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Scientific Literacy: Der Beitrag der Naturwissenschaften zur Allgemeinen Bildung PDF

141 Pages·2002·7.866 MB·German
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Wolfgang GräberlPeter Nentwig Thomas KoballaIRobert Evans (Hrsg.) Scientific Literacy Wolfgang GräberlPeter Nentwig Thomas KoballaIRobert Evans (Hrsg.) Scientific Literacy Der Beitrag der Naturwissenschaften zur Allgemeinen Bildung Leske + Budrich, Opladen 2002 Die in diesem Band entwickelten Überlegungen beruhen zwn großen Teil auf Dis kussionen beim ,,2nd International IPN-Symposium of Scientific Literacy". Die Her ausgeber danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung dieser Veranstaltung (DFG GZ 48501226f98). Die im Original eng1ischsprachigen Beiträge sind hier in der Übersetzung von Britta Lohschelder und Peter Nentwig wiedergege ben. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz ftlr diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. ISBN 978-3-8100-1733-7 ISBN 978-3-322-80863-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-80863-9 © 2002 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt Wolfgang Gräber, Peter Nentwig Scientific Literacy - Naturwissenschaftliche Grundbildung in der Diskussion ...................................................................................... 7 Rodger W. Bybee Scientific Literacy - Mythos oder Realität? .............................................. 21 Morris H Shamos Durch Prozesse ein Bewußtsein für die Naturwissenschaften entwickeln ...................... ........................................................................... 45 RolfDubs Science Literacy: Eine Herausforderung für die Pädagogik .......... ...... ..... 69 Gerhard Schaefer Scientific Literacy im Dienste der Entwicklung allgemeiner Kompetenzen - ,,Fachübergreifende Fächer" im Schulunterricht ............ 83 Jiirgen Oelkers "Wissenschaftliche Bildung": Einige notwendige Verunsicherungen in bei den Richtungen ... ......................... .................................................... 105 Robert H Evans, Thomas R. Koballa Umsetzung der Theorie in die Praxis ........................................................ 121 Wolfgang Gräber, Peter Nentwig, Peter Nicolson Scientific Literacy - von der Theorie zur Praxis ...................................... 135 5 Scientific Literacy - Naturwissenschaftliche Grundbildung in der Diskussion Wolfgang Gräber, Peter Nentwig In der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur, insbesondere der angel sächsischen, besteht weitgehend Einigkeit über "Scientific Literacy" als Bil dungsziel naturwissenschaftlichen Unterrichts. Es läßt sich aus dieser Lite ratur auch ein weitgehender Konsens über die inhaltliche Füllung dieses Be griffs gewinnen. Daß die Forderung nach "Scientific Literacy for all" aktuell und brisant ist, zeigt ein Blick auf die empirische Evidenz dessen, was der naturwissenschaftliche Unterricht tatsächlich leistet: Das in der Schule er worbene Wissen junger Menschen ist lückenhaft, das Interesse an den natur wissenschaftlichen Schulfächern sinkt mit der Dauer der Schulzeit, und die Einstellungen zu den Naturwissenschaften sind eher negativ gefärbt. Es ist deshalb dringend erforderlich, Wege aus der Theorie in die Praxis der Schul klassen zu finden. 1. Naturwissenschaften sind unverzichtbares Bildungsgut Es herrscht weltweit Übereinstimmung, dass unsere Gesellschaften, unab hängig von vorhandenden kulturellen Unterschieden, naturwissenschaftlich gebildete Bürger brauchen.' In Deutschland z.B. begründet Fischer "Scien tific Literacy" als Ziel für eine allgemeine naturwissenschaftliche Bildung wie folgt (Fischer 1998): Modeme Industriegesellschaften benötigen naturwissenschaftlich und technologisch gebildete Arbeitskräfte, um in einem globalen Markt kon kurrieren zu können. In diesem Beitrag werden Begriffe wie "naturwissenschaftlich gebildet" oder "natur wissenschaftliche Bildung" in der Bedeutung der angelsächsischen "scientifically lite rate" oder "scientific literacy" verwendet. Das Literacy-Konzept ist stärker pragma tisch orientiert und zielt mehr auf die Anwendbarkeit und Verfügbarkeit von Wissens beständen als das in der deutschen Bildungsdiskussion zum Teil üblich war. 7 Individuen einer Gesellschaft benötigen selbst grundlegendes Wissen über Naturwissenschaften und Technik (individuelle Entscheidungsfahig keit bezüglich Gesundheit, Energiegebrauch, Müllvermeidung, Trans port, usw.), um als Individuen und Konsumenten effektiv handeln zu können. Naturwissenschaftliche Theorien sind eine große kulturelle Errungen schaft einer aufgeklärten Gesellschaft gegen Mystizismus und Obskuran tismus und eine Herausforderung für das Individuum. Deshalb ist das Verstehen naturwissenschaftlich-aufklärerischer Ideen unabdingbarer Bestandteil der individuellen Entwicklung zu einem modernen Lebens stil. Bürger müssen in der Lage sein, gesellschaftliche Probleme naturwissen schaftlichen Inhalts zu verstehen, um an Diskussionen und demokra tischen Entscheidungsprozessen teilhaben zn können. Vergleichbares ist in den nationalen Science Education Standards der USA zu lesen2: "Wir haben alle, als Individuen und als Gesellschaft, einen Anspruch auf naturwissen schaftliche Bildung. Beim Verständnis der Naturwissenschaften ermöglicht es jedem, am Reichtum und der Begeisterung teilzuhaben, die darin liegen, die natürliche Welt zu be greifen. Scientific Literacy befähigt Menschen dazu, naturwissenschaftliche Prinzipien und Prozesse bei persönlichen Entscheidungen zu benutzen und an der Diskussion von natur wissenschaftsbezogenen Themen teilzuhaben, die unsere Gesellschaft berühren. Eine sta bile Grundlage in den Naturwissenschaften stärkt viele der Fertigkeiten, die die Menschen täglich benötigen, wie z.B. Probleme kreativ zu lösen, kritisch zu denken, kooperativ in Gruppen zu arbeiten, verschiedene Techniken effizient zu nutzen und lebenslanges Lernen Wert zu schätzen. Nicht zuletzt ist die ökonomische Produktivität unserer Gesellschaft fest mit den wissenschaftlichen und technologischen Fähigkeiten der Arbeitskräfte verbunden." (National Research Council 1996). In der Expertise zur Vorbereitung des Modellversuchs ,,zur Steigerung der Effizienz des naturwissenschaftlichen Unterrichts" heißt es: "Biologie, Chemie und Physik vermitteln naturwissenschaftliche Basiskonzepte zur Inter pretation von Natur, Mensch und einer durch Naturwissenschaften und Technik gestalteten Welt. Als Basiswerkzeuge der naturwissenschaftlichen Selbst- und WeIterschließung die nen im Unterricht die verschiedenen Erkenntnismethoden der Naturwissenschaften." (BLK,1997). Diese Aufzählung von Aussagen zur Bedeutung naturwissenschaftlicher Bil dung für Individuum und Gesellschaft ließe sich lange fortsetzen. MilIar fasst drei Antworten zusammen, mit denen am häufigsten die Frage beantwortet wird, warum ein allgemeines Verständnis der Naturwissenschaften geförderte werden sollte (MilIar 1996a): 2 Alle im Original fremdsprachigen Zitate sind in diesem Beitrag in der Übersetzung der Autoren wiedergegeben. 8 Weil es in alltäglichen Kontexten hilfreich und nützlich sein kann. Weil es ftir die Teilnahme an öffentlichen Debatten über strittige, natur wissenschaftsbezogene Themen benötigt wird. Weil die Naturwissenschaften wesentliche Errungenschaften unserer Kultur sind. In einem anderen Aufsatz unterscheidet Millar zusammenfassend zwischen intrinsischer und instrumenteller Rechtfertigung für naturwissenschaftliche Bildung (Millar 1996b). Mit intrinsischer Rechtfertigung sind die intellek tuelle Schönheit und Erklärungsmächtigkeit naturwissenschaftlichen Wissens gemeint, die dazu führen, dass man letztlich sich selbst verstehe, indem man die Natur verstehen lernt, wie es in anderem Zusammenhang (Sachsse 1976) heißt. Die instrumentelle Rechtfertigung, von anderen Autoren auch als uti litaristische bezeichnet, zielt auf den praktischen Nutzen naturwissenschaft licher Bildung, der gesellschaftlichen Notwendigkeit etc. Wie auch immer argumentiert wird, scheint es keinen Zweifel daran zu geben, dass ein gewisses Maß an naturwissenschaftlicher Bildung für Indi viduen wie auch modeme Gesellschaften unverzichtbar ist. Der Zustand die ser Bildung aber ist in jüngerer Zeit wieder einmal in Frage gestellt worden. Prominentester Auslöser für die gegenwärtige Diskussion war sicherlich die "Third International Mathematics and Science Study (TIMSS)" (Baumert and Lehmann 1997), deren Ergebnisse zeigten, dass in vielen westlichen Ländern der naturwissenschaftliche Unterricht nicht den erhofften Erfolg bringt und man deutlich hinter Ländern rangiert, die man im Bildungsstandard weit hinter sich wähnte. Deutschland und die USA zeigten sich mit Plätzen im unteren Mittelfeld besonders betroffen. Insofern nimmt es nicht Wunder, dass große Anstrengungen unternommen werden, um wieder den Anschluss an die Spitze herzustellen. In den USA hat der frühere Vizepräsident Al Gore einen Plan angekündigt, um durch den Einsatz von 115 Milliarden Dollar in den nächsten 10 Jahren das amerikanische Schulwesen zu ,,revolutionieren". Auch in Deutschland hat sich der damalige Bundespräsident Roman Herzog intensiv für die Förderung der Bildung eingesetzt. ,,Bildung muß das Mega thema unserer Gesellschaft werden," forderte er in seiner Rede im April '97 in Berlin, und auf dem Deutschen Bildungskongress am 13. April 1999 in Bonn hieß es: "Es war ein zentrales Anliegen meiner Amtszeit, das Thema Bildung auf die Titelseiten zu holen. Als ich vor mehr als einem Jahr zu einer öffentlichen Debatte über die Zukunft un seres Bildungssystems aufrief, waren es vor allem zwei Dinge, die ich nicht akzeptieren konnte: Zum einen, dass das Thema Bildung, das uns alle gleichermaßen und meist ein Le ben lang betrifft, offenbar nur noch ein Diskussionsgegenstand für Expertenzirkel war. Zum zweiten, dass sich gerade in diesen Expertenrunden und Bildungsgrernien ein Diskus sionsalltag breit gemacht hatte, der lange Zeit nichts als Stillstand produzierte." Diese Mahnung hat inzwischen Eingang in die aktuelle Politik gefunden, wie die Green-Card Initiative der Bundesregierung und die Diskussion um die 9 verstärkte Anwerbung junger Menschen für naturwissenschaftliche Studien gänge zeigen. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass gelegentlich auch Zwei fel am Bildungswert der Naturwissenschaften geäußert werden. So kommen z.B. in einer im Auftrag der Illustrierten STERN durchgeführten Studie über den Bildungsstand 14-16jähriger Jugendlicher nur 5 von 40 Items aus dem naturwissenschaftlichen Bereich (Metzner and Olpen 1999). Wenn Bundes tagspräsident Thierse die niedrigen Leistungen der Schüler und Schülerinnen beklagt (,,Es gibt ein paar Dinge, die die Mehrheit der Gesellschaft kennen muss, sonst können wir gar nicht miteinander kommunizieren."), dann wünscht er sich zur Abhilfe, dass wieder mehr Klassik, mehr Goethe gelesen würde (Metzner and Olpen 1999). Auf die Spitze getrieben wird diese Denk weise, die Bildung eher mit Geisteswissenschaften assoziiert als mit Natur wissenschaften, vom Anglisten Dietrich Schwanitz, bekannt durch seinen Bestseller ,,Der Campus". Er definiert Bildung folgendermaßen: "Sozialer Konsens ist, das für Bildung zu halten, was man nicht fragen darf. Man darf unter gebildeten Menschen nicht fragen, wer Moliere ist, oder man blamiert sich schrecklich. Man darf aber ruhig nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik fragen, ohne als Ba nause zu gelten. Naturwissenschaften sind traditionell nicht Teil der Bildung ... " (Fiedler and Sandmeyer 1999) Dass dies nicht als ironisches Beklagen eines Missstandes gemeint ist, wird bei der Lektüre seines Handbuchs ,,Bildung. Alles was man wissen muss" (Schwanitz 1999) deutlich. Schwanitz' und anderer Bildungsvorstellung mit dem geisteswissenschaftlichen Schwerpunkt ist die traditionelle, humanisti sche, die auf Humboldt zurückgeht und sich an den Idealen der Antike orien tiert. Im 19. Jahrhundert hat man gewaltige Anstrengungen unternommen, auch den Bildungswert der Naturwissenschaften herauszustellen, und inzwi schen gehören sie ja auch zum Fächerkanon der allgemeinbildenden Schule, doch unüberhörbar wird in jüngerer Zeit über ein Zusammenlegen der Fächer zu einem naturwissenschaftlichen Lernbereich nachgedacht. 2. Was ist "Scientific Literacy"? Dennoch: Die Mehrheit scheint trotz möglicherweise vorhandenen Unmuts über individuell selbst erlittenen naturwissenschaftlichen Unterricht der zuvor umrissenen Überzeugung von der Unverzichtbarkeit der Naturwissenschaften im Bildungsangebot zu sein. Wenn das akzeptiert wird, stellt sich unvermeid lich die Frage, was unter "Scientific Literacy" zu verstehen sei. Es gibt eine Vielzahl von Definitionsversuchen, von denen einige in diesem Band dargelegt sind. Die Idee der "Scientific Literacy" für alle Gesellschaftsmitglieder ist schon sehr alt, Bybee zitiert James Wilkinson aus dem Jahr 1847 mit einem 10 Vortrag: "Science for All". Der Begriff "Scientific Literacy" wurde 1952 das erste Mal von James Bryant Cohen benutzt. Seitdem wurden in den letzten Jahrzehnten wechselnde Definitionen angeboten. In jüngerer Zeit sind in den USA sehr detaillierte Begriffsbestimmungen durch (Rutherford and Ahlgren 1989) in "Science for All Americans" und durch die National Science Education Standards (NSES) (National Research Council 1996) gegeben worden. Unter anderem werden in den NSES die inhaltlichen Domänen aus führlich dargestellt, die einen Beitrag zur Allgemeinbildung leisten sollen. Niemand wird alle aufgeführten Bereiche im Detail beherrschen; jeder Ein zelne lässt sich aufgrund unterschiedlichen Verstehens in Tiefe und Breite ei nem bestimmten Grad von Scientific Literacy zuordnen. Zu diesem Zweck hat Rodger Bybee ein hierarchisches Modell naturwissenschaftlicher Bildung vorgeschlagen, dem zufolge in einem lebenslangen Prozess verschiedene Stu fen von Umfang und Komplexität zu durchlaufen sind (Bybee 1997) (siehe auch Bybees Beitrag in diesem Band): Nominale Scientific Literacy erkennt Begriffe und Fragestellungen als naturwissenschaftlich, zeigt aber inkorrekte Kenntnisse und Informationen sowie unvollkommenes Verständnis; falsche Vorstellungen von naturwissenschaftlichen Konzep ten und Prozessen; falsche oder unangemessene Erklärungen naturwis senschaftlicher Phänomene; naive Deutungen naturwissenschaftlicher Zusammenhänge Funktionale Scientific Literacy benutzt naturwissenschaftliches Vokabular und definiert naturwissen schaftliche Begriffe korrekt; kennt technische Begriffe Konzeptionelle undprozedurale Scientific Literacy versteht naturwissenschaftliche Konzepte; versteht naturwissenschaftliche Vorgänge und verfügt über naturwissenschaftliche Fertigkeiten; versteht die Zusammenhänge zwischen den Teilbereichen einer naturwissenschaft lichen Disziplin und ihrer konzeptionellen Gesamtstruktur; versteht die grundlegenden Prinzipien und Prozesse einer Naturwissenschaft Multidimensionale Scientific Literacy versteht die Besonderheiten der Naturwissenschaften; kann zwischen den Naturwissenschaften und anderen wissenschaftlichen Disziplinen diffe renzieren; kennt die Geschichte und das Wesen der Naturwissenschaften; versteht die Naturwissenschaften in ihrem gesellschaftlichen Kontext. In der amerikanischen Diskussion gilt Morris Shamos als schärfster Kritiker der durch Bybee vertretenen Position des National Research Council. Schon in seinem 1995 erschienenen Buch "The Myth of Scientific Liter acy" (Shamos 1995) spricht er sich vehement dafür aus, den Begriff Scienti fic Literacy als Ziel des naturwissenschaftlichen Unterrichts fallen zu lassen. Alle Befunde belegten, dass dieses Ziel durch unseren gegenwärtigen Unter- 11 richt nicht zu erreichen sei; die Anzeichen hierfür mehrten sich und seien so gar weltweit zu beklagen. Um seine Forderung zu unterstreichen, beschreibt er die historische Ent wicklung der Einführung der Naturwissenschaften in den Unterricht allge meinbildender Schulen. Wie auch in Deutschland hat es im letzten Jahrhun dert in den USA heftige Auseinandersetzungen zwischen Vertretern des hu manistischen Bildungsideals und den Naturwissenschaftlern gegeben, bevor es vor allem Dewey zu verdanken war, daß die Naturwissenschaften als Un terrichtsfacher akzeptiert wurden. Dewey forderte das Studium der Naturwis senschaften für jedermann, da es die Qualität des kritischen Denkens fördere. Shamos zitiert auch Carl Person, der intellektuelles Verhalten mit vier Elementen beschreibt: logisches Denken, quantitatives Analysieren, richtiges Fragenstellen und Bezugnehmen auf empirische Validität. Zum Ziel eines solchen Unterrichts, nämlich einer Gesellschaft, deren Mitglieder ihre Ent scheidungen rational begründet fallen, führt unser gegenwärtiger naturwis senschaftlicher Unterricht nach Shamos' Auffassung allerdings nicht. Vehe ment plädiert Shamos deshalb auch in seinem Beitrag zu diesem Band dafür, sich von der Vorstellung einer umfassenden naturwissenschaftlichen Bildung für jedermann zu verabschieden und sich in erster Linie den Methoden und Prozessen der Naturwissenschaften zuzuwenden, um den Lernenden wenig stens ein Gefühl für das Wesen der Naturwissenschaften zu vermitteln. Der Wirtschaftspädagoge Rolf Dubs vermittelt in seinem Beitrag zu die sem Band zwischen diesen beiden Positionen. Als Nicht-Naturwissenschaft ler, jedoch ausgewiesener Allgemeindidaktiker und Direktor zahlreicher Cur riculumprojekte in der Schweiz, sieht er eines der großen Probleme unserer Gesellschaft darin, dass einerseits die reale Welt zu komplex ist, um sie zu verstehen und andererseits die Informationsflut so überwältigend, dass sie nicht mehr überschaubar ist. Die Folge davon sei, dass man leicht auf plaka tiv naive Lösungsangebote hereinfalle, was zu einer Polarisierung der Gesell schaft führe. Daraus leitet Dubs als übergeordnetes Ziel allgemeiner Bildung ab. zu lernen, wie man mit gesellschaftlichen Problemstellungen umgeht und rational begründete Entscheidungen fallt. Dazu gehört es zu erkennen, dass es meist mehrere Lösungen gibt, die jeweils Vor- und Nachteile aufweisen. Die Entscheidung für die eine oder andere Lösung ist ein sehr komplexer Prozess, der das naturwissenschaftlich fundierte Abwägen von Vor- und Nachteilen beinhaltet, aber auch das Einbeziehen von Interessen und Wertentscheidun gen. Für "Scientific Literacy" folgt daraus für Dubs: Schüler und Schülerinnen müssen lernen, Probleme in realen Lebens situationen zu erkennen. Sie müssen lernen, Widersprüche zu erkennen, Zielkonflikte und im Zu sammenhang damit Interessenkonflikte. Sie müssen lernen, mögliche Lösungen inklusive ihrer Konsequenzen zu evaluieren. 12

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