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Probleme der Gedächtnisspuren. Was kann der Biologe noch von der Elektronenmikroskopie erwarten?: 193. Sitzung am 2 Dezember 1970 in Düsseldorf PDF

108 Pages·1971·3.751 MB·German
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Rheinisch-Westfalische Akademie der Wissenschaften Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften Vortrage . N 211 Rheinisch-WestHilische Akadcmie der Wisscnschaften Prasidium Prasident: Professor Dr. Karl Ziegler Vizeprasident und Sekretar der Klasse fiirGcisteswissenschaften: Professor Dr. Bernhard Kotting Sekretar der Klasse fiir Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften: Professor Dr. Maximilian Steiner Stellvertretender Sekretar der Klasse fiir Geisteswissenschaften: Professor D. Karl Heinrich Rengstorf Stellvertretender Sekretar der Klasse fiir Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaftcn: Professor Dr. Martin Schmeisser Geschaftsfiihrendes Prasidialmitglied: Professor Leo Brandt Kuratorium Vorsitzender: Ministerprasident Heinz Kiihn Stellvertretender Vorsitzender: Minister fiir Wissenschaft und Forschung Johannes Rau Mitglieder: Professor Leo Brandt, Professor Dr. Bernhard Kotting, Ministerprasident a. D. Dr. Franz Meyers, Ludwig Rosenberg, Professor Dr. Maximilian Steiner, Professor Dr. Karl Ziegler BERNHARD RENSCH Probleme der Gedachtnisspuren HELMUT RUSKA Was kann der Biologe noch von der Elektronenmikroskopie erwarten? Westdeutscher Verlag Opladen 193. Sitzung am 2. Dezember 1970 in Dusseldorf ISBN-13: 978-3-531-08211-0 e-ISBN-13: 978-3-322-86138-2 DOl: 10.1007/978-3-322-86138-2 © 1971 by Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Gesamtherstellung: W estdeutscher Verlag GmbH Inhalt Bernhard Rensch, Munster (Westf.) Probleme der Gedachtnisspuren 1. Einleitung .............................................. 7 2. Bei der Engrammierung beteiligte Hirngebiete ............... 8 3. Bedeutung der HirngroBe fur Lernkapazitat und Gedachtnisdauer 14 4. Autoradiographische Untersuchungen uber die Ausdehnung einfacher visueller Engramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 19 5. Engrammierung in der sekundar~ erregten Hirnhemisphare ..... 26 6. Experimentelle Beeinflussung und Biochemie von Gedachtnis- spuren ........... " . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . ... 29 7. Abstraktion und Generalisation ............................ 38 8. Zu beachtende Momente bei Hypothesen uber Gedachtnisspuren 42 Summary 47 Literatur 51 Diskussions bei trage Professor Dr. rer. nat. Franz Huber; Professor Dr. phil. Dr. phil. h. c. Bernhard Rensch; Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Gunther Gillissen; Professor Dr. rer. nat. Gunther Otto Schenck; Professor Dr. rer. nat. Hennig Stieve; Professor Dr. rer. nat. Johann Schwartzkopff; Professor Dr. phil. Maximilian Steiner; Professor Dr. phil. Fritz Micheel; Priv.-Dozent Dr. med. Hans Reinauer; Professor Dr. rer. nat. Werner Kloft ...................................................... 57 Helmut Ruska, Dusseldorf Was kann der Biologe noch von der Elektronenmikroskopie erwarten? ................................................. 69 Summary ................................................. , 106 Probleme der Gedachtnisspuren Von Bernhard Rensch, Miinster (Westf.)'~ 1. Einleitung Unser menschliches Leben ist ganz entscheidend bestimmt durch unzahlige Gedachtnisspuren, die durch Erziehung, Unterricht und Erlebnisse fixiert worden sind, aber auch taglich neu gebildet werden. Wenn auch von alledem, was wir sehen, horen, lesen oder sonstwie erleben und beim Denken ver kniipfen, weitaus das meiste dem Gedachtnis sehr schnell wieder entschwin det, so wird doch stets manches derart verankert, daB es noch nach J ahren wieder wachgerufen werden kann. Da die Entwicklung unserer gesamten Kultur auf dieser Lernfahigkeit beruht, ware es von groBter praktischer Bedeutung zu wissen, wie die Bildung von Gedachtnisspuren, von Engram men, zustandekommt, worauf das Schwinden der Engramme, das Vergessen, beruht, welche Bedeutung dabei der Assoziation entsprechender Gedachtnis inhalte zukommt und welche physiologischen Mechanismen dazu ftihren, daB wir abstrahieren und generalisieren, daB wir Allgemeinbegriffe zu bilden und logisch zu schlieBen vermogen. Wiirden uns aIle biologischen Grund lagen der dabei ablaufenden Hirnprozesse ausreichend bekannt sein, so konnten wir unsere geistige Erziehung wie auch die steten Lernvorgange des taglichen Lebens rationeller gestalten und eventuell auch unser Gedachtnis ktinstlich verbessern. Leider sind wir von einem ausreichenden Verstandnis dieser Hirnprozesse noch weit entfernt. Noch vor drei Jahrzehnten erschien eine Diskussion die ser Probleme aussichtslos, weil man im wesentlichen nur Fragen stellen, aber kaum Beantwortungsmoglichkeiten finden konnte. Das hat sich nun tiber raschend schnell gewandelt. In vielen Laboratorien ist man heute bemiiht, die Hirnprozesse mit modernen cytologischen, biochemischen, autoradiogra phischen, elektrophysiologischen, human- und tierpsychologischen Methoden sowie durch operative Eingriffe im Gehirn zu analysieren. So liegen denn nun bereits Tausende einschlagiger neuerer Untersuchungen vor, und in einer Serie von internationalen Symposien sind die Probleme im letzten Jahrzehnt eingehend diskutiert worden. Es ist nun die Moglichkeit gegeben, wenigstens Teilfragen zu beantworten und Arbeitshypothesen tiber die Bildung und Struktur von Gedachtnisspuren zu entwickeln. ':. Ludwig von Bertalanffy mit herzlichen Wiinschen zum 70. Geburtstag gewidmet. 8 Bernhard Rensch Im Rahmen eines Vortrages ist es natiirlich nicht moglich, auf alle ein schtigigen Probleme in angemessener Weise einzugehen. Viele wichtige Fra gen kann ich nur streifen. Etwas vollstandiger werde ich nur iiber Unter suchungen berichten, die in meinem Arbeitskreis in Miinster mit Assistenten und Doktoranden durchgefiihrt wurden, d. h. iiber die Beziehungen der HirngroBe zu Gedachtniskapazitat und Gedachtnisdauer, iiber experimen telle Beeinflussung der Gedachtnisdauer und iiber die raumliche Ausdehnung einfacher visueller Engramme. Zum Schlusse mochte ich dann auf einige Punkte hinweisen, die meines Erachtens bei Hypothesen iiber Gedachtnis spuren von Bedeutung sein konnen. Das gilt besonders fiir die Beziehungen zu den entsprechenden psychischen Phanomenen. 2. Bei der Engrammierung beteiligte Hirngebiete Eine Losung des Problems der Gedachtnisspuren ist vor all em dadurch erschwert, daB wir bislang noch nicht sicher angeben konnen, welche nervo sen Strukturen dabei beteiligt sind. Das gilt besonders fiir motorische Kom ponenten. "Gedachtnis"-Prozesse im Sinne bedingter Reflexe brauchen auch bei Wirbeltieren nicht an ein Gehirn gebunden zu sein. Spinale Frosche vermogen z. B. bedingte Wischreflexe langer als 100 Tage beizubehalten (B. Rensch und L. Franzisket 1954). Aber auch wenn wir Gedachtnisspuren wie iiblich nur im Gehirn voraus setzen, ist es bislang noch unentschieden, ob bei Saugetieren und Menschen hier nur der Cortex oder auch subcorticale Gebiete, speziell Hypothalamus und Mittelhirn, in Frage kommen. Klinische Befunde und Lasionsversuche haben jedenfalls erwiesen, daB bei der Bildung und beim Wachrufen von Gedachtnisspuren diese subcorticalen Abschnitte beteiligt sein konnen. Dabei ist allerdings zu beachten, daB diese Hirnteile, speziell die Formatio reticula ris, fiir die Erregung der Aufmerksamkeit und generell fiir die Aktivitat des Vorderhirns wichtig sind. Die Engramme selbst konnten also doch auf den Cortex beschrankt sein (vgl. z. B. M. Victor 1964). N. Yoshii et al. (1957, 1960) fan den nach der Erzeugung einer bedingten Reaktion durch Flimmer frequenzen bei Katzen, daB dann aber auch ein gleichbleibender Ton ent sprechende frequenzspezifische Potentialschwankungen zugleich im Cortex, Thalamus und in der Reticularformation auszulosen vermag. Eine derartige Synchronisation von Rhythmen weist darauf hin, daB doch eine Beteiligung subcorticaler Gebiete bei der Engrammbildung nicht auszuschlieBen ist (vgl. dazu auch E. R. John 1957). SchlieBlich miissen wir auch bedenken, daB z. B. bei Fischen fiir ein Erlernen optischer Aufgaben ohnehin das Mittelhirndach Probleme der Gedachtnisspuren 9 entscheidend ist, daB vorderhirnlose Tauben noch zu sehen vermogen und daB menschliche Anencephali Sinnesreaktionen zeigen, welche die Annahme von Empfindungen nicht ausschlieBen, die doch die Grundlage fur Gedacht nisvorgange bilden. 1m Bereich des Cortex ist es noch ungekIart, ob Sinnessphiiren und Ge diichtnissphiiren getrennt oder identisch sind. Th. Meynert, H. Munk, Th. Ziehen, H. Wilbrandt und A. Siinger u. a. hatten angenommen, daB die Engrammierung nicht im Bereich der sensorischen Projektionsfelder statt findet, d. h., sie hatten getrennte Empfindungs- und Vorstellungsspharen vorausgesetzt (vgl. Th. Ziehen 1924, p. 301/302). Wegen der so weitgehen den Obereinstimmung einer Vorstellung mit der sie bedingenden Empfin dung ist das aber zunachst wenig wahrscheinlich. Wohl sind Empfindungen normalerweise durch viel starkere Intensitat ausgezeichnet als Vorstellungen. Sind aber Sinnesreize, etwa optische, weitgehend ausgeschaltet, wie z. B. bei geschlossenen Augen oder im Traume, so konnen die Vorstellungen so lebhaft werden wie Empfindungen. Und pathologisch gesteigerte infracortikale Er regungen konnen bekanntlich die Empfindungen sogar ubertonen (Hallu zinationen). DaB eine Vorstellung meist unvollstandiger, "fetzenhafter" ist, kann wohl darauf zuruckgefuhrt werden, daB oft nicht das gesamte, bei der Engrammierung beanspruchte Netzwerk von Neuronen aktiviert wird. Andererseits kommen Vorstellungen haufig durch Kombination von Ge dachtnisinhalten zustande, die verschiedenen assoziativ verknupften bzw. verknupfbaren Engrammbereichen entsprechen. Der Cortex von Raubtieren, Affen und yom Menschen ist in eine groBe Zahl von Arealen mit verschiedener Struktur gegliedert. Diese histologische Differenzierung ist zumeist auch als Ausdruck einer funktionellen Differen zierung angesehen worden. Das ist zwar fur verschiedene Gebiete, gelegent lich auch generell in Zweifel gezogen worden, konnte aber im Tierversuch durch Ausfall von Leistungen bei experimentellen Lasionen und beim Men schen durch Ausfalle nach Erkrankungen und Verletzungen immer wieder weitgehend bestatigt werden (vgl. A. Hopf 1964). Es erschien deshalb zu nachst moglich, den ganzen Cortex in viele Bereiche aufzuteilen, in den en jeweils bestimmte Sinnes- oder Gedachtnisleistungen "lokalisiert" sein soll ten, wie dies z. B. in weitgehender Weise von K. Kleist (1934) vornehmlich auf Grund von SchuBverletzungen versucht wurde (Abb. 1). Durch zahl reiche Exstirpations- und Lasionsversuche konnte dann aber nachgewiesen werden, daB in vielen Fallen auch nach Ausfall solcher Funktionsgebiete die entsprechenden Leistungen nicht verlorengegangen waren oder sich allmah lich uber Umwegbahnen wieder einstellten. Lern- und Gedachtnisleistungen nach Zerstorung der relevanten Sinnes- 10 Bernhard Rensch 1 3a = Schmerzempfindung einschIieBlich 6a~ ' 3b = Temperaturempfindung J perceptive und 1 = Beciihrungsempfindung digitale 2 = Kinastnetische Em- Tastauffassung 7 pfindung Antrieb Anstrengungs-und Kraftgefuhle Motorische 10 Handlungs- folgen Abb. 1: Funktionsgebiete der menschlichen Hirnrinde, ermittelt auf Grund von SchuJ;ver letzungen und Erkrankungen. (Nach K Kleist 1934.) sphare waren allerdings wohl vor all em dadurch bedingt, da~ die senso rischen Projektionsfelder zum Teil mehrfach im Cortex reprasentiert sind. Bei der Katze konnte Cl. N. Woolsey (1964) z. B. vier auditive Haupt gebiete nachweisen, die auf einen Clickreiz mit charakteristischen Anderun gen der Potentialschwankungen antworten. Nach einer Latenzzeit von 15 msec waren entsprechende Potentialschwankungen dann auch in assoziativ damit verknupften Cortexbereichen und nach 100 msec selbst in der Seh region deutlich (Abb. 2). Assoziative Faserzuge sind bei hoheren Saugetieren und beim Menschen in der ganzen Hirnrinde stark entwickelt und ermog lichen eine kompliziertere Integration und Verarbeitung der sensorischen Er regungen untereinander und mit infracortical entstehenden Erregungen. Bei der Katze sind zudem auch polysensorische Projektionsfelder nachgewiesen worden (F. Bremer 1964). Wenn also auch bestimmte Hirnregionen fur die Bildung spezifischer Gedachtnisspuren unerlamich sind, so machen es doch diese intercorticalen Verbindungen zumeist unmoglich, eine genauere Lokali sation von Gedachtnisspuren zu ermitteln. Wir mussen dabei auch beachten, Probleme der Gedachtnisspuren 11 Abb. 2: Schema des Vorderhirns einer Katze. Schwarz: vier Rcgionen, in dcncn cine unmittelbare Antwort auf einen kurzen Clickreiz elektrophysiologisch registriert wurde. Punktiert: Regionen, die nach kurzer Latenzzeit auf den Clickreiz ant worteten. Die Zahlen geben die Latenz in msec an. (Nach C. N. Woolsey 1964.) daB es sich bei Lernversuchen mit Tieren jeweils urn die Erzeugung einer be stimmten Reaktion, urn ein operant conditioning handelt, bei dem also ohne hin neben den sensorischen auch motorische Bereiche beansprucht werden. Das bedeutet: So wie sich sensorische Erregungen tiber mehr oder minder weite Bereiche des Cortex ausbreiten, ist wahrscheinlich auch das Wachrufen, die Ekphorierung von Engrammen, dem die Erinnerung entspricht, die Lei stung eines ausgedehnteren Cortexbereichs. Damit ist aber nicht gesagt, daB die Spezifitat einer erlebten Vorstellung nicht doch durch eine Engrammie rung in einer speziellen Cortex region bestimmt sein kann (vgl. Kap. 9). Ftir eine visuelle Vorstellung wird also die Beteiligung der Sehsphare (im weiteren Sinne) wahrscheinlich von entscheidender Bedeutung sein. Durch zahlreiche Exstirpationsversuche am Vorderhirn von Ratten hatte K. S. Lashley (1929) eine sehr weitgehende gegenseitige Vertretbarkeit der verschiedenen Cortex region en festgestellt und darauf seine Theorie der Aquipotentialitat und der mass action der Hirnneuronen begrtindet, die

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