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Russland-Analysen Nr. 273 PDF

32 Pages·2014·1.57 MB·English
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NR. 273 14.03.2014 russland- analysen http://www.laender-analysen.de/russland/ Die RusslanD-KRise ■■AnAlyse Die Hilfe des großen Bruders Wie Russland die Krise in der Ukraine sieht 2 Susanne Spahn, Berlin ■■AnAlyse Militärische Implikationen der Krim-Krise 5 Margarete Klein/ Kristian Pester, Berlin ■■UmfrAge Die russischen Streitkräfte in Umfragen 7 ■■KommentAr Der Krim-Krieg findet nicht statt Strategie und Taktik einer zielgerichteten Eskalation und eine mögliche Konfliktlösung 8 Benno Ennker, Konstanz ■■stAtistiK Russland und die Ukraine: Wirtschaftsbeziehungen 11 ■■UmfrAge Russland und die Ukraine in aktuellen Meinungsumfragen 16 ■■Pressestimmen Aus der russischen Presse 21 ■■AUs rUssischen Blogs Krim: Kriegsszenarien und Sanktionen gegen Russland 24 ■■notizen AUs mosKAU Andere Realitäten 25 Jens Siegert, Moskau ■■chroniK 28. Februar – 13. März 2014 28 Freie Universität Berlin ► Deutsche Gesellschaft Forschungsstelle Osteuropa Osteuropa-Institut für Osteuropakunde e.V. an der Universität Bremen Die Russland-Analysen werden unterstützt von RUSSLAND-ANALYSEN NR. 273, 14.03.2014 2 ANALYSE Die hilfe des großen Bruders Wie russland die Krise in der Ukraine sieht Susanne Spahn, Berlin zusammenfassung Russland will seine Nachbarstaaten in der geplanten Eurasischen Wirtschaftsunion wirtschaftlich und poli- tisch dominieren. Moskau hat Belarus und andere Staaten bislang mit wirtschaftlichen Druckmitteln vom Beitritt zum Einheitlichen Wirtschaftsraum »überzeugt«. In der Ukraine greift Moskau jetzt mit der Ent- sendung von Truppen auf die Krim direkt ein und verletzt die territoriale Integrität des Nachbarlandes. Das ist ein Beleg für die besondere Bedeutung, die die Ukraine wie auch Belarus als Teile einer angenommenen ostslawischen Gemeinschaft für Russland haben. ein teil der großen russischen Welt … eingeschränkte souveränität Warum beansprucht die russische Führung ein Veto- Dass die Ukraine de facto nur über eingeschränkte Sou- Recht bei der Frage, welche außenpolitische Orien- veränität verfügt, demonstrierte Russland bereits im tierung Kiew wählt? Mit welchem Recht mischt sich Herbst 2013, als es im Vorfeld des geplanten Assozi- Russland in die inneren Angelegenheiten der Ukraine ierungsabkommens der Ukraine mit der EU zeitwei- ein – ein Vorwurf, der bislang immer dem Westen lig seine Grenzen für ukrainische Waren schloss. Die gemacht wurde, bis Moskau Ende Februar, Anfang ukrainische Führung um Viktor Janukowytsch beugte März Truppen auf die Krim entsandte und sich selbst sich dem russischen Druck. Moskau begründete dies mit die Maske der Neutralität in dem Konflikt herunter- wirtschaftlichen Schutzmaßnahmen. Da die Grenzen riss? Putin begründete dies beim EU-Russland-Gip- zwischen Russland und der Ukraine offen sind, könn- fel in Brüssel Ende Januar mit der »gewissen Spezifik ten Billigwaren aus Europa über die Ukraine auch den der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine«. russischen Markt überfluten, so die Argumentation. Die Was unter diesen spezifischen Beziehungen zu ver- Ukraine solle den Weg nach Europa unter russischer stehen ist, führte Putin vor dem internationalen Diskus- Ägide beschreiten, so die Vorstellung Putins: Erst wenn sionsclub Waldaj im September 2013 aus: »Wir werden Kiew der Zollunion von Russland, Belarus und Kasachs- nicht vergessen, dass die heutige Staatlichkeit Russlands tan beigetreten sei, könnten Verhandlungen über ein ihre Wurzeln am Dnepr hat. Die Kiewer Rus begann als Freihandelsabkommen mit der EU geführt werden, Grundlage des zukünftigen riesigen russischen Staats. erläuterte das Staatsoberhaupt vor dem Waldaj-Club. Wie haben eine gemeinsame Tradition, eine gemeinsame Moskau sei bereit, die krisengeschüttelte ukrainische Mentalität, eine gemeinsame Geschichte, eine gemein- Wirtschaft großzügig zu subventionieren: mit günstigen same Kultur. Unsere Sprachen sind sehr ähnlich. In die- Energieträgern und dem freien Zugang zum russischen sem Sinne, das will ich noch einmal wiederholen, sind Markt. Neun Milliarden US-Dollar könnte die Ukraine wir ein Volk.« Das ukrainische Volk sei Teil »unserer gro- damit jährlich einsparen, stellte Putin in Aussicht. ßen russischen Welt, der russisch-ukrainischen«. Natür- Damit schlägt Russland der Ukraine vor, dem Bei- lich respektiere Russland die ukrainische Unabhängig- spiel Belarus zu folgen. Als das Lukaschenka-Regime für keit, auch die Wahl der Prioritäten und Bündnispartner russische Energie Marktpreise zahlen sollte und stän- sei das souveräne Recht des ukrainischen Volkes, versi- dige Handelskriege und Importverbote für belarussi- cherte der russische Präsident. sche Waren die Wirtschaft des Landes erschütterten, Dies ist jedoch Theorie, de facto gesteht die russische befand sich Belarus 2010/2011 in einer Situation wie die Führung der Ukraine nur eine eingeschränkte Souverä- Ukraine heute, nämlich kurz vor der Zahlungsunfähig- nität zu. Das erwähnte Veto-Recht leitet Russland aus keit. Als die belarussische Führung unter Lukaschenka der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einer ostslawischen einlenkte, der Zollunion mit Russland beitrat und die Gemeinschaft von Russen, Ukrainern und Belarussen Gaspipelines vollständig an »Gazprom« verkaufte, flos- ab. In der Vergangenheit ist die ostslawische Gemein- sen die Subventionen wieder, der russische Markt war schaft im Russischen Reich und in der Sowjetunion wieder offen. Lukaschenka kann seitdem die unrefor- immer russisch dominiert gewesen, die Russen betrach- mierte belarussische Wirtschaft über Wasser halten und teten die Ukrainer (oder einst: die »Kleinrussen«) und somit sein politisches Überleben sichern. Die Integration die Belarussen als Teil ihrer Nation oder allenfalls als mit Russland bringt ihm günstige Energie, Handelsprä- jüngere Brüder. ferenzen und den Machterhalt des Regimes. Im Gegen- RUSSLAND-ANALYSEN NR. 273, 14.03.2014 3 zug tritt Belarus Teile seiner Souveränität an Russland geschah. Russland blockierte die Integration indes selbst, ab. Da sich der wirtschaftliche Niedergang aber trotz weil es politische Zugeständnisse forderte, zu denen der russischen Subventionen weiter fortsetzt, bleibt das die Ukraine nicht bereit war. Die Orange Revolution Regime Lukaschenka weiter angreifbar und ist damit 2004 wurde von der russischen Führung als geopoliti- gut von Moskau zu kontrollieren. sche Niederlage und Ausdehnung des westlichen Ein- flusses interpretiert. Zudem wuchs die Furcht vor einem Vorbild Belarus Übersprungeffekt, der eine Gefahr für das eigene auto- Mit Belarus hatte die Integrationspolitik Putins im post- ritäre Regime darstellen könnte. Putin warnte vor einer sowjetischen Raum ihren Anfang genommen. Der Uni- »Ukrainisierung« des politischen Systems in Russland. onsstaat von Russland und Belarus war 1999 als Vorstufe Es wurden propagandistisch, als vorgebliche Bedrohung eines Zusammenschlusses zu einem Staat gegründet Russlands »Feinde« im In- und Ausland aufgebaut, unter worden. Beim russisch-belarussischen Unionsstaat hat denen die »orange« Führung in der Ukraine – trotz die Idee einer ostslawischen Gemeinschaft eine große aller ostslawischer Gemeinsamkeit – ganz oben ran- Rolle gespielt; sie war die Gründungsidee. Der Ver- gierte. Dies sollte die russische Gesellschaft und die such, die ostslawische Gemeinschaft wieder zu errichten, Macht Putins stabilisieren. Der Widerstand gegen einen scheiterte jedoch, weil sich beide Seiten an Vorbildern Systemwechsel wurde zur obersten Maxime der Innen- aus der Vergangenheit orientierten, die ihre Gültigkeit und Außenpolitik. Die GUS musste als russische Inte- verloren hatten: Die Putin-Führung lehnte die Wieder- ressenssphäre und als Puffer gegen westlichen Einfluss herstellung von Wirtschaftsbeziehungen nach dem Vor- verteidigt werden. Mit dem Machtwechsel in Kiew 2010 bild der Sowjetunion und auf russische Kosten ab und und dem Amtsantritt des als prorussisch geltenden Prä- akzeptierte nicht die von Belarus geforderte Gleichbe- sidenten Janukowytsch sah Russland neue Chancen, rechtigung beider Staaten. Präsident Lukaschenka wollte die Ukraine in seine Integrationsprojekte einzubinden. weder sein Land als 90. Subjekt der Russischen Födera- tion anschließen noch mit Russland eine Art östliche EU Die eurasische integration aufbauen. So blieb der Unionsstaat eine Zollunion mit Die russische Führung beschleunigt seit 2010 ihre Inte- sicherheitspolitischen Komponenten wie der gemein- grationsaktivitäten im postsowjetischen Raum, die wur- samen Luftabwehr. Die weitgehend virtuelle Integra- den zur Schlüsselausrichtung der Außenpolitik der Rus- tionspolitik sicherte das wirtschaftliche Überleben des sischen Föderation erklärt. Moskau fühlte sich durch Regimes Lukaschenka: Mit einer Unterbrechung von die Europäische Union herausgefordert, deren östliche 2007 bis 2010 alimentierte Russland Belarus jährlich Partnerschaft als Konkurrenz um die Gunst der westli- mit einer Summe, die etwa einem Sechstel des belarus- chen GUS-Staaten gesehen wird. 2010 trat die Zollunion sischen BIP entsprach. Die Fassade des Unionsstaates von Russland, Belarus und Kasachstan in Kraft. 2012 ist bis heute bestehen geblieben, weil beide Seiten pro- erklärte Moskau den Einheitlichen Wirtschaftsraum fitieren. Belarus ist wirtschaftlich von Russland abhän- (gemeinsamer Binnenmarkt) zur Wirklichkeit – aller- gig, international isoliert und befindet sich damit im dings mit dem Manko, dass die Ukraine nicht betrat. Einflussbereich Russlands. Der Einheitliche Wirtschaftsraum (EWR) soll nach dem Willen Putins 2015 seine Vollendung in der Eura- Ukraine als Problemfall sischen Union finden – einem Gegenentwurf zur EU. In der Politik gegenüber der Ukraine hat die Idee der Anders als bei der EU handelt es sich bei diesen Vorha- ostslawischen Gemeinschaft ebenfalls eine Rolle gespielt, ben aber vorrangig um ein politisches Projekt, das von wenn sie auch nicht so stark artikuliert wurde wie im einem einzelnen Staat dominiert wird. Der supranatio- Verhältnis zu Belarus. Der Streit mit Russland um nale Zusammenschluss soll die Nachbarn über seine die Bestrebungen der Ukraine, der transatlantischen russisch dominierten Institutionen an Russland binden. Gemeinschaft (NATO) beizutreten, hat das bilaterale Die Politik von Zuckerbrot und Peitsche – die bei Verhältnis 2007/2008 erheblich belastet. Der Wider- Belarus zumindest teilweise erfolgreich war – wird von stand Russlands gegen einen Beitritt der Ukraine zur Moskau nun auch bei der Ukraine eingesetzt. Nachdem NATO wurde mit den »besonderen Beziehungen« die ukrainische -Führung unter Janukowytsch der EU- begründet, die sich aus den engen sprachlichen, reli- Assoziierung (vorerst) eine Absage erteilt hatte, eilte die giösen und kulturellen Verflechtungen und der gemein- russische Führung ihrem Kollegen mit einem 15-Milliar- samen Vergangenheit in einem Staat herleiteten. Russ- den-Kredit zu Hilfe und senkte den Gaspreis um ein Drit- land gründete 2003 den Einheitlichen Wirtschaftsraum, tel. Putin hat wiederholt versichert, dass der Kredit ohne um die Ukraine einzubinden, wenn dies auch nicht Bedingungen gewährt worden sei. Allerdings machte der unter dem Vorzeichen einer ostslawischen Einigung Präsident im Dezember 2013 bei einer Pressekonferenz RUSSLAND-ANALYSEN NR. 273, 14.03.2014 4 deutlich, dass die Vergünstigungen für Gas nur zeitwei- ein Wirtschafswachstum bis zu 9 % bis 2030, schrieb lig seien: Russland erwarte langfristige Entscheidungen, Glasjew in dem Beitrag auf seiner persönlichen Webseite. um den Preis zu halten. Russland strebt ein gemeinsa- »Die Ukraine ist und bleibt das historische und geistige mes Konsortium zur Verwaltung der Exportpipelines an. Zentrum der Russischen Welt und Kiew die Mutter der Die Agentur ITAR-TASS meldete, die Verhandlungen russischen Städte. Sie ist für die EU eine Versuchung mit »Gazprom« über den Verkauf eines Aktienpaketes des und kann zur Katastrophe werden, wie es schon mehr- ukrainischen Pipelinebetreibers sollten 2014 beginnen. fach bei den vergangen Versuchen der zwangsweisen Russland und einige ukrainische Oligarchen waren Eurointegration Russlands geschehen ist.« die beiden wichtigsten Machtsäulen des nun gestürzten Präsidenten Janukowytsch. Dass Russland mit dem Kre- fehlende nachhaltigkeit russischer dit nicht wie behauptet dem ukrainischen Volk helfen Außenpolitik wollte, sondern erstrangig das politische Überleben der Bisher strebte die Putin-Führung nicht die Annexion Janukowytsch-Führung zum Ziel hatte, wurde Ende der Nachbarstaaten an. Vielmehr sollen sie formal unab- Januar deutlich, als Putin nach der ersten Zahlung von hängig, aber von Moskau wirtschaftlich und politisch drei Milliarden US-Dollar die nächste Kredittranche kontrolliert werden. Ob diese Linie jetzt im Fall der auf Eis legte. Obwohl sich Janukowytsch nun im rus- Krim überschritten wird, bleibt abzuwarten. Einerseits sischen Exil befindet, sieht Moskau in ihm weiterhin erklärte Putin, Russland beabsichtige nicht, die Krim den legitimen Präsidenten der Ukraine. Denn von der in die Russische Föderation einzugliedern. Anderseits neuen Regierung in Kiew ist eine Teilnahme an Putins berief er sich auf das Recht der Völker zur Selbstbestim- eurasischen Integrationsprojekten kaum zu erwarten. mung: »Aber die Bürger selbst, die in bestimmten Ter- ritorien wohnen, haben das Recht, ihr eigenes Schick- Konservative Präsidentenberater sal zu bestimmen«, sagte der russische Präsident nach Einer der Vordenker dieser Integrationsprojekte ist der einem Bericht der Zeitung »RBK daily«. Berater des russischen Präsidenten für regionale Wirt- In seinem als »Sphäre privilegierter Interessen« defi- schaftsintegration Sergej Glasjew. Die Assoziierung nierten Hegemonialbereich duldet Moskau keinen west- mit der EU habe nach Ansicht Glasjews allein das Ziel, lichen Einfluss – da er auch als Gefahr für das eigene die Ukraine von Russland loszureißen und den Bei- autoritäre Regime wahrgenommen wird. Die Ukraine tritt Kiews zur Zollunion zu verhindern. Jetzt entfache und Belarus wie auch andere GUS-Staaten bleiben der Westen das Feuer, »um eine Notbremse zu schaf- wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit im russi- fen, die die Ukraine nicht zu uns lässt, zu Russland«, schen Einflussbereich. Doch Moskau verfolgt keine sagte der Professor im Interview mit dem Fernsehsender stringente außenpolitische Linie. Die Außenpolitik »Doschd«. Die Ukraine verliere im Freihandel mit der Russlands ist widersprüchlich, weil geopolitische und EU zwei Milliarden US-Dollar jährlich wegen der stei- wirtschaftliche Interessen kollidieren. Einerseits sol- genden Importe aus Europa, die Integration bringe nur len nationale Wirtschaftsinteressen durchgesetzt wer- die Verpflichtung, die europäischen Direktiven umzu- den, andererseits fällt Russland in seine Sponsorenrolle setzen: »Die Ukraine wird einfach zu einer Kolonie der zurück, um geopolitisch motivierte Integrationspro- Europäischen Union ohne das Recht einer selbststän- jekte voranzutreiben. Moskau verfügt über kein Inte- digen Wirtschafts- und Außenpolitik«, warnte Glasjew. grationsmodell, das der Konkurrenz der EU standhal- Der Beitritt zu Zollunion hingegen garantiere ein Plus ten könnte. Das russische Integrationskonzept beruht von zehn Milliarden US-Dollar jährlich und ein anhal- auf dem Austausch politischer Loyalität gegen wirt- tendes Wirtschaftswachstum. Mit Blick auf die West- schaftliche Präferenzen. Die außenpolitischen Instru- ukraine sagte Glasjew: »Welche Integration brauchen mente – wirtschaftliche und militärische Druckmittel sie – die, die damals in den Jahren 1941–42 bestand? sowie finanzielle Hilfe – sind nicht zukunftsfähig. Wenn Das war auch eine Eurointegration«, womit der Präsi- Russland kein alternatives Modell entwickelt, bleibt die dentenberater die EU-Integration mit der nazi-deut- Integration für Belarus und die Ukraine eine Zwangsja- schen Besatzung gleichsetzte. cke, aus der sie sich befreien, sobald sie dazu wirtschaft- In einem Aufsatz verglich der Präsidentenberater die lich in der Lage sind. Ebenso könnten sich Belarus und Ukraine mit einem an Schizophrenie erkrankten Patien- die Ukraine aus der Einflusssphäre lösen, wenn Russ- ten, der der imperialen Politik der USA und Polens zum land es sich infolge einer Wirtschaftskrise nicht mehr Opfer gefallen sei. Die Polen wollten die Ukraine wie leisten kann, die Nachbarn mit günstigen Rohstoffen in der Zwischenkriegszeit wieder an ihr Territorium und anderen Präferenzen zu alimentieren. anschließen. Die Heilung könne nur der »Doktor« Putin Informationen über die Autorin und einen Lesetipp bringen, der Beitritt zur Zollunion beschere der Ukraine finden Sie auf der nächsten Seite. RUSSLAND-ANALYSEN NR. 273, 14.03.2014 5 Über die Autorin Dr. phil. Susanne Spahn lebt als freie Journalistin, Historikerin und Politologin in Berlin. Sie ist auf Politik, Wirt- schaft und Geschichte Osteuropas spezialisiert. Kürzlich erschienen von ihr: »Warum die ostslawische Gemeinschaft der Russen, Belarussen und Ukrainer gescheitert ist«, in: Gasior, Agnieszka, Karl, Lars, Troebst, Stefan (Hg.): Post- Panslavismus. Slavizität, Slavische Idee und Antislavismus im 20. und 21. Jahrhundert. Göttingen 2014, S. 258–278. Ebenso: »Kritik bei der Symphonie unerwünscht. Staat, Russisch-Orthodoxe Kirche und Meinungsfreiheit in Russ- land«, in: Bökenkamp, Gérard (Hg.): Meinungsfreiheit und Religion. Berlin 2013, S. 167–191. Ihre Dissertation »Staatliche Unabhängigkeit – das Ende der ostslawischen Gemeinschaft? Die Außenpolitik Russlands gegenüber der Ukraine und Belarus seit 1991« wurde 2011 in Hamburg publiziert. Lesetipp Abfall der Ukraine wäre für Russland ein Schnitt ins Fleisch, Interview mit dem Osteuropa-Historiker Andreas Kappeler, in: Wiener Zeitung, 5.11.2013 ANALYSE militärische implikationen der Krim-Krise Margarete Klein/ Kristian Pester, Berlin Die Krim-Krise offenbart eine neue Qualität der ten Kräften, wie Marineinfanterie und Luftlandetrup- russischen Außenpolitik. Rechtfertigte der Kreml pen. Die Angaben zu diesem Kontingent schwanken den Einsatz seiner Soldaten im Georgienkrieg 2008 beträchtlich: Berichten zufolge sind es zwischen 2.000 noch mit dem Angriff auf die GUS-Friedenstruppen, und 15.000. Gleichzeitig ist völlig unklar, wie viele para- entsandte er die Streitkräfte diesmal vorsorglich zur militärische Verbände vor Ort sind und wem diese über- Sicherung politischer Interessen in die von ihm bean- haupt unterstehen. Sie helfen dabei, die ukrainischen spruchte Einflusszone. Die Aggressivität des russischen Militäranlagen zu bewachen und wichtige Verkehrs- Militäreinsatzes steht dabei im Kontrast zur bisherigen adern zu kontrollieren. Sollte die gegenwärtige Krise Zurückhaltung der ukrainischen Seite. Zwar wurde die in einen bewaffneten Konflikt münden, sind darüber landesweite Mobilmachung verkündet; bislang versu- hinaus sämtliche Truppenteile des westlichen und süd- chen die ukrainischen Soldaten aber nicht, sich gewalt- lichen Militärbezirks Russlands in die Berechnung ein- sam aus den umstellten Kasernen zu befreien. Das wirft zubeziehen. Deren verfügbare Waffensysteme überwie- die Frage auf, in welchem Zustand sich die ukraini- gen nicht nur nominal die der gesamten ukrainischen schen Streitkräfte befinden und welche Perspektiven Armee. Sie wären bei einer Offensive zudem logistisch sich daraus für den Konflikt zwischen Russland und in der Lage, ein begrenztes Territorium der Ostukraine der Ukraine ergeben. zu besetzen und zu halten. Auch in qualitativer Hinsicht sind die russischen militärischer Kräftevergleich Streitkräfte besser aufgestellt. Dies liegt vor allem In Bezug auf die quantitativen Parameter ist die rus- an den Ergebnissen eines 2008 initiierten umfassen- sische Seite der Ukraine um ein vielfaches überlegen. den Reformprogramms. In dessen Verlauf wurden So dienen Moskau insgesamt 6,5-mal mehr Soldaten die Landstreitkräfte von einer schwerfälligen Divi- als Kiew. Hinsichtlich Ausrüstung und Bewaffnung sionsgliederung in eine mobilere und flexiblere Ein- fällt das Ungleichgewicht ähnlich gravierend aus (siehe satzstruktur überführt sowie der Trainingszustand Tabelle 1 auf S. 6). Konzentriert man sich hingegen im Rahmen zahlreicher Übungen gesteigert. Auch auf die Krise auf der Krim, erscheint es sinnvoller, das im Bereich der Professionalisierung von Mannschaf- lokale Kräfteverhältnis zu bewerten. Derzeit ist davon ten und Unteroffizieren sind erste Erfolge zu verzeich- auszugehen, dass 13.000–15.000 russische Soldaten der nen. Andererseits konnte die veraltete Ausrüstung und Schwarzmeerflotte auf der Halbinsel stationiert sind; Bewaffnung bislang nur in begrenztem Umfang erneu- hinzu kommen die Verstärkungen mit spezialisier- ert werden. RUSSLAND-ANALYSEN NR. 273, 14.03.2014 6 Verteidigungspolitische Kontextfaktoren kräfte pendelte unterdessen zwischen einer westlichen Trotz dieser zwiespältigen Bilanz ist aber festzustellen: Orientierung, einer neutralen Positionierung und der Die bisherigen Versuche Kiews, das Militär auf ähn- stärkeren Kooperation mit Russland. liche Weise umzugestalten, sind im Vergleich weitaus weniger erfolgreich verlaufen. Eine maßgebliche Ursa- Der militäreinsatz bleibt eine option che hierfür ist die chronische Unterfinanzierung der Angesichts dieser Situation ist offensichtlich, dass die ukrainischen Armee. Selbst wenn man berücksichtigt, ukrainischen Streitkräfte nur äußerst begrenzt in der dass Russland ein umfangreiches Nukleararsenal auf- Lage sind, den gegenwärtigen russischen Militärein- rechterhält und weitaus mehr Soldaten besitzt, steht der satzes auf der Krim zurückzudrängen. Im Falle eines ukrainische Verteidigungsetat in keinem Verhältnis zum lokalen oder sich sogar regional ausweitenden bewaff- Umfang und Auftrag der Streitkräfte. Er stagniert auf neten Schlagabtausches wären sie der russischen Seite sehr niedrigem Niveau, während die russischen Vertei- sicher unterlegen. Vor dem Hintergrund der atembe- digungsausgaben in den letzten Jahren massiv erhöht raubenden Eskalationsdynamik und der Tatsache, dass wurden. (siehe Tabelle 2 auf S. 6 und Grafik 1 auf S. 7). die verhängten und angedrohten politischen und wirt- Darüber hinaus belasteten in der Ukraine die wech- schaftlichen Sanktionen bislang kein Einlenken Mos- selhaften politischen Rahmenbedingungen in der Ver- kaus bewirkten, könnten militärische Optionen in der gangenheit sowohl eine kohärente Zielsetzung als auch europäischen und transatlantischen Diskussion künftig die Umsetzung von Reformen. Seit der »orangen Revolu- eine größere Rolle spielen. Bereits in den vergangenen tion« im Dezember 2004 amtierten acht Verteidigungs- Tagen ergriff die NATO erste Maßnahmen zur Rück- minister. Die militärstrategische Ausrichtung der Streit- versicherung ihrer östlichen Mitgliedstaaten. Über die Autoren Dr. Margarete Klein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien der Stif- tung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Sie arbeitet dort zu Fragen der russischen Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik. Kristian Pester, Major i.G., Dipl.-Päd., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe: Osteuropa und Eurasien <http://www.swp-berlin.org/de/forschungsgruppen/osteuropa-und-eurasien.html>, Stiftung Wissenschaft und Politik. tabelle 1: Kräftevergleich der russischen und ukrainischen streitkräfte russland Ukraine Truppenstärke 845.000 129.950 darunter spezialisierte Kräfte 55.000 9.000 (Luftlandetruppen, Marineinfanterie) Bewaffnete Kräfte anderer Ressorts 519.000 94.000 (u. a. Innenministerium) Kampfpanzer 2550 1110 Bomber 141 0 Kampfjets 580 126 U-Boote 64 1 Fregatten, Kreuzer und Zerstörer 42 1 Landungsschiffe 39 5 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Daten von International Institute of Strategic Studies, Military Balance 2013. tabelle 2: russischer und ukrainischer Verteidigungsetat (in mrd. euro) 2009 2010 2011 2012 2013 Russland 46,35 40,57 41,29 44,32 49,74 Ukraine 1,05 1,18 1,29 1,54 1,40 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Daten von Jane’s Military and Security Intelligence Center (IHS), 2014. RUSSLAND-ANALYSEN NR. 273, 14.03.2014 7 grafik 1: russisches und ukrainisches Verteidigungsbudget (in mrd. eUr) 60 Russland Ukraine 49,74 50 46,35 44,32 40,57 41,29 40 30 20 10 1,05 1,18 1,29 1,54 1,40 0 9 0 1 2 3 0 1 1 1 1 0 0 0 0 0 2 2 2 2 2 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Daten von Jane’s Military and Security Intelligence Center (IHS), 2014. UmFRAGE Die russischen streitkräfte in Umfragen grafik 2: Wie würden sie den aktuellen zustand der russischen Armee bewerten? Feb 2014 Nov 2013 Feb 2013 Feb 2011 Feb 2010 Feb 2009 Dez 1993 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Sehr gut Gut Mittelmäßig Keine Antwort Schlecht Sehr schlecht Quelle: Umfragen des WZIOM vom 15.–16. Februar 2014, N = 1603. Veröffentlicht am 4. März 2014 unter: <http://wciom.ru/index.php?id=459&uid=114729> RUSSLAND-ANALYSEN NR. 273, 14.03.2014 8 grafik 3: Besteht aktuell Kriegsgefahr für russland von seiten anderer länder? Feb 2014 Feb 2010 Jan 2009 Jan 2002 Mai 2000 0% 20% 40% 60% 80% 100% Auf jeden Fall Eher ja Keine Antwort* Eher nein Auf keinen Fall * Bis 2009 war diese Antwortoption nicht vorgesehen Quelle: Umfragen des WZIOM vom 15.–16. Februar 2014, N = 1603. Veröffentlicht am 4. März 2014 unter: <http://wciom.ru/index.php?id=459&uid=114729> KOmmENtAR Der Krim-Krieg findet nicht statt strategie und taktik einer zielgerichteten eskalation und eine mögliche Konfliktlösung Benno Ennker, Konstanz »großer Plan« oder Panikreaktion? die Ordnung des Machtstaates als weltweites Beispiel Der Konflikt um die Krim, den Wladimir Putin seit dem »moralischen Verfall« des Westens durch libertäre Wochen von einer Eskalationsstufe zur nächsten treibt, Gesetzgebung gegenübergestellt wird. Dabei wird nun ist eine Reaktion auf die EU-Assoziierung und den neben den USA auch die Europäische Union als Gegner Sturz des Janukowytsch-Regimes. Um die Interessen wahrgenommen. Russland hat die »Europäische Nach- und Motive der russischen Führung genauer zu erfassen, barschaftspolitik« als »Östliche Partnerschaft« (seit 2009), muss ihr strategischer und taktischer Kontext betrachtet die sich an die Ukraine, Weißrussland und Moldawien, werden. Den Hintergrund bildet eine mit der 3. Putin- sowie an Armenien, Aserbaidschan und Georgien rich- schen Präsidentschaft begonnene ausdrücklich anti-west- tet, immer als feindliches Eindringen in den von ihm liche Ausrichtung der russischen Innen- und Außenpoli- dominierten geopolitischen Raum der postsowjetischen tik. Putin hat diese bei seinen großen Pressekonferenzen Staaten betrachtet. Der war nach dem Georgien-Krieg Ende 2012 und Ende 2013 unterstrichen, und sie hat 2008 durch den damaligen Präsidenten Dmitrij Med- ihren dokumentarischen Ausdruck in der »Außenpoli- wedew als russische Interessensphäre deklariert worden. tischen Konzeption« erhalten, wie sie Putin im Februar Im Oktober 2011 veröffentlichte Putin seinen Plan 2013 unterschrieben und dem Sicherheitsrat der Russi- für eine »Eurasische Union«, die den Ausgangspunkt für schen Föderation präsentiert hat. Dort wird für Russ- eine politische Integration bieten solle. Als Mitglieder land – auch ideologisch und propagandistisch – eine oder Anwärter firmieren neben Russland und Belarus strategische Positionierung als Gegenpart des Westens auch Kasachstan, seit kurzem auch Armenien, das sich, festgeschrieben, in der konservativ-autoritäre Werte und nachdem von Russland erheblicher wirtschaftlicher und RUSSLAND-ANALYSEN NR. 273, 14.03.2014 9 politischer Druck ausgeübt wurde, auf den Status als über die Regierungs-Koalition hinaus – fast sämtli- Beobachter-Staat und Kandidat für den Beitritt festge- che Teile des Parlaments umfasst. legt hat. Für Russland ist die Ukraine nicht nur in wirt- • Dabei konnte auch der größere Teil der wirtschaft- schaftlicher und geostrategischer Hinsicht das Herzstück lichen Elite, nicht zuletzt die wichtigsten Oligar- dieser neuen Union. Deswegen ringt Russland um die- chen, auf eine Loyalität zum ukrainischen Staat ver- ses Land unter Einsatz aller ökonomischen, politischen pflichtet und außerdem die Institutionen des Staates und ideologischen Instrumente. Das imperiale Projekt zunehmend stabilisiert werden. kann als das einzige zentrale strategische Projekt von • Ob die angeblich »prorussischen« Regionen im Süd- Putins dritter Präsidentschaft angesehen werden, mit osten des Landes den separatistischen Weg gehen dem er das ganze innenpolitische Prestige seiner Person wollen, der auf der Krim gewaltsam eingeschlagen verbindet, und das das Trauma der Auflösung der Sow- worden ist, hängt sicher davon ab, welche Integra- jetunion als »geopolitischer Katastrophe« heilen soll. Für tionsschritte die neue Regierung vorsieht und wel- den Kreml stehen diese geostrategische Dimensionen der che Garantien für die Kultur und Repräsentation russischen Außenpolitik auf dem Spiel, seit seine Inte- der russischen Minderheit im Land gegeben werden. grationsbemühungen mit der Krise und dann dem Fall • Die EU zeigt zunehmend Bewusstsein dafür, dass die des Janukowytsch-Regime einen Rückschlag erlitten. Demokratie in der Ukraine nur dann eine Chance Man kann das russische Vorgehen, das so einseitig hat, wenn sie kurzfristig durch Wohlfahrtserfah- auf politische und militärische Mittel zurückgreift und rungen auf Basis einer ökonomischen Stabilisierung auf kurzfristige Erfolge abzielt, als eine Flucht nach vorn gestützt wird. betrachten, die offensichtlich allein nach den Logiken Putins Risiken in seinem Vabanquespiel steigen von von Militär- und Geheimdienstoperationen erfolgt und Tag zu Tag: Die Beunruhigung unter den Nachbar- dabei nicht auf augenblickliche Kollateralschäden und staaten über den Grenz-Revisionismus Russlands unter längerfristige Folgeschäden politischer Art Rücksicht Hinweis auf den Schutz russischer Minderheiten dürfte nimmt. Die politischen und militärischen Mittel, die als zunehmen, da sie selbst vielfach einen russischen Bevöl- Reaktion eingesetzt wurden, zielen auf kurzfristige, durch kerungsanteil von 10 bis 25 % haben – zumal in Grenz- unmittelbaren Gewalt und Druck erzeugte Wirkungen, regionen. Damit könnte die Bereitschaft, an Putins in der Hoffnung, den gesamten Prozess in der Ukraine Eurasischer Union mitzuwirken, fraglich werden. Am sowie die »geopolitische Niederlage« dort zurückzudre- Ort des Geschehens, auf der Krim, ist geradezu ein hen, die Ukraine unter Androhung einer Spaltung auf »totalitärer Raum« konstituiert worden, denn dort hat das Gleis der Ost-Integration zu zwingen. Das russi- sich unter Russlands Protektion ein gefährlicher, z. T. sche Vorgehen wurde unter Bedingungen eines großen bewaffneter Mob breit gemacht, der sowohl das Par- Konsenses der politischen Elite und des größten Teils lament als auch alle widerspruchsbereiten Einwohner der Gesellschaft möglich, weil Putin damit auf prinzi- sowie ausländische Journalisten und OSZE-Beobach- pielle strategische Dispositionen zurückgriff, die seit lan- ter bedroht und auf Konfrontation mit den ukraini- gem vorbereitet und seit kurzem zugespitzt worden sind. schen Militäreinheiten aus ist. Sollte Putin die Aggres- sion nicht einstellen, würden wirtschaftliche Sanktionen fehlkalkulationen und schwächen der sowohl die Angehörigen der Elite Russlands als auch russischen Aggression seine wirtschaftlichen Strukturen treffen. Ob unter sol- Die Fehlkalkulationen bzw. Schwächen des aggressi- chem Druck die wirtschaftliche und politische Elite ven russischen Vorgehens lassen sich in einigen Punk- unverbrüchlich zu einem Abenteurer hält, ist ebenfalls ten zusammenfassen: fraglich. Es wird darauf ankommen, dass diese Sank- • Die Begründungen (Gefährdung der Russen in der tionen einen derartigen Druck erzeugen können, dass Ukraine) und die Camouflage der militärischen das »Abenteuer Ukraine« für die wirtschaftlichen und Intervention sind für die Weltöffentlichkeit mehr politischen Eliten Russlands zu heikel wird. als durchschaubar; • Im Unterschied zur Georgien-Krise findet sich auf strategische ziele für eine Konfliktlösung Seiten der EU eine einheitliche Meinungs- und Ent- Hauptziel bleibt ohne Zweifel, den Rahmen für demo- scheidungsbildung; ähnliches gilt für deren Verhält- kratische Freiheit für das ukrainische Volk und für die nis zur Haltung der USA, wenn diese auch keine Souveränität und Integrität seines Staates zu gewährleis- »Hyperaktivität« an den Tag legen. ten. Ob dies in Hinblick auf die Krim auf Dauer durch- • In der Ukraine ist bisher eine Einheitlichkeit der sich gesetzt werden kann, bleibt offen. Gegenwärtig dürfen neu bildenden politischen Elite zustande gekommen, dort »Volksabstimmungen« unter Belagerungszustand die unter dem Druck der Gefährdung des Staates – und Straßenterror nicht anerkannt werden. Erst wenn die RUSSLAND-ANALYSEN NR. 273, 14.03.2014 10 Konsolidierung des ukrainische Staates und seiner Demo- mung aller geopolitischen Akteure notwendig ist, verlangt kratie durch freie Neuwahlen, evtl. auch zu einer Ver- sie von allen Seiten die Einsicht, dass folgende Alternative fassunggebenden Versammlung, unter massiver OSZE- besteht: Entweder die Ukraine unter diesen Kautelen zu Beobachtung ermöglicht und erreicht wird, kann eine erhalten und zu garantieren und sie ohne militärisches solche Volksabstimmung unter Bedingungen einer Zivil- Bündnis zu erhalten, oder sie im Falle einer Abspaltung gesellschaft zugesagt werden. Dies hat zur Voraussetzung, ihrer südöstlichen Teile zugunsten der Russischen Föde- dass die Integrität des Staates in Bezug auf die südöstli- ration in die NATO zu integrieren. Bedrohten Ländern chen Regionen garantiert und beachtet wird. Von ukrai- wie Georgien und Moldau dürfte dann eine Mitglied- nischer Seite würde dies wahrscheinlich die Entwicklung schaft auch nicht mehr verwehrt werden. Zu den pro- eines föderativen Staatsaufbaus verlangen, wie er in den duktiven Lösungsansätzen gehört zudem, dass bei einer betreffenden Regionen häufig verlangt wird. Da für eine Einigung eine neue Partnerschaft mit entsprechenden Konfliktlösung – ähnlich wie in dem am 5.3.2014 von Handelserleichterungen zwischen der EU und der Eura- Henry Kissinger vorgeschlagenen Modell – die Zustim- sischen Union in Aussicht gestellt wird. Über den Autor Dr. Benno Ennker, Osteuropa-Historiker und Sozialwissenschaftler; bis vor kurzem wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für osteuropäische Geschichte und Landeskunde der Uni Tübingen, lehrt Russische Kultur- und Sozial- geschichte an der Uni St. Gallen (CH). Zuletzt sind von ihm erschienen: • Russland in Bewegung. Putins alte Ordnung und die neuen Dekabristen. In: Osteuropa 1(2012), S. 41–55. • Zweierlei Krisen in Russland. Machterosion und Neuorientierung. In: Osteuropa 3(2012), S. 3–20. • Putin und seine Freunde. Die Elite und die Bruchstellen der Macht. In: Osteuropa 6–8(2012), S. 125–143. Lesetipps • Concept of the Foreign Policy of the Russian Federation. Approved by President of the Russian Federation V. Putin on 12 February 2013 <http://www.mid.ru/brp_4.nsf/0/76389FEC168189ED44257B2E0039B16D> • Taras Kuzio: Crimea – from playground to battleground, in: Open Democracy. (Russia and beyond), 27.2.2014 <http://www.opendemocracy.net/od-russia/taras-kuzio/crimea-–-from-playground-to-battleground> • »Ukraine: The Russia Factor in Crimea – Ukraine’s ›Soft Underbelly‹?« US Embassy Kyiv, December 17, 2006 <http://wikileaks.org/cable/2006/12/06KYIV4489.html> • Henry A. Kissinger: How the Ukraine crisis ends,– The Washington Post, March 5, 2014 <http://www.washing tonpost.com/opinions/henry-kissinger-to-settle-the-ukraine-crisis-start-at-the-end/2014/03/05/46dad868-a496-11 e3-8466-d34c451760b9_story.html> grafik 4: Würden sie gegenwärtig den einsatz russischer truppen auf dem territorium der Krim und anderen regionen der Ukraine befürworten? Ja Eher ja 20% 38% Keine Antwort 16% Nein Eher nein 6% 20% Quelle: Umfragen des Lewada-Zentrums vom 7.–10. März 2014, N = 1603. Veröffentlicht am 13. März 2014 unter: <http://www.levada.ru/print/13-03-2014/situatsiya-v-ukraine-i-v-krymu>

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(Russia and beyond), 27.2.2014. . • »Ukraine: The Russia Factor in Crimea – Ukraine's ›Soft Underbelly‹?« US Embassy Kyiv, December 17, 2006. .
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