. 39 3. Der Begriff der Souveränität in der Geschichte des Rechts ........................ 39 a) Ursprünge des Begriffs der Souveränität ................................................ 39 b) Die Neufassung durch Jean Bodin .......................................................... 40 4. Z wischenergebnis ........................................................................................ 42 Kapitel 3: Antike Wurzeln der „öffentlichen“ Rechtsidee ........................... 45 1. Nichtrömische Ursprünge der Souveränitätsidee ........................................ 45 a) Souveränität und alttestamentarische Rechtstradition ............................ 45 aa) Die ideengeschichtliche Fortwirkung biblischer Motive .................. 45 bb) Das Bild des höchsten Richters als Geltungssymbol öffentlichen Rechts ............................................................................ 46 b) Souveränität und die aristotelische Lehre: Polis und oikos .................... 48 aa) Der Mensch als Ausgangspunkt ........................................................ 49 bb) Das Allgemeinwohl als ethischer Referenzmaßstab......................... 51 2. Römische Wurzeln des ius cogens und der Souveränitätsidee .................... 55 a) Cicero und das Konzept des zwingenden Rechts .................................... 55 aa) Öffentliches Recht und Anerkennung ............................................... 55 bb) Die absolute Rechtssouveränität des Menschen: seine Selbstgesetzgebung ........................................................................... 57 cc) Die Legitimation des zwingenden Rechts: die Orientierung an der Ursache ................................................................................... 59 b) ius cogens im römischen Recht .............................................................. 62 aa) Die Zuordnung über den public interest ........................................... 62 bb) Das Allgemeinwohl als Grund der Rechtsverbindlichkeit ............... 65 cc) Die obligatio erga omnes und die römische Rechtsdogmatik ........... 69 c) Ausblick: Die Fernwirkung des römischen-ciceronischen Denkens ................................................................................................... 70 aa) Setzung und Verbindlichkeit zwingender Gemeinschaftsnormen ....................................................................... 70 bb) Die historische Fortwirkung der antiken Dogmatik ......................... 71 cc) res publica und Demokratie .............................................................. 72 dd) Die philosophische Überlieferung .................................................... 74 ee) Die Bedeutung des antiken Gedankenguts für das Völkerrecht ........ 75 3. Zwischenergebnis ........................................................................................ 76 Kapitel 4: Staatensouveränität im Mittelalter .............................................. 79 1. Souveränität des Staates im Mittelalter? ..................................................... 79 2. Zum Begriff des öffentlichen zwingenden Rechts im Mittelalter ............... 84 3. l ex humana und göttliches Recht ................................................................ 86 4. Die Idee der göttlichen Rechtseinheit ......................................................... 89

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