Karim Fereidooni Antonietta P. Zeoli Hrsg. Managing Diversity Die diversitätsbewusste Ausrichtung des Bildungs- und Kulturwesens, der Wirtschaft und Verwaltung Managing Diversity Karim Fereidooni · Antonietta P. Zeoli (Hrsg.) Managing Diversity Die diversitätsbewusste Ausrichtung des Bildungs- und Kulturwesens, der Wirtschaft und Verwaltung Herausgeber Karim Fereidooni Antonietta P. Zeoli Bochum, Deutschland Düsseldorf, Deutschland Dieser Sammelband entstand mithilfe einer finanziellen Förderung der Heinrich-Böll- Stiftung NRW. ISBN 978-3-658-14046-5 ISBN 978-3-658-14047-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-14047-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. 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Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Inhaltsverzeichnis Managing Diversity – Einleitung ......................................................................... 9 Karim Fereidooni, Antonietta P. Zeoli Differenzkonstruktion Doing Race. Wie werden Menschen zu „Anderen“ gemacht? ........................... 19 Mutlu Ergün-Hamaz Doing Class. Wie werden Menschen zum „Prekariat“ gemacht? ...................... 35 Karl August Chassé Doing Gender. Wie werden Menschen zu Mädchen und Jungen gemacht? ...... 53 Zara S. Pfeiffer Doing Age? Diversität und Alter(n) im flexiblen Kapitalismus. Zur Norm der Alterslosigkeit und ihren Kehrseiten ........................................... 67 Silke van Dyk Doing Dis_ability: Wie Menschen mit Beeinträchtigungen zu „Behinderten“ werden ........................................................................................ 89 Swantje Köbsell Doing Heteronormativity? Funktionsweisen von Heteronormativität im Feld der Pädagogik. .................................................................................... 105 Jutta Hartmann Diversity-Ansätze Bildungssystem Eine Analyse der Gestaltungsprinzipien des deutschen Schulwesens. Gelten Objektivität, Aufstiegsmobilität und Individualität für Kinder mit und ohne „Migrationshintergrund“ in gleichem Maße? ................................... 137 Karim Fereidooni, Antonietta P. Zeoli Zehn Reformvorschläge für ein gerechtes deutsches Schulwesen ................... 155 Karim Fereidooni 6 Inhaltsverzeichnis Was ist mit den Religionen? Interkulturelle Schule ist auch interreligiöse Schule ........................................ 169 Ulla Ohlms Einsprachigkeit ist eine Fiktion. Mehrsprachigkeit der Normalfall ................. 177 Franz Kaiser Trujillo Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Kontext Schule. Erfahrungen von Jugendlichen zwischen Eindeutigkeit und Mehrdeutigkeit als Herausforderung für die Praxis ................................................................... 183 Raphael Bak, Miriam Yildiz Herausforderungen hochschulischer Diversity-Politik. Für einen reflexiven, differenz- und ungleichheitssensiblen Umgang mit einem deutungsoffenen Phänomen................................................................... 199 Verena Eickhoff, Lars Schmitt Kulturwesen „Sie haben uns nicht nur nicht eingeladen, wir sind trotzdem gekommen“ –Diversity im deutschsprachigen Theater ....................................................... 231 Azadeh Sharifi Vervielfältigungen, Verschiebungen, Veränderungen?! Zum Stand der Migrationsdebatte im Museum ................................................ 245 Natalie Bayer Wahre Dialoge – Diversity Management im Medienbereich ........................... 265 Sinan Yaman Möglichkeiten und Grenzen der interkulturellen Kommunikation. Facetten eines kontextuellen Modells .............................................................. 271 Hamid Reza Yousefi Wirtschaft Was ist Diversity Management? ...................................................................... 291 Manfred Becker Diversity Management als eine betriebliche Strategie. Zwischen Marktlogik und Fairness .................................................................. 319 Daniela Rastetter, Susanne Dreas Inhaltsverzeichnis 7 Institutionen im Wandel. Ein Blick auf Diversity in der Wirtschaft ......................................................... 341 Guido Dünnebier Verwaltung Integration, Gender und Vielfältiges mehr. Wie kommunale Verwaltungen Diversitätspolitiken gestalten und nutzen können .................................................................................................. 351 Sibel Kara, Andreas Merx Diversity in der Berliner Verwaltung ............................................................... 373 Sonja M. Dudek Autor_innenverzeichnis ................................................................................... 387 Managing Diversity – Einleitung Karim Fereidooni Antonietta P. Zeoli Um den Begriff Diversity hat sich in den letzten 20 Jahren eine florierende (Wissenschafts-)Industrie herausgebildet, sodass gegenwärtig kaum ein gesell- schaftspolitisch relevanter Arbeits- und Lebensbereich in der bundesdeutschen Gesellschaft existiert, der sich nicht Diversity – zumindest dem eigenen Ver- ständnis nach – verschrieben hätte. Die Worthülse Diversity ist positiv konno- tiert und diejenigen Personen, Firmen bzw. Institutionen, die sich mit diesem Konzept identifizieren bzw. von sich selbst behaupten, es zu tun, beziehen sich in der Hoffnung darauf, dass sich dessen positive Auswirkungen, auf die eigene Person, Firma bzw. Institution überträgt. Diversity, im Deutschen mit Anerkennung der Vielfalt übersetzt, gilt in ei- ner Migrationsgesellschaft als anzustrebendes Merkmal. Aufgrund der – schein- bar – unendlichen Fülle an Bedeutungsinhalten kann Diversity viele Aspekte beinhalten und mannigfaltigen Interessen dienen. Mindestens zwei idealtypische Ausrichtungen von Diversity lassen sich nach Eggers (2011a, 60) voneinander abgrenzen: 1. Die gesellschafts- und herrschaftskritische Ausrichtung von Diversity 2. Die marktförmige Ausrichtung von Diversity Zwar teilen beide Ansätze eine positive Grundhaltung gegenüber der Heteroge- nität von Gesellschaftsmitgliedern, indem sie die Unterschiedlichkeit der Men- schen als Potential und nicht als Defizit betrachten, doch der Umgang mit „Dif- ferenz“ und die Zielsetzung beider Ansätze, variiert voneinander. Während der erste Ansatz davon ausgeht, dass „Differenz“ nicht per se existiert, sondern diese als menschliche oder institutionelle Konstruktion betrachtet wird (vgl. Mecheril 2010), forciert die marktförmige Ausrichtung von Diversity gera- dezu die bestehenden bzw. konstruierten Unterschiede zwischen Menschen. Die Zielsetzung des ersten Ansatzes fokussiert die Durchsetzung von Chancengleichheit, des Antidiskriminierungsschutzes sowie der Etablierung rassismuskritischer Analysemechanismen und besitzt somit das Potential, als „herrschaftskritisches Instrument“ (Eggers 2011a, 60) zu agieren. Beispielswei- se liegt der Etablierung von Diversity in der gesellschafts- und herrschaftskriti- © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 K. Fereidooni und A.P. Zeoli, Managing Diversity, DOI 10.1007/978-3-658-14047-2_1 10 Karim Fereidooni, Antonietta P. Zeoli schen Ausrichtung die gesellschaftspolitische Forderung zugrunde, allen Bür- ger*innen, die gleichberechtigte Teilhabe am Gesellschaftsleben zu ermöglichen, damit sie, entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtpopulation, in privaten Fir- men und öffentlichen Institutionen vertreten sind (vgl. Benbrahim 2008. Eggers 2011b. Emmerich/Hormel 2013). Die Zielsetzung des marktförmigen Ansatzes ist die Nutzbarmachung der zugeschriebenen oder faktisch bestehenden „Differenz“ der Bürger*innen bzw. Arbeitnehmer*innen, um wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen; beispielsweise, indem möglichst unterschiedliche Menschen in Arbeitsgruppen zusammenarbei- ten, damit multiple Denk- und Arbeitsweisen miteinander fusionieren und das Arbeitsergebnis differente Wissensbestände in sich vereint oder um neue Ab- satzmärkte zu erschließen. Positiv an diesem Ansatz ist die Einbindung der Expertise möglichst unterschiedlicher Menschen. Dies kann insbesondere für Personen, die nicht der gesellschaftlichen „Norm“ entsprechen, karrieredienlich sein. Negativ an diesem Ansatz ist jedoch, dass die entsprechenden Personen als Stellvertreter*innen ihrer Kultur, Religion, Sprache, Herkunft, körperlichen Beschaffenheit, ihres Alters und sexuellen Begehrens etc. betrachtet werden und andere Persönlichkeitsmerkmale vor dem Hintergrund der Fokussierung auf die „Differenz“ nicht wahrgenommen werden. Zudem wird bei diesem Diversity- Ansatz die „Norm“ durchgehend (re)produziert, indem die wirtschaftliche Ein- bindung „der Anderen“ gefordert und gefördert wird, ohne allerdings machtkri- tisch tätig sein zu wollen. Die marktförmige Diversity-Ausprägung beinhaltet demnach keine ausgeprägten Ideen der Herrschaftskritik, weil „die Norm“ und „die Differenz“ keine machtkritische Analyse erfahren, sondern immer wieder von Neuem hervorgebracht werden. Demnach wirken beide Diversity-Ansätze im Spannungsfeld von Partiku- lar- und Gemeinschaftsinteressen, wobei die gesellschafts- und herrschaftskriti- sche Ausrichtung die gesellschaftliche Veränderung zugunsten marginalisierter Gruppen fokussiert, indem „Norm“ und „Differenz“ als Konstruktionen hinter- fragt werden, während die marktförmige Ausrichtung die „Differenz“ wirt- schaftlich nutzbar machen möchte (vgl. Fereidooni 2012). Dieser Sammelband bietet einen Überblick über beide Formen von Diver- sity-Ansätzen, wobei die gesellschafts- und herrschaftskritische Ausrichtung stärker in den Blick genommen wird. Die in diesem Buch publizierten Beiträge sind Ausdruck einer konstituti- ven Forderung nach macht- und herrschaftskritischer Reformierung des Bil- dungssystems, des Kulturwesens, der Wirtschaft und Verwaltung, dessen Ziel die diversitätsbewusste Demokratisierung ebenjener Gesellschaftsbereiche ist. Ein erster Schritt hierzu ist die Analyse der Konstruktionsbedingungen von „Differenz“, welche die Grundlage für Diversity-Maßnahmen bildet. In diesem Managing Diversity – Einleitung 11 Sinne ist „Differenz“ nicht per se existent, sondern wird in sozialen oder institu- tionellen Interaktionen (re)produziert, sodass eine der wichtigsten Aufgaben einer diversitätssensiblen Migrationsgesellschaft der ständig neu zu erlernende Umgang mit Gleichheit und „Differenz“ ist (vgl. Prengel 2006). Solange keine kontextbezogenen und individuellen Lösungsanstrengungen bezüglich dieses Dilemmas unternommen werden, haben Diversity-Ansätze lediglich eine Funk- tion: Versäumtes nachzuholen. In den ersten sechs Beiträgen wird, im Sinne der gesellschafts- und herrschafts- kritischen Diversity-Ausrichtung die Konstrukthaftigkeit der folgenden Diffe- renzkategorien nachgegangen: „der Rasse“, Klasse, Geschlecht, Alter, Behinde- rung, und sexuelles Begehren. Mutlu Ergün-Hamaz beschäftigt sich in dem Beitrag Doing Race: Wie werden Menschen zu „Anderen“ gemacht? mit der folgenden Fragestellung: Wie können wir erfolgreich Strategien gegen Rassismus entwickeln, wenn wir nicht genau wissen, was eigentlich „Rasse“ ist? Die Beantwortung dieser Frage gelingt ihm, indem er auf den historischen und zeitgenössischen Rassismus in Form von Rassifizierungsprozessen eingeht und darstellt, mit welchen Mitteln Menschen in unterschiedliche „Rassen“ eingeteilt werden. Karl August Chassé betrachtet in seinem Beitrag Doing Class: Wie werden Menschen zum „Prekariat“ gemacht? soziale Prozesse, mit deren Hilfe der Sozialstatus von Menschen als folgenreiche Unterscheidung hervorgebracht und reproduziert wird, indem er die Charakteristika der sog. Unterschichtsdebatte nachzeichnet. Zara S. Pfeiffer geht in ihrem Beitrag Doing Gender. Wie werden Men- schen zu Mädchen und Jungen gemacht? den folgenden Fragestellungen nach: Wie kommt es, dass etwas so komplexes und uneindeutiges wie die Kategorie Geschlecht eine so starke Vereindeutigung erfährt, dass diese Zuordnung häufig reibungslos gelingt? Welche Auswirkungen hat eine solche Zuordnung auf das (Alltags-)Leben? Und was passiert, wenn die Zuordnung zu einer der beiden Kategorien „weiblich“ oder „männlich“ scheitert? Silke van Dyk fokussiert in ihrem Beitrag Doing Age? Diversität und Al- ter(n) im flexiblen Kapitalismus. Zur Norm der Alterslosigkeit und ihren Kehr- seiten – die bis heute unangefochtene Norm eines vermeintlich alterslosen Er- wachsenenlebens. Sie arbeitet heraus, dass in der hiesigen Gesellschaft das Alter trotz der zunehmenden politischen Sensibilität für Diskriminierungen nach Le- bensalter und trotz der verbreiteten Betonung von Altersvielfalt, weiterhin das ‚Andere‘, das ‚Abweichende‘ und Besondere darstellt, welches an den Maßstä- ben der gemeinhin nicht alterskodierten mittleren Lebensjahre gemessen wird.
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