Otto Zwierlein Petrus in Rom: Die literarischen Zeugnisse Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Heinz-Günther Nesselrath, Peter Scholz und Otto Zwierlein Band 96 De Gruyter Petrus in Rom Die literarischen Zeugnisse Mit einer kritischen Edition der Martyrien des Petrus und Paulus auf neuer handschriftlicher Grundlage von Otto Zwierlein 2., durchgesehene und ergänzte Auflage De Gruyter ISBN 978-3-11-024058-0 e-ISBN 978-3-11-024059-7 ISSN 1862-1112 BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschen Nationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensindimInternet überhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. (cid:2)2010WalterdeGruyterGmbH&Co.KG,Berlin/NewYork Druck:Hubert&Co.GmbH&Co.KG,Göttingen (cid:2)GedrucktaufsäurefreiemPapier PrintedinGermany www.degruyter.com Vorwort Dieses Buch hat eine merkwürdige Entstehungsgeschichte: Es war überhaupt nicht geplant, hat sich von selbst aus einem Exkurs des Ps.Hegesipp über die neronische Christenverfolgung entwickelt, zwang den Verfasser immer tiefer in das Dickicht der apokryphen Apostelak- ten, dann auch in die heiklen Datierungsprobleme des sog. ersten Cle- mensbriefes, der vermeintlich „echten“ Briefe des Ignatius von Antio- chien und der Spätschriften des Neuen Testaments. Als das Manuskript schließlich bei den Herausgebern lag, geschah das durch den unermüd- lichen Einsatz von R. Stichel bewirkte Wunder: Nach zweijährigen Be- mühungen trafen (am 12.7.2008) die digitalisierten Reproduktionen ei- ner seit 1962 bibliographisch erfaßten, aber bisher nicht ausgewerteten Handschrift der Martyrien des Petrus und Paulus aus Ohrid (Makedo- nien) ein. Sie entpuppten sich als eine kleine Sensation: Die in zierli- cher Minuskel des 11. Jh.s geschriebenen Pergamentfolien bringen nicht nur eine bisher unbekannte Rede mit einem Selbstporträt des Apostels Paulus ans Tageslicht, sondern bescheren uns einen unabhän- gigen Textzeugen von hoher Qualität, der einen eigenen Überliefe- rungsstrang repräsentiert und selbst den um 300 geschriebenen Ham- burger Papyrus in den Schatten stellt. So forderte das Buch einen weiteren Tribut: eine kritische Edition dieser beiden Martyrien mit Übersetzung und eine Darstellung der grie- chisch-lateinischen, koptischen und slawischen Überlieferungsge- schichte. Der neue Text erzwang seinerseits Modifikationen im Kapitel B IV, u. a. auch in dem Abschnitt über die berühmte, oftmals verfilmte ‘Quo vadis’-Szene1: Ich hatte seit langem die Vermutung, daß dort Pe- trus den Herrn, der ihm am Stadttor entgegenkommt, ursprünglich nicht quo vadis? fragte, sondern in der Version des Ambrosius: Domine, quo venis? Die Handschrift aus Ohrid bringt jetzt die Bestätigung: nicht (cid:652)(cid:544)(cid:2792) (cid:2672)(cid:303)(cid:304) (so P und A), sondern (cid:306)(cid:2688)(cid:2672)(cid:303)(cid:304), (cid:539)(cid:2692)(cid:545)(cid:538)(cid:304)(cid:30) (also nicht: „Wohin gehst Du, Herr?“, sondern „Weshalb, Herr, kommst Du hierher?“) lautete der ursprüngliche Text! Die Antwort (bei Ambrosius auf das Stichwort ve- _____________ 1 Siehe zuletzt RUTH SCODEL – ANJA BETTENWORTH, Whither Quo Vadis? Sienkie- wicz’s Novel in Film and Television, Malden and Oxford 2008. VI Vorwort nis zugeschnitten): „Ich komme, ein zweites Mal gekreuzigt zu wer- den“ (iterum venio crucifigi). So gebührt denn mein erster Dank R. Stichel für die unerschütterli- che Geduld, mit der er seine Kontakte nach Ohrid zum Erfolg führte, und Frau Prof. Aksinija Dzurova, Direktorin des Ivan-Dujcev-Zentrums für slawische und byzantinische Studien in Sofia, für die liebenswürdi- ge Bereitschaft, die digitalisierten Fotos schließlich selbst herzustellen. Herzlichen Dank sage ich ferner den beiden Mitherausgebern der „Un- tersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte“, ganz besonders Herrn Nesselrath, der eine vorsichtige Anfrage, ob die Arbeit trotz der speziellen Thematik in der Reihe der UaLG erscheinen könne, mit einer spontanen Zustimmung beschied und dann das ganze Manuskript mit der ihm eigenen Sorgfalt gelesen und viele wichtige Verbesserungen beigesteuert hat. Gregory Hutchinson bin ich dankbar für eine überaus gründliche Lektüre des langen Schlußteils mit Überlieferungsgeschich- te und kritischer Edition der beiden Martyrien. Wieviel die Ausgabe durch ihn gewonnen hat, kann der Leser aus den Einträgen im kriti- schen Apparat und aus den Anmerkungen leicht ermessen. Den Mit- gliedern der Geisteswissenschaftlichen Klasse der Nordrhein-Westfäli- schen Akademie der Wissenschaften danke ich für eine anregende, leb- hafte Diskussion meiner Thesen im Anschluß an einen Vortrag in der Sitzung vom 16. Juli 2008, Frau Vogt, Frau Hill und Herrn Schirmer für die einfühlsame verlagstechnische Betreuung. Ohne Thomas Riesenweber hätte diese Arbeit nicht erscheinen kön- nen: Ihm wird die gesamte, in mehreren Schüben erfolgte Herstellung und Verbesserung der reproduktionsfertigen Druckvorlage (einschließ- lich der graphischen Umsetzung des Handschriftenstemmas) verdankt. Seine große sprachliche Kompetenz und seine ebenso sichere Beherr- schung textkritischer und überlieferungsgeschichtlicher Methodik sind dem Buch auch in der Substanz zugute gekommen. Bonn, im Januar 2009 Otto Zwierlein Durch einen Asteriskus (*) am Seitenrand wird auf die jeweiligen Addenda zur 2. Auflage am Ende des Buches (S. 475–483) verwiesen. Inhaltsverzeichnis Vorwort ......................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ...................................................................... VII Einleitung ....................................................................................... 1 Der Exkurs über die neronische Christenverfolgung im ‘He- gesippus’ des Ambrosius, die Petruslegende und ihre Quellen ....................................................................................... 1 A. Die „Schlüsselbeweise“ für einen Aufenthalt des Apo- stels Petrus in Rom ................................................................... 4 I. Der archäologische Befund: Das sog. Petrusgrab ...................... 4 II. Die literarischen Schlüsselstellen ............................................... 7 1. 1Petr 5,13: Diaspora, Babylon und die (cid:652)(cid:302)(cid:545)(cid:304)(cid:652)(cid:2688)(cid:303)(cid:536)(cid:541)(cid:544)(cid:538) in Jak, 1Petr und 1Clem ....................................................... 7 2. 1Clem 5–6: Der sog. 1. Clemensbrief und die Apo- stelgeschichte ..................................................................... 13 3. Ign. Röm 4,3: Petrus und Paulus im Römerbrief des „Ignatius“ (mit einem Vorgriff auf die Erörterung der Chronologie) ................................................................ 31 4. Ascensio Jesaiae 4,2–3 ....................................................... 34 B. Das Wirken Petri in Rom: Die apokryphen Apostelak- ten und der Exkurs über Petrus und Simon Magus im ‘Hegesipp’ des Ambrosius ..................................................... 36 I. Abriß der Quellen: Die Acta Petri et Pauli ............................... 36 II. Die historischen Voraussetzungen für die Konzeption eines Romaufenthaltes der beiden Apostel ............................... 41 1. Romreise und Romaufenthalt des Paulus nach der Apostelgeschichte............................................................... 41 2. Erfüllt Petrus die Bedingungen für eine Mission im Westen? .............................................................................. 42 III. Petrus im Wettstreit mit dem Zauberer Simon ......................... 43 1. Die Ausgangssituation im Exkurs des Ambrosius und in den Petrusakten ....................................................... 43 VIII Inhaltsverzeichnis 2. Die Ankunft des Simon Magus in Rom ............................. 46 3. Petrus verfolgt den aus Judäa vertriebenen Zauberer nach Rom ........................................................................... 47 4. Die scheinbare und die wirkliche Totenerweckung: Simon als magna virtus dei ................................................ 52 5. Das Mirakel des Himmelsfluges ........................................ 59 a) Simons Flug in den actus Petri .............................................. 59 b) Simons Flug im Exkurs des Ambrosius und im Ps.Marcellus .......................................................................... 60 c) Engel/Dämonen als Flughelfer in const. Apost., Ar- nob. adv. nat., Sulp. Sev., Ps.Marc. – nicht in den actus Petri .............................................................................. 62 6. Der Simon Magus des Ambrosius als ein zweiter Ikarus .................................................................................. 70 IV. Die Passio Petri (et Pauli) – in quellenkritischer Sicht ............. 75 1. Der Auftakt zur Verfolgung des Petrus (und Paulus) ......... 75 a) Neros Zorn über den Verlust des Freundes ........................... 75 b) Die Konkubinen des Präfekten Agrippa ................................ 78 c) Nero oder Agrippa? Ambr. c. Aux. 13 .................................. 79 d) Die ‘vocatio’ ......................................................................... 81 2. Die ‘Quo vadis’-Szene am Stadttor Roms ......................... 82 a) Der Dialog zwischen Petrus und Jesus in Mart. Petr. 6,4 ......................................................................................... 82 b) Die beiden Fassungen des Ambrosius (Heges. III 2; c. Aux. 13) im Vergleich zu Ps.Linus ................................... 85 c) Joh 13,36 in Ps.Linus und Ps.Marcellus ................................ 89 d) Die Einsicht Petri in den theologischen Sinn der Worte Jesu bei Ambrosius und Ps.Linus ............................... 90 3. Petri Kreuzigung ................................................................ 92 a) Petrus stärkt die Brüder – Gefangennahme und Ver- urteilung zum Kreuz durch Agrippa ...................................... 92 b) Auflauf des Volkes und Kreuzigung ‘inversis vesti- giis’ ....................................................................................... 94 c) Von Joh 21,18f. zu Ambr. hymn. 12 ..................................... 97 d) Petrus, der Hirt, empfiehlt seine Schafe dem ‘guten Hirten’ ................................................................................. 103 4. Die Grablegung .................................................................. 108 a) Die Zeugen aus Jerusalem ................................................... 108 b) Die Sarkophagbestattung: „Laßt die Toten ihre Toten begraben!“ ........................................................................... 109 5. Neros Christenverfolgung ................................................ 113 Inhaltsverzeichnis IX a) Nero in den actus Petri und im Ps.Linus ............................. 113 b) Nero in den acta Pauli ......................................................... 116 c) Tertullians Kombination der Nero-Vita Suetons mit den Apostelakten und Joh 21,18f. ....................................... 119 d) Tertullian, Laktanz und Ambrosius (Heges. III 2) .............. 124 C. Legende und Historie ........................................................... 128 I. Ursprung und Entwicklung der Legende vom Wirken und Sterben des Apostels Petrus in Rom ................................ 128 1. Widersprüche zwischen den apokryphen Apostelak- ten und der Apostelgeschichte .......................................... 128 2. Iustinus Martyr und die vermeintliche Statuenin- schrift Simoni Deo Sancto ................................................ 129 3. Bischof Dionysios von Korinth über Petrus und Paulus: Die Paulinischen Korintherbriefe und 1Clem ..... 134 a) Das (cid:541)(cid:302)(cid:545)(cid:306)(cid:547)(cid:545)(cid:2763)(cid:305)(cid:302)(cid:538) der beiden Apostel in Korinth und Rom nach Dionysius und Euseb ......................................... 134 b) Petrus und Paulus in Korinth? ............................................. 135 c) Der Irrtum des Bischofs Dionys über Petrus und Pau- lus als Gründungsapostel der Christengemeinden in Rom und Korinth ................................................................ 139 4. Irenäus von Lyon: Die ‘potentior principalitas’ der von Petrus und Paulus gegründeten Kirche Roms ........... 140 5. Petrus und Paulus als Begründer des römischen Epi- skopats: Die ersten Bischöfe Roms .................................. 156 a) Die früheste Bischofsliste Roms bei Irenäus ....................... 156 b) Bischof Polykarp von Smyrna bei Irenäus .......................... 162 c) Die Bischöfe Polykarp und Clemens in Tertullians ‘De praescriptione haereticorum’ ........................................ 164 d) Die vermeintliche ‘Diadoche’ des Antihäretikers He- gesippus............................................................................... 166 e) Christlicher Rom-Mythos (Damasus, Ambr. hymn. 12, Prudentius, Leo d. Große) ............................................. 169 6. Die Jakobuslegende und die Diadoche der Bischöfe Jerusalems: Hegesippus vor der Folie des Flavius Josephus ........................................................................... 178 II. Das fiktive Briefcorpus des „Ignatius von Antiochien“ ......... 183 1. Die Datierung der sog. ‘epistulae genuinae’ in die Zeit nach der valentinianischen Gnosis ............................ 183 a) Die Interpolation des Terminus technicus (cid:541)(cid:302)(cid:545)(cid:306)(cid:2692)(cid:545)(cid:538)(cid:544)(cid:542) in Eph 1,2 ............................................................................ 185 X Inhaltsverzeichnis b) Die (cid:520)(cid:538)(cid:534)(cid:2686) aus dem valentinianischen Pleroma in Magn 8,2 ....................................................................................... 187 2. Polykarps Philipper-Brief – eine authentische Be- glaubigung des Märtyrers Ignatius (von Antiochien) ....... 188 3. Chronologische Fixpunkte für die sog. mittlere Re- zension der pseud-epigraphischen Briefe des „Igna- tius von Antiochien“......................................................... 193 a) Irenäus von Lyon, ‘Adversus haereses’ .............................. 193 b) Lukians Schrift ‘De morte Peregrini’? ................................ 194 c) Das ‘Martyrium Polycarpi’ und der Martyriumsbe- richt der Christen von Lyon ................................................ 201 4. Zur Martyriumsterminologie bei Ps.Ignatius, Poly- karp, im Brief über die Märtyrer von Lyon und im 4. Makkabäerbuch ................................................................ 206 a) (cid:541)(cid:302)(cid:545)(cid:306)(cid:547)(cid:545)(cid:304)(cid:2777)(cid:542) – (cid:541)(cid:302)(cid:537)(cid:536)(cid:306)(cid:2685)(cid:546)/(cid:541)(cid:538)(cid:541)(cid:536)(cid:306)(cid:2685)(cid:546)(cid:304)(cid:2631)(cid:542)(cid:302)(cid:538) / (cid:541)(cid:302)(cid:537)(cid:536)(cid:306)(cid:304)(cid:2692)(cid:304)(cid:305)(cid:537)(cid:302)(cid:538) ........... 206 b) (cid:2581)(cid:542)(cid:306)(cid:2688)(cid:549)(cid:547)(cid:548)(cid:544)(cid:546): Der Märtyrer als Stellvertreter .......................... 212 5. Die Pseud-Ignatianen: ein ‘Briefroman’ zur Propa- gierung des Monepiskopats .............................................. 216 a) Die sieben Briefe des „Ignatius“ im Rahmen christli- cher und heidnischer Pseudepigrapha der Zweiten Sophistik ............................................................................. 216 b) Auf den Spuren des Paulus von Antiochien nach Rom: Die sieben Sendschreiben des Ps.Ignatius als fingierte Repräsentationen der von Polykarp bezeug- ten Briefe des Märtyrers Ignatius ........................................ 222 c) Paulinisches Kolorit im Ps.Ignatius .................................... 225 d) Der Beglaubigungsapparat im Dienste der Abwehr gnostischer Häresien und der Beförderung des Mon- episkopats ............................................................................ 226 e) Die Stilisierung des Presbyters Polykarp von Smyrna zum Bischof ........................................................................ 231 f) Der Römerbrief des Ps.Ignatius und der erste „Cle- mensbrief“ ........................................................................... 234 Ergebnis ..................................................................................... 237 III. Eine unplausible Frühdatierung des lukanischen Ge- schichtswerks und die Legende von einem Romaufent- halt des Petrus ......................................................................... 238