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Rekonstruktion von Handlungen: Alltagsintuitionen und soziologische Begriffsbildung PDF

315 Pages·1989·6.113 MB·German
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Andreas Balog· Rekonstruktion von Handlungen Studien zur Sozialwissenschaft Band 77 Westdeutscher Verlag Andreas Balog Rekonstruktion von Handlungen Alltagsintuitionen und soziologische Begrijfsbildung Westdeutscher Verlag CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Balog, Andreas: Rekonstruktion von Handlungen: Alltagsintuitionen und soziologische Begriffsbildung I Andreas Balog. Opladen: Westdt. VerI., 1989 (Studien zur Sozialwissenschaft; Bd. 77) ISBN 3-531-12031-X ;\IE: GT Der Westdeutsche Verlag ist cin Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann. Alle Rechte vorbehalten © 1989 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung aufkrhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fUr Vervielfaltigungen, Obersetzungen, Mikrover filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: studio fur visuelle kommunikation, Diisseldorf ISBN-13: 978-3-531-12031-7 e-ISBN-13: 978-3-322-88740-5 DOl: 10.1007/978-3-322-88740-5 Inhalt Vorwort VII Einleitung 1 . Theorie der Begriffsbildung 5 1.1 Ebenen der Begriffsbildung 6 1 .2 Soziologische Grundbegriffe 10 1 .3 Grundbegriffe und Lebensweltanalyse 17 1.4 Exkurs: Webers Soziologische Grundbegriffe 19 2. Der Begriff des Handelns 27 2.1 Zur Bedeutung der "Theorie des Handelns" bei Weber 27 2.2 Das Handlungsverstehen. Der Begriff "Intentionalitat" 32 2.3 Unterlassungen und "innere Handlungen" 40 2.4 Exkurs: Intentionalitat und Intersubjektivitat soziologischer Handlungsbegriffe 43 2.5 Handlungsverstehen und Handlungserklarungen 48 2.6 Handlung als Grundbegriff 53 3. Interesse und soziale Struktur 59 3.1 Grunde als Handlungserklarungen 59 3.2 Interesse als Handlungserklarung 64 3.3 Der Interessenbegriff in der Sozialwissenschaft 69 3.4 Interessen in der Forschungspraxis 73 3.5 Exkurs: Interesse und BedOrfnis 79 4. Normbegriff und Normanwendung 83 4.1 Normdefinitionen und Normbegriffe 83 4.2 Normative Handlungserklarungen 89 4.3 Normative Handlungsanalyse 93 4.4 Normative Selektivitat 101 5. Rollen als mehrstufige Handlungen 109 5.1 Mehrstufige Handlungen 109 5.2 Rolle und Handlung 111 5.3 Der Rollenbegriff der Soziologie 119 5.4 Exkurs: Theoretische Aspekte des Rollenbegriffs 133 6. Der Begriff der Organisation 139 6.1 Organisation und Gruppe 139 6.2 Organisation als Rollenkontext 141 6.3 Organisation als graduelles Phanomen 156 6.4 Organisations beg riff und organisatorische Prozesse 160 6.5 Exkurs: Organisationen als Systeme 165 V 7. Soziale Klasse als Handlungskontext 169 7.1 "Klasse" und "Schicht" im Alltag 170 7.2 Klassen in der soziologischen Theorie 179 7.3 Dimensionen der KlassenzugehOrigkeit 188 7.4 KlassenbewuBtsein und kollektives Handeln 195 8. Grenzen der handlungsbegrifflichen Rekonstruktion: Systembegriffe 199 8.1 Dimensionen des System beg riffs 199 8.2 System beg riff und Systemtheorie 204 8.3 Exkurs: Macht als Handlungs- und System beg riff 217 9. 8egriffsbildung und soziologische Theorie 221 9.1 Grundbegriffe und Handlungsanalyse 221 9.2 Die Einheit des soziologischen Objektbereichs 228 9.3 Zwei Soziologien 233 Anmerkungen 239 Literatur 285 VI VORWORT Dieses Buch ist aus meiner skeptischen Einschatzung der Entwicklung der Soziologie in den letzten Jahrzehnten heraus entstanden. Zum einen hat sich die Theorie gegenOber der "uns umgebenden Wirklichkeit des Lebens" (Weber) verselbstandigt, so daB es haufig unklar ist, worOber sie Aussagen macht. Zum anderen werden in der Theorie wie auch in der Empirie haufig Begriffe verwendet, deren Bezug zu den "sozialen Tatsa chen" ungeklart ist. Das Ziel dieses Buches besteht daher darin, zu einer Theorie der soziologischen Begriffsbildung und damit zur Bestimmung des Objektbereichs der Soziologie beizutragen. Ich versuche nachzuwei sen, daB die Verbindung von Begriffen der Soziologie mit jenen, die im Alltagsleben zur Bezeichnung sozialer Sachverhalte verwendet werden, eine notwendige ist. Wie ich diese Verbindung argumentiere, grOndet in meiner Beschafti gung mit der analytischen Philosophie. Es ist meine Uberzeugung, daB in der Verwendungsweise der Begriffe, mit deren Hilfe in der Soziologie so ziale Phanomene identifiziert werden, die Struktur von "Gesellschaft" auf gezeigt werden kann. "Gesellschaft" ist jedoch keine Erfindung der So ziologie, sondern wesentlicher Aspekt unserer "alltaglichen" Handlungen und Einstellungen, die daher in all jenen Begriffen exp/izit gemacht werden kann, die wir als Gesellschaftsangehbrige zur Identifikation dieser Zu stande verwenden. Die strukturelle Identitat dieser zwei Ebenen der Be griffsbildung - der alltaglichen und der soziologischen - soli dement sprechend durch "Aufweis der Verwendungsregel der entsprechenden Wbrter" in der Soziologie wie in der Alltagssprache aufgezeigt werden. Die Arbeit ist daher einem "methodischen Begriff von sprachanalytischer Phi losophie" (Tugendhat 1979) verpflichtet. Die begrifflichen Rekonstruktio nen stehen dabei nicht fOr sich. Sie sollen beweisen, daB eine spezifische Sichtweise von Gesellschaft und Soziologie richtig ist. Gesellschaft kommt in den Handlungen der Gesellschaftsangehbrigen zum Ausdruck, Sozio logie ist daher auf die Rekonstruktion dieser Handlungen und intentionaler Zustande zur Identifikation ihres Objektbereichs angewiesen. Beim Schreiben der Arbeit ist mir vielfach UnterstUtzung zuteil gewor den. FOr fachliche Kritik danke ich Johannes Berger und Constans Seyfarth. Ihre Einwande haben mich veranlaBt, Argumentationen zu Ober den ken und zu erganzen. Ich bin mir allerdings im klaren, daB dadurch die Meinungsverschiedenheiten nicht ausgeraumt sind. Danken mbchte ich auch fOr die Ermutigung, die ich von Richard Grathoff und insbesondere von Rene Kbnig erfahren habe. Besonders zu danken habe ich Anton Amann fOr sein Interesse und die ausfOhrliche und anregende Diskussion. Viele seiner Vorschlage habe ich berOcksichtigt. DaB aus einem Rohma nuskript ein lesbarer Text wurde, verdanke ich zu einem nicht unwesent lichen Teil Erich Kramer, dessen Hinweise mich zu inhaltlichen und forma len Korrekturen veranlaBt haben. Waltraud Haas schrieb das Manuskript mit dankenswerter Sorgfalt und Sinn fOr formale Gestaltung. Rosina Auner, Paul Kostal und Rudolf Matuschek danke ich fOr die prazise Herstellung der Druckvorlage. Am meisten mbchte ich Eva Cyba danken. Sie hat die zentralen Aspekte der Arbeit mit mir kontinuierlich diskutiert. Diese VII Diskussionen bilden die Basis fOr wesentliche Teile der im Buch formulierten Theorie. Auch habe ich von ihr emotionale und moralische UnterstOtzung erfahren, ohne die dieses Buch wohl kaum geschrieben worden ware. VIII EINLEITUNG Die vorliegende Arbeit bildet den Versuch einer systematischen Rekon struktion des Verhaltnisses von soziologischer Begriffsbildung und den Begriffen des gesellschaftlichen Alltags. Wenn Soziologie eine Wissen schaft Ober die soziale Welt ist, mit der wir als Gesellschaftsangehorige zu tun haben, so mOssen die soziologischen Begriffe auf alltagsweltliche Phanomene und die Begriffe, in denen sie erfaBt werden, Bezug nehmen. Die Aufgabe der Rekonstruktion soziologischer Begriffe, wie sie in dieser Arbeit unternommen wird, besteht darin, die Art und Weise explizit zu machen, wie soziologische Begriffe auf die Phanomene des Alltags bezo gen sind. In diesem Sinn ist diese Arbeit eine Analyse des soziologischen Sprachgebrauchs, um die Verbindung der soziologischen Begriffsbildung mit Alltagsphanomenen transparent zu machen. Diese Fragestellung kann nur im Rahmen einer Perspektive analysiert werden, die die Verbindung der alltaglichen Begriffe Ober soziale Phanomene mit dem deskriptiven Vokabular der Soziologie verfolgt. Inso fern ist diese Arbeit keine theoretische Arbeit in einem traditionellen Sinn. Die soziologische Theorie fragt nach Bedingungen der sozialen Koordina tion, den Voraussetzungen des Bestehens und der Veranderung von Gesellschaft. Die Rekonstruktion der soziologischen Begriffsbildung zielt dagegen auf Probleme der Beschreibung sozialer Phanomene, also auf eine andere Ebene. 1m Mittelpunkt dieser Arbeit steht die systematische Rekonstruktion des Alltagsbezugs soziologischer Grundbegriffe. Die Entwicklung dieser Pro blemstellung im Rahmen der Geschichte der Soziologie wird an Hand wichtiger Autoren in Exkursen behandelt. Die begrifflichen Analysen knOpfen an eine Tradition an, die in der Soziologie auf die Methodenlehre M. Webers zurOckgeht und in der Foige von phanomenologisch und interaktionistisch orientierten Autoren weiter verfolgt wurde. Das bedeutet aber nicht, daB die Grundannahmen von Weber, der Phanomenologie oder des Interaktionismus hinsichtlich der Struktur des Objektbereichs Obernommen wOrden. FOr diese Arbeit ist diese Tradition wegen des spezifischen Bezugs auf den Objektbereich der Soziologie von Bedeutung. Dieser wird nicht als eine von den Einstellungen und Wahrnehmungen der Gesellschaftsange horigen unabhangige und ihnen vorgegebene Ebene der Wirklichkeit auf gefaBt, sondern er kommt in den Verhaltensweisen der Gesellschafts angehorigen zum Ausdruck; diese werden in der Form von Handlungen hervorgebracht (1). Soziologie gewinnt damit den Stellenwert einer Wissenschaft, die ihren Objektbereich rekonstruktiv erschlieBen muB. Die soziologische Reflexion Ober das Verhaltnis von Soziologie und ihrem Objektbereich und damit von soziologischen Begriffen und Alltagskategorien knOpft traditionellerweise an den Begriff des Handelns an, als jenen Begriff, der fOr beide Ebenen konstitutiv ist. Das Verstehen "gewohnlicher" Handlungen in der Alltagswelt bildet die Voraussetzung fOr die Identifikation jener sozialen Phanomene, an denen die Soziologie traditionellerweise Interesse hat. Es sind Handlungen, die in der Soziologie unter spezifischen Gesichtspunkten erfaBt werden und damit den Forschungsbereich abstecken. Die Anknupfung an Handlungen gewahr leistet die Verankerung der von der Soziologie analysierten Phanomene in der Alltagswelt der Gesellschaftsangehbrigen. Um dies im einzelnen nach zuweisen, werden in dieser Arbeit auch Aspekte von Handlungen hervor gehoben, die bislang im Rahmen der Soziologie nicht beachtet wurden. Die vorliegende Arbeit stellt daher den Versuch dar, eine spezifische Interpretation des Verhaltnisses von Soziologie und Handlung zu formulieren und die Gultigkeit dieses Ansatzes in exemplarischen Unter suchungen nachzuweisen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Wissens uber Handlungen und soziale Phanomene kann die Definition von Soziologie als einer Handlungswissenschaft, wie sie zuerst von M. Weber aufgestellt wurde, in einer plausibleren Weise begrundet werden, als dies Weber selbst mbglich war. Die Begrundung der Soziologie als Handlungswissenschaft, die in dieser Arbeit unternommen wird, ist sowohl umfassender als auch enger als die Webers. Sie ist umfassender, da bewiesen werden soli, daB Handlungsbegriffe fUr die Identifikation sozialer Phanomene unabdingbar sind. Soziale Phanomene als Handlungen und deren Verknupfung zu identifizieren, ist keine beliebige theoretische oder methodologische Entscheidung, die auch anders ausfallen kbnnte, solange die Soziologie als eine Wissenschaft verstanden wird, die Phanomene des sozialen AII tags zu ihrem Objekt macht. Die hier vorgetragene Interpretation ist im Gegensatz zu Webers Anspruch enger, da sie sich nur auf die Ebene der Beschreibung, nicht aber die der Erklarung der Entstehung und Wirkung von Phanomenen bezieht. Aus diesem Grund erscheint auch die Bezeichnung "Handlungs theorie" als zu weitgehend: was hier versucht wird, ist eine handlungs begriffliche Rekonstruktion soziologischer Grundbegriffe. Es gibt keine verbindliche Regelung daruber, was mit Grundbegriffen gemeint ist, sehr wohl aber eine traditionelle Ubereinstimmung daruber, welchen Kategorien ein grundbegrifflicher Status zukommt. In dieser Ar beit verstehe ich darunter die Bezeichnung fUr Phanomene, die traditio nellerweise im Mittelpunkt des soziologischen Forschungsinteresses ste hen. Grundbegriffe heben jene Phanomene, bzw. Aspekte von Phano menen und Ereignissen heraus, die die Soziologie zum Thema macht. Ein fur die Soziologie interessantes Phanomen hat demnach einen Bezug zu den Grundbegriffen. In dieser Bedeutung haben die Grundbegriffe immer einen deskriptiven Sinn: was man jeweils als Ziel der Soziologie ansieht, welche Erklarungsgrundsatze man bevorzugt, man kommt nicht um die Beschreibung der Phanomene herum, die erklart oder mit deren Hilfe an dere Phanomene erklart werden sollen (2). Auch auf einer hbheren Ebene der Abstraktion in der "soziologischen Theorie" bleibt der deskriptive Be zug bestehen, der immer ein Bezug zur Alltagswelt der Gesellschafts angehbrigen sein muB, wenn Theorien auf die soziale Welt angewendet oder auch nur exemplarisch verdeutlicht werden sollen. 1m Mittelpunkt der Analysen steht die beschreibende Verwendung soziologischer Grundbegriffe, also die Kriterien fUr die Abgrenzung jener Phanomene, auf die sie Bezug nehmen. Auf die weitere Ebene der Erkla- 2

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