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Philosophieren in der Diktatur. Eine aktuelle Debatte in der arabischsprachigen Philosophie PDF

245 Pages·2022·1.061 MB·German
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Welche kritische Funktion hat die Philosophie in autoritär regier- r Philosophieren u ten Staaten? Die Beiträge des vorliegenden Bandes gehen dieser t a Frage im Kontext arabischer Diktaturen und ihrer Nachfolgege- t k sellschaften nach. Sie erörtern die Bedeutung erlittenen Unrechts i D für die Philosophie und konfrontieren die historische Erfahrung in der Diktatur mit der Erfahrung des Denkens. r e d Die Autor:innen untersuchen philosophische An- und Enteig- nungsstrategien von komplexen Themen wie Aufklärung, Freiheit n i oder Frauenrechte. Sie setzen sich mit unterschiedlichen Dimen- n Eine aktuelle Debatte in sionen der Kritik auseinander und zeigen im Rückgriff auf arabi- e r der arabischsprachigen Philosophie sche und europäische Denktraditionen, welche Aufgaben Kritik e i bei ausgewählten zeitgenössischen arabischen Denker:innen hat. h Darüber hinaus reflektieren Philosoph:innen über ihre persönli- p o che Unrechtserfahrung. Ihre Zeitzeugenberichte sind erst in einer s Herausgegeben von Sarhan Dhouib o Post-Diktaturphase möglich geworden und liegen erstmalig in l deutscher Übersetzung vor. hi P Mit Beiträgen von: Zeïneb Ben Saïd-Cherni, Sarhan Dhouib, Fran- • ziska Dübgen, Fatna El-Bouih, Nadia El Ouerghemmi, Steffi Ho- ) buß, Elizabeth Suzanne Kassab, Salah Mosbah, Sarah Schmidt, Fa- g. H thi Triki und Rachida Triki. ( b i u Sarhan Dhouib ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für o Philosophie der Universität Hildesheim und Feodor Lynen-Stipendiat h der Alexander von Humboldt-Stiftung. Bei Velbrück Wissenschaft er- D schienen (Auswahl): Sprache und Diktatur. Formen des Sprechens, Modi des Schweigens (Hg., 2018), Toleranz in transkultureller Perspektive (Hg., 2020), Erinnerungen an Unrecht. Arabisch-Deutsche Perspektiven (Hg., 2021). T www.velbrueck-wissenschaft.de F KA CH ISBN 978-3-95832-277-6 ÜC RS BN VELBRÜCK LE ES VWIS WISSENSCHAFT Sarhan Dhouib (Hg.) Philosophieren in der Diktatur Philosophieren in der Diktatur Eine aktuelle Debatte in der arabischsprachigen Philosophie Herausgegeben von Sarhan Dhouib Aus der Reihe: Unrechtserfahrung in transkultureller Perspektive VELBRÜCK WISSENSCHAFT Erste Auflage 2022 © Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2022 www.velbrueck-wissenschaft.de Printed in Germany ISBN 978-3-95832-277-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Inhalt Sarhan Dhouib Transformationen III. Vorwort . . . . . . . . . . . . . 7 Teil I Sarhan Dhouib und Steffi Hobuß Aneignung und Enteignung von Begriffen in der Diktatur. Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Elizabeth Suzanne Kassab Aufklärungsdebatten am Vorabend der Revolution in Ägypten und Syrien . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Salah Mosbah Dem politischen Despotismus und dem religiösen Autoritarismus die Stirn bieten. Über einige Verwendungen Rousseaus und Spinozas im zeitgenössischen arabischen Denken . 36 Nadia El Ouerghemmi und Steffi Hobuß Sprachliche Resignifikation im Kontext der Diktatur. Der Begriff der Frauenrechte in Tunesien (1987–2011) . . . . . 73 Teil II Sarhan Dhouib und Sarah Schmidt Biographie – Praxis – Kritik. Zur Einführung . . . . . . . 95 Fathi Triki Michel Foucault in Tunis. Erinnerungen an die studentische Protestbewegung und die Entstehung einer Philosophie der Gegenwart . . . . . . . . . . . . 100 Sarhan Dhouib Philosophie im Wandel – Philosophie des Wandels . . . . . 122 Rachida Triki Künstlerisches Schaffen, kritische Kultur und Zivilgesellschaft. Ein Essay . . . . . . . . . . . . 140 Teil III Sarhan Dhouib und Franziska Dübgen Zeugenschaft arabischer Philosophinnen und Philosophen. Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Zeïneb Ben Saïd-Cherni Die vielfältigen Facetten der Unterdrückung in Tunesien. Zeugnis ablegen vom Weg einer Aktivistin . . . . . . . . 164 Sarhan Dhouib, Franziska Dübgen und Sarah Schmidt Haft, Widerstand und dekoloniales Philosophieren: ein Antizeitzeugenbericht. Gespräch mit Salah Mosbah . . . . 186 Fatna El Bouih Meine Unrechtserfahrung. Eine Frauenstimme gegen das Schweigen . . . . . . . . . 204 Sarhan Dhouib und Franziska Dübgen Philosophieren in der Diktatur. Zur Dialektik von politischer Erfahrung und philosophischem Denken . . . . . . . . . . . . . 217 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . 240 Sarhan Dhouib Transformationen III Vorwort Die Frage nach dem Philosophieren in der Diktatur stellt sich auf be- sondere und dringliche Weise in einer postautoritären Herrschaft, und zwar sowohl in Hinblick auf eine Aufarbeitung der Vergangenheit als auch eine politische und gesellschaftliche Neuorientierung. In ihren the- oretischen und praktischen, individuellen wie kollektiven, gesellschaft- lichen und politischen, ihren historischen und utopischen Dimensionen wird die Komplexität einer Untersuchung der Erinnerung an Unrechts- erfahrungen deutlich. Der folgende Band stellt einige kritische Dimensi- onen des Philosophierens in autoritären arabischen Staaten heraus und widmet sich in der Analyse dem komplexen Zusammenhang des Philoso- phierens und der politischen sowie der historischen Unrechtserfahrung. Die Beiträge reflektieren über die Aufgabe und Funktion der Philosophie in diesem Prozess und konfrontieren die historische Erfahrung mit der Erfahrung des Denkens. Von besonderer Relevanz sind hierbei die Kon- textualisierung und Behandlung des von Philosophinnen und Philoso- phen erlebten Unrechts. Der Band gliedert sich in drei Teile. Jeder Teil ist jeweils mit einer Ein- leitung versehen, die einen Überblick über die behandelten Themen im Kapitelschwerpunkt gibt, in die Arbeit der Autor:innen einführt und the- matische Achsen zwischen den Beiträgen hervorhebt. Die Beiträge im ersten Teil befassen sich mit verschiedenen Facetten der An- und Enteignungsstrategien von komplexen Begriffen im autori- tären Kontext. Im Mittelpunkt stehen Reflexionen über die Aufklärung am Vorabend der Revolution in Ägypten und Syrien und darüber, wie und inwiefern einige Verwendungen Rousseaus und Spinozas im zeitge- nössischen arabischen Denken dem politischen Despotismus und dem religiösen Autoritarismus die Stirn bieten können. Am Beispiel der Frau- enrechte im modernen Tunesien wird über die sprachliche Resignifikati- on im Kontext der Diktatur reflektiert. Die diversen Formen der Kritik am Autoritarismus – wie der zwei- te Teil verdeutlicht – werden in verschiedenen Medien zum Ausdruck gebracht. Dabei zeigt sich, wie künstlerisches Schaffen, kritische Kul- tur und Zivilgesellschaft zusammenhängen und in welchem Sinne Kunst und Philosophie Kritik ermöglichen und dadurch eine gesellschaftliche Transformation vollziehen können. Erinnerungen an die studentischen Protestbewegungen in Tunesien in den 1960er Jahren bezeugen nicht 7 SARHAN DHOUIB nur eine intensive Begegnung mit Michel Foucault, die bisher in der For- schung kaum beleuchtet ist, sondern auch die Entstehung einer Philoso- phie der Gegenwart, die sich primär einer Diagnose der Realität widmet. ›Zeugnis ablegen‹ bildet einen wesentlichen Teil der Aufarbeitung von Unrechtserfahrung, was im dritten und letzten Teil thematisiert wird. Er- zählungen, Essays und Gespräche, die sich dem Gefängnis und dem in ihm erlittenen Unrecht widmen, werden hier exemplarisch dargestellt und untersucht. Es handelt sich dabei um Zeitzeugenberichte arabischer Philosophinnen und Philosophen, die erstmalig in deutscher Übersetzung vorliegen und die Frage nach der Rolle der Zeugenschaft kontrovers dis- kutieren. Die Texte bieten einen Zugang zu den vielfältigen Formen der Unterdrückung, zu einer unmittelbaren individuellen Erfahrung und zu- gleich zu einer dekolonialen Perspektive des Widerstandes; sie ermögli- chen darüber hinaus einen philosophischen Einblick in die Komplexität der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen. Schrei- ben und Erzählen verschaffen den Opfern die Möglichkeit, ihre Stimme zu erheben und das Gefängnis von einem Ort der Grausamkeit zu einem Raum des intellektuellen Austauschs, der Kameradschaft und der Hu- manität zu verwandeln. Dieser Band ist der letzte von drei Bänden der Titelreihe Unrechts- erfahrung in transkultureller Perspektive, in der Ergebnisse des For- schungsprojektes Verantwortung, Gerechtigkeit und Erinnerungskultur präsentiert werden. Ausgangspunkt der Zusammenarbeit war die allge- meine Überlegung, dass die kritische Auseinandersetzung mit autoritä- ren Strukturen, ihren Mechanismen und Erscheinungsformen eine er- forderliche Bedingung für die Etablierung demokratischer Institutionen und Rechtsstaatlichkeit ist. Diese Bedingung kann zwar als eine theore- tische Voraussetzung verstanden werden, die der demokratischen Ord- nung vorangeht, de facto ist sie jedoch eine ständige Aufgabe, die den demokratischen Prozess reflektierend begleiten muss. Denn wir haben es nicht mit Ideen, sondern mit historisch gewachsenen, kulturell beding- ten politischen Strukturen zu tun und insofern ist kein als Demokratie titulierter realer Staat (und kein es bestimmendes ökonomisches System) frei von Ideologien. Die Titelreihe nimmt Unrechtserfahrung – verstanden im Sinne von Menschenrechtsverletzungen, kollektiven oder individuellen Formen der Ausgrenzung, Missachtung und Diskriminierung – zum Ausgangspunkt einer kritischen Reflexion, die zwar eine bestimmte soziale oder histori- sche Erfahrung in Betracht zieht, aber durchaus von der Suche nach Pa- rallelen, Ähnlichkeiten, Überschneidungen und nicht zuletzt nach uni- versalisierbaren Normen, die vor dem Hintergrund dieser Erfahrung denkbar sind, motiviert ist. In diesem Sinne besteht die hier vorgelegte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Unrechtserfahrungen notwen- digerweise aus einem ständigen Hin und Her zwischen Faktizität und 8 VORWORT Normativität, zwischen der konkreten Erfahrung und dem normativen Anspruch. Transkulturalität als gelungenes Resultat interkultureller Ar- beit entsteht nicht aus der Dominanz eines vorherrschenden Diskurses über die Anderen, sondern ist das Ergebnis einer geduldigen und offe- nen Kommunikation auf mitunter steinigem Weg, die nicht nur zwischen Theorien, sondern auch zwischen akademischen Akteuren stattfindet. Wird diese Transkulturalität erreicht, so ist mit ihr auch die Hoffnung verbunden, das akademische Leben nachhaltig zu bestimmen. Die Zusammenarbeit der beitragenden Forschergruppe war inter- kulturell und interdisziplinär angelegt. Sie bestand aus deutschen und nordafrikanischen Kolleg:innen, die verschiedenen akademischen Ge- nerationen angehören und unterschiedliche Fachdisziplinen vertreten. Begünstigt durch die tunesische Revolution nahm die Anzahl der ver- öffentlichten Autobiografien, Zeugenschaftsberichte und Memoiren über Gefängniserfahrung und Verfolgung in den arabischen Ländern zu; einige dieser Texte werden in diesem Band analysiert. Wenngleich die Thematik der Zeugenschaft bekannt ist, stellt sie bisher kaum ei- nen Forschungsgegenstand akademischer Diskurse an nordafrikanischen Universitäten dar, da eine wissenschaftliche Reflexion über Unrecht im postkolonialen Staat vor dem ›Arabischen Frühling‹ kaum möglich war. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Kritik am Versagen des postkolo- nialen Staates außerhalb der akademischen Institutionen (Salons, philo- sophische Cafés, Podiumsdiskussionen) nicht verbreitet gewesen wäre, vor allem seitens einer aktiven Zivilgesellschaft. Innerhalb der vorliegenden Arbeit spielt die Übersetzung von Texten – vor allem aus dem Arabischen und dem Französischen ins Deutsche – eine Vermittlungsrolle. Die sprachliche Übersetzung wird jedoch durch eine kulturelle Übersetzung unterstützt, denn Folter- und Gefängniser- fahrung, Tabu-Themen wie Sexualität im Gefängnis, die Verwendung von verschiedenen Dialekten sowie von Codes oder Geheimsprachen in einer Diktatur erfordern eine intra- und interkulturelle Vermittlung des gesamten kommunikativen Gehalts sowie des Unsagbaren innerhalb ei- ner Schmerzerfahrung. Im Laufe der Durchführung des Projektes waren Übersetzungsprozesse ständig am Werk und spiegeln sich in allen drei Bänden der Titelreihe Unrechtserfahrung in transkultureller Perspektive wider. Auch in der Zusammenarbeit waren Sprechen und Schweigen so- wie Vergessen und Erinnern in all ihren Facetten präsent. Für den inten- siven Austausch und die lebhaften Diskussionen möchte ich allen Pro- jektbeteiligten herzlichst danken. Das Forschungsprojekt Verantwortung, Gerechtigkeit und Erinne- rungskultur entstand im Rahmen der Deutsch-Arabischen Transfor- mationspartnerschaft und wurde von 2013 bis 2015 mit Geldern des Auswärtigen Amtes großzügig finanziert. Es handelte sich um ein in Lehre und Forschung angesiedeltes Projekt zwischen dem Institut für 9

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