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'Sounding Ways into Mathematics' Arbeitsbuch für Lehrerinnen und Lehrer PDF

19 Pages·2016·1.4 MB·German
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European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics European Music Portfolio (EMP) – Maths: ‘Sounding Ways into Mathematics’   Arbeitsbuch für Lehrerinnen und Lehrer Autoren: Peter Mall, Maria Spychiger, Rose Vogel, Julia Zerlik Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt (Main) Goethe Universität Frankfurt (Main) Juni 2016 Dieses Projekt wurde mit der Unterstützung der Euro- päischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung tragen allein die Verfasser und das EMP-M Konsortium. Die Kommis- sion haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthalten Angaben. 1 European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics Mitarbeiter: Markus Cslovjecsek, Helmut Linneweber-Lammerskitten, Martin Guggisberg, Andreas Richard, Boris Girnat, Daniel Hug and Samuel Inniger (The School of Teacher Education, University of Applied Sciences Northwestern Switzerland) Carmen Carrillo, Albert Casals, Cristina González-Martín, Jèssica Perez Moreno, Montserrat Prat and Laia Viladot (Universitat Autònoma de Barcelona, Spain) Maria Argyriou, Maria Magaliou, Georgios Sitotis, Elissavet Perakaki, Katerina Geralis- Moschou (Greek Association of Primary Music Education Teachers, Greece) Caroline Hilton, Jennie Henley, Jo Saunders and Graham F. Welch (UCL Institute of Education, Great Britain) Slávka Kopčáková, Alena Pridavková, Edita Šimčíková and Jana Hudáková (University of Prešov, Slovakia) Raluca Sassu, Anamaria Cătană and Mihaela Bucuta (Centre for Research in Psychology, the Lucian Blaga University of Sibiu, Romania) Peter Ludes (Goethe University, Frankfurt (Main), Germany) Dieses Arbeitsbuch ist eine gekürzte Ausgabe von “EMP-Maths – Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer”, ver- fügbar unter maths.emportfolio.eu. Copyright © 2016. All rights reserved. Hergestellt für das Comenius Lebenslanges Lernen Projekt 538547-LLP-1-CH-COMENIUS-CMP www.maths.emportfolio.eu Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt a.M. Eschersheimer Landstrasse 29-39 60322 Frankfurt 2 European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics Inhalt 1  Einleitung.......................................................................................................... 5  2  Grundlagen des Lernens ................................................................................... 7  2.1  Von der Aufgabe zur Konstruktion ............................................................................. 7  2.2  Lehr- und Lernumgebungen ......................................................................................... 8  2.3  Die Rolle von Material und Raum .............................................................................. 10  2.4  Aufbau und Struktur der Beispiele ............................................................................. 11  3  Beispiel einer Aktivität .................................................................................... 15  3.1  Blinke, Blinke kleiner Stern ......................................................................................... 15  4  Zusammenfassung .......................................................................................... 18  5  Literaturverzeichnis ........................................................................................ 19  3 European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics 1 Einleitung Das Vertrauen vieler Menschen in ihre mathematischen und musikalischen Fähigkeiten ist oft- mals sehr niedrig ausgeprägt oder wenig ausdifferenziert. Sie glauben, dass sie in dem einen oder anderen Fach (oder beiden) nicht gut seien. Hinzukommt, dass die Aussage „Ich kann nicht singen“ oder „Mathematik habe ich noch nie verstanden“ durchaus gesellschaftsfähig ist und sie nicht daran hindern muss, eine erfolgreiche Karriere zu durchlaufen, noch wird es die Mei- nung anderer über sie ändern. Das Projekt „European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics“ (EMP- Maths) möchte dieses Verständnis ändern. Jeder kann singen und Musik machen und jeder kann Mathematik treiben. Beide Themen sind integraler Bestandteil unseres Lebens und unserer Ge- sellschaft. Was geändert werden muss, ist das Bild von diesen beiden Fächern und die Fähigkeit von Lehrpersonen, Lernenden die Gelegenheit zu geben, dieses zu verändern und die beiden Fächer als bereichernd für die Lebensgestaltung einzustufen. Musik und Mathematik in der Schule zu verbinden ist nicht neu. Tatsächlich steigt die Zahl der publizierten Beispiele ständig an. Bedauernswerter Weise wurde in der Vergangenheit zu viel Wert darauf gelegt, zu untersuchen, wie durch Musik mathematische, oder allgemeine Fä- higkeiten oder sogar Intelligenz gefördert werden können und es wurde zu wenig auf die gleich- berechtigte gegenseitige Befruchtung dieser beiden Bereiche Wert gelegt. Peter Hilton verdeut- licht diesen Aspekt mit Bezug zu Mathematik und Musik: […] Mathematik, wie auch Musik, sollte man um der Sache willen zu tun […]. Damit soll nicht der Nutzen der Mathematik geschmälert werden; dieser große Nutzen neigt jedoch dazu, die kulturellen Aspekte der Mathematik zu verbergen und zu verschleiern. Das Vor- bild der Musik leidet unter keiner vergleichbaren Verwirrung, da sie eindeutig eine Kunst ist, die Komponisten, Interpreten und Publikum bereichert; Musik muss sich nicht wegen ihres Beitrags zu anderen Bereichen menschlicher Existenz rechtfertigen. Niemand fragt sich nach dem Hören einer Beethoven Symphonie: „Was ist der Nutzen davon?“ Mehr noch, Mathematik gewinnt nichts an Funktionalität, wenn man ihre inhärenten Qualitäten ignoriert – im Gegenteil, um sie effektiv nutzen zu können, ist es notwendig, Mathematik zu würdigen und ihre inhärenten Qualitäten und Dynamiken zu verstehen (Gullberg 1997, S. xvii). EMP-Maths spricht gleichermaßen Fachlehrkräfte in Musik bzw. Mathematik an, ebenso wie jeden, der daran interessiert ist, die Welt der Mathematik und Musik zu entdecken. Dieses Arbeitsbuch fokussiert auf Grundlagen des Lernens und hier auf die Bedeutung der Aufgabe, der Lernumgebung und des Materials in der Verschränkung mathematischen und mu- sikalischen Lernens. Beispielhaft wird im Arbeitsbuch eine Aktivität vorgestellt, in welcher Mathematik und Musik in einer Unterrichtssequenz miteinander verbunden werden. Weitere Aktivitäten, die in der Schule genutzt werden können, finden sich im Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer.1 Viele weitere Beispiele und Vorschläge sind bereits vorhanden (siehe Web-Seite des Projekts) und wir möchten jeden ermutigen, sie zu nutzen. Die Auswahl im Handbuch deckt einige zentralen Felder 1 Mall, Spychiger, Vogel und Zerlik (2016) 5 European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics der Mathematik und der Musik ab: Singen, Tanzen, Hören, Probleme lösen, Zahlen, Messen, Raum und Form. Mit diesem Ansatz wollen wir das Projekt an die Kerncurricula der beteiligten Länder anbinden: Deutschland, Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien, Schweiz und Großbritannien. Die Dokumentation der Beispiele erfolgt in einer Art von Didaktischen Design Patterns, deren Struktur an die Anforderungen des Projekts angepasst wurde. Das Projekt „Sounding Ways into Mathematics“ stellt Aktivitäten mit unterschiedlichen mathematischen und musikalischen Inhalten vor, um Lehrpersonen ein möglichst breites Spekt- rum an Hilfsmitteln, Ideen und Beispielen anbieten zu können. Diese Aktivitäten sind so auf- gebaut, dass sie erweiter- und anpassbar an unterschiedliche Kontexte sowie auf die Bedürfnisse einer jeden Lehrperson und deren Schülerinnen und Schülern sind. Ferner wurden diese Akti- vitäten nicht nur entwickelt, um von der Lehrperson instruktiv ausgeführt zu werden, sondern, um sie gemeinsam mit der Lerngruppe zu nutzen und eventuell sogar gemeinsam zu verändern und weiter zu entwickeln. Neben diesem Arbeitsbuch und dem Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer stellt das Pro- jekt Informationsmaterial und konkrete Hinweise für Unterrichtsgestaltung sowie Weiterbil- dungsangebote zur Verfügung, eine Web-Seite (http://maths.emportfolio.eu), von der Materi- alien heruntergeladen werden können sowie eine Online Plattform zur interaktiven Zusammen- arbeit. Ein Überblick über relevante Literatur und Forschung ist in einem separaten Dokument zusammengestellt.2 Dieses Arbeitsbuch bildet die Grundlage der Weiterbildungskurse. Das Pro- jekt „Sounding Ways into Mathematics“ steht in Verbindung zum EMP-Sprachen Projekt „A creative Way into Languages“ (http://emportfolio.eu/emp/). 2 Siehe dazu die Literaturübersicht (Hilton et al. 2015) und das ‘State of the Art Paper’ (Saunders et al. 2015). 6 European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics 2 Grundlagen des Lernens 2.1 Von der Aufgabe zur Konstruktion Dieses Kapitel greift zwei Aspekte des Lernens auf: die Bedeutung der Aufgabe als Lernanlass für den Lernprozess und Formen von Konstruktionsprozessen während des Lernprozesses in der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand und der Art und Weise wie dieser präsentiert wird sowie im Kontext aller am Lernprozess beteiligter Personen. Die Aufgabe steht für den Startpunkt, man könnte vielleicht auch von einem Kristallisati- onspunkt sprechen, von dem Lernen ausgeht. Das Charakteristische von Aufgaben besteht da- rin, „dass sie immer auf etwas verweisen, das fehlt“ (Girmes 2003, S. 6). Damit werden sie zu einem Lernanlass, da beim Lernenden häufig das Bedürfnis entsteht, die identifizierte Lücke zu schließen. Es gilt natürlich zwischen „Aufgaben im Leben“ und „Aufgaben in der Schule“ zu unterscheiden (vgl. ebd., S. 8). „Aufgaben im Leben“ entstehen „in der Begegnung zwischen Mensch und Welt, ohne dass jemand Dritter eine Aufgabe für andere formuliert [...]“ (ebd.). Aufgaben in der Schule, sogenannte „Lernaufgaben“ (ebd., S.10) werden inszeniert und profes- sionell konstruiert. Im Konstruktionsprozess der Lernaufgaben werden institutionelle Rahmenbedingungen und die Weltsicht der Lehrperson wirksam. Der Freiheitsgrad solcher Lernaufgaben reicht von niedrig bis hoch. Hierbei bezieht sich der Freiheitsgrad auf den Spielraum der Lernenden bei der Bearbeitung der Aufgabe. Bei klaren Vorgaben zu Vorgehensweise und Ergebnis ist der Spielraum der Lernenden sehr niedrig. Der Freiheitsgrad bei offenen Aufgaben, die oftmals in eine Lernumgebung eingebettet sind, ist dagegen hoch. Die Lernenden können entsprechend ihrer Vorkenntnisse, kognitiven Fähigkeiten, Interesse und Motivation unterschiedliche Wege in der Bearbeitung einschlagen. Meist führen diese unterschiedlichen Wege zu unterschiedlichen Ergebnissen, die durchaus in der Spanne potentiell möglicher Ergebnisse liegen. Der Begriff der Konstruktion steht für den sich anschließenden Lernprozess der Lernen- den. Die Auffassung von Lernen, die hier zum Ausdruck gebracht wird, rückt die Eigentätigkeit des Individuums in den Vordergrund. Die Lehrperson gibt Anregungen, die von den Lernenden aufgegriffen werden und der aktiven und selbstgesteuerten Wissenskonstruktion dienen. Das Einbeziehen des situativen Moments der konkreten Lernsituation fokussiert zusätzlich auf die Bedeutung von Interaktionsprozessen zwischen den Lernenden und Lehrenden (Gerstenmaier und Mandl 1995; Greeno 1989) und bezieht die institutionellen Rahmenbedingungen, die sozio- kulturellen, die motivationalen sowie volitionalen Voraussetzungen der Lernenden mit ein. Die Auseinandersetzung mit Aufgaben stellt in der Mathematik einen zentralen Aspekt der gemeinsamen unterrichtlichen Arbeit von Lernenden und Lehrenden dar. Aktuell werden Auf- gaben als Antwort auf die Vielfalt der Lernenden so gestaltet, dass sie unterschiedliche Zugänge erlauben, d.h. auf dem jeweiligen Niveau des Lernenden und seinen mathematischen Voraus- setzungen bearbeitet werden können. Oftmals werden nach einer individuellen Beschäftigung 7 European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics mit der Aufgabe diskursiv die individuellen Herangehensweisen in einer größeren Gruppe dis- kutiert. Die Aktivierung der Lernenden im Sinne eines entdeckenden Mathematiktreibens steht dabei im Vordergrund. Als unterrichtsmethodisches Prinzip lässt sich häufig das Ich-Du-Wir-Prinzip (Think-Pair- Share) beobachten (vgl. Barzel et al. 2007, S. 118ff.). Diese Art der Herangehensweise ermög- licht den Lernenden im ersten Schritt eine individuelle Auseinandersetzung mit der Lernauf- gabe, unbeeinflusst von Gedankengängen anderer Schülerinnen und Schüler. Die Du-Phase zielt auf einen Austausch mit einer Lernpartnerin bzw. einem Lernpartner hinaus. Die einge- schränkte Öffentlichkeit bietet einen Schonraum für unfertige Gedanken. Erst im letzten Schritt wird die Klassenöffentlichkeit hergestellt. Dies erfolgt häufig in Form von Präsentationen, die dann im Plenum diskutiert werden. Diese Art des Umgangs mit Aufgaben führt zu individuellen Wissenskonstruktionen, die in der Paar- und in der Wir-Phase diskursiv weiterentwickelt werden und zu ko-konstruktiven Prozessen führen können. Der Begriff der Ko-Konstruktion verweist hier auf eine gemeinsame Wissenskonstruktion durch sozialen Austausch (vgl. Brandt und Höck 2011). Im Unterschied zum mathematischen Lernen steht in der Musik zu Beginn häufig das ge- meinsame Tun. In der Gruppe sind musikalisch-interaktive Vorgänge möglich, wie z.B. im „Call and Response“, die das musikalische Lernen charakterisieren (Spychiger 2015, S. 57). Erfahrun- gen mit der Wirksamkeit des eigenen Tuns vor dem Hintergrund des gemeinsamen Tuns sind im Musikunterricht bedeutsam. So erlebt eine Person ihr individuelles Singen im Chor als Teil eines großen Ganzen, das z.B. durch eine gemeinsame Aufführung zum Ausdruck kommt und bedeutsam wird (vgl. ebd., S. 53). Weiterhin spielt beim musikalischen Lernen vor allem im Instrumentalunterricht die Nachahmung eine bedeutsame Rolle. Lernprozesse, in Mathematik ebenso wie in Musik, pendeln zirkulär zwischen den Polen ‚individuellem Lernen‘ und ‚Gruppenlernen‘. Insgesamt lassen sich mathematisches und musi- kalisches Lernen im konstruktivistischen Sinne als handlungsorientierte, situative und soziale Prozesse beschreiben (Reinmann-Rothmeier und Mandl 2001; Spychiger 2015). Die Lernaufgaben, die in den Aktivitäten des EMP-Projekts inszeniert werden, tragen Po- tentiale der Konstruktion und Ko-Konstruktion und greifen methodische Vorgehensweisen der Mathematik sowie der Musik auf. 2.2 Lehr‐ und Lernumgebungen Der Begriff der Lehr-Lernumgebung hat sich in einer Zeit entwickelt, in der Alternativen zum stark durch die Lehrperson strukturierten Unterricht gesucht wurden. Die Suche nach neuen Lehr- und Lernformen ist häufig an eine Wende in der Auffassung vom Lernen selbst gekoppelt. Heute prägen konstruktivistische Ansätze unser Verständnis von Lernen. Hier dominiert die Idee des Lernens als einem Prozess der situativen Wissenskonstruktion, eingebettet in Kontext 8 European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics und Kultur (Greeno 1989) sowie der Annahme, dass Lernen in der Interaktion zwischen Ler- nenden und Lehrenden konstruiert wird (Krummheuer 2007, S. 62). Lernen in Lernumgebungen verstanden als Wissenskonstruktion seitens der lernenden Per- son beruht auf Gestaltungsprinzipien, die in unterschiedlichen konstruktivistischen Instrukti- onsansätzen zum Ausdruck kommen. Hierzu gehören der ‚Anchored Instruction-Ansatz‘, der ‚Cognitive Flexibility-Ansatz‘ und der ‚Cognitive Apprenticeship-Ansatz‘. Diesen Ansätzen aus den 1990iger Jahren ist gemein, dass die Lehrperson einen ‚Lernraum‘ gestaltet, in dem die Ler- nenden anwendungsorientiert in das jeweilige fachliche Denken und Handeln eingeführt wer- den. Diese Art der Lehr-Lernumgebungen lassen sich wie folgt charakterisieren: „Eine Lernum- gebung ist ein Ort, an dem Menschen auf Hilfsmittel zurückgreifen, um Dingen Bedeutung zu geben und sinnvolle Lösungen für Probleme zu finden“ (Wilson 1996, S. 3). Die Definition für konstruktivistische Lernumgebungen lautet nach Wilson (1996, S. 5): ... ein Ort, an dem Lernende zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen, während sie verschiedene Werkzeuge und Informationsquellen im Rahmen der vorgegebenen Lern- ziele und problemlösenden Aktivitäten nutzen. In dieser Definition wird bereits deutlich, dass eine Lehr-Lernumgebung Freiräume für die Ler- nenden bietet und gleichzeitig von der Lehrperson gestaltet wird. Damit findet in Lernumge- bungen nach wie vor institutionelles Lernen statt, da es vorgedacht und gestaltet wird. Es bietet den Lernenden aber kreative Freiräume, eigene Erfahrungen mit dem Lerngegenstand zu ma- chen. Instruktionen als (Lern-)Umwelt zu betrachten, legt die Betonung auf den ‚Ort‘ oder den ‚Raum‘, an dem Lernen stattfindet. Eine Lernumgebung umfasst mindestens den Lernen- den, ein ‚Szenarium‘ oder ‚Raum‘, worin der Lernende agiert, Werkzeuge und Geräte be- nutzt, Informationen sammelt und interpretiert, vielleicht mit anderen interagiert usw. (Wil- son 1996, S. 4). Aktuell tritt der Begriff der ‚Lernumgebung‘ oft in Kombination mit dem Begriff des Differen- zierens und hier vor allem in Kombination mit der ‚natürlichen Differenzierung‘ auf (vgl. Sche- rer und Moser Opitz 2010). Es wird bedeutsam, dass die Lernenden ihre eigenen Lernwege finden, ein eigenes Lerntempo entwickeln und individuelle Erkenntnisse generieren. Der Begriff der Ko-Konstruktion wird bedeutsam. In der Ko-Konstruktion erhält die „individuelle Kon- struktionsleistung“ eine „kulturelle Prägung“ (Brandt und Höck 2011, S. 249). Im Bereich der Mathematik wird von substanziellen Lernumgebungen gesprochen, die fol- gende Eigenschaften zeigen sollen: mathematische Substanz mit sichtbar werdenden Strukturen und Mustern (fachliche Rah- mung); Orientierung an zentralen Inhalten; hohes kognitives Aktivierungspotenzial; Ori- entierung der Tätigkeiten an mathematischen Inhalten und Prozessen; Initiierung von Ei- gentätigkeiten aller Lernenden; Förderung individueller Denk- und Lernwege sowie eigener Darstellungsformen; Zugänglichkeit für alle: Ermöglichen mathematischer Tätigkeit auch auf elementarer Ebene durch die Möglichkeit, an Vorkenntnisse anknüpfen zu können; Herausforderungen für schnell Lernende mit anspruchsvolleren Aufgaben; Ermöglichen des sozialen Austauschs und des Kommunizierens über Mathematik (Hirt und Wälti 2008, S. 14). 9 European Music Portfolio – Sounding Ways into Mathematics Diese Charakterisierung von Lernumgebungen lassen sich auf die im Projekt „Sounding Ways into Mathematics“ gestalteten Aktivitäten übertragen. Sie bieten ein hohes kognitives Aktivie- rungspotential, das durch die Einbindung körperlicher Erfahrungen intensiviert wird. Die Ei- gentätigkeit der Lernenden steht im Vordergrund. Durch das gemeinsame Tun und Erleben werden Erkenntnisräume für die Lernenden geschaffen, die den eigenen Lernfortschritt in die Verschränkung von Mathematik und Musik einbinden. In solchen Räumen, die offen für die Ideen der Schülerinnen und Schüler sind, können neue Lernumwelten geschaffen werden. Wie Cslovjecsek und Linneweber (2011) zeigen, werden die Lernenden dadurch wichtige Partner im Lehr-Lern-Prozess. 2.3 Die Rolle von Material und Raum Dem Material werden unterschiedliche Funktionen im mathematischen Lernprozess zugewie- sen. So wird Material häufig als „Denkwerkzeug” genutzt, um Denkprozesse zu initiieren und explizit zu machen (vgl. Hülswitt, 2003, p. 24). Material visualisiert mathematisches Denken und unterstützt den Lernprozess. Die Struktur der mathematischen Objekte, z.B. der Zahlen, wird materialisiert. Durch Handlungen am mathematischen Material können mentale Vorstellungs- bilder entwickelt werden (Lorenz 1993). Neben dem Konzept der mentalen Bilder kann auch die Interaktion zwischen Lernenden und Material in den Fokus gerückt werden (Fetzer 2015). Musikalisches Lernen wird von Musik und Musikinstrumenten wie auch von visuellen Elemen- ten und Rhythmus begleitet. Auf diese Weise wird das musikalische Material zu einem Teil der Musikproduktion. Im Sinne von Vygotsky hat das Material Mittlerfunktion: Mentale Funktionen bestehen eine gewisse Zeit in verteilter oder geteilter Form, wenn Ler- nende und ihre Begleiter neue Kulturwerkzeuge im Kontext des Lösens von Aufgaben nutzen. Nach dem Erwerb (in der Terminologie von Vygotsky “Aneignung”) einer Vielzahl von Kulturwerkzeugen werden Kinder kompetenter in der selbstständigen Nutzung men- taler Funktionen (Bodrova, E. & Leong, D.J. 2001, S. 9). Das Material und vor allem die angeleiteten Handlungen am Material repräsentieren Vorgehens- weisen, Sprech- und Denkhandlungen der jeweiligen fachlichen Kultur. Damit kann das Mate- rial einen ersten Zugang zur fachlichen Welt eröffnen. Gleichzeitig bietet es auch die Möglich- keit, die Welt der Lernenden mit einzubeziehen (Vogel 2014). Materialien übernehmen im ma- thematischen und im musikalischen Lernen eine Vermittlerfunktion. Frühe Bildung nutzt zu Beginn oft Kinderspielzeug. Diesem Spielmaterial werden Funktionen im musikalischen und mathematischen Lernprozess zugeordnet. Eine Anzahl von Objekten dient der Repräsentation von Zahlen, die Anordnung der Tische wird als funktionale Beziehung aufgefasst und die Pfanne oder die Tasse werden zu Klanginstrumenten. Das Einbeziehen des Raumes in die Gestaltung einer Lernumgebung ermöglicht durch die dritte Dimension den Einbezug des Körpers. Die Person erlebt sich in der Interaktion mit dem sie umgebenden Raum. Bewegungsabläufe und Bewegungen des Körpers können mathematisch 10

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sikalischen Lernens. Beispielhaft wird im Arbeitsbuch eine Aktivität vorgestellt, in welcher Mathematik und der Schule genutzt werden können, finden sich im Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer.1 Viele .. didaktik. Eine gemeinsame Ausbildung für Kindergarten und Grundschule (S. 89–100).
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