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Physikalische Medizin, Balneotherapie und Rehabilitation im höheren Lebensalter PDF

161 Pages·1988·4.233 MB·German
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Physikalische Medizin, Baineotherapie und Rehabilitation im h6heren Lebensalter Physikalische Medizin, Balneotherapie und Rehabilitation im h6heren Lebensalter Herausgegeben von K. L. Schmidt Mit Beitragen von M. Beck, R. Becker-Casademont, E. David, E. Effer, W. Eissenhauer, R. Gunther, F. Halberg, C. Handrack, W. Heipertz, H.-D. Hentschel, M. Herold, H. Jantsch, E. Knapp, E. Lang, U. Lehr, W. Rulffs, H. Schipperges, K.L. Schmidt, W. Schmidt-Kessen, H. Thorn und G. Trnavsky i Steinkopff Verlag Darmstadt Prof. Dr. K. L. SCHMIDT Klinik fUr Physikalische Medizin, Balneologie und Rheumatologie der Universitat GieBen LudwigstraBe 37-39 6350 Bad Nauheim CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Physikalische Medizin, Balneotherapie und Rehabilitation im hoheren Lebensalter / hrsg. von K. L. Schmidt. Mit Beitr. von M. Beck ... - Darmstadt: Steinkopff, 1987 ISBN-13: 978-3-642-72411-4 e-ISBN-13: 978-3-642-72410-7 DOl: 10.1007/978-3-642-72410-7 NE: Schmidt, Klaus L. [Hrsg.]; Beck, Manfred [Mitverf.] Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugweiser Verwertung, vor behalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzeifall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des· Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepu blik Deutschland vom 9. September 1965 in der Fassung vom 24. Juni 1985 zulassig. Sie ist grund satzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urhe berrechtsgesetzes. © Copyright 1987 by Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, GmbH & Co. KG, Darmstadt Verlagsredaktion: Juliane K. Weller - Herstellung: Heinz J. Schafer Softcover reprint of the hardcorver 1s t edition 1987 Umschlagbild: Die Alten im Dorf (Tautenhain). Farbholzschnitt von Conrad Fe1ixmiiIler 1956 (Werkverzeichnis S6hn 536 b). Mit freundlicher Genehmigung des NachlaBverwalters Titus FelixmiiIler. (Foto: Christel Hartmann) Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Ver- 6ffentlichung berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durfen. Gesamtherstellung: betz-druck gmbh, 6100 Darmstadt 12 Vorwort Die erhohte Lebenserwartung der letzten lahrzehnte hat dazu gefuhrt, daB der Anteil der tiber 60jahrigen Menschen schon jetzt bei 20% liegt. Obwohl hoheres Lebensalter keineswegs gleichbedeutend ist mit Krankheit, sondern der Gesundheitszustand, die korperliche und geistige Aktivitat und Vitalitat alterer Menschen oft bewundernswert sind, lassen sich doch bei einem nicht unerheblichen Anteil der alteren Generation kombinierte Behinderungen durch Krankheiten der Bewegungsorgane, durch Herz Kreislaufleiden und durch neurologische Erkrankungen nachweisen. Wenn man ande rerseits berticksichtigt, daB auch heute noch tiber 70% der Wohnungen alterer Men schen oberhalb des Erdgeschosses liegen, nur 12% einen Aufzug besitzen und 36% ge zwungen sind, Kohle und Heizol selbst in ihre Wohnung zu transportieren, wie eine Be fragung zur gesundheitlichen und sozialen Situation alterer Menschen in der GroBstadt gezeigt hat, so werden nicht nur die medizinischen, sondern auch die sozialen und menschlichen Konsequenzen einer Einschrankung der korperlichen Leistungsfahigkeit im hoheren Lebensalter besonders deutlich. Gerade hier ist aber ein wichtiger Ansatzpunkt der Physikalischen Medizin zu sehen: die - dem Lebensalter in der Dosierung angepaBten - Anwendungen von Krankengym nastik, Warme, von schmerzstillenden und durchblutungsfordernden Stromformen, von Massagen vermogen meist viel besser als Medikamente die Schmerzzustande alte rer Menschen zu lindern, Muskeln zu kraftigen, die korperliche FitneB zu verbessern und funktionelle Unabhiingigkeit und Mobilitat zu gewahrleisten. Diese im weitesten Sinne nattirlichen und "physiologischen" TherapiemaBnahmen werden hier noch viel zu wenig genutzt. Auch die Moglichkeiten der Kurorte mit ortsgebundenen nattirlichen Heilmitteln, kli matischen Faktoren und den hier besonders reichhaltig und qualifiziert verfugbaren Methoden der physikalischen Therapie, der Diatetik und der Gesundheitsbildung sind in besonderer Weise geeignet, chronische Leiden des hoheren Lebensalters zu lindern; dartiber hinaus kommen auf die Kurorte in Zukunft aber zweifelsohne auch bedeutende Aufgaben in der geriatrischen Pravention und Rehabilitation zu. Es erschien uns darum gerechtfertigt und notwendig, die Moglichkeiten, aber auch die besonderen altersspezifischen Aspekte der Physikalischen Medizin, der Balneo- und Klimatherapie und der medizinischen und sozialen Rehabilitation des hoheren Lebens alters in Form von Einzelbeitragen einmal darzustellen. Das vorliegende Buch erhebt keinen Anspruch aufVollstandigkeit; insbesondere wtir de eine umfassende Darstellung der physikalischen und balneologischen Therapie ein- zeIner Krankheitsbilder den vorgegebenen Rahmen tiberschreiten. ' Ich mochte allen Autoren meinen groBen Dank dafur aussprechen, daB sie mit ihren Beitragen die Herausgabe dieses Buches ermoglicht haben. Ein besonderer Dank gilt dem Dr. Dietrich Steinkopff Verlag fur das groBztigige Entgegenkommen bei der Her stellung und Gestaltung, ohne das eine Publikation in dieser Form nicht moglich gewe sen ware. Bad Nauheim, im November 1986 K. L. SCHMIDT V Inhaltsverzeichnis v Vorwort ........ . Physikalische Medizin Altern - eine Heransforderung fUr aile H. Schipperges, Heidelberg ... 1 Schmerz im hoheren Lebensalter E. David, Witten/Herdecke 13 Indikationen nnd Kontraindikationen der Elektrotherapie in der Geriatrie H. Jantsch, Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Probleme der Hydrotherapie nnd Thermotherapie im hoheren Lebensalter R. Becker-Casademont, Munchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23 Massagetherapie im hoheren Lebensalter H.-D. Hentschel, Bad Worishofen .... 33 Probleme der Krankengymnastik im hoheren Lebensalter W. Heipertz, Frankfurt a.M. .............. . .. 51 Korperliche Aktivitat nnd Sport in der Rehabilitation des alteren Menschen E. Lang, Erlangen .............................. 55 Balneotherapie und Klimatherapie Knrortliche Balneotherapie im hoheren Lebensalter unter besonderer Beriicksichtignng chronobiologischer Aspekte R. Gunther, F. Halberg, M. Herold, E. Knapp, Innsbruck und MinnesotalUSA 63 Klimatherapie im Alter W. Schmidt-Kessen, Freiburg im Breisgau . 79 Sozialmedizin und Rehabilitation Sozialmedizinische Probleme der physikalischen Therapie und Rehabilitation ii1terer Menschen unter besonderer Beriicksichtigung der Heilmittel-nnd Hilfsmittelrichtlinien E. Effer, Koln ........................... : . . . 87 VII Kuren im hoheren Lebensalter: Trotz Kostendampfung auch heute noch moglich? M. Beck, W. Eissenhauer, Karlsruhe ...... . 93 Ausstattung von Alteneinrichtungen mit Moglichkeiten zur physikalischen Tberapie W. Rulffs, Niirnberg ................... . 97 Rehabilitation im Alter - nicht nur ein medizinisches Problem U. Lehr, Bonn ....................... . . .. 101 Physikalische Therapie und Rehabilitation einzelner Erkrankungen des h6heren Lebensalters Die Therapie der Osteoporose beim alteren Menschen H. Thorn, Schwarzenbruck . . . . . . . . . . . . ............. 111 Physikalische Therapie des Parkinson-Syndroms G. Trnavsky, Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Probleme der physikalischen und Balneotherapie beim alteren Rheumatiker K. L. Schmidt, Bad Nauheim-GieBen . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. 137 Rehabilitationsprobleme bei alteren Patienten mit rheumatoider Arthritis c. Handrack, K.L. Schmidt, Bad Nauheim-GieBen ............... 149 VIII Autorenverzeichnis M. BECK, Senator und 1. Direktor der Landesversicherungsanstalt Baden i. R., Ettlinger StraBe 2a, 7500 Karlsruhe 1 Priv.-Doz. Dr. med. R. BECKER-CASADEMONT Klinik fur Physikalische Medizin der Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen, Innenstadt, ZiemssenstraBe 1, 8000 Munchen 2 Prof. Dr. E. DAVID Direktor des Instituts fur Physiologie der Universitat Witten/Herdecke, Beckweg 4, 5804 Herdecke Dr. med. E. EFFER Gf. Arzt der Kassenarztlichen Bundesvereinigung (Vertragsabteilung) Herbert-Lewin Str. 3, 5000 K61n-Lindenthal Dr. med. W. EISSENHAUER Medizinaldezernent und Landesvertrauensarzt der Landesversicherungsanstalt Baden, Gartenstr. 105, 7500 Karlsruhe 1 Prof. Dr. med. R. GUNTHER Ordinariat fur Physikalische Medizin, Universitatsklinik fur Innere Medizin, Anich straBe 35, A-6020 Innsbruck Prof. Dr. F. HALBERG Department of Laboratory Medicine and Pathology, University of Minneapolis, Minnesota, USA Dr. med. CORNELIA HAND RACK Klinik fur Physikalische Medizin, Balneologie und Rheumatologie der Universitat GieBen, LudwigstraBe 37-39,6350 Bad Nauheim Prof. Dr. med. W. HEIPERTZ Direktor der Orthopadischen Universitatsklinik und Poliklinik Friedrichsheim, Marienburgstr. 2,6000 Frankfurt a. M. 71 Prof. Dr. med. HANS-DIETER HENTSCHEL Sebastian-Kneipp-Akademie, Kathreinerstr. 24, 8939 Bad W6rishofen Dr. med. M. HEROLD Ordinariat fur Physikalische Medizin der Medizinischen Fakultat Innsbruck, Anich straBe 35, A-6020 Innsbruck Prof. Dr. med. H. JANTSCH Direktor des Institutes fur Physikalische Medizin an der Medizinischen Fakultat der Universitat Wien, AlserstraBe 4, Hof 7, A-1090 Wien IX Dr. med. E. KNAPP Ordinariat fiir Physikalische Medizin der Medizinischen Fakultat Innsbruck, Anich straBe 35, A-6020 Innsbruck Prof. Dr. med. LANG Chefarzt der Medizinischen Klinik des Waldkrankenhauses St. Marien u. Vorstand des Carl-Korth-Institutes fiir Herz-Kreislauferkrankungen, Rathsberger StraBe 57, 8520 Erlangen Frau Prof. Dr. URSULA LEHR Direktorin des Psychologischen Institutes der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Univer sitat Bonn, RomerstraBe 164, 5300 Bonn 1 Dr. med. W. RULFFS Leiter des arztlichen Dienstes des BerufsfOrderungswerkes Niirnberg GmbH, Schleswi ger Str. 101,8500 Niirnberg 90 Prof. Dr. med. Dr. phil. H. SCHIPPERGES Em. Direktor des Institutes fiir Geschichte der Medizin der Ruprecht-Karls-Universitat Heidelberg, 1m Neuenheimer Feld 305, 6900 Heidelberg 1 Prof. Dr. med. KLAUS L. SCHMIDT Leiter der Klinik fiir Physikalische Medizin, Balneologie und Rheumatologie der lustus-Liebig-Universitat GieBen, LudwigstraBe 37-39, 6350 Bad Nauheim Prof. Dr. med. W. SCHMIDT-KESSEN ehem. Institut fiir Balneologie und Angewandte Physiologie der Albert-Ludwigs-Uni versitat Freiburg i.Br., Weiherhofstr. 15,7800 Freiburg/Breisgau Prof. Dr. med. H. THOM Chefarzt der Orthopadischen Klinik II des Krankenhauses Rummelsberg, 8501 Schwar zenbruck Priv.-Doz. Dr. med. G. TRNAVSKY Oberarzt des Institutes fiir Physikalische Medizin der Universitat Wien, AlserstraBe 4, Hof7, A-1090 Wien x Altern - eine Herausforderung flir aIle H. Schipperges Altern - das ist schon eine Herausforderung, wie ich meine, eine Provokation, die uns immer wieder von neuem herausfordert, in einer notwendig befristeten Existenz Stel lung zu nehmen, da zu sein, wach zu bleiben, ohne sich einlullen zu lassen yom tragen Strom der Zeit. Eine Herausforderung verlangt ganz einfach-wenn man den provo kativen Ton tiberhaupt ernstnehmen will - eine Antwort. Und wenn ich mein Thema im TItel eine Herausforderung fUr uns alle genannt habe, dann sind auch wirklich alle damit gemeint: die Alten wie die Jungen, der einzelne wie die Gesellschaft, die Wissenschaften wie die Kirchen, alle eben, jeder einzelne von uns ganz personlich. Wenn wir uns daher einem solchen Thema wirklich stellen, dann sollten wir das sehr behutsam tun, Schritt fUr Schritt - da laSt sich nichts ein fUr allemal sagen. In seinen "Wanderjahren" hatte schon Goethe die tiefsinnige Bemerkung gemacht, man konne das Uberlieferte sich nicht gleich zu eigen machen, "wie dieses und jenes passe, unter was fUr Umstanden, in welcher Folge die Dinge.zu gebrauchen seien, dazu gehort Ubung und Nachdenken". Das wachsende Dilemma des Alterns ist nun einmal die Aporie unseres Daseins. Hier stehen wir vor der Lebensgrenze, einer Grenze, die bei allem Freiraum weiterer Entscheidungen immer definitiver wird und die einmal unweigerlich die endgtiltige ist. Ich mochte zunachst einfach das vorbeiziehen lassen, was wir schlicht nennen wollen: altern lassen, mit den J ahren in die Jahre kommen. In einem zweiten Aspekt sollten wir dann kritischer bedenken, was das heiSt: alter werden, alter und vielleicht auch bewuS ter, sich seiner selbst bewuSt werden. 1m dritten und letzten Teil will ich konkreter auf das Thema dieser Tagung eingehen: Altern lernen und Altern lehren, mit dem Ziel einer Rehabilitation auch und gerade des alteren Menschen, urn das zu erreichen, was ich einmal programmatisch nennen mochte: "Sein Alter leben". Und vielleicht beginnen wir im Zuge unserer Betrachtungen zu ahnen, was wir uns auf gebtirdet haben mit einer solch provokativen Fragestellung. Altern lassen Beginnen wir mit dem Totum unserer Existenz, das wir alle als ein Altern erleben. Alles Physiologische weiS uns von diesem Geschehen zu berichten: ein Altern, das mit der Zeugung beginnt, urn die ganze Naturgeschichte des Menschen zu begleiten, alle Hoch zeiten und Tiefzeiten, alles Krankwerden und Sterben. Altern - das ist in der Tat das Abenteuer des Lebens! Es beginnt mit der Geburt und schon im Mutterleib. Aber es beschleunigt sich dann mit dem 30. Jahr, wird rasant mit dem 50., ist eklatant mit dem 60., dem 70., dem 80. Jahr. Der Mensch ist so alt wie seine GefliSe, wie seine Gelenke - so lauten die Schlagworte in Titeln reprasentativer Monographien. Der Mensch ist jedoch vor aHem so alt wie 1 sein Gehirn. Denn auch und gerade das Gehirn altert, Jahr fiir Jahr stirbt ein gewisser Prozentsatz jener 1010 Nervenzellen des Gehirns ab, die mit ihren 1012 synaptischen Relais einen Computer von einem KomplexiUitsgrad darstellen, der den der galakti schen Systeme we it iibersteigt. Der Stoffwechsel dieser Endokosmoszentrale ist enorm. Tag fiirTag muB unser Gehirn mit 1200 Litern Blut, 75 Litern Sauerstoff und 115 Gramm Glukose versorgt werden, Minute fiir Minute benotigen 100 Gramm des Gehirns rund 58 Milliliter Blut und 3,7 Milliliter Sauerstoff. Wird der Blutstrom unterbrochen, so bewirkt der Sauerstoff mangel binnen 10 bis 20 Sekunden bereits Funktionsverluste wie BewuBtlosigkeit; nach drei bis vier Minuten fiihrt der Substratmangel zu irreversiblen Parenchymnekrosen. Aber auch innerhalb des Gehirns gibt es ganz verschiedene Alternsphasen. Die fron tale Hirnrinde hat im 75. Lebensjahr bereits urn 12 % abgenommen; Thalamus und Corpus striatum werden deutlich kleiner, wahrend die parietalen und okzipetalen Rin den kaum abnehmen, Areale also, die bis ins hohe Alter gefordert werden. Training retardiert auch hier das Altern. Wichtiger als die Abnahme der Neuronen - taglich etwa 10000 - ist die der Neurotransmitter. Bei einer Gesamtzahl der Nervenzellen von etwa zehn bis dreiBig Milliarden freilich spielt der Verlust von 3,6 Millionen pro Jahr kaum eine Rolle; das Gehirn besitzt eine Reserve, die einfach nicht ausgeschopft werden kann. 1m Gegenteil: Gerade der Korper, der unter der Last der Jahre seine natiirlichen Ab niitzungssignale setzt, er wird uns nun wichtiger, wird hautnah und spiirbar; er meldet sich haufiger, schickt uns Signale. Der ProzeB des Alterns setzt also ein mit der Befruchtung, und er setzt keine Sekunde mehr aus. "Altern ist jede irreversible Veranderung der Substanz als Funktion der Zeit" (Lindauer, 1982; nach Max Biirger), und dies in charakteristischen Etappen. Ein Organ altert vor dem anderen. Die physiologische Gewebereinigung laBt nacho Es bilden sich basophile Degenerate: Schollen und Broseln aus Schleim in den Muskel fasern, im Zwischengewebe, vor allem auch am kollagenen Bindegewebe, wo es zu einer Vernetzung der spiraligen Aminosaureketten kommt: Die Stiitzgewebe werden briichiger, es entstehen Gelenkschaden, die Membraniiberdichtung behindert den Stoffaustausch usw. Das alles weiB der Physiologe, sieht der Pathologe, erleben wir alle. In seiner Botschaft an die Weltkonferenz iiber Probleme des Alterns 1982 in Wien hat kein Geringerer als Papst Johannes Paul II. - in Erinnerung an eine Begegnung mit Senioren 1980 in Miinchen - darauf aufmerksam gemacht, daB das Alter ein ganz natiir liches "Stadium der menschlichen Existenz" sei und "eigentlich ihre Kronung". Er hat aber auch darauf hingewiesen, daB "die alten Menschen nur schwer in einer Welt leben" konnten, die "sich ihrer spirituellen Dimension nicht mehr bewuBt ist". Er hat, ahnlich wie im Sendschreiben "Familiaris consortio", auf jenen Aufbau einer "tag lichen personalen Gemeinschaft" aufmerksam gemacht, wie er am ehesten noch in der Familie erfolgt als einer "Schule reich entfalteter Humanitat", und er hat schlieBlich gefordert, familienahnliche "Institutionen fiir das Alter" zu schaffen oder wenigstens die Inititativen zur Griindung von Gemeinschaften zu unterstiitzen. Das ist eine Forderung, und mehr noch eine Herausforderung. Denn: 1st das nicht ein biBchen verriickt, wenn von unseren Politikern der Beginn des Alters immer drasti scher herabgesetzt wird, obwohl die Periode des Alters immer mehr zunimmt? Bedeu tet das ein adaquates "Alternlassen", wenn sich der Lebenszyklus eines 90jahrigen 2

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