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Metzler Lexikon Medientheorie Medienwissenschaft: Ansätze — Personen — Grundbegriffe PDF

388 Pages·2002·2.817 MB·German
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M E T Z L E R L E X I K O N M E D I E N T H E O R I E M E D I E N W I S S E N S C H A F T HERAUSGEGEBEN VON HELMUT SCHANZE Metzler Lexikon Medientheorie / Medienwissenschaft Metzler Lexikon Medientheorie Medienwissenschaft Ansätze – Personen – Grundbegriffe Herausgegeben von Helmut Schanze Unter Mitarbeit von Susanne Pütz Verlag J.B. Metzler Stuttgart · Weimar IV Inhaltsverzeichnis Vorwort S.V–VIII Artikel A–Z S.1–368 Weiterführende Literatur S.369 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren S.382 Der Herausgeber: Helmut Schanze, geb. 1939; 1972 Professor für Neuere Literaturgeschichte, seit 1987 an der Universität Siegen; von 1992 bis 2000 Sprecher des Sonderforschungsbereichs »Bildschirmmedien«. Veröffentlichungen zur deutschen Literaturgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, zur Rhetorik, Computerphilologie und zur Medientheorie und -geschichte. Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Metzler-Lexikon Medientheorie – Medienwissenschaft: Ansätze – Personen – Grundbegriffe / hrsg. von Helmut Schanze. Unter Mitarb. von Susanne Pütz, Schanze, Helmut [Hrsg.] ; Pütz, Susanne Stuttgart ; Weimar : Metzler 2002 ISBN 978-3-476-01761-1 ISBN 978-3-476-05002-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-05002-1 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer- halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2002 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2002 www.metzlerverlag.de [email protected] V Vorwort Medientheorie stellt gegenwärtig eine Art Leit- turwissenschaften, mit dem Medienbegriff um- theorie in kulturhistorischen und kulturtheo- zugehen hat, dürfte Einigkeit bestehen. Alle re- retischen Debatten dar. Wird die Frage »Was ist den von Medien, vom Medium. Gemeinplätze ein Medium« einlässlich gestellt, so ist das beherrschen die Alltagssprache, die Rede in den Grenz- und Verbindungsfeld zwischen den Kul- Medien, und selbst die spezialisierten Wissen- turwissenschaften und den Medienwissenschaf- schaften wie die Medienwissenschaften können ten zu markieren. Medientheorie ist Teil einer ohne sie nicht auskommen. Medientheorie hat allgemeinen Kulturtheorie und grenzt sich ihren Ort in Wissenschaft und Praxis. Theorie gleichzeitig von ihr ab, indem sie diese tech- sollte eine »gehaltene Anschauung« sein, wie nologisch spezifiziert. Nicht erst seit Aufkom- Friedrich Schlegel das Wort in seinem »Brief über men der elektronischen Massenmedien werden den Roman« um 1800 übersetzt hat. Sie fordert Mediendiskurse geführt; ihre Vorgeschichte eine gelassenes Innehalten auch im hektischen reicht zurück bis zur Erfindung der Schrift bzw. Medienbetrieb wie nach den Geschäften des ins Reich der Bildlichkeit und der Töne, denen Tages, die zunehmend mit virtuellen Produkten eine vormediale Unmittelbarkeit zugeschrieben durchgeführt werden. Eine Medienwissen- wird. Stellt sich eine Technik zwischen Kom- schaft, die sich konkret mit Medienpraxis, Medi- munikationspartner, so ist die Rolle des Medi- enästhetik, Mediengeschichte sowie den Spezi- ums als ein ›Dazwischen‹ beschrieben, das ver- fika, Produktionsformen und Wirkungsweisen bindet, zugleich aber auch stört. Im ›Kanal‹ ver- der einzelnen Medien auseinandersetzt, zumeist ortet man das Rauschen, das technisch zu mini- im Rahmen und im methodischen Ansatz an- mieren ist. Medien sind beschreibbar durch ihre derer Disziplinen, bedarf zu ihrer Zentrierung Benutzeroberfläche, das ›human interface‹. Sie einer Begrifflichkeit, die ihr Feld im Kreis der erscheinen als Apparate, als Dispositive der Wissenschaften einsichtig beschreibt. Wahrnehmung, als große und kleine Kommu- Von einem einheitlichen Medienbegriff, einer nikationsorganisationen mit faszinierenden einheitlichen Epistemologie jedoch ist die Medi- Möglichkeiten, aber auch quälenden Restriktio- enwissenschaft noch weit entfernt. Die Frage ist, nen. Medien entziehen sich als ›Magische Ka- ob man gegenwärtig bereits von einer Medi- näle‹ der Begrifflichkeit, obwohl sie Hervorbrin- enwissenschaft sprechen kann, ob nicht sogar gungen des menschlichen Verstandes sind. der Plural der Medienwissenschaften, die inter- Nimmt man den weiten Medienbegriff Niklas und transdisziplinäre Vernetzung, ein angemes- Luhmanns, nämlich den der »symbolischen seneres wissenschaftliches Arbeitsmodell sei. Im Kommunikationsmedien«, so ist kein Bereich Sinne des Feldbegriffs von Pierre Bourdieu stellt der gegenwärtigen Lebenswelt mehr ohne Me- sich Medienwissenschaft dar als ein Feld der dien zu denken. Und nimmt man einen engeren Überschneidungen, Beziehungen, widerstreiten- Medienbegriff, wie den der »Kommunikations- der Meinungen, als Feld technologischer, wis- organisation«, den die ältere amerikanische Me- senschaftlicher wie kultureller Praxen, die ge- dienforschung vorgeschlagen hat, so sind in der rade in der Heterogenität ihrer Konzepte ihre dadurch bestimmten Medienbranche heute gesellschaftliche Bedeutung gewinnen. Medien- mehr Beschäftigte zu finden als in den klassi- wissenschaft wäre dann nicht mehr als die schen Industrien. Der kritische Begriff der Be- Summe ihrer Teile, eher die Beschreibung einer wusstseinsindustrie hat eine Karriere ohneglei- medialen Dynamik, mit der die Medienwissen- chen hinter sich gebracht. Ein Rückblick auf schaften sich insgesamt konfrontiert sehen. Das seine fragilen und problematischen Anfänge Projekt Medienwissenschaft jedoch sucht Ver- kann auch im gegenwärtigen Betrieb nicht netzungen, Schnittstellen und Synergien zwi- schaden. schen den Medienwissenschaften auf. Es ge- Über die praktische Bedeutung des Medi- winnt so zunehmend ein eigenständiges Profil enbegriffs in einem Zeitalter, das als ›Zeitalter als neues Wissenschaftsgebiet. der Information und Kommunikation‹ oder gar Das Feld der Medienwissenschaften hat sich ›Medienzeitalter‹ beschrieben wird, das allent- als Pendant zur Medienpraxis etabliert. Festzu- halben, in allen Bereichen der Kultur- und Na- stellen ist allerdings, wie partiell und wie selektiv Vorwort VI die immer hektischer auftretende Medienpraxis Das hier vorgelegte Lexikon schließt sich an die Ergebnisse ruhiger Betrachtung in ihr täg- bewährte Vorbilder, der Reihe von Lexika zu liches Handeln zu überführen weiß. Zwar gibt es geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Auftragsforschung, Grundlagenforschung und Themenfeldern des Verlags J.B. Metzler an. Die akademische Lehre. Deren Bezug zur Praxis aber Reihe signalisiert ein Programm, das durch Fort- ist nach wie vor problematisch. Hier wird eher setzung weiteres Profil gewinnen soll. Zu nen- auf die traditionellen Disziplinen der For- nen sind insbesondere das von Ansgar Nünning schungslandschaft zurückgegriffen. Als Schelte herausgegebene »Lexikon Literatur- und Kultur- der Praxis darf dies nicht gesehen werden, eher theorie« sowie das von Ralf Schnell edierte »Le- als Defizit der wissenschaftlichen Ausbildung für xikon Kultur der Gegenwart«. Im Titel ent- die und in der Medienbranche, die noch immer halten beide Lexika den Begriff der Kultur. Mit mehr vom Modell des ›Learning by doing‹ oder dem Literaturbegriff ist das Basismedium Schrift der handwerklich orientierten Meisterlehre zu angesprochen. Mit einem Lexikon zur Medien- profitieren glaubt als von einer unverständlich theorie wird nun eine Lücke geschlossen. Zu- und weithin esoterisch formulierenden Medien- gleich wird, im Blick auf den Medienbegriff, eine theorie. Der Gegenbeweis ist von den Medi- historische und systematische Erweiterung vor- enwissenschaften selber anzutreten. Sie haben genommen. Literatur- und Textbegriff verwei- die Ausbildungsziele mit zu definieren, nicht in sen auf das Buch und das Verlagswesen, die – Form von Vorschriften für die Praxis, sondern nicht ganz selbstverständlich – auch in einem durch deren Reflexion, durch Theorie im Wort- Lexikon zur Medientheorie und Medienwissen- sinn. Sie sind in der Begriffsbildung gefordert schaft zu verhandeln sind. Die historische Er- und haben über ihre Ergebnisse in der wissen- weiterung zielt auf die Neuen Medien, auf die schaftlichen Öffentlichkeit zu berichten – in der neuen Graphien, wie Fotografie, Phonographie, stillen Hoffnung, dass diese Ergebnisse, in wel- Kinematographie, auf Hörfunk und Fernsehen, cher Form auch immer, von der Medienpraxis die technischen Audiovisionen als Speicher- und zur Kenntnis genommen werden. Distributionsmedien sowie auf die Digitalme- Eine Form, die zwischen Theorie und Praxis dien, die Digitale Plattform, die alle bisherigen vermitteln kann, selber ein Medium, ist das Medien quasi gleichberechtigt unter das Gesetz Nachschlagewerk für Begriffe, das Lexikon. Im der Digitalisierung gebracht hat. Die systemati- Bereich der Medienwissenschaften hat der Typ sche Erweiterung zielt auf die Vielfalt der Medi- des Nachschlagewerks geradezu Konjunktur. enwissenschaften, die ihre eigenen Begrifflich- Medienwissenschaftliche Einträge finden sich in keiten und Methoden einbringen. nahezu allen Lexika der Kulturwissenschaften, Mit Lückenschluss und Erweiterung sind der Sprach- und Literaturwissenschaften, der klassische Strategien der Reihenbildung im Me- Kunstwissenschaft, der Musikwissenschaft, der dienbereich, der Begriff des Programms ange- Psychologie, der Soziologie, der Wirtschafts- sprochen. Ist aber schon der Programmbegriff und Rechtswissenschaften sowie der Informa- selber ein medienwissenschaftlicher, und ist die tik. Regelmäßig erscheinen kleinere und größere Frage nach einem Überblick in Form des Lexi- Werke dieser Art, zu einzelnen Medienberei- kons schon eine medienspezifische, nämlich die chen, zu den Printmedien, zum Film, zum Rund- der Organisation von Wissen in Buchform und funk, zum Fernsehen, zur Werbung usw. bis hin dessen Distribution über Druck und Verlag, so zum umfassenden »Handbuch zur Entwicklung erhellt dies zugleich auch das Problem eines der Medien und Kommunikationsformen«, her- medienwissenschaftlichen Lexikons. Wenn die ausgegeben von J.-F. Leonhardt, H.W. Ludwig, Inhalte eines neuen Mediums immer alle die D. Schwarze und E. Straßner mit dem Obertitel alten sind, so ist eine gewisse Uferlosigkeit be- Medienwissenschaft. Ein Mangel an Informati- reits programmiert. Bücher aber sind stets und onsmitteln also scheint nicht zu bestehen, eher per se endlich. Sie haben einen bestimmten, ein Überfluss an Orientierung. In dieser unüber- festgelegten Umfang, der tunlichst nicht über- sichtlichen Situation hat sich ein Lexikon »Medi- schritten werden sollte. enwissenschaft/Medientheorie« zu bewähren, Das Konzept des vorliegenden Bandes, das im Feld zwischen Theorie und Ausbildung, im sich den Vorgängerbänden in vielfältiger Weise Gesamtbereich der Kulturwissenschaften und verpflichtet sieht, darf auf Abgrenzung und Be- ihrem Schnittpunkt zu den Informationswissen- grenzung bedacht sein, allerdings nicht im Sinne schaften und schließlich in seinem Bezug zur der Einrichtung von neuer Disziplinarität. So Praxis. wird davon ausgegangen, dass die zentrale VII Vorwort Frage nach dem Begriff des Mediums nicht nur eine Ergänzung der medientheoretischen Liste. eine Antwort findet. Es ist nicht nur von der Zusätzlich findet der Benutzer eine Auswahl- Medientheorie zu handeln, sondern von Medi- bibliographie, die wiederum die wichtigsten von entheorien. Gleiches gilt von der Medienwissen- den in den Artikeln genannten Werken zusam- schaft. Auch hier ist eine Pluralität anzusetzen. menfasst. Was für die Medientheorie und die Solcher enzyklopädischen Vielfalt ist entweder Medientheoretiker gilt, lässt sich auch auf die in Form einer Historisierung, also einer ›Me- auf Medienpraxis orientierten Sachartikel über- diengeschichte‹, beizukommen, oder in Form tragen. Auch die Ansprüche der Medienpraxis einer Systematisierung. War schon die Große können nicht von einer Einzelperson, sondern Französische Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts nur von einer Gruppe geleistet werden. Es be- das Produkt einer »société de gens de lettres« darf der Expertise im Fach, eines Beitrags zum und war auch sie in Form eines Lexikons an- Ganzen, so unabgeschlossen dies sein mag. gelegt, so stellt das vorliegende Werk kaum Der Herausgeber durfte mit einem Netzwerk mehr den Anspruch, das gesamte Wissen einer von Personen rechnen, die sich über viele Jahre, Zeit zu vereinigen, selbst nicht das ›über Me- in Diskussionen, Debatten, Kontroversen und dien‹. Es ist aber immer noch dem Gedanken an Diskursen, über den Begriff der Medien zu ver- eine »scientific community« verbunden. Me- ständigen suchten. Es reicht zurück in die dienwissenschaft im Titel des Bandes gibt sich 1970er Jahre, als Eberhard Lämmert und Hel- nicht als Superwissenschaft aus, sondern als ein mut Kreuzer das Defizit medienwissenschaftli- Aggregat von Wissen, das als Wissen von Perso- cher Forschung im Bereich der Literatur- und nen über Medien verfasst ist. Anstelle einer ›So- Sprachwissenschaft registrierten, als die Berei- zietät‹ der Literaturkundigen tritt hier eine che der Publizistik und Kommunikationswissen- ›Sozietät‹ von Medienkundigen, die sich zum schaften aus ihrem Randdasein als ›Zeitungs- Zweck der übersichtlichen Darstellung ihres wissenschaften‹ zur internationalen Forschung Medienwissens – weniger zufällig als aus Inter- aufschlossen und auch die sog. Nationalphilolo- esse – an der so fragilen Materie, wie jener der gien den Bedarf an Medienkunde in ihren Fä- Medien, zusammengefunden hat. Das Lexikon chern zur Kenntnis nahmen. Unabsehbar war, Medientheorie/Medienwissenschaft ist ein Lexi- dass das Fernsehen zu einem Kulturfaktor kon der Medientheorien und der Medienwis- wurde, zu einer Konkurrenz zum Lesen, das es senschaften, ein Lexikon der Medientheore- aber, so das Ergebnis eines ersten genaueren tiker/innen und der Medienwissenschaftler/ Blicks, keineswegs ersetzen konnte. 1986 fan- innen. den sich eine Reihe von Diskutanten in dieser Eine Neuerung des vorliegenden Bandes ge- Frage wieder in einem von der Deutschen genüber den Vorgängerbänden der Reihe sind Forschungsgemeinschaft geförderten Sonder- die durch die Nennung der jeweiligen Autoren forschungsbereich mit dem provokativen Na- herausgehobenen Hauptartikel zu den einzelnen men »Ästhetik, Pragmatik und Geschichte der Schwerpunktgebieten der Medienwissenschaf- Bildschirmmedien«, mit dem ausdrücklichen ten. Neben die Hauptartikel treten wie üblich Schwerpunkt »Fernsehen in der Bundesrepublik kürzere Sachartikel und Personenartikel, in de- Deutschland«, der »sfb 240«. Über die Ge- nen wichtige Medientheoretiker vorgestellt schichte dieses Ende 2000 abgeschlossenen Un- werden. Da auf Selbstdarstellung verzichtet wer- ternehmens ist hier nicht zu handeln. Der Son- den musste, galt auch hier das Prinzip der Sozi- derforschungsbereich »Bildschirmmedien« in etät insofern, als in der Regel Autor/innen ge- Siegen war jedoch der keineswegs winzige Nu- funden wurden, die mit den charakterisierten kleus, aus dem sich die für dieses Lexikon zeich- Personen besonders verbunden sind, sei es, dass nende Autorensozietät entwickeln ließ. Zu nen- sie aus deren näherem Umkreis stammen, sei es nen sind vor allem Halle und Hamburg. Be- durch besondere Beschäftigung mit ihnen. Die wusst aber wurde die Autorschaft nicht auf die- exklusive Wahl in eine ›Supersozietät‹ der Medi- sen Kreis beschränkt; andere Forschergruppen, entheoretiker allerdings war damit nicht zu ver- so aus Köln und Konstanz, mit unterschiedli- binden. Trotz der großen Zahl der Namen: chen Interessen, auch Einzelpersonen und For- Noch mehr werden vermisst werden. Die schergruppen mit speziellen Expertisen, so aus Haupt- und Sachartikel bilden das Gegenge- Erlangen, Mainz und München, traten hinzu, so wicht in einem gelegentlich nicht einfachen Ab- dass sich zuletzt nahezu 80 Wissenschaftlerin- wägungsprozess, die dort genannten und in den nen und Wissenschaftler für das Unternehmen Literaturangaben ausgewiesenen Namen bilden engagiert haben. Vorwort VIII Dem Herausgeber blieb eine Funktion: Es Beiträgen waren, muss hier nachdrücklich ge- waren Stichworte zu finden, eine erste, syste- dankt werden. Besonderer Dank ist der ehe- matisierte Enzyklopädie, die einer intendierten maligen Koordinatorin des Sonderforschungs- Autorengruppe als Anregung an die Hand gege- bereichs »Bildschirmmedien«, Frau Dr. Susanne ben wurde. Der Grundgedanke einer Pluralität Pütz, und den Mitarbeiterinnen im Sprecher- von Medienbegriffen wurde damit in eine les- büro des ausgelaufenen sfb 240, Helga Bergers bare Ordnung von Stichworten gebracht. Damit vor allem, auszusprechen. Frau Dr. Pütz hat den war allerdings nur die gebotene Vielfalt, nicht virtuellen Sonderforschungsbereich »Medien- aber die Einheitlichkeit des Ganzen abgesichert. theorie und Medienwissenschaft« für ein gutes Wenn sich diese in der Nutzung des vorliegen- Jahr unterstützt durch ›Bordmittel‹, wie es im den Bandes dennoch herausstellen sollte, so ist Gegensatz zu den ›Drittmitteln‹ so schön heißt, dies einerseits der oben angesprochenen Pro- in bewährter und eingreifender Weise nicht nur grammatik der Reihe, andererseits der dann koordiniert, sondern auch eingreifend gestaltet, doch nicht ganz utopischen Autorensozietät zu in Zusammenarbeit mit Frau Ute Hechtfischer verdanken, die ihre Stichworte als Beiträge zu vom Metzler Verlag. Er legt mit diesem Lexikon einem gemeinschaftlichen Unternehmen ver- und seinem Schwesterwerk, dem Handbuch der standen hat. Mediengeschichte, das 2001 erschienen ist, wie- Der Begriff des Beitrags ist, so ist bereits hier derum einen kollektiven Arbeitsbericht vor. festzuhalten, von allen Beteiligten in einer wün- Über den Nutzen wird hier, ganz im alten Sinn, schenswerten Weise wörtlich genommen wor- noch der Leser entscheiden. den. Ihnen allen, vornehmlich aber denen, die spontan im weiten Umfeld zusagten und – wie Siegen, im Mai 2002 Helmut Schanze oft – auch die ersten mit ihren substanziellen 1 Abbild A Struktur der Massenmedien finden sich in der Dialektik der Aufklärung (1947), die noch vor Kriegsende fertig gestellt wurde, unter dem Ein- druck der NS-Propaganda ebenso wie unter AbbildäMimesis dem Eindruck der am. Konsumindustrie. Das zentrale Kapitel des Buches »Kulturindustrie. AbspannäCredits Aufklärung als Massenbetrug« betont mit dem neuen Begriff der ›Kulturindustrie‹, dass die In- AchsensprungäFilmsprache dustrialisierung den Produkten der Kultur im- manent geworden ist. Für A. ist nicht nur die AdaptionäMedienkomparatistik ›technische Reproduzierbarkeit‹ (äBenjamin 1963) von Musik, Bildern und Stimmen eine Adorno, Theodor Wiesengrund(1903–1969), entscheidende Innovation, sondern auf Seiten dt.-jüdischer Philosoph und Sozialwissenschaft- der Rezipienten auch die fehlende ›Apparatur ler, führender Repräsentant der Kritischen Theo- der Replik‹, d.h. die Unmöglichkeit auf indus- rie der sog. Frankfurter Schule seit den 1950er triell gefertigte und vermittelte Produkte (z.B. Jahren. – A.s wichtigste Publikationen sind die Fernsehsendungen) individuell antworten zu Dialektik der Aufklärung zusammen mit Max können (»Prolog zum Fernsehen«, »Fernsehen Horkheimer (geschrieben 1944, veröffentlicht als Ideologie«). Nationalsozialismus sowie am. erst 1947), Minima Moralia (1951), Negative Wirtschaft und Demokratie werden in dieser Dialektik (1966) und die Ästhetische Theorie Wahrnehmung fast ununterscheidbar, beide Sys- (postum 1970). – A.s Philosophie ist seit Ende teme gelten als totalitär in ihrer Politik der um- der 1920er Jahre immer auch eine Auseinander- fassenden Homogenisierung und Heteronomi- setzung mit den äMassenmedien Film, Radio, sierung der Individuen: »Aber die Freiheit er- Fernsehen und der Schallplatte. Die theoreti- weist sich […] in allen Sparten als die Freiheit schen Grundlagen für seine kritische Theorie zum Immergleichen.« (Adorno 1971, S.150). findet A. bei Hegel, Marx und Freud, in Theo- Nach seiner Rückkehr aus den USA 1949 lehrt rien der Entfremdung, Verdinglichung und Ver- A. von 1950 bis zu seinem Tod 1969 in Frank- drängung sowie bei Kierkegaard im Begriff des furt an der Universität und wird 1951 darüber Einzelnen. Seit seiner Mitarbeit beim Frankfurter hinaus Direktor des Instituts für Sozialfor- Institut für Sozialforschung 1931 beschäftigt schung. Die Dialektik der Aufklärung und die sich A. anhaltend mit den Auswirkungen und darin enthaltene umfassende Kritik der äMas- Strukturen der Industrialisierung der Kultur senmedien wird in der Bundesrepublik erst seit (äKulturindustrie), mit der Verwandlung der der Wiederveröffentlichung des Buches 1969, in Kunstprodukte in Massenprodukte. Nach dem der Zeit der Studentenbewegung, an den Uni- Entzug seiner venia legendi 1933 arbeitet A. bis versitäten breit rezipiert und zu einem Kultbuch. 1937 in England, danach am in New York exi- Immer deutlicher wird in den Publikationen A.s lierten Institut für Sozialforschung. Hier profi- nach dem Krieg und nach dem Holocaust, dass liert A. in Auseinandersetzung mit der am. Ver- es zum Prozess der Industrialisierung der Kultur sion der aktuellen Massenkommunikationsfor- in einer als totalitär wahrgenommen Gesell- schung in ihrer empirisch-statistischen Gestalt schaft außer in einer nur noch paradox konstru- sein Modell einer qualitativen Inhaltsforschung. ierten autonomen Kultur keine Alternative gibt. A.s Ziel ist es dabei, Massenmedien nicht isoliert Von seinen Aphorismen in Minima Moralia bis oder quantifizierend zu verstehen, sondern ideo- hin zu dem Spätwerk Ästhetische Theorie er- logische Phänomene in ihrer sozialen Konstella- scheint die Kunst gegenüber den totalitären tion zu dechiffrieren. Seine Methode ist gekenn- Massenmedien einerseits als Reservat, anderer- zeichnet durch eine Verbindung der Hermeneu- seits als äIdeologie. »In der nach der Kata- tik des Besonderen mit einer Theorie der struk- strophe auferstandenen Kultur vollends nimmt turellen Gewalt und Entfremdung in der die Kunst durch ihr schieres Dasein […] ein kapitalistischen Gesellschaft. So ist es für A. Ideologisches an. […] Kunst verkörpert noch als möglich, übergreifende Typologien der äRezep- tolerierte in der verwalteten Welt, was nicht sich tion von Massenmedien zu entwerfen, z.B. einrichten läßt und was die totale Einrichtung ›Hörmodelle‹ (»Über den Fetischcharakter in unterdrückt« (Adorno 1970, S.348). Dennoch der Musik und die Regression des Hörens«, schließt A. nicht aus, dass Bildung auch durch 1938). Die folgenreichsten Ausführungen zur Massenmedien möglich sein sollte (»Fernsehen Alphabetisierung 2 und Bildung« 1963, in: Gesammelte Schriften die Alphabetschrift. – Eine historisch eindeutige 1970). In der Rezeption A.s in den 1970er Jah- Positionierung der A. ist überaus schwierig, da ren steigert sich dessen Beschreibung der äKul- man auf indirekte Zeugnisse hinsichtlich des turindustrie hin zu einer Bewußtseinsindustrie Verschriftungsgrades einer Gesellschaft ange- (Enzensberger 1970). Während äEnzensberger wiesen ist. Unterschriftenlisten und ähnliche bü- in den neuen elektronischen Medien das Poten- rokratische Aufzeichnungen, zeitgenössische zial der Dialogizität und Demokratisierung Berichte, der Entwicklungsstand jeweiliger Me- wahrnimmt, beschreiben der Filmemacher und dientechniken, die Auflagenzahlen und Reich- Schriftsteller Alexander Kluge und der Sozio- weiteschätzungen von Texten, die Beschaffen- loge Oskar Negt in ihrem Buch Öffentlichkeit heit der Bildungssysteme u.a. liefern lediglich und Erfahrung (1972) ganz im Sinne A.s die Indizien, konkrete Analphabetenstatistiken exis- neue Bewusstseinsindustrie als verheerenden tieren etwa in Deutschland erst ab 1871. Zudem »Imperialismus nach Innen«, der eine selbstbe- erfolgte die A. bei regionalen Unterschieden stimmte politische Öffentlichkeit verunmög- zeitversetzt in verschiedenen sozialen Schichten, licht. In den 1980er Jahren betont Kluge erneut, wobei es im europäischen Raum durch die ge- unter dem Eindruck der neuen privaten Fernseh- trennte Aneignung der Kulturtechniken äLesen kanäle, seine Angst vor einer »Industrialisierung und Schreiben, noch dazu über die Fremdspra- des Bewußtseins«, gründet jedoch zugleich eine che Latein, viel mehr Lese- als Schreibkundige eigene Fernsehproduktionsfirma (Kluge 1985, gab. – Die Geschichte der A. steht auch in S.51–129). Ganz andere Wege geht die sozial- Beziehung zur allgemeinen medienhistorischen wissenschaftliche, sog. objektive Hermeneutik Entwicklung, d.h. zu den fünf medialen Stadien: im Anschluss an den A.-Schüler Ulrich Oever- primäre Mündlichkeit, Schriftlichkeit, Typogra- mann, die in einer Kombination von Hermeneu- phie, Analogmedien und elektronische äDigi- tik und Strukturalismus Massenmedien exem- talmedien. Die Erfindung der äSchrift scheidet plarisch, z.B. in Hinblick auf den Widerspruch Kulturen in orale und literale Gesellschaften. von monologischer Struktur und dialogischer Ausgehend von den Vorformen sumerische Bil- Darstellung im Fernsehen, untersucht und A.s derschrift (rund 3500 v.Chr.) und ägyptische Erbe methodisch kontrollierbar zu nutzen ver- Hieroglyphen (ca. 3200 v.Chr.), erfolgt über die sucht. Entwicklungsstufen akkadische Silbenschrift (2300 bis 2000 v.Chr.) und phönizische Buch- Lit.: W. Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner stabenschrift (17.Jh. v.Chr.) eine konsequente technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie. FfM 1963. – Th.W. Adorno: Ästhe- Codierung aller Einzelkonsonanten mit nur tische Theorie. FfM 1970. – Ders.: Gesammelte Schrif- mehr rund 30 Zeichen. Im Griechenland des ten in 20 Bden, hg. von R. Tiedemann u.a. FfM 1970ff. 9./8.Jh. v.Chr. kommt es schließlich zum ersten – H.M. Enzensberger: »Baukasten zu einer Theorie der vollständigen phonetischen Alphabet, das aus le- Medien. Kritische Diskurse zur Pressefreiheit«. In: diglich 24 Buchstaben, die Konsonanten und Kursbuch 20: Über ästhetische Fragen. FfM 1970, S.159–186. – Ders./M. Horkheimer: Dialektik der Vokale graphisch repräsentieren, besteht. Dieser Aufklärung. Philosophische Fragmente. FfM 1971. – abstrakte äCode funktioniert durch das Anei- A. Kluge/O. Negt: Öffentlichkeit und Erfahrung. FfM nanderfügen der einzelnen Buchstaben, was ein- 1972. – A. Kluge: »Die Macht der Bewußtseinsindust- fache Lern- und Handhabbarkeit gewährleistet, rie und das Schicksal unserer Öffentlichkeit. Zum Un- und bildet die Basis westlich-abendländischer terschied von machbar und gewalttätig«. In: K. von Schriftsysteme. Nach ihrer ersten Blütezeit in Bismarck u.a. (Hg.): Industrialisierung des Bewußt- seins. Eine kritische Auseinandersetzung mit den antiken Städten sind Lesen und Schreiben im ›neuen‹ Medien. München 1985. MA auf den Klerus und den höchsten Verwal- St.H. tungsapparat beschränkt. Der litteratus, der La- tein lesende und schreibende Mensch, hebt sich Alphabetisierung(nach gr. alpha, beta, den ers- deutlich vom illitteratus ab. Im Zeitalter der ten beiden Buchstaben des gr. Alphabets). – Der exklusiven Schriftlichkeit besitzt äSchrift primär Begriff A. wird in verschiedenen Bedeutungen Depotfunktion, d.h. erst durch die orale Kon- verwendet. Er bezeichnet (1) die Vermittlung textualisierung bzw. die mündliche Vermittlung von Lese- und Schreibfähigkeit, (2) die dadurch durch Vorlesen, Deklamieren oder Verlautba- erzielte historische, in Prozent angegebene rung gelangt sie zur kommunikativen Entfal- Schriftkompetenz der Bevölkerung, (3) die Ver- tung. In der Zeit vom Spätmittelalter bis zur schriftung bisher schriftloser Kulturen und (4) Aufklärung von 1250 bis 1750 vollzieht sich der die Umstellung eines anderen Schriftsystems auf Wechsel von der akustischen zur optischen Re-

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