Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, durchgängig die männliche (neutrale) Anredeform zu nutzen, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt. Joachim Grupp SHOTOKAN KARATE KATA 1 Meyer & Meyer Verlag Shotokan Karate Kata 1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d- nb.de abrufbar. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden. © 2000 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen, 3., überarbeitete Auflage 2007 4. Auflage 2010 Auckland, Budapest, Cape Town, Graz, Indianapolis, Maidenhead, Melbourne, Olten, Singapore, Tehran, Toronto Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA) eISBN: 9783840325281 E-Mail: [email protected] www.dersportverlag.de Inhalt Vorwort 1 Einführung 1.1 Die Geschichte des Shotokan Karate 1.1.1 Karate-Do 1.2 Kata 2 Die Basiskatas 2.1 Heian Shodan 2.2 Heian Nidan 2.3 Heian Sandan 2.4 Heian Yondan 2.5 Heian Godan 3 Die Tekki-Katas 3.1 Tekki-Shodan 3.2 Tekki-Nidan 3.3 Tekki-Sandan 4 Die Basis-Meisterkatas 4.1 Bassai-Dai 4.2 Jion 4.3 Empi 4.4 Hangetsu 4.5 Kanku-Dai 5 Karatestellungen 5.1 Heisoku-Dachi 5.2 Musubi-Dachi 5.3 Heiko-Dachi 5.4 Hachiji-Dachi 5.5 Zenkutsu-Dachi 5.6 Kokutsu-Dachi 5.7 Kiba-Dachi 5.8 Neko-Achi-Dachi 5.9 Sanchin-Dachi 5.10 Fudo-Dachi 5.11 Kosa-Dachi 5.12 Renoji-Dachi 6 Wiederkehrende Techniken der Katas 6.1 Manji-Uke 6.2 Yoko-Geri, Uraken, Empi 6.3 Kakiwake-Uke 6.4 Tate-Shuto-Uke 6.5 Haishu-Uke 6.6 Morote-Uke 6.7 Fumikomi 7 Anhang 7.1 Bibliografie 7.2 Glossar 7.3 Bildnachweis 7.4 Shotokan Karate in Deutschland 7.5 Sponsorenhinweis 7.6 Warnhinweis Vorwort Karate erfreut sich seit seiner Einführung in Deutschland in den 50er Jahren zunehmender Beliebtheit. In Deutschland üben ca. 140.000 Menschen den Kampfsport Karate aus, davon etwa 120.000 den Shotokanstil. Darunter be(cid:633)nden sich viele, die Karate zum Zweck der Selbstverteidigung betreiben. Hier liefert die Kata ein reichhaltiges Angebot von Techniken, die zur Anwendung gegen Angreifer gedacht sind. Ihr Können erfordert allerdings viel Geduld und eine jahrelange Übung. Was heißt Kata und welches Anliegen verfolgt dieses Buch? Kata, eine traditionsreiche, überlieferte, festgelegte Form von Techniken gegen mehrere Angreifer bildet die Essenz des Karate. Vor der Einführung des Kumite, den partnerbezogenen Übungen, wurde fast ausschließlich Kata geübt. Alle heutigen Bestandteile des Karate sind aus den Katas entstanden. Die Faszination der Kata erschließt sich jedem, der die notwendige Geduld hat, ihre Techniken und Abläufe lange zu üben und sich ständig in der Ausführung zu verbessern. Dieses Buch soll dazu beitragen, diesen Gedanken zu unterstützen und den Karateka helfen, sich in der Kata zu vervollkommnen, sei es für die Prüfung, das tägliche Training, die Arbeit an sich selbst, am Karate-Do oder für den Wettkampf. Dabei gibt das vorliegende Buch nur eine Hilfestellung. Es kann das Training im Dojo oder Verein nur ergänzen, jedoch nicht ersetzen. Die richtige Atmung, Spannung und Entspannung, das Wechselspiel von schnellen und langsamen Bewegungen, das Timing und viele weitere Aspekte können nur durch intensives Üben erlernt werden. Kata ist eine der drei Säulen des Karate. Neben Kihon und Kumite ist das Training der Katas wesentlicher Bestandteil der heutigen Karatepraxis. Ohne ihr kontinuierliches Üben ist Karate-Do nicht denkbar. Sie beinhalten eine Vielzahl von Techniken, die im Kumite und in der Grundschule selten oder überhaupt nicht geübt werden: Techniken aus sehr kurzer Distanz, Gri(cid:643)e und Ansätze zu Wurftechniken, Abwehren gegen Wa(cid:643)en, Angri(cid:643)e gegen emp(cid:633)ndliche Körperstellen, die beim Partnertraining nicht gefahrlos möglich wären – der Fundus der in den Katas enthaltenen Techniken ist nahezu unerschöpflich. Ein weiterer Aspekt soll nicht unerwähnt bleiben: die Ästhetik. Es macht einfach Spaß, Katas zu üben oder einen Katavortrag zu beobachten. Mehr vielleicht als andere Seiten des Karate übt die Kata auf den Betrachter eine Faszination besonderer Art aus. Der Ästhetik einer exzellent vorgetragenen Kata im Training oder im Wettkampf kann man sich einfach nicht entziehen. Es ist förmlich zu spüren, welche Energie in dieser Form des Kampfs gegen mehrere imaginäre Gegner zum Ausdruck kommt. Spannung, Schnelligkeit, Präzision, Dynamik, Kraft und Explosivität der Techniken – ein guter Katavortrag bringt die gesamte Vielfalt des Karate zum Ausdruck. In der Kata spiegeln sich zudem die Besonderheiten einer Stilrichtung wider. Im Shotokan Karate ist eine große Bandbreite unterschiedlicher Katas vertreten. Der Schwerpunkt der Katas unserer Stilrichtung liegt zwar insgesamt mehr auf dynamischen, schnellen und explosiven Bewegungen, dennoch lassen sich die 26 Shotokan Katas in zwei unterschiedliche Kategorien einteilen: die eher schnellen und explosiven Katas der Shorintradition und die eher atem- und kraftbetonten der Shoreitradition. Zur Shoringruppe gehören die Heian-Katas, Empi, Bassai-Dai, Kanku-Dai, Nijushiho und die Gojushiho-Katas. Sie enthalten ebenfalls atembetonte, eher langsame Passagen, doch ihr Grundtempo ist schnell und dynamisch. Zur kraftbetonten Shorei-Katagruppe gehören z. B. Jion und Hangetsu sowie Sochin und Jitte. Dieses Buch enthält die Grundkatas bis Tekki 1, Tekki 2 und Tekki 3, die ersten Meisterkatas Bassai-Dai, Empi, Jion, Hangetsu und Kanku-Dai. Beim Training der Katas darf ein Grundsatz nicht aus dem Blickfeld geraten: Das Training einer bestimmten Kata sollte dem technischen Reifegrad des Übenden entsprechen. Eine niedrige Kata gut zu beherrschen, ist der schlechten Ausführung einer höheren Kata in jedem Fall vorzuziehen. Deshalb sollten zuerst die Heian-Katas sehr intensiv trainiert werden, bevor man mit dem Erlernen der nächsten Katagruppe beginnt. Dabei dauert die Lern- und Übungsphase der einzelnen Katas nicht nur entsprechend lange, sondern man sollte auch nicht versäumen, Katas, die man zu können glaubt, immer wieder zu üben. Eine Kata beherrscht man nie perfekt. Man befindet sich immer nur auf dem Weg dahin. Auf eine Darstellung der Shotokan Karate-Grundtechniken wurde in diesem Buch verzichtet. Wer sich mit Katas beschäftigt, sollte bereits einen Einblick in die Grundlagen besitzen. Ich möchte an dieser Stelle auf mein Buch „Shotokan Karate. Technik, Training, Prüfung“ (Aachen, 6. Au(cid:635)age 2010) hinweisen, in dem diese Thematik bereits ausführlich behandelt wird. Allen Lesern, die sich intensiver mit den faszinierenden Shotokan Katas beschäftigen möchten, wünsche ich viel Spaß bei der Lektüre und viel Erfolg im Karate-Do. 1 EINFÜHRUNG 1.1 Die Geschichte des Shotokan Karate „Karate-Do wird erreicht durch jeden Schritt zu seiner Zeit, und so ist das Leben. Trainiere einfach jeden Tag und gib dein Bestes und die Wahrheit wird zu dir kommen.“ (Masatoshi Nakayama) Der Ursprung des Karate liegt in Okinawa. Mehrere hundert Kilometer vom japanischen Festland entfernt, be(cid:633)ndet sich die Insel, deren Bewohner bereits vor vielen Jahrhunderten Kampftechniken entwickelt haben, mit deren Hilfe sie sich gegen Eindringlinge und Aggressoren zur Wehr setzten. Durch den regen Handels- und damit Kulturaustausch mit anderen asiatischen Nachbarländern entwickelte sich aus den bereits existierenden einheimischen Wa(cid:643)en- und Kampftechniken eine heterogene Kampfkunst. Besonders die Wirtschaftszentren Shuri, Naha und Tomari waren Mittelpunkt dieser Entwicklungen. Die Entstehung der Kampfkünste auf Okinawa erlebte bereits im Jahre 1429, nach dem von König Sho Shin erlassenen Wa(cid:643)enverbot, einen großen Aufschwung. Bereits bevor sich der chinesische Ein(cid:635)uss des Chuan-Fa auf der Insel geltend machte, wurde die Kampfkunst Te (Te = Hand) von einigen Meistern gelehrt. Dies geschah jedoch meist in kleinen Schulen und in sich abgeschlossenen Zirkeln. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Kampfkunst einheitlich oder, vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, komplett war. In der Nähe von Naha siedelten sich bereits im Jahre 1372 etliche chinesische Familien an, die auch den Buddhismus mitbrachten. Es ist anzunehmen, dass sie das Te rund um Naha beein(cid:635)ussten. Das dort gelehrte Naha-Te (später Shorei-Ryu, Ryu = die Bezeichnung für Schule) gilt als inspiriert von der Tradition des Chuan-Fa, dem chinesischen Boxen. Es beinhaltete dynamische sowie starke Bewegungen und betonte die Atmung und eine schnelle Kraftentwicklung der Techniken. Das Interesse der Einwohner Okinawas an der chinesischen Kultur war groß und somit konnten sich die Philosophie und die Kampftechniken des chinesischen Boxens (Kempo) in einigen Regionen Okinawas ausbreiten. Andere Verbreitungsgebiete des Te waren Tomari und Shuri (die hier entwickelten Stile wurden später auch Shorin-Ryu genannt). Der chinesische Ein(cid:635)uss machte sich in den atembetonten Techniken und runden Abwehrbewegungen bemerkbar. Das Tomari-Te dagegen enthielt beide Elemente. Die Bewohner Okinawas lebten vorwiegend als Bauern, Fischer oder Händler. Oft werden die spezi(cid:633)schen Eigenheiten der alten Stile mit den unterschiedlichen Berufstraditionen erklärt. Der amerikanische Historiker Randall Hassell sieht unterschiedliche soziale Traditionen als Ursache der verschiedenen Kampfsysteme: Die bäuerliche Bevölkerung bevorzugte einen Stil mit tiefen Ständen, um sich aus der tiefen Stellung heraus mit Armen und Beinen zu verteidigen. Ein anderer, kraftvoller Stil mit zahlreichen starken Armbewegungen beruhte seiner Interpretation zufolge auf der Tradition der Fischer. Auch im Umgang mit ihren Arbeitsinstrumenten als Wa(cid:643)en waren die Bauern und Fischer er(cid:633)nderisch. Das Kobudo, der Umgang mit Bo, Tonfa, Nunchaku Kama und anderen als Wa(cid:643)en eingesetzten Arbeitswerkzeugen, stammt aus dieser Zeit. Die heutigen Katas enthalten teilweise noch (Abwehr-)Bewegungen gegen diese Waffen. Die Japaner besetzten Okinawa 1609 und unterdrückten die Einwohner Okinawas. Dies