Heribert Schatz· Otfried Ja rren Bettina Knaup (Hrsg.) Machtkonzentration in der M ultimediagesellschaft? J Heribert Schatz· Otfried arren Bettina Knaup (Hrsg.) Machtkonzentration in der Multimediagesellschaft? Beitrage zu einer Neubestimmung des Verhaltnisses von politischer und medialer Macht Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Machtkonzentration in der Multimediagsellschaft?: Beitrage zu einer Neubestimmung des Verhaltnisses von politi scher und me dialer Macht / Heribert Schatz ... (Hrsg.). - Opladen: Westdt. VerI., 1997 ISBN-13: 978-3-531-13043-9 e-ISBN-13: 978-3-322-87303-3 001: 10.1007/978-3-322-87303-3 Alle Rechte vorbehalten © 1997 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation. Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu lassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Dbersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. http://www.westdeutschervlg.de U mschlaggestaltung: Horst Dieter Burkle, Darmstadt Inhalt Vorwort .................................................................................................................... 9 Heribert Schatz EinfUhrung in die Thematik und Oberblick iiber die Beitrage .............................. 11 I. Das Verhiiltnis von Politik und Medien in theoretischer und empirischer Perspektive Anna M. Theis-Berglmair Das demokratische Moment der Ungewi13heit.. ..................................................... 25 Ulrzch Sarcinelli Von der Parteien- zur Mediendemokratie? Das Beispiel Deutschland ...................................................................................... 34 Frank Marcinkowski Politische Macht und Publizitat von Politik. Das Verhaltnis zweier Medien und die Empirie des "dualen" Femsehsystems ...................................................................................................... 46 Thomas Meyer VerfUgungsmacht, Wettbewerb und Prasentationslogik. Einflu13faktoren auf den politischen Diskurs in den elektronischen Massenmedien ....................................................................................................... 65 Patrick Rossler Die Definitionsmacht fUr Themen des politischen Diskurses in einer veranderten Kommunikationswelt. Agenda-Setting und die Individualisierungstendenzen im Online-Zeitalter -ein Szenario ......................................................................................................... 78 Wiljrzed Scharf Neo-Bonapartismus in der politischen Meinungsbildung ...................................... 98 Peter Seeger Euphorie und Emiichterung - Strukturwandel der elektronischen Medien ......................................................................................... 124 6 Inhalt II. MedieninhaIte Peter Ludes, Joachim Friedrich Staab und Georg Schutte Nachrichtenausblendung und Nachrichtenautklarung ......................................... 139 Katrin Voltmer Ideologische Parallelstrukturen zwischen Medien und politischen Parteien. Eine empirische Analyse politischer Positionen im Agendavergleich ................ 157 Christiane Eilders, FriedheIm Neidhardt und Barbara Pfetsch Pressekommentare und Offentliche Meinung. Fragestellungen zu einem vemachlassigten Genre .............................................. 176 Udo G6ttlich, J6rg-Uwe Nieland Politischer Diskurs als Unterhaltung? Prasentationslogiken von Daily Soaps als Wegweiser ........................................ 188 III. Rundfunkpolitik Otfried Jarren Rundfunk und Rundfunkregulierung in Deutschland -Probleme, Defizite und Zukunftsaufgaben ........................................................................... 203 Gerhard Vowe Medienpolitik im Spannungsfeld von staatlicher Steuerung und Selbstregulierung. Das Beispiel der "Freiwilligen Selbstkontrolle Femsehen" ................................. 216 Hans 1. Kleinsteuber Medienmacht im ungleichen Wettbewerb. Stimmt die Balance von Offentlichem und kommerziellem Rundfunk im dualen System? ............................................................................................... 244 Wolfgang Seufert Medienilbergreifende Untemehmenskonzentration -Mittel zur Kostensenkung oder zur Erhohung von Marktmacht? .................................. 258 Patrick Donges Der "Medienkrieg" und seine Ursachen. Rundfunkpolitik im postkommunistischen Ungam ............................................. 274 Inhalt 7 Elena Wienhold Zur Verquickung von Macht und Medien in Italien ............................................ 288 Angaben zu den Autor(inn)en und Herausgeber(inne)n ...................................... 301 Vorwort Wie die frtiheren Jahrbticher des gemeinsamen Arbeitskreises "Politik und Kom munikation" der Deutschen Vereinigung fUr Politikwissenschaft und der Deut schen Gesellschaft fUr Publizistik- und Kommunikationswissenschaft enthalt auch der vorliegende Band in der Hauptsache die tiberarbeiteten Referate der letzten Jahrestagung des Arbeitskreises, die diesmal unter dem Titel "Politische Macht und Medienmacht" in Berlin stattfand. Hinzugekommen sind die Beitrage von Jarren, Kleinsteuber, Marcinkowski, Sarcinelli und Seeger, allesamt Mitglieder der "Italienischen Sezession", d.h. Kollegen, die ursprtinglich bei uns referieren woll ten, dann aber von der Friedrich-Ebert-Stiftung zu der zeitgleich in Castelgandolfo stattfindenden Tagung zum Thema "Von der Parteien- zur Mediendemokratie" abgeworben worden waren. (Wer hatte da widerstehen konnen?) Nachtraglich aufgenommen wurde auBerdem der Beitrag von GottlichlNieland, die zwar auf der Berliner Tagung anwesend waren, aber erst durch den interessanten Beitrag von Meyer so recht animiert wurden, aus ihrem aktuellen Forschungsprojekt zu den "Daily-soaps" im deutschen Fernsehen Beztige zu der von Meyer thematisierten "theatralen Prasentationslogik" politischer Beitrage im Femsehen herzustellen. Verzichten muBten wir leider auf den Abdruck des fur die theoretische Fundierung der Tagung wichtigen Beitrags von Gerd Kopper zum Thema "Medienmacht und politische Macht. Zur Systematik methodischer MiBweisungen"- er konnte sich letztlich nicht entschlieBen, den von ihm referierten Ansatz einer komplexen Theorie zum Verhaltnis von Medienmacht und politischer Macht auf das Format eines Sammelbandartikels "herunterzukochen". Auch Kurt Hesse konnte seinen Vortrag zum Umfang der Beteiligung von Presseuntemehmen am privaten Rund funk wegen anderer Publikationsplane hier nicht verOffentlichen. Die Berliner Tagung war wiederum gut besucht mit einer Spitzenprasenz am Hauptsitzungstag von deutlich tiber 40 Teilnehmem. Sie fand statt in der gast freundlichen und diskussionsstimulierenden Athmosphare des Wissenschaftszen trums Berlin. brtlich vorbereitet von Barbara Pfetsch, im tibrigen von Duisburg organisiert, tagte der Arbeitskreis am 04. und 05. Oktober 1996 in den nob len Raumen des WZB, freundlich begrtiBt von Prinzessin zu Lowenstein. Das fUr die Tagung ausgewahlte Rahmenthema war schon fur frtihere Tagungen ins Auge gefaBt gewesen, hatte zuletzt aber neue Relevanz gewonnen durch die jtingsten, teils hektischen Konzentrationsmanover der groBen Medienkonzerne und das Auf- 10 Vorwort treten neuer, ahnlich kapitalstark ausgestatteter Untemehmenszusammenschlilsse und Gro13projekte im Zusammenhang mit der Deregulierung und Umgestaltung des Telekommunikationsbereichs in der Bundesrepublik Deutschland wie in ande ren EU-Staaten. In diesem realpolitischen Szenario sollte die Tagung mit dem Schwerpunkt Bundesrepublik den Forschungsstand zu der zentralen Frage aufar beiten, ob sich im Machtverhaltnis von politischem und Mediensystem Verande rung en nachweisen lassen, die zur Besorgnis hinsichtlich der demokratisch nonnativ wilnschbaren Balance der beiden Bereiche Anla13 geben konnten. Die insgesamt 17 Einzelbeitrage zu dieser Thematik sind grob in drei BlOcke gegliedert, von den en der erste eher theoretisch-konzeptionell ausgerichtet ist, der zweite die Leitfrage anhand konkreter inhaItsanalytischer Projekte bearbeiten und der dritte starker die rundfunkpolitische Perspektive in den Mittelpunkt rucken sollte. Angesichts des fast inflationaren Gebrauchs des Begriffs "Macht" sollten die Referate einerseits zur begrifflichen Klarung und aktualisierten Konzeptionalisie rung des Verhaltnisses von Massenmedien und Politik beitragen, andererseits aber auch neue, theoriegeleitete Empirie prasentieren, die das Zusammenspiel dieser Spharen beleuchtet. Das ist wohl insgesamt gut gelungen, jedenfalls wenn man sich klarmacht, wie heterogen die Ansatze und Gegenstandsbereiche einer Teil nehmergruppe sein milssen, die sich aus den Disziplinen Kommunikationswissen schaft, Sozio logie, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Technikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft zusammensetzt. Wir glauben jedenfalls unverdrossen, da13 diese multidisziplinare Mixtur allemal wissenschaftlich ergiebiger ist als eine streng kanonisierende wissenschaftliche Monokultur. Am Ende dieses Vorworts habe ich vielfachen Dank auszusprechen. Er gilt zu nachst der Leitung des WZB und seinen Mitarbeitem fur die gewahrte Gastfreund schaft, sodann den Referenten und Diskutanten fur ihre Beitrage und nicht zuletzt meiner Mitarbeiterin Bettina Knaup, ohne deren gro13es Engagement weder die Tagung noch dieser Band so ansehnlich ausgefallen waren. Duisburg, April 1997 Heribert Schatz Einfiihrung in die Thematik und Uberblick iiber die Beitrage Heribert Schatz Presse- (und Informations-)Freiheit sind -historisch wie funktional gesehen -wohl das wichtigste konstitutive Element westlicher Demokratien. Die Sorge, die Mas senmedien konnten durch den Wandel des Massenkommunikationssystems bzw. seiner technischen, okonomischen, politischen und soziokulturellen Grundlagen in bezug auf ihre politische Funktionsfahigkeit als "Medium und Faktor der Offentli chen Meinungsbildung" Schaden erleiden, scheint in Deutschland starker ausge pragt als in anderen westlichen Demokratien. Man konnte das als "typisch deut sche" Bedenkentrager-Kultur abtun, wie dies manche Protagonisten des anbre chenden Zeitalters der "Multimediagesellschaft" versuchen. Andererseits weist die jungere deutsche Geschichte aber eine hinreichende Anzahl von Anlassen auf, die die besondere Problemsensibilitat der joumalistischen und fachwissenschaftlichen Offentlichkeit fUr das Wechselverhaltnis von politischer Macht und Medienmacht erklaren und rechtfertigen konnen. Sie reichen zuruck bis in die Weimarer Repu blik und die Erfahrung, wie eine demokratiefeindliche Meinungspresse seinerzeit den Weg des Nationalsozialismus bereitete; sie umfassen die totalitare Instrumen talisierung der inlandischen Presse, des Rundfunks und des Films im "Dritten Reich" bei gleichzeitiger Abschirmung der Bevolkerung von auslandischen Infor mationsquellen ("Feindsender") und sie schliel3en auf der positiven Seite die Me dienpolitik der Alliierten nach 1945 ein, mit ihrer starken Betonung von Staatsfer ne, Dezentralisierung und Funktionalisierung der Massenmedien fUr die "re-educa tion" der Deutschen, die sich niederschlug in einer bis 1949 bestehenden Lizenz presse und einem zumindest anfanglich durch gesellschaftliche Gruppen kontrol lierten, foderalistisch und Offentlich-rechtlich organisierten Rundfunk (vgl. Bausch 1980). In diesem medial-demokratischen "Reizklima" reproduzierte sich die genannte Problemsensibilitat fUr Machtfragen immer wieder, wenn es markante Verande rungen in den Struktur- und Funktionsbedingungen des deutschen Mediensystems gab. Das war so bei der in den 50er Jahren einsetzenden Pressekonzentration und bei der Anfang der 60er Jahre beginnenden Entwicklung des damals noch "neuen" Mediums Femsehen zum Leitmedium der Popularkommunikation in Deutschland und die damit rasch wachsende Begehrlichkeit der politischen Parteien, ihren Ein flul3 auf den Rundfunk zu verstarken. Und das war so nach dem Machtwechsel von 1982, als die neue liberal-konservative Regierung die "Verkabelung der Republik" 12 Heribert Schatz beschloB und wenig spater durch die (durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts moglich gewordene) "Dualisierung" des Rundfunks das Offentlich-rechtliche Ra dio- und Fernsehmonopol zu Fall brachte. In jtingster Zeit wird die offentliche Diskussion tiber das Verhaltnis von Politik und Massenmedien durch einen neuerlichen Innovationsschub des Massenkom munikationssystems angeheizt. Gemeint ist der eingangs genannte Obergang zur postindustriellen "Multimedia-" oder "Informationsgesellschaft" (vgl. hierzu die verschiedenen Beitrage in Tauss et al. 1996). Bezogen auf die Entwicklung des Massenkommunikationssystems werden damit Phanomene verbunden wie die Internationalisierung ("Globalisierung") von Kommunikations-lDaten stromen; die basale Okonomisierung/Kommerzialisierung von Produktion, Distribution und Konsumption medial vermittelter Programme und Dienste (Rundfunk als Ware statt als "Kulturgut" usw.); die flir be ides konstitutive Entdeckung der Profitchancen in diesen Bereichen flir das (in der Regel publizistisch uninteressierte) anonyme Risikokapital; die technologische Konvergenz von Rundfunk, Telekommunikation und Com putertechnologie bei gleichzeitig exponentieller Leistungssteigerung (vor all em durch Digitalisierung, Verdichtung, Miniaturisierung usw.); der Riickzug der Nationalstaaten aus der regulativen Medien- (Ordnungs-)Poli tik ("Deregulierung") und die angebotsstimulierte wie auch durch gesellschaftliche Trends (lndividua lisierung, Hedonismus) angeregte Differenzierung der Nachfrage nach flexibel und interaktiv nutzbaren "multimedialen" Angeboten. Diese Entwicklungstrends sind prima facie nicht neutral flir das Machtverhaltnis von Politik und Medien. Sorge bereiten in der offentlichen Diskussion vor allem die spektakularen international en Fusionen in der Kommunikationsindustrie, die oft mit einem immensen Kapitalaufwand verbunden sind (vgl. Roper 1994, S. 69 sowie Seufert in diesem Band). Sie flihren zu Ballungen okonomischer Macht, die zumindest mittelbare Folgen haben. Beispielsfiille liefern die GroBkonzerne Time Warner/Turner, Disney/ABC, Bertelsmann/CLT und nicht zuletzt Murdochs News Corporation (vgl. Schatz 1996, S. 79 ff.). Auch wenn es diesen Konzernen in der Regel nicht urn Meinungsmacht nach dem Vorbild Hugenberg in der Weimarer Republik zu gehen scheint, so besteht doch die Gefahr, daB ihr Handeln politisch relevante Wirkungen hat: durch die strikte Orientierung an der Marktgangigkeit ihrer Produkte konnten die kommunikativen Bedtirfnisse von Politik (generell: die Herstellung politischer Offentlichkeit als "Unterstellbarkeit der Akzeptanz von Themen" (Luhmann) sowie die Erhaltung einer von "Systemvertrauen" getrage nen, im iibrigen vernunftgeleiteten, partizipatorischen und egalitliren politischen Kultur; ferner die Thematisierung gesellschaftlich relevanter Probleme, die Arti- I Zum Relevanzbegriffvgl. Schatz/Schulz 1992, S. 690 fT.