Stefan Kühl Leitbilder erarbeiten Eine kurze organisationstheoretisch informierte Handreichung Leitbilder erarbeiten Stefan Kühl Leitbilder erarbeiten Eine kurze organisationstheore- tisch informierte Handreichung Stefan Kühl Metaplan Quickborn, Deutschland Universität Bielefeld Bielefeld, Deutschland ISBN 978-3-658-13422-8 ISBN 978-3-658-13423-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-13423-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver- wertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigun- gen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 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Lektorat: Katrin Emmerich, Jennifer Ott Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Inhalt Vorwort – Erarbeitung von Leitbildern jenseits des Maschinenmodells von Organisationen | 1 1 Was sind Leitbilder ? – Einleitung | 7 1.1 Leitbilder – Wertekataloge in Organisationen | 11 1.2 Die drei Seiten der Organisation | 13 2 Jenseits des Kaskadenmodells der Organisation | 31 2.1 Das zweckrationale Modell der Organisation | 33 2.2 Die nur lose Kopplung zwischen Visionen, Missionen, Strategien, Maßnahmen und Praktiken | 34 3 Leitbilderarbeitung jenseits eines maschinenartigen Verständnisses von Organisationen | 39 3.1 Zwischen Harmonisierung und Benennung widersprüchlicher Anforderungen | 40 3.2 Zwischen Orientierung an Moden und Organisationsspezifika | 47 VI Inhalt 3.3 Zwischen Wunschvorstellungen und Beschreibung der Welt | 54 3.4 Das gleiche Leitbild für alle oder unterschiedliche Varianten | 56 3.5 Leitbilder zwischen zentraler Initiierung und dezentraler Verankerung | 61 4 Relevanz des Leitbildprozesses und Pflege des fertigen Produktes – Fazit | 67 Literaturverzeichnis | 71 Lektürehinweise – für ein organisationstheoretisch informiertes Verständnis von Organisationen | 75 Vorwort – Erarbeitung von Leitbildern jenseits des Maschinenmodells von Organisationen Die Handreichungen zur Erstellung und Verbreitung von Leitbildern sind in den meisten Fällen durch ein ma- schinenartiges Verständnis von Organisationen geprägt. Or- ganisationen werden von einem Zweck aus gedacht, der als die Richtschnur für alles organisatorische Handeln herhalten muss. Es wird versucht, für die Erreichung dieser Zwecke ge- eignete Mittel zu definieren – die » optimalen Kommunika- tionswege «, die » richtigen Programme « und das » geeignete Personal «. Leitbilder dienen bei diesem Verständnis von Or- ganisationen als Orientierungspunkte, an denen sich alle Mit- glieder ausrichten sollen. Aber leider ist die Sache so einfach nicht. Die Realität von Unternehmen, Verwaltungen, Armeen, Krankenhäusern, Hochschulen, Schulen oder Vereinen sieht ganz anders aus als dieses » maschinenartige Bild « von Organisationen, denn Or- ganisationen sind sich über ihre Zwecke häufig nicht im Kla- ren. Leitbilder, die Orientierungspunkte liefern sollen, geben häufig nur Allgemeinplätze wieder, die letztlich von allen Or- ganisationen einer Branche so vertreten werden könnten. Das Personal in den unterschiedlichen Bereichen und Abteilun- gen tut so, als teile es das Leitbild, verfolgt aber ganz eigene Interessen. Das Leitbild wird auf der Vorderbühne gepriesen, 2 Vorwort aber auf der Hinterbühne zynisch kommentiert. Das Leben in Organisationen scheint viel wilder zu sein, als es das in der Ratgeberliteratur und auf den Beraterfolien dominieren- de maschinenartige Verständnis von Organisationen nahelegt. Ziel dieses kleinen Buches in der Reihe » Essentials « ist es, aufzuzeigen, wie die Erarbeitung eines Leitbildes – manchmal auch als » Credo «, » Mission Statement «, » Corporate Philoso- phy « oder » Core Values « bezeichnet – jenseits eines solchen vereinfachten, maschinenartigen Verständnisses von Organi- sationen aussehen kann. Es wird gezeigt, welche Funktionen Leitbilder als Teil der Schauseite der Organisation haben, in welchem Verhältnis sie zur formalen Struktur stehen und wie sie mit den informalen Strukturen – der Organisationskultur – zusammenhängen. Bei der Darstellung, wie Leitbilder entwickelt werden, stüt- ze ich mich auf langjährige Erfahrung bei der Beratung von Unternehmen, Verwaltungen, Universitäten, Krankenhäusern und Non-Profit-Organisationen. An einzelnen Stellen zeige ich immer wieder, wo die von uns propagierte Vorgehenswei- se bei der Entwicklung von Leitbildern von der gängigen Pra- xis abweicht und in welcher Form wir an Überlegungen der neueren Organisationsforschung anknüpfen. Auch wenn dieses Buch aus der praktischen Arbeit bei der Erstellung von Leitbildern heraus entstanden ist und es sich vorrangig an Praktiker in Organisationen richtet, habe ich den Anspruch, dass unsere Vorgehensweise mit Einsich- ten der wissenschaftlichen Organisationstheorie abgestimmt ist. Eine solche wissenschaftlich informierte Vorgehensweise in der organisationalen Praxis soll aber nicht kaschieren, dass die Ansprüche an Texte für Praktiker ganz andere sind als an Texte für Wissenschaftler. Während in der Literatur für Prak- tiker Überlegungen meistens im Tenor der Erleuchtung und der Verkündung präsentiert werden, dominiert in der Wis- senschaft eher der abwägend argumentierende Ton. Das gera- 3 Vorwort de von Praktikern immer wieder gern wiederholte Diktum des Psychologen Kurt Lewin (1951, S. 169), dass nichts praktischer sei als eine gute Theorie, verkennt die ganz unterschiedlichen Entstehungszusammenhänge von organisationalen Praktiken und wissenschaftlichen Erkenntnissen über diese Praktiken. Gerade in der Debatte über die Praxisrelevanz der Organi- sationsstudien (siehe z. B. früh Whitley 1984) und in der so- genannten soziologischen Verwendungsforschung (siehe z. B. früh Beck/Bonß 1984) ist immer wieder herausgestellt wor- den, dass wissenschaftliches Wissen nicht ohne Weiteres in die Praxis übersetzt werden kann. Angesichts dieser unüberbrückbaren Differenz zwischen Organisationswissenschaft und Organisationspraxis ist es mein Anspruch, Vorgehensweisen bei der Erarbeitung und Verbreitung von Leitbildern vorzustellen, die an dem einen oder anderen Punkt vielleicht durch einen Gedanken aus der Organisationstheorie inspiriert wurden, die aber vorran- gig aus der Praxis heraus generiert wurden und die sich in der Praxis bewähren müssen. Es mag durchaus auch für Wis- senschaftler der eine oder andere interessante Gedanke da- bei sein, wenn zum Beispiel bei der Suche nach dem richtigen Weg, um einen vorher definierten Zweck zu realisieren, sys- tematisch zwischen Leitbildern als Wertformulierungen und Strategien als Mittelsuchprogrammen unterschieden wird. Wenn also eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler bei der Lektüre dieses Buches die eine oder andere Idee be- kommt, umso besser – aber das ist nicht mein primärer An- spruch. Dieses kleine Buch ist Teil einer Reihe, in der wir vor dem Hintergrund moderner Organisationstheorien Praktikerin- nen und Praktikern die Essentials für das Management von Organisationen vorstellen. Neben diesem Band » Leitbilder erarbeiten « erscheinen Bücher zu den Themen » Organisatio- nen gestalten «, » Strategien entwickeln «, » Projekte führen « 4 Vorwort und » Märkte explorieren «. In einem Buch über » Laterales Führen « stellen wir vor, in welcher Form Macht, Verständi- gung und Vertrauen beim Management von Organisationen wirken. Weil wir diese Bücher in einem Guss geschrieben ha- ben, werden aufmerksam Lesende in allen Büchern dieser Reihe immer wieder verwandte Gedankengänge und ähnliche Formulierungen finden. Diese Überschneidungen werden be- wusst von uns eingesetzt, um die Einheitlichkeit des zugrun- de liegenden Gedankengebäudes und die Verbindungen zwi- schen den verschiedenen Büchern hervorzuheben. Wir halten nichts davon, Texte für Manager und Berater mittels einer Ansammlung von Bullet Points, Executive Sum- maries, grafischen Darstellungen des Textflusses oder gar mit Übungsaufgaben zu » vereinfachen «. In den meisten Fällen werden die Leserinnen und Leser durch diese » unterstützen- den Mittel « infantilisiert, weil davon ausgegangen wird, dass sie nicht in der Lage seien, ohne diese Hilfsmittel die zentra- len Gedanken aus einem Text herauszuziehen. Wir nutzen in diesem Buch – genauso wie in allen anderen unserer Bücher in der Essentials-Reihe – deswegen neben einigen sehr spar- sam eingesetzten Grafiken lediglich ein einziges Element, das die Lektüre des Buches erleichtert: In kleinen Kästen führen wir einerseits Beispiele an, die unsere Gedanken konkretisie- ren, und andererseits nutzen wir diese Kästen dafür, um aus- führlicher Anschlüsse an die Organisationstheorie zu mar- kieren. Wer wenig Zeit hat oder sich für diese Aspekte nicht interessiert, kann auf die Lektüre dieser Kästen verzichten, ohne dass dadurch der rote Faden verloren geht. Die organisationstheoretischen Grundlagen hinter diesem Konzept finden sich in meinem Buch » Organisationen. Eine sehr kurze Einführung «, in dem die Grenzen des am Zweck- Mittel-Schema orientierten Maschinenmodells von Organi- sationen dargestellt werden und ein übergreifendes system- theoretisch informiertes Verständnis von Organisationen dar-