U ni-Taschenbiicher UTB Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Birkhiiuser Verlag Basel und Stuttgart Wilhelm Fink Verlag MUnchen Gustav Fischer Verlag Stuttgart Francke Verlag MUnchen Paul Haupt Verlag Bern und Stuttgart Dr. Alfred HUthig Verlag Heidelberg Leske Verlag + Budrich GmbH Opladen 1. C. B. Mohr (Paul Siebeck) TUbingen C. F. MUlier luristischer Verlag - R. v. Decker's Verlag Heidelberg Quelle & Meyer Heidelberg Ernst Reinhardt Verlag MUnchen und Basel F. K. Schattauer Verlag Stuttgart-New York Ferdinand Schoningh Verlag Paderbom Dr. Dietrich SteinkoptTVerlag Darmstadt Eugen Ulmer Verlag Stuttgart Vandenhoeck & Ruprecht in Gottingen und ZUrich Verlag Dokumentation MUnchen Reinhard Kreckel Soziologisches Denken Reinhard Kreckel Soziologisches Denken Eine kritische Einfiihrung Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek IC1eckeJ, Reinhard Soziologisches Denken : e. krit Emf. -2.AufI. Springer Fachmedien Wiesbaden (Uni-Taschenbiicher ; 574) ISBN 978-3-322-95514-2 ISBN 978-3-322-95513-5 (cBook) DOI 10.1007/978-3-322-95513-5 Reinhard Kreckel, Soziologisches Denken Eine kritische Einfiihrung 2. Auflage April 1976. 224 Seiten ISBN 978-3-322-95514-2 © 1975 by Springer Fachmedien Wiesbaden UrsprOnglich erschienen bei Leske Verlag + Buderich GmbH, Opladen 1975 Inhalt Vorbemerkung. . . . . . . . . . . . . . . 7 Erster Teil: Zur Standortbestimmung der Soziologie Kapitel I: Der allgemeine Problemhorizont der Soziologie . . . 13 I. Das Erkenntnisinteresse der Naturwissenschaften: Naturbeherrschung . . . . . . . . . . . . 14 2. Die Doppelfunktion aller Kultur: Entlastung und Zwang. IS 3. Die historische Hypothek: Kultur als Ausdruck gesellschaftlicher Ungleichheit. . . . . . . . . .. 18 4. Das Erkenntnisinteresse der Humanwissenschaften: Zwischen Anpassung und Emanzipation. . . . . . . . . . .. 21 5. Das wissenschaftliche Ziel der Soziologie: Aufdeckung von Bedingungen fUr Stabilitiit und Wandel sozio-kultureller Wirklichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kapitel II: Eine gesellschaftstheoretische Orientierung fliT die Soziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Zur Verkniipfung von empirischer Forschung und Theorie: Das Konzept des soziologischen Strukturmodells . . .. 33 2. Ein Bindeglied zwischen Theorie und Praxis: Das Konzept der gesellschaftstheoretischen Orientierung . . . . . . .. 37 3. Geschichtlichkeit oder Universalitat: Das Problem des raum- zeitlichen Geltungsbereiches . . . . . . . . . . .. 43 4. Die gesellschaftstheoretische Orientierung: Gesellschaft als sozio-kulturelle Ungleichheitsordnung. . . . . . .. 47 Zweiter Teil: Elemente einer empirisch-kritischen Soziologie Kapitel III: Der "Positivismusstreit" ais wissenschafts- theoretischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . 63 5 1. Gemeinsame Ausgangslage . . 66 2. Kritischer Rationalismus. . . 69 3. Dialektisch-kritische Soziologie 84 4. Konsequenzen. . . . . . . .106 Kapitel IV: Soziologische Grundbegriffe . .117 1. Begriffliche Ausgangspunkte soziologischen Denkens: Kultur und soziales Handeln . 117 2. Klassische Beitriige . 130 a) Max Weber . . . 131 b) Emile Durkheim . 140 c) Talcott Parsons .149 3. Ein begriffliches Bindeglied zwischen Kultur und sozialem Handeln: Das Rollenkonzept . . . . . . . . . .. . 162 4. Begriffliche Grundlegung fUr eine gesellschaftstheoretisch orientierte Strukturanalyse . 181 Literaturverzeichnis . .215 Register . . . . . .220 6 Vorbemerkung Auf dem westdeutschen Buchmarkt ist eine betrachtliche Anzahi all gemeinverstandiicher Textbiicher zur Einfiihrung in die Sozioiogie erhaltlich. Eine Einflihrung, die der sogenannten "kritischen Gesell schaftstheorie" oder "Frankfurter Schuie" groj),eres Gewicht be i mij),t, liegt jedoch nicht vor. Dies mag erstauniich anmuten - zumai, wenn man bedenkt, daJl, die kritische Gesellschaftstheorie von vieien international en Betrachtern ais der weitaus bemerkenswerteste west deutsche Beitrag zur Entwickiung sozioiogischen Denkens in den ietzten lahrzehnten angesehen wird. Wer allerdings genauer mit der Argumentationsweise der kritischen Gesellschaftstheorie vertraut ist, muj), erkennen, daj), sie sich in systematischer Weise gegen Verein fachung und Allgemeinverstandiichkeit sperrt. Denn es ist ein Haupt merkmal kritischer Gesellschaftstheorie, daj), sie nur in Auseinander setzung mit den jeweiis fortgeschrittensten "konventionellen" Theo rien und Methoden entfaltet werden kann. Die Foige ist, daj), die Bedeutung der kritischen Gesellschaftstheorie flir die Sozioiogie bestenfalls von Eingeweihten zur Kenntnis genommen werden kann, wahrend flir den Laien nur sozioiogische Hausmannskost iibrigbieibt. Gegen diese Sachiage wendet sich die vorliegende Schrift. Ihr Verfas ser ist in seinem Denken zwar nachhaltig von der kritischen Gesell schaftstheorie beeinfluj),t; er steht ihr aber in vieier Hinsicht kritisch gegeniiber, was vor allem in Teil II deutlich werden wird. Er ist der Auffassung, daJl, die Gegensatze zwischen "traditionellen" und "kri tischen" Stromungen im sozioiogischen Denken nicht vollkommen uniiberbriickbar sind; und er ist der Hoffnung, daj), sich dies durchaus auch auf verstandiiche, wenngieich nicht immer ganz einfache Weise darstellen Jaj),t. Aus dem bisher Gesagten geht eines kiar hervor: "Die" Sozioiogie ais ein festumrissenes Geflige von allgemein anerkannten wissenschaft lichen Ergebnissen und Methoden gibt es nicht. Es gibt zwar den Beruf des "Sozioiogen"; es gibt auch eine allen Sozioiogen gemein same Fachtradition und einen bestimmten Fundus von Forschungs themen, Grundbegriffen, Hypothesen und Forschungstechniken, mit 7 denen sich Anhlinger der unterschiedlichsten soziologischen Lehrmei nungen gleichenn~en auseinandersetzen. Aber eine gemeinsame theoretische Perspektive ist nirgends zu sehen. Soziologie kann des haIb nicht einfach "beschrieben" werden. Jeder Versuch einer sol chen Beschreibung mOOte unweigerlich auf die DarsteUung einer bestimmten Soziologie hinauslaufen, die dann womoglich aIs "die" Soziologie ausgegeben wiirde. Immerhin ware aber eine Vorgehensweise denkbar, die lediglich darauf abzielte, die wichtigsten Erscheinungsfonnen von Soziologie, wie sie heute im akademischen Bereich und in der Forschungspraxis vorzufinden sind, nebeneinander zu steUen und nachzuzeichnen. Bei naherer Oberlegung erweist sich ein derartiges Verfahren aber aIs unzweckma~ig. Ein "objektives Abbild" der verschiedenen Erschei nungsformen von Soziologie, das dem Leser als neutraleEntschei dungsgrundlage flir seine eigene Meinungsbildung dienen konnte, ist auch auf diesem Wege nicht zu verwirklichen. In der Auswahl und Darbietung des Stoffes mUssen sich in jedem Faile die theoretischen Praferenzen des Verfassers widerspiegeln. Nun kann es aber nicht die Aufgabe dieser einflihrenden Schrift sein, lediglich mit einer bestimmten Lehrmeinung Uber andere Lehr meinungen vertraut zu machen. Dem Leser, der sich einer kaum Uber schaubaren Vielfalt von soziologischen Einzelerkenntnissen und Kon troversen gegenUber sieht, soU vielmehr als erstes ein strukturierender .. Durchblick" geboten werden, der ihm ein zusammenhlingendes gedankliches Instrumentarium zur wissenschaftlich-kritischen Erfas sung und Interpretation sozio-kultureller Wirklichkeit vermittelt. Die begrifflichen Grundlagen soziologischen Denkens sowie deren wis senschafts- und gesellschaftstheoretische Zusammenhlinge sind des halb das Thema der vorliegenden Schrift. Soziologische Theorien im engeren Sinne, empirische Befunde und Forschungstechniken werden hingegen nicht systematisch dargestellt und diskutiert werden. Denn es geht darum, dem Leser zunachst ein allgemeines gedankliches Grundgeriist zu vermitteln, auf dem er dann - kritisch und selbstkri tisch - sein weiteres soziologisches Denken und Arbeiten aufbauen kann. Wer die Absicht hat, einen klarenden Durchblick durch das Unter holz soziologischer Hypothesen, Lehnneinungen und Kontroversen zu gewinnen, mu~ - wie gesagt - einen eindeutigen Standort ein nehmen, und zwar einen Standort, der eine moglichst gUnstige Per spektive hierflir bietet: Der wissenschaftliche Standort, von dem aus die vorliegende Schrift konzipiert ist, beruht auf der Idee, da~ es sowohl erfahrungswissenschaftlich wie gesellschaftspolitisch frucht- 8 bar sei, hochindustrialisierte Gesellschaften kapitalistischen und so zialistischen Typs als sozio-kulturelle Ungleichheitsordnungen aufzu fassen. Die Brauchbarkeit dieser Perspektive kann sich nur in der Anwendung erweisen. Sie soll dem Leser jedoch keineswegs still schweigend aufgedrangt werden, und sie darf ihn auch nieht korsett artig einengen. Sie wird in Teil I schrittweise eingefiihrt und begrUn det werden. In Teil II soll dann auf dieser Ausgangsbasis eine detail liertere Einflihrung in Grundfragen soziologischen Denkens gegeben werden. Diese Vorgehensweise birgt eine gewisse Schwierigkeit in sieh: In Teil I wird ein allgemeiner gesellschaftstheoretischer Rahmen als generelle "Perspektive" vorgestellt, bevor der Leser mit dem hierfiir eigentlich erforderlichen fachwissenschaftlichen Instrumentarium bekannt gemacht werden kann. (Umgekehrt ware es freilich ebenso schwierig, zuerst mit dem speziellen Teil der Argumentation zu be ginnen und dabei stets implizit auf den allgemeinen Teil vorgreifen zu mUssen.) Das Dilemma wird angegangen, indem in Teil I versucht wird, den gesellschaftstheoretischen Rahmen auf dem - relativ - festen Boden der Alltagssprache zu erriehten und plausibel zu ma chen. Es kann dabei von einer "gehobenen Alltagssprache" ausgegan gen werden, denn es wird unterstellt, da~ die hauptsachliche Ziel gruppe dieser Schrift - Studenten, Lehrer, the ore tisch und politisch Interessierte - bereits mit einer intellektualisierten Sprache, jedoch nicht mit speziell soziologischer Terminologie vertraut ist. Der Teil II ist im Vergleich dazu in Sprache, Argumentationsweise und au~erer Form sHirker fachwissenschaftlich gehalten, und er ist mit Literaturhinweisen und ausfiihrlichen Anmerkungen versehen. Denn der Leser solI in die Lage versetzt werden, jetzt - nachdem er in Teil I auf die allgemeine Thematik "eingestimmt" worden ist - den Vorgang der Entfaltung einer wissenschaftstheoretischen Argu mentation sowie die sich daran anschlie~ende Entwicklung von sozio logischen Grundbegriffen m6glichs"t genau mitzuvollziehen und, unter RUckgriff auf die angegebene Literatur, se1bstandig weiterzu denken. Indem der Verfasser sich bemiiht, seine wissenschaftstheore tischen, gesellschaftstheoretischen und begriffiichen Pramissen und Entscheidungen Schritt fUr Schritt offenzulegen und zu begrUnden, bietet er dem Leser die M6glichkeit, sieh mit seiner Auffassung kri tisch auseinanderzusetzen und einen eigenen Standpunkt zu erarbei ten. Der vorliegende Text kann und will kein Handbuch oder Nachschla gewerk sein, sondern eine kritische EinfLihrung in ein kontroverses intellektuelles Terrain. Sein Inhalt ist kein "Lemstoff', der sich 9 passiv rezipieren und abfragen la~t - er mu~ aktiv durchdacht werden. Deshalb stellt dieses Buch einen Anspruch an seinen Leser: Es will im Zusammenhang gelesen und kritisch diskutiert werden. 10