Wolfgang Stegmiiller Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Band IV Personelle und Statistische Wahrscheinlichkeit Studienausgabe, Tei! A Neue Betrachtungen tiber Aufgaben und Zie1e der Wissenschaftstheorie Wahrscheinlichkeit-Theoretische Begriffe Induktion Das ABC der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik Springer-Verlag Berlin· Heidelberg· New York 1973 Professor Dr. WOLFGANG STEGMULLER Philosophisches Seminar II der Universitat Munchen Dieser Band enthalt die Einleitung und Teil 0 der unter dem TiteI "Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Band IV, Personelle und Statistische WahrscheinIichkeit, Erster Halbband: Personelle Wahrscheinlichkeit und Rationale Entscheidung" erschienenen gebundenen Ge samtausgabe ISBN-13: 978-3-540-05989-9 e-ISBN-13: 978-3-642-61952-6 001: 10.1007/978-3-642-61952-6 Das Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Dbersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ahnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben. auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Bei VervieHaltigungen £iir gewerbliche Zwecke ist gemafl § 54 UrhG eine Vergiitung an den Verlag zu zahlen. deren Hohe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1973. Library of Congress Catalog Card Number 73-77476 • Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1973 Vorwort Verschiedene Griinde haben mich bewogen, den vorliegenden vierten Band dem urspriinglich geplanten dritten Band liber Induktivismus und Deduktivismus vorzuziehen. Das wichtigste Motiv ist dies, daB ich in diesem Band mehr Neues sagen zu konnen glaube als in den beiden vor angehenden und daB ich diese neuen Resultate zur Diskussion stellen will. Ein zweiter, ebenfalls wichtiger Grund liegt darin, daB ich im dritten Band den ,Deduktivismus' POPPERS eingehender erortern wollte, daB es mir aber ratsam erschien, dazu den bereits seit langerer Zeit angeklindigten Schilpp-Band liber POPPERS Philo sophie abzuwarten, der zweifellos viele wichtige Diskussionsbemerkungen und Erwiderungen enthalten wird, die zur weiteren Klarung der Popperschen Auffassung beitragen. Ein dritter Grund, daflir, diesen Band zunachst fertigzustellen, hangt mit der groBeren Schwierigkeit und Kompliziertheit der darin behandelten Materie zusammen. Bestimmend war dabei weniger die Furcht vor klinfti gem Nachlassen der Krafte als das Gefiihl, daB die Zeiten bald vorbei sein werden, in denen ich mich liber mahnende Stimmen, die mich auf Berge von nicht gelesener Literatur - insbesondere im Gebiet der mathemati schen Statistik - verweisen, mit ,jugendlicher Unbeklimmertheit' hinweg setzen kann. Meine Grundthese, die flir die Art der Behandlung der Wahrschein1ich keitsprobleme bestimmend war, lautet, daB das sog. Induktionsproblem durch zwei Klassen von Problemen zu ersetzen ist, die an seine Stelle zu treten haben: die praktischen und die theoretischen Nachfolgerprobleme zum Induktionsproblem. Da diese These sicherlich nicht allgemein akzeptiert werden dlirfte, mochte ich sogleich auf zweierlei hinweisen: Erstens darauf, daB die These in die Details, die sich in den fiinf Hauptteilen des Buches finden, nicht eingeht. Zweitens daB man bei einer kritischen Beurteilung der These von einer dreifachen Differenzierung ausgehen sollte: (1) der prin zipiellen Unterscheidung zwischen den beiden Klassen von Nachfolger problemen; (2) der Art der Grenzziehung, die ich zwischen den beiden Bereichen vornehme; (3) der Interdependenz zwischen den beiden Problem familien. Zum letzten habe ich auBer gelegentlichen Hinweisen vorlaufig nichts Wesentliches zu sagen. Es ist daher wichtig, die beiden ersten Punkte auseinanderzuhalten. Es konnte Z. B. der Fall sein, daB jemand zwar bereit ist, die prinzipieUe Unterscheidung zu libernehmen, jedoch die Art der Grenzziehung ablehnt, die ich zwischen diesen beiden Bereichen vornehme. IV Vorwort Ich babe namlich versucht, den Anwendungsbereich der Entscheidungs theorie enger zu umgrenzen als dies heute ublich ist. Der re1ativ umfang reiche Abschnitt 10 uber Schatzungen im dritten Teil ist u. a. darauf zuruckzufiihren, daB hier an cinem Spezialproblem aufgezeigt werden sollte, was sich nicht entscheidungstheoretisch behandeln laBt. 1m ,globalen Per sonalismus' erblicke ich cinen - millgluckten - Versuch, alle theore tischen Nachfolgerprobleme zum Induktionsproblem durch die praktischen Nachfolgerprobleme zu absorbieren. Die rationale Entscheidungstheorie oder Entscheidungslogik ist hingegen dasjenige Gebiet, in dem mit Recht der personelle WahrscheinlichkeitsbegriJ!, zum Unterschied vom statistischen, im Vordergrund steht. Hier wird cine wichtige Klasse von praktischen Nachfolgerproblemen zum Induktions problem systematisch untersucht. Den Unterschied zwischen den beiden Problemfamilien konnte man schlagwortartig so kennzeichnen: Geht es bei den theoretischen Nachfolgerproblemen um das theoretische Riisonieren, welches zu wissenschaftlichen Hypothesen fUhrt, so geht es bei den praktischen Nachfolgerproblemen urn das praktische Deliberieren, welches den rationale n Entscheidungen untor Risiko zugrunde liegt. Die Unterscheidung zwischen theoretischem Rasonieren und praktischem Deliberieren ist sehr alt. Sie findet sich vermutlich erstmals in der Nikomachischen Ethik des ARISTo TELES. Neu hingegen diirfte der Versuch sein, das sog.Induktionsproblem unter diesem Gesichtspunkt aufzusplittern. Bei der Niederschrift dieses Bandes haben mich, natiirlich neben vielen wertvollen Spezialabhandlungen verschiedenster Autoren, vor allern die Schriften von fiinf Philosophen am nachhaltigsten beeinfluBt, namlich von R. C. JEFFREY, R. CARNAP, J. HACKING, C. G. HEMPEL und W. SALMON. Beziiglich der Arbeiten von SALMON tritt dies, abgesehen vom Abschnitt 4 des letzten Telles, nicht so deutlich zutage wie hinsichtlich der Werke der anderen genannten Denker. Doch hat die Auseinanderset zung mit scinen zahlreichen interessanten Schriften zurn Thema "Induk tion", vor allem auch meine kritische Beschaftigung mit SALMONS Popper Kritikl, erheblich zur Herausbildung meiner Grundthese beigetragen, mag diese auch mit SALMONS eigener Auffassung in Widerspruch stehen. 1m ersten Abschnitt der Einleitung habe ich einige Gedanken uber die Aufgaben und Ziele der Wissenschaftstheorie niedergelegt. Ich babe darin, soweit es mir moglich war, u. a. cine Antwort auf allgerncinere Fragen zu geben versucht, die fUr manche Leser nach der Lektiire der beiden ersten Binde offengeblieben waren. Dieser Abschnitt ist vom Rest des Buches vollkommen unabhangig. Die Abschnitte 2 bis 4 enthalten grund- 1 Vgl. W. STEGMULLER, "Das Problem der Induktion: Humes Herausfor derung und modeme Antworten", in: H. LENK (Hrsg.), Neue Aspekte Jer Wimn scha/lslbeorie, Braunschweig 1971, S. 13-74. Vorwort v satzliche Bemerkungen zu den Themen "Wahrscheinlichkeit", "Theore tische Begriffe" und ,,1nduktion". 1m Teil 0 habe ich versucht, den Leser in einfacher Weise und zugleich auf relativ schmalem Raum mit den wichtigsten Begriffen der Wahrschein lichkeitstheorie und Statistik vertraut zu machen und ihm auBerdem den Einstieg in die MaB- und 1ntegrationstheorie zu erleichtern. Die Aufteilung des Stoffes in vier Kapitel sollte der Gewinnung groBerer Dbersichtlichkeit fiber diese umfangreiche Materie dienen. Die Art der Gliederung laBt sich nur yom didaktischen Gesichtspunkt, nicht yom systematischen her rechtfertigen. (Fur die Benutzung dieses Teiles vgl. die Gebrauchsanwei sung hinter dem Inhaltsverzeichnis.) Der auf die intuitiv-einfUhrenden Abschnitte folgende systematische Abschnitt 7 des ersten Teiles baut auf den Ideen von JEFFREY auf. Ich halte seine Theorie unter allen bisherigen Versuchen fUr die interessanteste und attraktivste. Was ich hier beizusteuern habe, betrifft viel weniger den Inhalt als die Art des Aufbaus und der Darstellung. Ich kann mir namlich nicht vorstellen, daB ein Nichtlogiker und Nichtmathematiker JEFFREYS Buch uber die Entscheidungslogik, das inzwischen auch in deutscher Sprache erschienen ist2, zu lesen vermag. Ja selbst ein mathematisch routinierter Leser wird groBe Muhe haben, die Theoreme, welche dort oft nur in Beispielen verschlusselt vorzufinden sind, sowie die fUr ihren Nachweis erforderlichen Hilfssatze in der richtigen Reihenfolge ausfindig zu machen und die meist nur angedeuteten oder fehlenden Beweise zu rekonstruieren bzw. erst zu entdecken. Ieh habe demgegeniiber eine mogliehst ~stematisehe Darstellung mit vollstandigen Beweisen zu geben versueht. Da sich im Werk von JEFFREY auBerordentlich viele Illustrationsbeispiele finden, habe ich mich in diesem Abschnitt starker als sonst auf die systematische Darstellung konzentriert. Der an Beispielen interessierte Leser kann solche in groBer Fulle in dem Werk von JEFFREY finden. Der zweite Teil stUtzt sich hauptsachlich auf die Spatschriften CARNAPS, die bei der Abfassung dieses Manuskriptes noch nicht veroffentlicht waren und die auch in der Zwischenzeit nur zum Teil publiziert worden sind. Neuartig ist die rein entseheidungstheoretisehe Interpretation des Carnapsehen Prrijektes, auf die ich bereits im genannten Induktions-Aufsatz hingewiesen habe. Da dieser Aufsatz zu einigen MiBverstandnissen gefuhrt hat, moch te ich ausdrucklich betonen, daB es sich hier um meine Interpretation CARNAPS handelt und daB ich nicht weiB, ob und bis zu welchem Grade CARNAP meiner Deutung zugestimmt hatte. Die Grunde, welche nach meiner Dberzeugung diese Interpretation erzwingen, habe ich, soweit sie nicht aus der systematischen Darstellung hervorgehen, im Abschnitt 4 der Einleitung kurz zusammengestellt. Viele Einwendungen, die gegen 2 V gl. die Bibliographie im AnschluB an Teil 1. VI Vorwort CARNAPS Theorie vorgebracht worden sind, werden bei dieser Deutung hinIallig. So z. B. erweist sich auch der Gegensatz zwischen POPPER und CARNAP als scheinbar, wenn man CARNAPS Theorie als einen Versuch deutet, praktische Nachfolgerprobleme zom Induktionsproblem zu losen. Denn POPPER und seine Schuler haben sich stets nur mit den theoretischen Nachfolgerproblemen beschaftigt. Ich will dem Leser meine Deutung der Carnapschen Theorie jedoch nicht aufdrangen. Diese Deutung kommt nur in den folgenden Aspekten zur Geltung: (1) in der Anordnung der Materie, (2) in gelegentlichen Ak zentuierungen, (3) in de! scharfe n Herausarbeitung des Unterschiedes zwi schen der Auffassung CARNAPS und der Personalisten, welche sich im Obergang von der manifesten Funktion Cr zur dispositionellen Funktion Cred zeigt, und (4) in der ausfuhrlichen Diskussion im Abschn. 17 von Teil II. 1m ubrigen beschriinke ich mich darauf, CARNAPS Gedanken so einfach und ubersichtlich wie moglich darzustellen. Nur in zwei Hinsichten weiche ich von CARNAPS Darstellung ab: Erstens wird der modelltheore tische Gesichtspunkt gam hervorgekehrt und dementsprechend die ,lin guistische Version' in den Hintergrund gedrangt. Zweitens habe ich darauf verzichtet, die numerischen reprasentierenden Funktionen CARNAPS zu verwenden. Die zweite Hiilfte der Neufassung seiner Theorie hat CARNAP namlich ganz in der Sprache dieser numerischen Funktionen ab gefaBt. Zu diesem Zweck hat er eine ,numerische Stenographie' entwickelt, die zwar viele Definitionen, Theoreme und Beweise vereinfacht, die aber den praktischen Nachteil hat, daB man sie erst lernen muB, um den Car napschen Text uberhaupt lesen zu konnen. Nun kann sich ein Mensch haufig trotz schwerwiegender Grunde nicht entschlieBen, die Sprache eines Volkes zu erlernen. Um so schwerer wird ihm der EntschluB fallen, die Sprache eines Einzelnen zu studieren. Ich hoffe, daB es mir durch den Versuch einer ,Ruckubersetzung' in die intuitiv viel durchsichtigere Spra che der M- und C-Funktionen gegluckt ist, den Kreis derer, welche sich mit CARNAPS Theorie beschiiftigen wollen, zu erweitern. Der dritte Teil enthalt den Versuch eines Briickenschlages zwischen philosophisch-wissenschaftstheoretischen Betrachtungen uber Prufung und Bestiitigung von Hypothesen auf der einen Seite und Spezialunter suchungen zum ,statistischen SchlieBen' auf der anderen. Soweit es sich dabei um theoretische und nicht um praktische Nachfolgerprobleme zum Induktionsproblem handelt, sind die Methoden CARNAPS hier nicht an wendbar. Auf der anderen Seite ist die Poppersche Wissenschaftstheorie ganz auf deterministische H ypothesen zugeschnitten und daher fur die Behandlung derjenigen Nachfolgerprobleme zum Induktionsproblem ungeeignet, die bei statistischen Hypothesen auftreten. Eine Analyse des ,statistischen SchlieBens' muB sich ,jenseits' der Denkpfade von POPPER und CARNAP bewegen. Vorwort VII J. Fur weite Partien dieses Teiles habe ich an das Buch von HACKING, Logic of Statistical Inference, angeknupft, welches aus der bisher detaillier testen Beschaftigung eines Philosophen mit dieser Materie hervorgegangen sein durfte. Da die Punkte der Obereinstimmung in Teil III ausfiihrlich zur Sprache kommen - darunter auch die Deutung der statistischen Wahr scheinlichkeit als einer nicht deftnierbaren theoretischen GrOjle -, beschranke ich mich hier wieder darauf, einige Punkte anzufuhren, in denen meine Uberzeugung von der in diesem Buch vertretenen Auffassung entscheidend abweicht: (1) Der Versuch HAC KINGs, den Begriff der statistischen Wahrschein lichkeit iiber einen Begriff der Stutzung (englisch: support) statistischer Hypothesen zu definieren oder wenigstens indirekt zu charakterisieren, scheint mir ebenso zum Scheitern verurteilt zu sein wie der seinerzeitige Versuch BRAITHWAITES, diese Charakterisierung uber eine Testregel vorzunehmen. Positiv ausgedruckt: Ich bin zu der Oberzeugung gelangt, dafi man die Propensity-Theorie von POPPER weiterverfolgen, dabei allerdings durch eine qualitative Theone der Propensity erganzen mufi, wie dies SUPPES am Beispiel der klassischen Theorie des radioaktiven Zerfalls vorexerziert hat (vgl. III, 12.b). (2) HAC KINGS 'law of likelihood' ist meines Erachtens falsch. Damit wird auch seine Annahme hinfallig, den statistischen Stiitzungsschlufi sowie die Einzelfall-Regel (unique case rule) aus einem allgemeineren Prin zip herzuleiten. Wie gezeigt werden solI, erzwingen Gegenbeispiele die Abschwachung dieses Prinzips zu dem, was ich die Likelihood-Regel nenne. Diese Regel erweist sich als blofie konjunktive Zusammenfassung des statistischen Stiitzungsschlusses und der Einzelfall-Regel. (3) Der Begriff der Likelihood erscheint auch mir als ein prima facie recht guter Kandidat fUr die Prazisierung eines komparativen Bestatigungs begriffs fUr statistische Hypothesen. (Ich habe diesen Eindruck durch die Heranziehung einiger neuerer Arbeiten, z. B. von DIEHL und SPROTT, weiter zu untermauern versucht.) Trotzdem glaube ich, dafi Paradoxien von der Art des in III, 11. b geschilderten Paradoxons von KERRIDGE vielleicht die ganze Likelihood-Stiitzungstheorie in Frage stellen. (4) Die Einzelfall-Regel bleibt bei HACKING weitgehend im Vagen. Wegen der Kompliziertheit dieser Materie habe ich einen Prazisierungs versuch aus dem Tei! III herausgenommen und erst im Tei! IV zu geben versucht, und zwar auf einem etwas merkwurdigen Umweg, namlich uber eine Uminterpretation der Hempelschen Theorie der statistischen Erklarung in eine Theorie der statistischen Begriindung von rationale n Envartungen. (5) Eine Klasse von Abweichungen bezieht sich auf Details. Diese betreffen zum Tei! Begrijfe (Beispiel: der Begriff der Unabhiingigkeit), zum Teil die Art der Formalisierung (Beispiel: der Begriff der kombinierten VIII Vorwort statistischen Aussage), zum Teil Einzelheiten der Rekonstruktion von Argu menten (Beispiel: das Fiduzial-Argument). Hierzu eine Ergiinzung: Das Buch von HACKING enthiilt eine etwas seltsame Mischung von systematischen Ansiitzen und aphoristischen Be merkungen. Dadurch war ich hiiufig genotigt, auch dort, wo ich an ihn ankniipfte, abweichende Formulierungen zu gebrauchen. Bei der Rekon struktion kam ofter etwas heraus, von dem ich nicht mehr zu sagen wage, ob und inwieweit es mit den Auffassungen HAC KINGS iibereinstimmt. Dies gilt um so mehr, als ich mehrere ,Aphorismen' HAC KINGS iiberhaupt nicht verstanden habe. Verglichen mit den anderen Teilen ist der drirte Teil der unfertigste. Dieser VorstoB in philosophisches Neuland enthiilt - oft in ein scheinbar kategorisches Gewand gekleidet - viel mehr Vermutungen, V orschliige und kritische Anmerkungen als systematische Analysen. Es handelt sich hier um einen Bereich, in dem jedem Philosophen, der sich nicht selbst betriigt, bewuBt werden sollte, wie sehr POPPERS Bemerkung, daB unsere Unwissenheit grenzenlos ist, auch fiir die Metaebene des menschlichen Wissens zutrifft. Eine Rechtfertigung dafiir, diese Gedanken, die sich noch in einem ziemlichen Rohzustand befinden, zu publizieren, erblicke ich in einer dort geschilderten, von CARNAP abweichenden V orstellung von der Begriffs explikation als einem mehr oder weniger komplizierten Riickkoppelungspro zeB: Dieser ProzeB konnte durch zu fruhe formale Prazisierungen in seiner Entwicklung gehemmt werden und vorzeitig erstarren. Am stiirksten weiche ich von herkommlichen Auffassungen vermutlich im letzten Teil abo Dieser Teil IV ist aus einer kritischen Auseinanderset zung mit zwei konkurrierenden Theorien der statistischen Erkliirung hervorgegangen: den Theorien von C. G. HEMPEL und von W. SALMON. Eine meiner Thesen lautet: Den Analysen von HEMPEL und von SALMON liegen vollkommen verschiedene Explikanda zugrunde: beide Explikate sollte man nicht ErHirungen nennen. Die von mir vertretene These konnte man schlagwortartig charakterisieren durch: "Statistische Begriindung start statistische HEMPEL-Erklarung" und "Statistische Analyse start statistische SALMoN-Erklarung". Die Hempelschen Analysen betreffen nach meiner Auffassung deshalb keine Erkliirungen, weil sie sich nur fur Begrundungen von Aussagen verwenden lassen, die keine akzeptierten Tatsachen zum [nhalt haben (Erklarungen dagegen sind Erklarungen von Tatsachen). Die Hem pelschen Obedegungen sind deshalb in den Kontext des statistischen SchlieBens einzuordnen. Die Untersuchungen von SALMON beziehen sich zwar auf Analysen von Tatsachen, aber auf Analysen von solcher Art, die Erklarungen zu nennen Absurditaten im Gefolge hat, und von denen man daher besser sagen sollte, daB sie ein statistisches Situationsverstandnis liefern. Vorwort IX 1m Anhang I habe ich versueht, die bereits im ersten Band skizzierten Gedanken iiber den Indeterminismus vom zweiten Typ sowohl zu prii.zisieren als auch zu vereinfaehen. Die hier behandelten diskreten Zustandssysteme werden zwar ausnahmslos von deterministisehen Zustands- und Ablauf gesetzen beherrseht, sind aber trotzdem kcine deterministisehen Systeme. Der indeterministisehe Grundzug kommt dadurch hinein, daB sie auBer ,Zustlinden im iiblichen Sinn' aueh Wahrscheinlichkeitszustande enthalten. Der Anhang II enthalt eine Ergiinzung zur Diskussion der subjek tivistisehen Wahrseheinliehkeitstheorie und Statistik in Teil III, 12.a. Da die Auseinandersetzungen in 12.a kritisch-polemischer Natur sind und da darin auBerdem der testtheoretische und nicht der grrmdlagentheoretische Gesichts punkt in den Vordergrund geriiekt wird, besteht die Gefahr, daB im Leser naeh der Lektiire von III, 12. a ein Zerrbild von der subjektivistisehen Theorie entsteht. Der Anhang II dient dazu, dem Leser auf dem Wege iiber das Repriisentationstheorem von DE FlNETTI einen positiven Ein druek von der subjektivistisehen Theorie zu vermitteln, deren groBartige Geschlossenheit aueh derjenige anerkennen soUte, der sich aus prinzi pieUen wissensehaftstheoretisehen Erwiigungen heraus dieser Theorie nieht ansehlieBen kann. Den besten intuitiven Zugang zum Verstiindnis des Repriisentationstheorems diirfte der dabei beniitzte Begriff der Mischung von Bernoulli-Wahrscheinlichkeiten bilden. 1m Anhang III wird eine Ergiinzung zu der in Teil III, 12.b geschilder ten qualitativen Theorie der Propensity von P. SUPPES geliefert. Ieh erblieke in den Oberlegungen von SUPPES den bisher wichtigsten grundlagentheore tisehen Beitrag zur Interpretation der statistischen Wahrseheinliehkeit als einer theoretischen GrOfle. Der Hauptgedanke von SUPPES, die Kolmogoroff Axiome als Bestandteil eines Repriisentationstheorems aufzufassen, wird erst dann voll verstiindlich, wenn man einen genaueren Einbliek in die axiomatisehe Theorie der Metrisierung gewonnen hat. In diesem Anhang werden die Grundgedanken der Theorie zuniiehst am wiehtigsten Bei spielsfall: den extensiven GrOflen, gesehildert und dann auf die Metrisierrmg verschiedener Arten von qualitativen Wahrscheinlichkeitsfeldern angewendet. Hierzu noeh cine Bemerkung, die verhindern sol1, daB der Leser iiber cine zufiillige Aquivokation stolpert: Der Ausdruek "Repriisentations theorem" hat sich unabhangig fiir die beiden in Anhang II und Anhang III behandelten Materien herausgebildet. Die beiden Bedeutungen dieses Ausdruekes haben miteinander nichts zu tun. Um dem Leser aueh den Zugang zu der Literatur zu erleiehtern, wurde das einheitliehe Literaturverzeichnis in neun spezielle Bibliographien auf geteilt. Die in der Einleitung erwiihnte Literatur wird auBerdem dort getrennt angefiihrt. Ich glaube, mit gutem Gewissen sagen zu k6nnen, daB ich in diesen Band mehr an Zeit, Energie und Arbeit investiert habe als in irgendeine