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Nur keine Angst vor der Zukunft PDF

192 Pages·2006·1.18 MB·German
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Science Fiction Lektorat: Ronald M. Hahn Ullstein Buch Nr. 31094 im Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M – Berlin – Wien Originalausgabe Umschlagentwurf: Hansbernd Lindemann Umschlagillustration: U. A. Ohmsen Alle Rechte vorbehalten Copyright © 1985 by Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M – Berlin – Wien Printed in Germany 1985 Gesamtherstellung: Elsnerdruck GmbH, Berlin ISBN 3 548 31094 X Februar 1985 Inhalt Marathon Artefakt 5578 City Willkommen in der Stadt der Angst Tief unten im Tal Delirion: Liza Für Marita Marathon DER TAG BEGINNT So daß er sich aus dem Sand wühlt… In der Ferne, am Horizont, am narbigen Zacken, perlweißgekrönt, obwohl Rauch hervorquillt und Schlacke in die Ebene drängt, dort, wo sich blaugrün und graugelb Himmel und Boden vereinigen, dort klebt die Sonne wie ein schorfiges Auge einen Fingerbreit über Vulkan und Feuerstrahl. Heiß ist es schon, brütend und trocken, ganz wasserlos, und der Reif der Nacht besteht aus gefrorenem Gas, das längst verdampft und unsichtbar geworden ist. Und er reckt und dehnt sich in die Wärme und läßt die letzten Sandkörner von seiner silbrigen Haut rieseln. Wind kommt auf, eine pfeifende Brise voll Staub und sachter Kühle. Ein Geruch begleitet den Wind, ein feiner Duft aus einer Handvoll Moleküle, zu klein für eine Hand, um sie einzufangen. Prickelndes Nickel. So süß wie Uran. Zartbitterplatin. Und rohes Eisen. Vom Horizont her wehen die Böen aus den Tiefen und Spalten der Schluchten, wo kalt die Luft der Nacht versunken ist, um jetzt im klaren Glanz des Morgens unter den Strahlen der Sonne aufzusteigen und nach allen Himmelsrichtungen zu entfliehen. Er hebt ein Bein. Es knirscht sacht, noch steif von der Untätigkeit der Finsternis, vor deren schwarzem Nichts ihn nur das Bad im Sand beschützt, wo es noch warm, noch duftig ist. Sonnenlicht umhüllt ihn, sickert in jede Falte der Silberhaut, die schuppig ist wie die eines Fisches und die die Strahlen trinkt, in großen, durstigen Zügen, ganz ausgedörrt, ganz schattig, bis sie endlich glitzert und ohne Mühe ihr fotosynthetisches Tagwerk aufnimmt. Er sieht sich um, augenlos, doch nicht blind, sieht Sand und Sonne und Oben und Unten am Narbenzacken verschmelzen. Zeit für den ersten Atemzug. Der Wärme genug in den Ritzen der Haut, das Licht bereits verschluckt und zerlegt, osmotischer Druck in den Gewölben des Leibes, so spannt er die schlaffen Säcke und öffnet weit die Schlitze, die wie ein Reißverschluß auseinanderklaffen und pfeifend die Luft hineinpumpen, die Sauerstoffspuren. Fast ist er von der Zündung überrascht. All seine Beine mahlen im Sand, wühlen breite Kuhlen hinein, und die Ungeduld ist ein Zittern im ganzen Nervensystem. Die Hitze dringt jetzt aus dem Innern. Erstarrte Schmierflüssigkeit wird weich wie Gelee. Prustender Dampf betreibt die Kolben. Überall Druck. Ein Ventil zischt. Chromweiße Flocken werden ausgeschieden und vermischen sich mit der staubigen Decke der Wüste. All das, während die Sonne steigt. Während der Tag beginnt. Er bewegt sich. Zwei Schritt nach vorn. Dumpf dröhnt der Boden. Selbst der Sand verschluckt kaum die Vibrationen seines schweren Leibes. Er hinterläßt eine Spur. Seine mächtigen Beine stempeln ihre Zeichnung in die Wüste. Bis der Wind zunimmt und Staub darüberstreut. Ein weiterer Schritt. Eine Bewegung zur Seite. Einen großen Kreis beschreibt er, voll verhaltener Kraft, einen Kreis wie am Morgen eines jeden Tages. Dann ist er vollendet und die Grube wieder erreicht, in der er die Nacht verbracht hat, doch er ruht nicht und bewegt sich schneller. Sandkörner spritzen zur Seite. Einige von ihnen glitzern im Licht, und einige riechen gut und wecken seinen Hunger. Hunger. Mit Macht schert er aus, verläßt die Krümmungen des Kreises, flink nun, obwohl groß und schwer, läßt seine Beine fliegen, verfällt in einen stetigen Trott und gleitet über die Dünen, die flach und staubumflirrt sich um ihn herum erstrecken und erst im Norden Pflanzenwuchs und schwarzem Basalt weichen. Wo der Narbenzacken spitz den Horizont ziert. Noch mehr steigert er seine Geschwindigkeit. Wind umheult ihn und stemmt sich ihm entgegen, wie an jenem Tag sein ärgster Feind, sein einziger Gegner auf dieser Welt, die erhellt wird vom Licht der schorfigen Sonne. Auch wenn er keine Ohren besitzt, so spürt er bis in die letzte Zelle das Hämmern der Kolben und das eifrige Arbeiten der Pumpen, das Gurgeln der Schmierflüssigkeiten und das Fauchen des hydraulischen Dampfes. Sogar das Schmatzen, mit dem sich die Ventile öffnen und schließen. Spiegelglatt ist jetzt seine Haut, schlüpfrig und silbrig, ohne Ansatzpunkt für den Fahrtwind, der vergeblich versucht, unter den Vorderleib zu schlüpfen, der ganz dicht am Sande ist. Zornig pfeift der Wind über die Glätte der Haut, vorbei an der Wölbung seines Körpers, unter dem die Beine sich heben und senken, keines zu schnell, keines unsicher, trotz ihrer wuchtigen Kraft fast so flink wie die Flügel eines Kolibris. Der Lauf belebt ihn. Er nimmt Witterung auf. Vom Narbenzacken her dringt der Duft. Und auch der Boden rekelt sich. Tief unten schwappt Glut hin und her, von Gasen bedrängt, vom Fels eingeengt, und strömt in Richtung Horizont. Er atmet die Sonne ein, um die Schwäche zu vertreiben, die der Hunger mitgebracht hat, er läuft schneller und schneller dem Narbenzacken entgegen, wo der Perlweißbelag der Gipfel und Hänge von Ascheflocken düster bemalt wird. Er ist jetzt ein Geschoß. Vom Wind eingehüllt. Nur schattenhaft wahrnehmbar. Er läuft in dröhnender Hatz über die Wüste. Er atmet und filtert den Sauerstoff aus der Luft. Laufen. Leben. Der Tag beginnt. DIE SPREU, IM NICHTS VERTEILT »Und das Ganze nach zwanzig Jahren Flug. Natürlich im Eisherzen, um nicht grau an Haar und Verstand zu werden.« Der Raumscherge bohrte seinem Kameraden den rechten großen Zeh in den After. »Dann diese Welt, weiß wie ein Ei. Aus der Ferne. Steht man auf ihr, so ist sie schmutzig. Verschneit, aber schmutzig. Rußflocken aus den Hochöfen der Heiligen-Dreifaltigkeits-Kirche. Die Pfaffen selbst schmiedeten Schwerter und Boden-Raum-Raketen, und nicht einmal in der Hitze der Stahlschmelzen legten sie ihre schwarze Kluft ab.« Der Raumscherge streichelte seinem Kameraden mit dem linken Fuß die Hoden. »Wir hatten leichtes Spiel mit ihnen, zumal ihr Papst von den ersten Landetruppen in die ewige Umlaufbahn geschossen wurde. Ein kurzes Gemetzel in den Gemächern des Neuen Vatikans, einige Bomben, die wie Eisblumen erblühten, und einige rote Flecke im schmutzigen Schnee. Das war ’65 auf Montblanc.« Der Raumscherge nickte und gab seinem Kameraden einen Kuß. Und das ist jetzt siebzig Jahre her, dachte Tlile. Sie schritt an der Kabine vorbei, wie gewöhnlich das tote Metall der Zerospur benutzend, die sich durch den breiten Korridor schlängelte und irgendwo vor ihr im Dunst der Dämmervorhänge verschwand. Das Deckenlicht war grünlich wie das Nadelgras auf Myrion Cri, wie Mater, die Sonne, die ihr bei der Geburt ins Gesicht geblinzelt hatte. »Du bist nicht dabeigewesen, du kannst es dir nicht vorstellen, wie das für uns gewesen ist. Selbst der perfekte sensitive Film kann nicht wiedergeben, wie die Senke auf den Menschen wirkt.« Eine neue Kabine. Ein Raumscherge, der zu dem Ego-Porträt einer Frau sprach. Die Frau war blauäugig und gelbhaarig, ihre Wimpern zitterten verhalten, während sie aufmerksam aus ihrem Rahmen hinunter auf den Schergen blickte, der sich die Nase puderte und langsam die holographischen Fotos sortierte, die er vor sich auf dem Klapptisch ausgebreitet hatte. »Ich meine, es ist eine völlig neue Erfahrung. Es ist wie das erste Mal, wenn man mit einer Frau oder einem Mann schläft. Man sitzt auf dem Elektronischen Floß, eingehüllt in den Kriegspanzer, in dem es unablässig klickt und piepst und knirscht, und wenn man die Grenze überquert, dann erlöschen plötzlich und unerwartet die Sterne. Alle Sterne. Es wird finster. Es wird so finster, daß man sich fast selbst verletzt. Man weiß, irgendwo ganz in der Nähe befindet sich das Schwarze Loch, und man ist in der Senke, und nicht weit entfernt lauert der Feind in der Dunkelheit, die absolut ist. Wenn man dann auf diesem Floß hockt und selbst den Photonenbrenner ausgeschaltet hat, um nicht frühzeitig entdeckt zu werden, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als die Magnetlanze zur Hand zu nehmen und Punkt für Punkt den zugeteilten Raumkubus abzutasten. Immer in der Hoffnung, einen von den Feinden zu erwischen und ihn in den Schwerkraftschlund zu schleudern. Immer in der Angst, selbst getroffen zu werden und hilflos davonzudriften, mitten in das Herz des Schwarzen Lochs. So war es ’23, mein Schatz, und nie habe ich einen Feind zu Gesicht bekommen.« Der Raumscherge lächelte hinauf zu dem Ego-Porträt. Vor hundertzwölf Jahren, durchfuhr es Tlile, als sie die Kabine passierte, und vielleicht ist diese Frau schon tot, wenn sie nicht das Los der Raumschergen- Witwe auf sich genommen hat und zu Bette gegangen ist in den eisigen Zimmern des Kryogenischen Hotels auf Myrion Cri. Weiter ging sie auf der Zerospur, durchquerte die Trakte der Raumschergen, die liebten und spielten und Geschichten erzählten von den Großen Kriegen, deren Sinn sich im Verlauf der Jahrtausende verdunkelt hatte und nur noch für die Schergen und die Politruks entzifferbar war. Tlile tippte gegen den Goldreif, der um ihre Stirn lag wie ein bescheidenes Diadem. Über die Lautlose Welle empfing sie jetzt den Datenstrom der Compagenten, die unermüdlich Informationen sammelten und eine ganze Welt mit ihren Multisinnen ausspionierten. Während wir hier unten sind, dachte Tlile, unten im Granit, der in Jahrmillionen gewachsen ist und im Vergleich zu dem sogar die Menschen der Alterde noch jung wie Kinder sind. Sie ging weiter, in Gedanken jetzt mit den Windgeschwindigkeiten und Temperaturschwankungen im Bleichknochengebirge beschäftigt. Tag war es dort geworden. Hell und heiß, so heiß, daß Eiweiß kochte und Wasser verdampfte.

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