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Mathematische Modelle in der Biologie: Eine Einfuhrung fur Biologen, Mathematiker, Mediziner und Pharmazeuten PDF

241 Pages·1979·7.119 MB·German
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Aus dem Programm ----------.... Mathematik fur Naturwissenschaftler Grundlegende Lehrbucher: Mathematik fur Naturwissenschaftler, von H. D. Forsterling Einfuhrung in die hohere Mathematik, von H. Daliman/K.-H. Elster Grundlagen der reellen Analysis, von W. Tutschke Infinitesimalrechnung, von E. Berz Die Wahrscheinlichkeit, von S. Goldberg Grundlegende Lernprogramme: Einfuhrung in die Differentialrechnung, von K.-H. Elster, G. Mierzwa und E. Stockel Einfuhrung in die Technik des Integrierens, von K. Lemnitzer Partialbruchzerlegung, von H.-G. Engelmann, K.-H. Gartner, O. Greuel, B. Kretzschmar und M. Rohr Gewohnliche Differentialgleichungen erster Ordnung, von E. Berane und H. Knorr Weiterfuhrende Bucher: Mathematische Modelle in der Biologie von W. Nobauer und W. Timischl Nachschlagewerke: Elementarmathematik griffbereit, von M. Ja. Wygodski Hohere Mathematik griffbereit, von M. Ja_ Wygodski ----Vieweg -----------------' Wilfried Nobauer Werner Timisch I Mathematische Modelle in der Biologie Eine EinfOhrung fOr Biologen, Mathematiker, Mediziner und Pharmazeuten mit 79 Abbildungen Friedr. Vieweg & Sohn Braunschweig/Wiesbaden CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Nobauer, Wilfried: Mathematische Modelle in der Biologie: e. Einf. fUr Biologen, Mathematiker, Mediziner u. Pharmazeuten! Wilfried Nobauer; Werner Timischl. - Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, 1979. ISBN-13: 978-3-528-03068-1 e-ISBN-13: 978-3-322-87593-8 DOl: 10.1007/978-3-322-87593-8 NE: Timischl, Werner: Verlagsredaktion: Alfred Schubert 1979 AIle Rechte vorbehalten © Friedl. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1979 Die Vervielfaltigung und Ubertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder, auch fur Zwecke der UnterrichtsgestaItung, gestattet das Urheberrecht nur, wenn sie mit dem Verlag vorher ver einbart wurden. 1m Einzelfall mull> uber die Zahlung einer Gebiihr fiir die Nutzung fremden geistigen Eigentums entschieden werden. Das gilt fiir die VervielfaItigung durch aile Verfahren einschliell>lich Speicherung und jede Ubertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bander, Platten und andere ~edien. Satz: Vieweg, Braunschweig UmschlaggestaItung: Peter Neitzke, K61n ISBN-13: 978-3-528-03068-1 "' Vorwort Der Einsatz mathematischer Methoden zur Formulierung und wsung von Problemen aus dem Bereich der Biowissenschaften (auch aus dem Bereich der Medizin) hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Wahrend die mathematische Behandlung einiger Teilgebiete der Biowissenschaften tiber erste Anflinge noch nicht hinaus gekommen ist, gibt es andere Teilgebiete - insbesondere die Genetik, die Okologie und die Epidemiologie - fUr die sich bereits eine umfangreiche mathematische Theorie entwickelt hat. Dementsprechend gibt es auch schon eine Reihe von Monographien Uber Teilgebiete der Biomathematik. Es gibt aber noch sehr wenige Einftihrungen in das Gesamtgebiet der Biomathematik, das heif.\t also BUcher, die - ohne zu sehr ins Detail zu gehen - einen Einblick in die bisherigen Anslitze auf diesem Gebiet geben. Das vorliegende Buch ist als Beitrag zur Schlie~ung dieser LUcke gedacht. Wir wollen in ibm daher die M6glichkeiten der mathematischen Modellbildung im Bereich der Biologie an charakteristischen Beispielen demonstrieren und analysieren, beschranken uns dabei aber bewu~t auf relativ einfache Modelle, um den mathematischen Aufwand in Grenzen zu halten. Daruber hinaus werden wir im Anhang des Buches eine Zusammenstellung der verwendeten Mathematik geben, soweit sie nicht zum allgemein bekannten Schullehrstoff gehOrt. Wir hoffen, d~ dadurch das Buch auch flir den Biologen ohne zu gro~e Mtihe verstandlich wird. FUr den Mathe matiker hingegen geben wir am Anfang eines jeden Kapitels eine, wie wir hoffen, hin langlich grundliche Beschreibung der biologischen Erscheinung oder der biologischen Erscheinungen, flir die ein Modell aufgestellt und untersucht werden solI und machen ihn, wenn notwendig, insbesondere auch mit der einschlagigen biologischen Terminologie vertraut. Wir hoffen, d~ wir durch unser Buch einen Beitrag zur F6rderung der Zusammenarbeit zwischen Biologen einerseits und Mathematikem andererseits leisten k6nnen. Die inter disziplinare Forschung wird namlich heute, in einer Zeit, da sich die Menschheit zunehmend Problemen gegenUber sieht, zur deren BewaItigung die Einzelwissenschaften nicht mehr ausreichen - man denke nur an die Probleme der UmweItzerst6rung, der Energieversor gung und der Weitemiihrung - immer mehr zu einer Lebensfrage. Den Biowissenschaften wird bei der Auseinandersetzung mit diesen Problemen zweifellos eine Schltisselposition zukommen. Es steht aber auch fest, d~ die Verwendung quantitativer Methoden, das heif.\t also der Einsatz von mathematischen Modellen, dabei unerl~lich sein wird. Unser Dank gilt allen, die zur Entstehung und Fertigstellung dieses Buches beigetragen haben. Insbesondere danken wir Herm A. Schubert flir die Aufnahme des Buches in das Programm des Vieweg-Verlages und flir die angenehme Zusammenarbeit beim Druck des Buches, Frau H. Reinauer fur die sorgfaltige Herstellung des Manuskriptes und den Herren Dr. G. Karigl, Dr. H. Langer und Dipl.-Ing. G. Lettl flir das Mitlesen der Korrekturen sowie flir wertvolle Hinweise. Wien, irn Januar 1979 Die Verfasser IV Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Mathematische ModeUe in der Populationsgenetik 4 2.1 Biologische Grundlagen der Genetik ......................... 4 2.1.1 Die Mendelschen Vererbungsgesetze ..................... 4 2.1.2 Die Chromosomentheorie der Vererbung .................. 6 2.1.3 Genetische Variabilitat und Selektion .................... 9 2.2 Populationen im Hardy-Weinbergschen Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . 9 2.2.1 Ideale Populationen ................................ 9 2.2.2 Gen-und Genotyphaufigkeiten in der idealen Population ....... 11 2.2.3 Das Hardy-Weinbergsche Gesetz ........................ 15 2.2.4 Geschlechtsgebundene Vererbung ....................... 20 2.3 Genetische Struktur verwandter und ingeziichteter Individuen ........ 22 2.3.1 Verwandtschaftsm~e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22 2.3.2 Risikobetrachtung zum Auftreten erblicher Defekte unter verwandten Individuen ...................................... 25 2.3.3 Regulare Paarungssysteme ............................ 29 2.4 Selektion und Mutation ................................. 34 2.4.1 Veranderungen der genetischen Struktur infolge Selektion . . . . . .. 34 2.4.2 Das Fundamentaltheorem der natiirlichen Selektion ........... 36 2.4.3 Genetisches Gleichgewicht bei Selektion .................. 38 2.4.4 Mutationsbedingte Veranderungen ...................... 41 2.5 "Random drift" in endlichen Populationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 42 2.5.1 Das Wright-Modell ................................. 42 2.5.2 Die Entwicklung einer ,,2-Individuen-Population" nach dem Wright- Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 45 2.5.3 Allgemeine Bestimmung der Varianz von Xk sowie der Heterozygositat Hk ................................ 48 3 Mathematische Modelle in der Okologie 3.1 Wechselwirkungen in 6kologischen Systemen ................... 51 3.2 Geometrisches und exponentielles Wachstum von isolierten Populationen. 53 3.2.1 Grundlegende deterministische Modelle ................... 53 3.2.2 Der reine TodesprozeilJ .............................. 54 3.2.3 Der reine GeburtenprozeilJ ............................ 58 3.2.4 Der Geburten-und TodesprozeilJ ........................ 62 v In haltsverzeich n is 3.2.5 Populationswachstum bei altersabhlingiger Fruchtbarkeit und Sterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 65 3.2.6 Schlitzung von Populationsgro6en ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.3 Wachstum bei von der Populationsgro6e abhlingiger Geburten-und Todesrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 78 3.3.1 Die Pearl-Verhulstsche Differentialgleichung ................ 78 3.3.2 Simulation des logistischen Wachstums ................... 80 3.3.3 Ein weiterer Ansatz mit variabler Geburtenrate .............. 82 3.3.4 Wachstum bei verzogertem Argument .................... 84 3.3.5 Diskrete nichtlineare Wachstumsmodelle .................. 86 3.3.6 Schadlingsbekampfung durch Aussetzen steriler Mannchen ...... 89 3.3.7 Die Ausbeutung von Tierpopulationen als biookonomisches Problem 92 3.4 Wechselwirkungen zwischen mehreren Populationen . . . . . . . . . . . . . .. 98 3.4.1 Das Volterrasche Exklusionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 98 3.4.2 Singulare Punkte und Phasenkurven bei Systemen von zwei gewohnlichen Differentialgleichungen .................... 100 3.4.3 Verallgemeinerungen des Volterraschen Konkurrenzmodelles .. . .. 106 3.4.4 Die Lotka-Volterraschen Gleichungen .................... 110 3.4.5 Rauber-Beute-Systeme bei innerspezifischer Konkurrenz ... . . . .. 115 3.4.6 Wirt-Parasit-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 117 3.4.7 Mehrstufige Nahrungsketten .......................... 119 4 Mathematische Theorie der Epidemien 4.1 Grundlegende Begriffe der Epidemiologie ...... . . . . . . . . . . . . . . .. 122 4.2 Zweiklassenmodelle .................................... 123 4.2.1 Einfache Epidemien ................................ 123 4.2.2 Die einfache Epidemie als stochastischer Proze!i, ............. 126 4.2.3 Simulation der einfachen Epidemie ...................... 128 4.2.4 Epidemien vom Typ "S -+ I -+ S" ....................... 130 4.2.5 Obertragung durch Keimtrager ......................... 131 4.3 Dreiklassenmodelle .................................... 132 4.3.1 Allgemeine Epidemien .............................. 132 4.3.2 Die allgemeine Epidemie als raum-zeitlicher Proze!i, ........... 140 4.3.3 Die allgemeine Epidemie als stochastischer Proze!i, ............ 143 4.3.4 Diskrete stochastische Modelle ......................... 152 4.3.5 Endemische Infektionskrankheiten ...................... 158 4.3.6 Obertragung durch Zwischenwirte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160 4.4 Bekampfung von Epidemien .............................. 164 4.4.1 Bemoullis Risikoabschatzung flir die Pockenimpfung .......... 164 4.4.2 Beeinflussung des Epidemieverlaufs durch Immunisierung bzw. Isolierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 166 4.4.3 Optimalitatsbetrachtungen ........................... 169 VI In ha Itsverzeich n is 5 Weitere mathematische Ansiitze in den Biowissenschaften 5.1 Oberblick........................................... 172 5.2 Mathematische Behandlung taxonomischer Probleme .............. 175 5.3 Mathematische Modelle fUr das Pflanzenwachstum ................ 181 5.4 Kompartmentsysteme................................... 183 5.5 Mathematische Modelle in der Krebsforschung .................. 188 6 Anhang: Mathematische Begriffe und Methoden 6.1 Vorbemerkung ....................................... 192 6.2 Die reellen und die komplexen Zahlen. Kombinatorik . . . . . . . . . . . . .. 192 6.3 Gleichungen und Gleichungssysteme ......................... 194 6.4 Funktionen ......................................... 197 6.5 Differentialrechnung ................................... 202 6.6 Integralrechnung ...................................... 206 6.7 Folgen und Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 210 6.8 DifferentiaIgleichungen.................................. 213 6.9 Differenzengleichungen.................................. 217 6.10 Wahrscheinlichkeitstheorie und mathematische Statistik ............ 220 Literatur ................................................. 225 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 227 1 1 Elnleitung Seit Beginn der Neuzeit ist die mathematische Beschreibung von Naturvorgangen zu einem an Wirksamkeit bestandig zunehmenden HiIfsmittel fUr die Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt geworden. Die Einftihrung des Experimentes als zentrales methodisches Prinzip in die Physik durch Galilei ermaglichte die systematische und plan maBige Untersuchung von Vorgangen im Bereich der unbelebten Natur, und die Erfindung der InfinitesimaIrechnung durch Leibniz und Newton lieferte das Werkzeug zur mathema tischen Formulierung der dabei gefundenen GesetzmiiBigkeiten. Bei dieser mathematischen Formulierung werden die physikalischen GraBen durch mathematische Objekte beschrieben und die physikalischen Gesetze durch mathematische Beziehungen zwischen diesen Objekten wiedergegeben; diese Beziehungen werden so gewahlt, daB sich das jeweiIige mathematische Objekt ebenso verhalt wie die ihm entsprechende physikalische GroBe. Man lernte allmah lich, auch komplexere physikaIische Erscheinungen durch ein System von Relationen zwi schen mathematischen GraBen darzustellen. Ein derartiges System heiBt ein "mathema tisches Modell" fUr die betreffende Erscheinung. So liefert etwa die line are Differential gleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten zusammen mit entsprechenden Anfangs-oder Randbedingungen ein Modell fur die meisten der in der Natur auftretenden Schwingungsvorgange. Hat man ein mathematisches Modell fUr einen physikalischen ProzeB gefunden, so kann man diesen "berechnen", das heiBt man kann auf Grund von mathema tischen Uberlegungen vorhersagen, wie er ablaufen wird, soferne man nur seine "Anfangs bedingungen" kennt, das heiBt die Werte, welche die den ProzeB bestimmenden GraBen zu seinem Beginn haben. Stimmt der berechnete Verlauf des Prozesses nicht mit dem dann tatsachlich eingetretenen Verlauf Uberein, dann war das mathematische Modell unrichtig. Es muB modifiziert und gegebenenfalls durch ein anderes Modell ersetzt werden. 1m Laufe von drei Jahrhunderten hat die Physik eine erhebliche Zahl von mathematischen Modellen entwickelt. Die Aufstellung und Analyse solcher Modelle erwies sich dabei mehr und mehr aIs entscheidende HiIfe beim weiteren Ausbau der physikaIischen Wissenschaften. Es ist daher verstandlich, daB sich schlieBlich - urn die Mitte des vorigen Jahrhunderts - ein eigener Zweig der Physik konstituierte, der sich ausschlieBlich mit der Modellbildung beschaftigt, namlich die theoretische Physik, wahrend die mit der theoretischen Physik eng verwandte mathematische Physik sich vor allem die mathematische Analyse der Modelle und, falls erforderlich, auch die Bereitstellung mathematischer HiIfsmittel fUr diese Analyse zur Aufgabe setzt. Die theoretische Physik besteht allerdings auch heute noch aus mehre ren, relativ unabhangigen Modellkomplexen, von denen jeder nur einen Teil der physika lischen Erscheinungen beschreibt; derartige Komplexe sind etwa die klassische Mechanik, die Thermodynamik oder die Theorie des elektrischen Feldes. AIle Bemtihungen, eine "Weltformel", das heiBt ein einheitliches Modell fur aIle zur Physik geharenden Naturvor gange aufzustellen, sind bisher gescheitert. 2 1 Einleitung Die durch die Aufstellung mathematischer Modelle ermaglichte Berechenbarkeit der physikalischen Prozesse ist von ungeheurer Bedeutung fUr unsere heutige Zivilisation, denn sie ist die Grundlage der modernen Technik. Die komplizierten technischen Apparate, die im Leben des Einzelmenschen und der menschlichen Gesellschaft heute eine so wichtige Rolle spielen, insbesondere die modernen Arbeits-, Transport-und Kommunikationsmittel, vom Staubsauger tiber das Dtisenflugzeug bis zum Nachrichtensatelliten, sind alle auf Grund dieser Modelle berechnet und konstruiert worden. 1m Bereich der Biologie, also der Wissenschaft von den Vorgangen in der belebten Natur, ist die Mathematisierung wesentlich langsamer vor sich gegangen und wesentlich weniger weit fortgeschritten. Zwar findet man schon vor dem 19. lahrhundert gelegentlich An satze zur mathematischen Beschreibung biologischer Vorgange: So hat etwa Leonardo di Pisa (mit dem Beinamen Fibonacci) im 13. lahrhundert die sogenannte Fibonacci-Folge zur mathematischen Beschreibung der Vermehrung eines Kaninchenpaares eingeflihrt, und Daniel Bernoulli d ....4 ". hat im 18. lahrhundert ein mathematisches Modell fur die Wirkung der Variolation, das heiSt der Immunisierung einer Bevalkerung gegen die Pocken durch planmaBige Infektion mit einer etwas abgeschwachten Form dieser Krankheit, auf gestellt. Aber erst im 19. lahrhundert begann man in graBerem AusmaB mit der Anwen dung mathematischer Methoden in der Biologie. Zunachst gab das aufbltihende Versiche rungswesen AnlaB zur systematischen Untersuchung von Sterbeprozessen einer Bevalke rung. Man kam hier zwar tiber die Samrnlung und Ordnung empirischer Daten noch kaum hinaus, es zeigte sich dabei aber schon deutlich, daB - im Gegensatz zu den physikalischen GraBen, die fast immer durch Funktionen, also dureh zahlenmiiBig festgelegte mathema tische Objekte beschrieben werden - die in den Biowissenschaften auftretenden Modell graBen oft ZufallsgroJ3en sind, das heiSt GraBen, von denen man nicht ihren genauen Wert angeben kann, sondern nur die Wahrscheinlichkeit, daB sie jeweils einen gegebenen Wert annehmen. (Mathematische Modelle, in denen ZufallsgraBen auftreten, nennt man "sto chastische Modelle" im Gegensatz zu den vorher erwiihnten "deterministischen Modellen ", in denen aIle auftretenden GraBen genau festgelegt sind.) Ins 19. lahrhundert fallt aber insbesondere die Entdeckung des wohl bekanntesten mathematischen Modells der Biologie, namlich der Mendelschen Gesetze der Vererbungslehre, eines sehr einfachen Modells, das aber als Ausgangspunkt fUr die spater erfolgte Entwicklung der mathematischen Genetik von groBer Bedeutung ist. In unserem lahrhundert begann man dann, mathematische Modelle fur biologische Vor gange in graBerem Umfang aufzustellen. So wurde die mathematische Genetik systematisch ausgebaut, die mathematische Epidemiologie (das heiSt die mathematische Theorie der Ausbreitung von Infektionskrankheiten) - deren Grundstein, wie erwiihnt, ja schon Daniel Bernoulli im 18. lahrhundert gelegt hat - entwickelt und - im AnschluB an die bahn brechenden Untersuchungen von Volterra - die mathematische Okologie (das heiSt die mathematische Theorie der Wechselwirkung von auf demselben Lebensraum sich beein flussenden Arten von Lebewesen) geschaffen. Auch fUr Vorgange innerhalb eines Einzel lebewesens - wie etwa die Leitung von Nervenreizen oder das Wachstum von Karzinomen hat man bereits mathematische Modelle entwickelt. Wegen der groBen Komplexitat fast aller Vorgange im Bereich der belebten Natur wer den diese Modelle, wenn sie die Vorgange nicht nur in grober Naherung, sondern doch mit 1 Einleitung 3 etwas grOBerem Ansprueh auf Genauigkeit wiedergeben sollen, im allgemeinen ziernlieh kompliziert. FUr die Bereehnung von Naturvorgiingen mit Hilfe soleher Modelle ist daher nieht selten ein leistungsflihiger Computer unentbehrlieh. Andererseits eroffnet aber der Einsatz modemer GroBreehenaniagen nieht zu unterschiitzende Moglichkeiten zur Ver wendung dieser Modelle ftir Zweeke der Praxis, wie etwa fUr die bioTogische Schikllings bekiimpfung, einen mogliehst rationellen Anbau von Nutzpj7anzen, die Schiitzung der Gr6j3e tierischer Popultztionen oder die KltzssillZierung von Lebewesen auf Grund von quantiftzier baren Merkmalen. Allerdings steht man auf diesem Gebiet vielfaeh noeh ziemlieh am An fang der Entwieklung. Aueh die Versuehe, eine theoretisehe Biologie auf mathematiseher Basis naeh dem Vorbild der theoretisehen Physik aufzubauen, also ein einigerma~en ein heitliehes Lehrgebaude, das mit Hilfe weniger Modelle aile Lebensvorgange erf~t, sind tiber Ansatze noch nicht hinausgekommen.

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