Studien zur international vergleichenden Erziehungswissen- schaft. Schwerpunkt Europa – Studies in International Comparative Educational Science. Focus: Europe. Herausgegeben von: Edited by: Karin Amos, University of Tuebingen, Germany Zoltán Györgyi, University of Debrecen, Hungary Jürgen Helmchen, University of Muenster, Germany Hans-Georg Kotthoff , University of Education Freiburg, Germany Tamás Kozma, University of Debrecen, Hungary Marianne Krüger-Potratz, University of Muenster, Germany Andrea Óhidy, University of Magdeburg, Germany Magdolna Rébay, University of Debrecen, Hungary Wissenschaft licher Beirat: International advisory committee: Robert Cowen, Great Britain Vlatka Domovic, Croatia Katalin R. Forray, Hungary Dominique Groux, France Karl-Heinz Gruber, Austria Rita Hostetter, Switzerland Wolfgang Hörner, Germany Monica Mincu, Italy Rosalind Pritchard, Great Britain Anatoli Rakhkochkine, Germany Miroslav Symanski, Poland Imke von Bargen Lehrkräfte in einer globalisierten Welt Eine länderübergreifende Studie zu ihrem berufl ichen Selbstverständnis Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Christine Freitag Imke von Bargen Universität Paderborn Deutschland Dissertation am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Paderborn, 2013 ISBN 978-3-658-06188-3 ISBN 978-3-658-06189-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-06189-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- nalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in die- sem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu be- trachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vs.de Geleitwort Die von Imke von Bargen vorgelegte Studie zum beruflichen Selbstverständnis von Lehrkräften ist eine Arbeit, die der Professionsforschung zuzurechnen ist, in ihrem länderübergreifenden Zugang jedoch zugleich der Vergleichenden Erzie- hungswissenschaft. Schon in der Einleitung wird deutlich, wie sehr die Studie in einem Wechselspiel inhaltlichen Forschungsinteresses und methodologischen Diskurses steht. Das berufliche Selbstverständnis von Lehrkräften in England und Deutschland zu erfassen, muss, um nicht einen Kontrast beider Länder vorab zu setzen, globalisiertes Gemeinsames wie auch national Besonderes in den Blick nehmen. Beides muss als möglich unterstellt bleiben, bis empirische Sätti- gung Tendenzen zu der einen oder anderen Seite klarer erkennbar macht. Das zu erforschende berufliche Selbstverständnis ist somit als Tertium Comparationis bereits gesetzt, dennoch ein im Forschungsprozess erst noch zu Konturierendes. Die Offenheit des Forschungsprozesses insgesamt scheint in der Anlage der Arbeit konstitutiv – und zugleich die größte Herausforderung der Verfasserin. Das erste Hauptkapitel (Kapitel 2) ist eine historisch-systematische Darstellung globaler Schulentwicklung. Zentrale Begriffe werden geklärt, Theorieentwürfe diskutiert, deutsche und englische Schulgeschichte wird rekonstruiert. So wird der Leser Schritt für Schritt zu der Erkenntnis geführt, dass nationale Systembe- trachtungen zu Bildung und Schule wesentliche Entwicklungen, die sich jenseits nationalstaatlicher Grenzen vollziehen, nicht zur Kenntnis nehmen und somit unvollständig bleiben müssen. Kapitel 2.3.2 dient einer Übersicht besonderer, historisch gewachsener Merkmale des deutschen und des englischen Schulwesens. Damit wird Partikula- rität hervorgehoben, zugleich aber auf Gemeinsamkeiten eines globalen „Stream- lining“ im Steuerungsdiskurs verwiesen. England gilt nicht grundlos als europäi- scher Vorreiter in Sachen New Public Management – und Deutschland hat eben diesen Weg auch seit zwanzig Jahren beschritten. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse nun steht das zweite Hauptkapitel (Kapitel 3): Die Lehrkraft im Zeichen der Globalisierung. Dass Globalisierung Systeme bewegt, ist das eine; wie bzw. inwiefern Lehrkräfte als zentrale Akteure der Systeme unter dem „Glo- balisierungsstern“ handeln bzw. reagieren, das ist der eigentliche Fokus dieser Arbeit. Konstanz und Wandel des Berufs im deutschen und englischen System werden aufgezeigt, Besonderheiten der Systeme klar herausgestellt. Dazu gehört auch die Frage der Lehrerbildung, insbesondere der Lehrerausbildung. 6 Geleitwort Im nächsten Zugriff geht es um die Professionstheorie. Deren Fokussierung auf berufsbezogene Rahmungen, Arbeitsqualität und berufliche Kompetenz macht deutlich, dass hier eine weitere bedeutsame Kontextsetzung fiir die Frage stellung entworfen wird, die (ebenfalls) auf nationale Besonderheiten und globa lisierende Tendenzen zu beziehen ist. Die Professionsforschung selbst hat ange sichts der Konfrontation des Lehrerberufs mit neuen Stenerungamodellen beson ders auf den starken Wandel verwiesen, der, je nach Perspektive der Wissen schaftler, eine De- oder eine Reprofessiona1isierung bewirke. Die deutsche und die englische Debatte dazu werden sorgf"altig rekonstmiert und modelliert, auch deutsch-englisch vergleichende Ansätze kommen in den Blick. Die Auswertung der Zugänge fiihrt die Verfasserin zu der bedeutsamen Feststellung, dass berufli cher Wandel in seiner von außen zugeschriebenen Seite nicht identisch ist mit den subjektiven Wahrnehmungen der betroffenen Akteure, und dass es deshalb wichtig ist, zunächst ein theoretisches Konstrukt zu eruieren, dass die Wahrneh mung von Lehrkräften bezüglich Kontinuität und Wandel ihres Berufs in einem sich ebenfalls wandelnden System erfassen zu helfen vermag. Sie wählt das Konzept des beruflichen Selbstverständnisses, das sie sorgfiiltig von anderen, z. T. durchaus ähnlichen Konzepten abgrenzt (Kapitel 4). Kapitel 5 ist der Methodologie gewidmet, d.h. der v.a. auch theoretisch be griindeten Konturierung der eigenen methodischen Zugehensweise. Die besonde re Brisanz dieser Verortung besteht in dem Zusammendenken qualitativer Of fenheit mit den (vorgeblich) Struktur verleihenden Zugängen des Vergleichs, die von der Verfasserin schon in den Theoriekapiteln deutlich in Frage gestellt wor den waren. Der in Kapitel 6 zunächst skizzierte Umgang mit der Methode der Inhalts analyse fiihrt zu begründeter Distanz besonders zu dem ,,Klassiker" Mayring und schließlich zu einem begriindet anders gearteten Vorgehen, das der qualitativen Offenheit mehr entspricht. Die Kategorienbildung erhält im Rahmen des "Län dervergleichs" eine besondere Bedeutung, da die V erfasserin entscheidet, Kate gorien "übernstional" zu betrachten, um keine nationalen Spezifika zu unterstel len, wo möglicherweise keine sind. Interessant, wie sich dann andere, manchrnsl schwächere, manchmal hypothetisch unterschätzte Spezifika zeigen, wenn die Analyse noch einmal auf Besonderheiten geprüft wird. Zusätzlich zur kategoria len Analyse fiihrte die Verfasserin eine Typenbildung durch, die, sehr sorgf"altig begriindet, ganz andere Facetten der Lehrersicht erschließt und am Ende ermög licht, das Konstrukt des beruflichen Selbstverständnisses empirisch gehaltvoll genauer zu bestimmen. Was das Selbstverständnis prägt und konstituiert, ist nun anschaulich geworden; im Anschluss besonders zu fokussieren ist in der Ergeb nisdiskussion noch bzw. weiterhin die Frage der Gewichtung globaler Entwick lungen und nationaler Besonderheiten, denn deren je spezifischer Einfluss auf Geleitwort 7 das berufliche Selbstverständnis ist eine für die Methodologie vergleichender Forschung und die Professionsforschung gleichermaßen bedeutsame Diskussion. Letztlich ist die Gefahr von Universalismen und Relativismen auch hier beson ders hoch. Theorie und Empirie werden in Kapitel 7 aufeinander bezogen. Ge schlechterbezogene Aspekte, Medieneinflüsse, Autonomie und Standards, Ein flüsse ,,Dritter", Sicherheit des Arbeitsplatzes, Normierungen und Werte, das sind Bereiche, in denen die Lehrkräfte insgesamt Wandlungen wahrnehmen, die ihre Tätigkeit beeinflussen. Nationale Besonderheiten, die in den Daten auf tauchten und jetzt gesondert betrachtet werden, sind Schulformhierarchie und der Beamtenstatus, welche die Wahrnehmung deutscher Lehrkräfte besonders prä gen; national unterschiedliche Wahrnehmungen der Schulleitungstätigkeit und die Beratung als in Deutschland selbstverständlicher empfundene Aufgabe des Berufs, dazu die von englischen Befragten größer wahrgenommene Unterstüt zung durch Gewerkschaften kommen hinzu. Dabei wird deutlich, dass es sich häufig um intensivere bzw. einfach andere Ausprägungen dessen handelt, was die globale Schul- und Professionsentwicklung prägt. Nationale Systeme mit historisch entstandenen Besonderheiten wirken offenbar als eine Art Katalysato ren globalisierender Effekte. Konsequenzen der Studienergebnisse werden deut lich benannt (Kapitel 8). In ihrer analytischen Schärfe und argumentativen Hartnäckigkeit setzt die Arbeit einen Meilenstein in der empirisch-vergleichenden Professionsforschung, denn die Verfasserin "dekliniert" die theoretisch oft schon angemahote Notwen digkeit einer Abkehr vom normierenden Ländervergleich methodologisch und methodisch bis ins Detail - und führt dadurch die forschungsbezogenen Konse quenzen solcher Forderungen eindrücklich vor Augen. Die vergleichende Forschung ist mit dieser Studie komplizierter geworden - und das ist gut so. Paderboro, im Februar 2014, Christine Freitag Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung und Darstellung des Erkenntnisinteresses der Arbeit ..... 17 2 Globale Schulentwicklung: Veränderungen und Entwicklungen im Bildungswesen und in der Bildungspolitik ..................................... 21 2.1 Globalisierung: Annäherung an einen Begriff ................................ 21 2.2 Das Verhältnis Welt, Nation und Bildungswesen – Theoretische Präliminarien ............................................................. 24 2.3 Allgemeine und konkrete Entwicklungen im Bildungswesen in Zusammenhang mit der Globalisierung ......................................... 29 2.3.1 Allgemeine Entwicklungen im Bildungswesen im Zuge der Globalisierung .............................................................. 29 2.3.2 Konkrete Entwicklungen im Bildungswesen: England und Deutschland ................................................... 34 2.3.3 Globalisierungstendenzen und Entwicklungen in England und Deutschland: Fazit und Konsequenzen für das weitere Vorgehen .................................................... 48 3 Die Lehrkraft im Zeichen der Globalisierung .................................... 51 3.1 Rahmenbedingungen des Lehrerberufs ........................................... 53 3.2 Der professionstheoretische Ansatz ................................................ 59 3.3 (Mögliche) Auswirkungen globalisierender Tendenzen auf die Lehrkraft oder die Diskussion um De- und Reprofessionalisierung des Lehrerberufs ........................................ 63 3.3.1 Der deutschsprachige Diskurs ............................................ 63 3.3.2 Der englischsprachige Diskurs ........................................... 69 3.3.3 International vergleichende Ansätze ................................... 77 3.4 Reflexion des Forschungsstandes: Eigene Positionierung sowie Konsequenzen für das weitere Vorgehen ........................................ 79 4 Konzeption des beruflichen Selbstverständnisses ............................... 83 4.1 Das berufliche Selbstverständnis im Kontext existierender Forschungskonzepte ........................................................................ 83 4.1.1 Person und Persönlichkeit ................................................... 84 10 Inhaltsverzeichnis 4.1.2 Bewusstsein, Wissen, Überzeugungen ............................... 88 4.1.3 Leitbild und Ethos............................................................... 91 4.1.4 Subjektive Theorien und Selbstverständnis ........................ 94 4.2 Fazit: Das berufliche Selbstverständnis von Lehrkräften ................ 97 5 Erläuterung der Methodologie sowie des methodischen Vorgehens: Entwicklung des Forschungsdesigns und Durchführung der Untersuchung ........................................................ 99 5.1 Forschungsmethodologische Grundlagen ...................................... 100 5.1.1 Rolle und Prinzipien qualitativer Sozialforschung ........... 100 5.1.2 Methodologische Kriterien dieser Arbeit .......................... 102 5.1.3 Perspektiven international vergleichender Forschung im Zuge der Globalisierung .............................................. 106 5.2 Entwicklung des methodischen Forschungsdesigns ..................... 115 5.2.1 Erläuterung des Forschungsdesigns: Das qualitative Interview .................................................. 117 5.2.2 Entwicklung des Forschungsdesigns: Das teilstrukturierte Leitfadeninterview ........................... 120 5.3 Durchführung der Untersuchung .................................................. 129 5.3.1 Erhebungsphase in England .............................................. 129 5.3.2 Erhebungsphase in Deutschland ....................................... 133 5.4 Resümee der Durchführung und Reflexion des eigenen Vorgehens .................................................................................... 134 6 Vorgehen bei der Datenauswertung und Typenbildung: Zur Konturierung des beruflichen Selbstverständnisses der Lehrkräfte ..................................................................................... 137 6.1 Transkription ................................................................................. 138 6.2 Kategoriale Datenauswertung ....................................................... 140 6.2.1 Kategorienentwicklung durch Inhaltsanalyse ................... 142 6.2.2 Zusammenfügen der Kategorienbäume deutscher und englischer Daten ............................................................... 148 6.2.3 Deskription der Hauptkategorien ...................................... 149 6.2.4 Zusammenfassende Darstellung aller identifizierten Themen – Reflexion des Vorgehens ................................. 158 6.3 Analytische Typenbildung ............................................................ 160 6.3.1 Vom Thema zum Merkmal: Erarbeitung relevanter Vergleichsdimensionen (Stufe 1) ...................................... 165 6.3.2 Gruppierung der Fälle und Analyse von Gemeinsamkeiten (Stufe 2) .............................................. 174