ebook img

Schulreform in der Mitte der 90er Jahre: Strukturwandel und Debatten um die Entwicklung des Schulsystems in Ost- und Westdeutschland PDF

235 Pages·1996·5.848 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Schulreform in der Mitte der 90er Jahre: Strukturwandel und Debatten um die Entwicklung des Schulsystems in Ost- und Westdeutschland

Schulreform in der Mitte der 90er Jahre Reihe Schule und Gesellschaft Herausgegeben von Franz Hamburger Marianne Horstkemper Wolfgang Melzer Klaus-Jürgen Tillmann Band 8 Wolfgang Melzer Uwe Sandfuchs (Hrsg.) Schulreform in der Mitte der 90er Jahre Strukturwandel und Debatten um die Entwicklung des Schulsystems in Ost- und Westdeutschland Leske + Budrich, Opladen 1996 ISBN 978-3-8100-1338-5 ISBN 978-3-322-95751-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-95751-1 © 1996 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und stratbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt Wolfgang Melzer/Uwe Sandjuchs Einführung: Schulreform als ein permanenter Prozeß ......... .......... ....... 7 1. Strukturwandel Klaus-Jürgen Tillmann Von der Kontinuität, die nicht auffällt - Das ostdeutsche Schulsystem im Übergang von der DDR zur BRD ............................... 13 Heinz Günter HoltappelslErnst Rösner Schulsystem und Bildungsreform in Westdeutschland - Historischer Rückblick und Situationsanalyse .......... .............. .... .... ... ... 23 Tino Bargel Ergebnisse und Konsequenzen empirischer Forschungen zur Schulqualität und Schulstruktur ...................................................... 47 Dorit StenkelWolfgang Melzer Hat das Zwei-Säulen-Modell eine bildungspolitische Zukunft? Eine erste Bilanz der Schulentwicklung in Sachsen .............................. 67 Uwe Sandjuchs Die Orientierungsstufe als Komprorniß im Dissens um die Organisatonsstruktur des Schulsystems ................................................. 87 Klaus Hurrelmann IChristian Palentien Pädagogische Notwendigkeit und Gestaltungsperspektiven von Ganztagsschulen ............................................................................. 103 2. Schulentwicklungsdebatten Werner Wiater Zwölf Jahre bis zum Abitur? Positionen im Streit um die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit ................................................. 121 6 Inhalt Ulf Preuss-Lausitz Werteerziehung? Ansprüche, Widersprüche und Voraussetzungen für den Lehrerberuf in der pluralistischen Schule der Zukunft .. ... ... ... ..... .......... 141 Marianne Horstkemper Die Koedukationsdebatte in Ost-und Westdeutschland - Was folgt daraus für die Gestaltung von Schule?.................................. 165 Annedore Prengel Homogenität versus Heterogenität in der Schule - Integrative und interkulturelle Pädagogik am Beispiel des Anfangsunterrichts ........ ..... ....... ...... ....... .............. ... ... ... ........... ....... 187 Harm Paschen Schulautonomie und Erziehungswissenschaft ............ ...... ........ ...... ....... 197 Hans-Günter Rolf! Autonomie von Schule - Dezentrale Schulentwicklung und zentrale Steuerung ..... ..... ........................................................ ........ 209 Literatur .. ......... .... ........ ....................... ............................................ ....... 229 Autorinnen und Autoren ............ .......... ....................... ... ........... ...... ....... 245 Wolfgang Melzer/Uwe Sandfuchs Einführung: Schulreform als permanenter Prozeß Schulreform vollzieht sich immer und unter Einfluß verschiedener Akteure. Das gilt auch, wenn keine ausdrücklichen oder spektakulären Anstrengungen dazu unternommen werden. Lehrerinnen und Lehrer verändern in ihrem Schulalltag z.B. Inhalte und Methoden ihres Unterrichts (sie machen es ein fach gesagt, anders als beim letzten Mal); sie rechnen dabei Erfolg und Miß erfolg ihres Handeins ein; sie reagieren auf Verhaltensweisen, Bedürfnisse und Ansprüche von Schülern und Eltern; bewußt oder unbewußt, anpassend oder widerständig setzen sie sich mit dem Zeitgeist auseinander. Zudem findet eine permanente Beeinflussung durch andere Institutionen statt - auch in Zeiten relativen schulpolitischen Stillstandes. Interessen gruppen, Parteien, Verbände aller Art stellen Forderungen und versuchen auf schulische Abläufe einzuwirken. Schulpolitik und Schulverwaltung reagieren durch Schulgesetze, Grundsatzerlasse, Lehrpläne und anderes mehr. Die von Saul B. Robinsohn 1967 geforderte Schulreform durch Lehrplanreform ist Realität geworden. Zwar konnte sein ehrgeiziges Modell der Curriculumre vision durch Analyse von Lebenssituationen in der Praxis nicht voll realisiert werden, gleichwohl werden jährlich mehrere hundert Lehrpläne bzw. Richt linien für Einzelfächer erlassen, die ihrerseits Schulbuchrevisionen nach sich ziehen. Allen Widerständen und Verzögerungen zum Trotz kann also von ei ner ständigen Modernisierung des Schulwesens, einer permanenten Anpas sung an die Herausforderungen durch sozialen Wandel gesprochen werden. Diese Feststellung soll jedoch keine Idealisierung der Realität befördern. Die Rede von der ständigen Modernisierung impliziert nicht die Vorstellung eines kontinuierlichen und plan vollen Reformprozesses. Ignorieren, Durch wursteln und Aussitzen sind konstitutive Merkmale dieses Prozesses. Klemm u.a. (1990, S. 11) charakterisieren z.B. die Bildungspolitik der achtziger Jah re treffend mit der Bemerkung, sie habe sich reduziert "auf mehr oder weni ger intelligente Versuche, im nachhinein auf das zu reagieren, was voraus schauende Planung hätte beeinflussen können". Schon gar nicht kann die Re de davon sein, daß die Modernisierung allein von sachlich-fachlichen Ge sichtspunkten geleitet sei. Parteipolitische Voreinstellungen und pragmati sche Erwägungen (beide auf ihre Weise oft kurzschlüssig) treten mit Sachar gumenten in eine kaum unentwirrbare Allianz. Unser Jahrhundert ist jedoch nicht eine Zeit kontinuierlichen gesellschaftlichen Wandels. Die deutsche 8 Wolfgang Melzer/Uwe Sandfuchs Geschichte des 20. Jahrhunderts ist vielmehr gekennzeichnet durch radikale politisch-gesellschaftliche Brüche infolge der Weltkriege und des Zusam menbruches von Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittem Reich und der DDR. Diese Umbrüche sind begleitet und mitbestimmt von internationalen Entwicklungen, z.B. dem Ost-West-Konflikt und dem Zusammenbruch des sowjetischen Machtblocks. Jeder dieser Umbrüche (1918/19, 1933, 1945/49, 1989 und in der Bun desrepublik auch 1968) bringt einen grundsätzlichen Wandel des Bildungs verständnisses mit sich. Die neue Situation, die neuen gesellschaftlichen Auf gaben und Ziele verlangen nach angemessenen Vorstellungen von Erzie hung, nach veränderten Schulstrukturen, nach neuen Inhalten, Zielen und Methoden des Lernens. Den neuen Menschen durch neue Erziehung zu schaffen, das ist das Credo jedes Umbruchs. (Die darin enthaltene Überforde rung und Überschätzung der Erziehung trägt dann auch immer den Keim des Scheiterns in sich.) In Umbruchsituationen werden die alten Lösungen, Positionen und Ar gumentationen obsolet - so wird 1918, was zuvor endlos umstritten und ohne Aussicht auf Erfolg war, ohne viel Federlesen die kirchliche Schulaufsicht abgeschafft. Im Umbruch wird radikaler Wandel gleichsam über Nacht voll zogen, schnelle Entscheidungen versprechen Erfolg, wenn die Gegner sich sammeln, kann es zu spät sein - so wird 1920 das Große Grundschulgesetz verabschiedet und die Grundschule als Schule für alle durchgesetzt; die Grundschulreaktion widersetzt sich in den nächsten Jahren erbittert, aller dings in jeder Hinsicht zu spät. In Umbruchsituationen kann realisiert wer den, was lange gedacht, vorgebracht und folgenlos diskutiert worden war. Umbruchsituationen sind jedoch keineswegs die "Stunde null" des voraus set zungslosen Neubeginns. Unter der Oberfläche jedes Bruches ist Kontinuität verborgen, sei sie gewollt oder durch die materiellen und personellen Um stände erzwungen. So wird beispielsweise nach 1945 in den westlichen Be satzungszonen gegen die Vorstellungen der zur "Reeducation" entschlosse nen Alliierten das traditionelle dreigliedrige Schulwesen beibehalten. Nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes ist ab 1991 das Schulwesen in den neu konstituierten Bundesländern grundle gend umgestaltet worden. Dieser Strukturwandel war weitgehend am Schul system der Bundesrepublik bzw. an den jeweiligen Partnerländern und den Vorstellungen der dort regierenden Parteien orientiert. Die augenfälligste Ab weichung vom bundes deutschen dreigliedrigen Grundmodell ist die Zusam menfassung von Haupt- und Realschule unter dem Dach der Mittelschule (Sachsen), der Sekundarschule (Sachsen-Anhalt) oder der Regelschule (Thü ringen). Es ist dies wohl der uneingestandene Abschied von der Hauptschule, jedenfalls nicht als Eingehen auf regionale Besonderheiten interpretierbar. Es liegt auf der Hand, daß ein derartiger Transformationsprozeß, der alle rund 5.000 Schulen der neuen Bundesländer, das gesamte Lehrpersonal, alle Einführung: Schulreform als permanenter Prozeß 9 Eltern und alle Schüler vor völlig neue Tatsachen stellt, sich nicht problemlos vollziehen kann - zumal diese nur ein Teil des gesamtgesellschaftlichen Um bruches ist, der ohnehin viele Verunsicherungen mit sich bringt. Das Einheitsschulsystem der DDR mit seiner zehnjährigen Polytechni schen Oberschule (POS) ist politisch so diskreditiert, daß es keine ernsthafte politische Diskussion über seine Beibehaltung und Weiterentwicklung gibt. So ist zwar die Mehrheit der Eltern überzeugt, daß die ideologisierten Inhalte und Ziele der DDR-Schule nicht mehr zeitgemäß seien, zugleich jedoch hal ten sie zentrale Elemente der Schulstruktur nach wie vor für sinnvoll (Rolff u.a. 1992, S. 24ff): polytechnischer Unterricht (55%), gemeinsamer Schulbe such (49%), flächendeckendes Angebot an (Schul)Hortplätzen (88%), wohn ortnahe Schulversorgung (93%). Die Schulpolitik einzelner neuer Länder entspricht daher in Teilen nicht den Wünschen und Vorstellungen der Bevöl kerungsmehrheit. Die zentralistische Bildungsplanung und -organisation des Erziehungs staates DDR hatte im ganzen Land identische Schulstrukturen geschaffen, gleiches gilt für Inhalte, Ziele und Methoden des Unterrichts sowie für die Ausbildung der Lehrer. Demgegenüber begünstigen die unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern Unsicherheit, zumal die Öf fentlichkeit die Formen bzw. Rituale bildungspolitischer Auseinandersetzun gen nach altbundesdeutschem Muster noch nicht hinreichend kennt. Die Durchsetzung und Sicherung der neuen Strukturen geschieht teilwei se in Formen, die in ihrer Rigidität "an frühere Zeiten erinnern" und unter an derem die 1990 hoffnungsvoll begonnene Reform von unten nicht mehr zu lassen. Die Umstrukturierung muß mit dem alten Personal erfolgen, dem es an Kompetenzen und Erfahrungen teilweise fehlt (z.B. moderne Fremdsprachen, offene Formen des Unterrichts); für das gegenwärtige Schulsystem ausgebil deter Nachwuchs wird wegen des demographischen Zusammenbruchs (vgl. Klemm 1992) kaum eingestellt werden. Es ist wohl nicht zu vermeiden, daß Fehlentwicklungen und ungelöste Probleme der alten Bundesländer expor tiert werden. Sie sind Teil der Sache und letztlich nicht zu verhindern, insbe sondere wenn es noch an Verständnis und Erfahrungen mangelt. Im übrigen werden neben den Vorzügen der offenen, pluralen Gesell schaft ihre Antagonismen und Aporien importiert. Der Zentrale Runde Tisch in Berlin hatte 1990 gefordert: "Chancengleichheit als Entwicklung und Förderung von Individualität, soziale Integration, Gleichstellung jedes Menschen Achtung der Integrität und Unantastbarkeit der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen Anspruch einer ganzheitlichen Erziehung an den Bildungseinrichtungen keine Ausgrenzung von ,anders sein' und ,anders denken' und uneingeschränkte Glaubens-und Gewissensfreiheit 10 Wol/gang Melzer/Uwe Sandfuchs Integration von Behinderten, interkulturelle Erziehung in allen Bildungsformen Öffnung der Bildungseinrichtung für ihr unmittelbares soziales Umfeld als Stätte der Begegnung der Generationen und von sozialen Brücken" (zit. n. Peter 1995, S.4). Das klingt gut und ist richtig. Wer aber z.B. nicht ausgrenzen sondern inte grieren will, muß diese Position begründen, muß reflektieren, was das prak tisch heißt und wie es geschehen kann; wer Werte nicht vorschreiben und Andersdenkende nicht ausgrenzen will, muß nach dem gemeinsamen Nenner von Wertsystemen suchen, muß fragen, welche Werte Schule allen vermit teln soll und wie dies geschehen kann. Die Zeit der falschen Sicherheit mit ihren scheinbar einfachen Lösungen ist vorbei. Wir müssen uns alle durch die Debatten und Diskurse unserer Zeit schlagen, um zu einem eigenständi gen und begründbaren Standpunkt zu gelangen. Der vorliegende Band bilanziert die aktuellen Wandlungsprozesse, Dis kurse und Debatten um die Schule in Ost- und Westdeutschland. Er will in formieren, anregen und Anstöße für die Entwicklung der Schule der Zukunft geben. Wir haben uns bemüht, die Auswahl der Themen repräsentativ zu halten, gestehen jedoch ein, daß die Schwerpunkte notwendig zeitgebunden und subjektiv gesetzt sind. Wir haben verzichtet auf Diskussionen, die vorläufig abgeschlossen waren und auf solche, zu denen wir uns zum Zeitpunkt der Konzeptionierung des Bandes nicht in der Lage sahen, einen weiterführenden Beitrag beizusteuern.

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.