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Migration und Geschlechterverhältnisse: Kann die Migrantin sprechen? PDF

258 Pages·2012·1.717 MB·German
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Migration und Geschlechterverhältnisse Eva Hausbacher • Elisabeth Klaus Ralph Poole • Ulrike Brandl Ingrid Schmutzhart (Hrsg.) Migration und Geschlechterverhältnisse Kann die Migrantin sprechen? RESEARCH Herausgeber Bernhard Schmidt Eva Hausbacher, Langenhagen, Deutschland Elisabeth Klaus, Ralph Poole, Ulrike Brandl, Ingrid Schmutzhart, Salzburg, Österreiche Linz, Österreich Die Publikation entstand mit Unterstützung von: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung Stift ungs- und Förderungsgesellschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg Kulturabteilung der Stadt Salzburg, Magistrat ISBN 978-3-531-17990-2 ISBN 978-3-531-93189-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-93189-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © VS Verlag für Sozialwissenschaft en | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Einbandentwurf: KünkelLopka GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Inhaltsverzeichnis Hausbacher, Klaus, Poole, Schmutzhart und Brandl Einleitung: Kann die Migrantin sprechen? Migration und Geschlechterverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Abschnitt I: Intersektionelle und transkulturelle Perspektiven Sigrid Kannengießer Transkulturelle Intrasektionalität als Perspektive in der geschlechtertheoretischen Migrationsforschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Leila Hadj-Abdou Geschlechtergleichheit oder Recht auf kulturelle Differenz? . . . . . . . . . . . . 41 Paul Scheibelhofer Arbeiter, Kriminelle, Patriarchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Sylvia Hahn Migration, Geschlecht und Familieneinkommen (18.–20. Jahrhundert) . . . 83 Gesa Mackenthun Deep Travels, Mixed Voices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Christa Gürtler und Eva Hausbacher Fremde Stimmen. Zur Migrationsliteratur zeitgenössischer Autorinnen . . . 122 Abschnitt II: Aktuelle Migrationsdebatten Podiumsdiskussion Kann die Migrantin sprechen? Zum Zusammenhang von Migration und Gender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Melita H. Sunjic Sensibilität für Flüchtlingsfrauen steigt allmählich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6 Inhaltsverzeichnis Anna Wildt Frauenim Spiegel des österreichischen Asylrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Leila Hadj-Abdou, Nora Gresch, Sieglinde Rosenberger und Birgit Sauer Hijabophobia revisited: Kopftuchdebatten und -politiken in Europa. Ein Überblick über das Forschungsprojekt VEIL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Elisabeth Klaus, Ricarda Drüeke und Susanne Kirchhoff Mediale Identitätsräume: Bilder von verschleierten Frauen in der österreichischen Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Schahrzad Farrokhzad „Es kommt schon mal vor, dass er staubsaugt.“ Geschlechterarrangements – von Leitbildern und Realitäten im interkulturellen und intergenerativen Vergleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 AutorInnenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Einleitung: Kann die Migrantin sprechen? Migration und Geschlechterverhältnisse EvaHausbacher,ElisabethKlaus,RalphPoole,IngridSchmutzhart undUlrikeBrandl „Canthesubalternspeak?“hatGayatriSpivak(2007)ineinemderSchlüsseltexte postkolonialer Theorie gefragt. Spivaks Antwort darauf ist, dass die „fremde“ FrauinEuropaniesprechenkann,weilsieimmerlediglichRepräsentierteistund alsdiese„Andere“keineStimmebesitzt.DerTiteldesSammelbandesgreiftSpi- vaksFrageauf,dieeinzelnenBeiträgedenkensieweiterundbeleuchtensievon ganz verschiedenen Seiten neu. Betrachtet man die Repräsentationen von Mi- grantinnen im politischen, kulturellen, medialen und auch wissenschaftlichen Diskurs,soscheintsichzunächstderenAusschlussimmeraufsNeuezubestäti- gen. Ob als „Kopftuch tragende Frau“ oder als Selbstmordattentäterin, Migran- tinnen, besonders islamischer Herkunft, werden als „Exotin, Unterdrückte oder Fundamentalistin“ (Farrokhzad 2006) stereotypisiert. Als „Fremde“ bleiben sie auch imMigrationsdiskurs stumm.Aber kann dieEingangsfrage nichtauch be- jaht werden? Immer mehr Migrantinnen melden sich in der Öffentlichkeit zu WortunddiskutierenihreErfahrungen.ImErlangenneuergesellschaftlicherPo- sitionenwerdensiehörbarerundsichtbarer.WeiterssinddieMigrantinnenauch imNeuentwurf transnationaler und transkultureller Identitäten repräsentiert und erlangen so eine Stimme im Prozess des Verschmelzens und Verschiebens der GrenzenvonEigenemundFremdem. WirlebenineinemmigratorischenEuropadesUnterwegs-SeinsundderVer- änderungen, wo frühere Determinierungenund festeVerortungen überholt sind. Auch weltweit sind seit den 1980er Jahren Spielraum und Tempo der globalen Migration wesentlich gewachsen. Sie ist einerseits zum Normalfall imglobalen AlltaggewordenundwirdnichtmehralsAusnahme,alsBruchoderals„Entwur- zelung“ gefasst, ist andererseits aber immernoch Störfall, der als Folgeerschei- nungvonKriseundUmbrucheineAbweichungvontraditionellenLebensformen bedeutetunddiese„bedroht“.EinmalwirdMigrationalsostärkerals„Möglich- keit“gefasst,dieneueGesellschafts-undIdentitätsentwürfeforciert,einmalstär- kerals„Verlust“vonEigenem,vonHeimat,vonIdentität(vgl.Köstlin2000).Al- lerdingsbeschränktsichdieProduktivitätderMigrationserfahrungaufeinerela- E. Hausbacher et al. (Hrsg.), Migration und Geschlechterverhältnisse, DOI 10.1007/978-3-531-93189-0_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 8 Hausbacher,Klaus,Poole,SchmutzhartundBrandl tivkleineSchichtkulturellPrivilegierter,währenddieMassederMigrantInnenin derglobalisiertenWeltmitprekärenArbeits-undLebensbedingungen zukämp- fenhat. Diesekonkreten migratorischenLebenserfahrungen und multikulturellüber- lagertenLebensweiseneröffnenauchneueReflexionsräumeindividueller,kultu- rellerundpolitischerSelbstverständigung. DabeistelltdiePerspektivederGen- der Studies ein Desiderat in der gegenwärtigen Migrationsforschung dar. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass sich die beiden Bereiche Migrationsfor- schungundFrauen-undGeschlechterforschunggetrenntvoneinanderentwickelt habenundsichbislangnurwenigeArbeitenmitderKo-KonstruktionvonGender und ethnischer bzw. nationalkultureller Identität und der Überschneidung von „doinggender“und„doingethnicity“befassen(vgl.Lutz2004,Lünenborg/Frit- sche/Bach 2011). Weder Geschlecht noch Ethnizität sind naturgegeben und un- veränderlich, vielmehr werden sie als „immerwieder neu verhandelbares (Zwi- schen)Ergebnis von Prozessen der Fremd- und Selbstzuschreibung“ (Krüger- Potratz2007,452)gesehen.InderklassischenMigrationsforschunggehtmanzu- nächstvoneindeutigabgeschlossenennationalkulturellen,ethnischen,geschlech- terspezifischen Identitäten aus. Dadurch bleiben dichotom angeordnete Bilder von Herkunfts- und Zielländern oder „push and pull“-Faktoren in der wissen- schaftlichen Konzeptualisierung von Migration präsent. Neuere analytische Be- griffewieHybriditätoderIntersektionalität,dieindenGender,QueerundPost- colonialStudiesentwickeltwurden,verschiebendiesenBlickaufMigrationganz grundlegend: Migrationsphänomene werden hier nicht länger als Bewegungen verstanden, die zielgerichtet sind oder einen eindeutig definierbaren Anfangs- und Endpunkt aufweisen. Vielmehr betonen diese Konzepte die Dezentriertheit vonLebensverläufenüberhauptundgehenvonTransnationalität,Transkulturali- tätundMehrsprachigkeitalsNormaus. Anspruch dieserPublikationistes,demgenannten Forschungsdesiderat ent- gegenzuwirkenunddasPhänomenderMigrationinseinendieGeschlechterver- hältnisse betreffenden Zusammenhängen aus interdisziplinärer Perspektive zu untersuchen.DabeibeleuchtendieeinzelnenBeiträgedievielfältigenVerschrän- kungen von kultureller Differenz und Geschlechterdifferenz im Rahmen ver- schiedenerForschungsfelder.IndenBeiträgendesTeilsIwerdenintersektionelle und transkulturelle Perspektiven vorgestellt, die Beiträge des Teils II hingegen thematisierenAspektederaktuellenMigrationsdebatten. Einleitung:KanndieMigrantinsprechen?MigrationundGeschlechterverhältnisse 9 I IntersektionelleundtranskulturellePerspektiven Dassinden„imaginärenGeographien“dieserWeltebensowieindenKonstruk- tionennationalkulturellerIdentitätimmerschongeschlechtsspezifischeZuschrei- bungen eine sehr wichtige Rolle gespielt haben, wurde bereits mehrfach darge- legt(Todorov1985,Yuval-Davis1997,Ivekoviç2000,Uerlings2001u.a.).Bis- herige Forschungen haben nachgewiesen, dass die interkulturelle Auseinander- setzungbisinihrefeinstenVerästelungenmiteinerzentralengeschlechtertheore- tischen Debatte verknüpft ist, denn auch ihr liegen die aristotelischen Dichoto- mienmännlich/weiblich,aktiv/passiv,Seele/Körper,Form/Materieusw.zugrun- de. Diese reichen hinein bis in Unterscheidungen wie der zwischen dem weib- lich-passiven, vermeintlich privaten Raum und dem männlich-aktiven öffentli- chen Raum, der männliche Beweglichkeit qua Reisen, Schreiben, Bildung und Perfektibilitätumfasst(vgl.Uerlings2001). Die HerausgeberInnen des vorliegenden Bandes gehen davon aus, dass sich dieser Zusammenhang insbesondere in Bezug auf migratorische Phänomene nachweisenlässtundeineVielzahlvonParalleleninderWahrnehmungundBe- schreibung des Fremden der anderen Kultur und des Fremden des anderen Ge- schlechtsgegebensind. Die Verschränkungen und die Parallelen von Gender Studies und Migra- tionsforschung fokussieren imBegriff der Multi-Axialitätoder „Intersektionali- tät“ von Identität – sowohl eines Individuums als auch einer Nationalkultur –, wonach Nationalität, Ethnizität, Klasse, Geschlecht und Sexualität immer in Wechselwirkungmiteinanderstehen.BeispielsweiseistderZusammenhangvon der Eroberung fremden Territoriums und der Erkundung des weiblichen Ge- schlechts spätestens seit Sigmund Freuds berühmtem Diktum von der Frau als „darkcontinent“offenkundiggeworden.AndiesemBeispielzeigtsich,inwelch hohem Maß das (metaphorische) Sprechen über das „Andere“ der (eigenen) Kultur mitdemSprechen über Weiblichkeitzusammenfließt(vgl. Weigel 1987, Cheauré/Nohejl/Napp 2005), wie die Critical Whiteness Studies herausgearbei- tethaben. DieBeiträgesinddasErgebniseinerinterdisziplinärenZusammenarbeitund spiegeln Ergebnisse aus verschiedenen Disziplinen, die zeigen, inwieweit etwa gesellschaftliche, rechtliche, politische, mediale, kulturelle oder literarische Konzepte von kultureller Differenz mitLesarten der Geschlechterdifferenz ver- woben sind. So wird sichtbar, dass sich aus der Perspektive der Geschlechter- konfiguration und ihrer kulturellen Einbettung heraus Fremdheit anders bzw. neu bestimmen lässt. Folgende Leitfragen verknüpfen die Beiträge in diesem Teil: 10 Hausbacher,Klaus,Poole,SchmutzhartundBrandl • Wie lässt sich der Zusammenhang von nationalkulturellen und geschlecht- lichen Identitäten insbesondere in Bezug auf migratorischePhänomene ana- lysieren? • Was können Gender Studies zur Migrationsforschung beitragen und vice versa? • KönnenausdenBewältigungskonzeptenkulturellerDifferenzauchneueVer- stehensmusterfürdieGeschlechter-Differenzgewonnenwerden? • WieverändertsichdieKategorieGeschlechtimKontextvonMigration,wenn siealsgeographisch-politischeKategorie(vgl.GutiérrezRodríguez2004)ge- fasstwird,ineinerzunehmendtranskulturellbestimmtenWelt? • Von Interesse sind hierauch Verortungs- und Positionierungsfragen auf Sei- tenderForscherInnen,diemöglichenKonzeptualisierungenvonFrau-/Mann- seinimKontextunterschiedlicherKulturennachgehen. Je nach theoretischem Zugang zu Migrationsphänomenen werden ganz be- stimmteFragestellungenundThemengefördert,gleichzeitigandereausgeblendet undvernachlässigt.SobasiertdieIntegrationsforschung(Esser1980),diesichim RahmenderMigrationsforschunginden1980erJahrenetablierthat,aufderko- gnitivenHandlungstheorie.HierwirdMigrationzueinemunilinearenProzessder Aus- und Einwanderung, wobei die vielfältigen Zwischenformen, etwa Trans- und Pendelmigration, konzeptionell unberücksichtigt bleiben. In dieser Tradi- tionslinie meint Integration einen Prozess der Assimilation, den die jeweiligen MigrantInnenzudurchlaufenhaben.Siesindes,diedieseAufgabenerfolgreich meisternmüssenoder,fallsnicht,zurDesintegrationderGesellschaftbeitragen. Eine solche Logik schreibt allein MigrantInnen die Aufgabe zur Integration zu undmissachtetdamitdieRechtevonMigrantInnen aufInklusion undkulturelle sowiegesellschaftlichePartizipation. Die klassische Migrationsforschung ist weitgehend sozialwissenschaftlich dominiert.SiestelltFragen nachdenUrsachen, Motivenund Zweckenvon Mi- gration und differenziert unterschiedliche Wanderungsformen (freiwillige vs. Zwangsmigration,Armuts-und„betterment“-Migration,Binnen-undinternatio- nale bzw. interkontinentale Migration, temporäre vs. permanente bzw. Pendel- Migration). Das „Push-Pull-Modell“ von Everett Lee aus den 1960er Jahren (1966)isteinlangeZeitgängigesBeschreibungskonzeptfürMigrationgewesen undgehtdavonaus,dassArbeitskräftebedarf(pull)ineinemLandvomArbeits- kräfteüberschuss(push)ineinemanderenLandprofitierenkann.DiesemZugang wird vorgeworfen, dass dabei Migrationsentscheidungen entindividualisiert be- trachtetwerden.ZudemgehtdieklassischeMigrationsforschungvoneinerabge- schlossenen nationalkulturellen,ethnischen, geschlechterspezifischen Identitäts-

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