MENTE ET MALLEO mit Geist und Hammer Umschlagmo/iv Symbolon des Geologenwahlspruchs. Holzschnitt von Hans Holbein d.] (1). freilich unter anderem Aspekt entstanden: Feuergeist und Hammer des Wel tenschopfers. Aus M.PfANNENSTIEI.: Geologische Rundschau 1937. Helmut Holder Kurze Geschichte der Geologie und Palaontologie EIN LESEBUCH Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo Prof. Dr. (em.) HELMUT HOLDER Besselweg 5 I D-4400 Munster Mit 39 Abbildungen CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Holder, Helmut: Kurze Geschichte der Geologie und Palaontologie : ein Lesebuch I Helmut Holder. - Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo: Springer, 1989 ISBN-13: 978-3-540-50659-1 e-ISBN-13: 978-3-642-61540-5 DOl: 10.1007/978-3-642-61540-5 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiltzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, cler funksendung, cler Mikroverfilmung oder cler Vervielfaltigung auf anderen Wegen und clef Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. bleiben auch bei nur auszugs weiser VClWcrtung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung diescs Werkes oder von Tcilen die StS Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen cler gesetzlichen Bestimmungcn des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9.September 1965 in der Fassung vom 24.Juni 1985 zulassig. Sie ist grundsatzlich vergutungspflichtig. Zuwider handlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1989 2 I 3213145-543210 - Gedruckt auf saurefreiem Papier Vorwort Dieses Buch miichte dazu einladen, lesend oder auch nur blat temd einen Einblick in die Geschichte eines naturgeschichtlichen Doppelfachs zu gewinnen, fur die im heutigen Wissenschaftsge triebe so wenig Zeit bleibt, die aber die geistigen Wurzeln erken nen laBt und auch weitere Kreise an wissenschaftliche Fragestel lungen heranzuflihren vermag. Es mangelt im In- und Ausland nicht an vielen neueren und auch neuesten Arbeiten zu bestimmten Themen der Geschichte der Geologie und Palaontologie, die aber wohl nur von wenigen Lesem in griiBerem Zusammenhang zur Kenntnis genommen werden. Auch hier durfte deshalb Bedarf nach einer miiglichst knapp gefaBten Hilfestellung bestehen. Sie ist insofem eine Art von Gemeinschaftsarbeit, als der Verfasser auf die Originallitera tur nicht immer von selbst stieB, sondem sich durch andere wis senschaftsgeschichtliche Arbeiten dazu fuhren oder auch nur dar uber inforrnieren lieB. DaB das Manuskript im Herbst 1986, dem 300. Todesjahr von NIELS STENSEN, begonnen wurde, gab den AnlaB, dessen fiir Geologie wie Palaontologie bedeutsamen Ansatz an den Anfang zu stellen und von ihm aus kurz zuriick und ausfiihrli cher vorwarts zu blicken. Dabei hatte ein anderer Verfasser viel leicht andere Schwerpunkte gesetzt und andere Beispiele gewahlt. Der Leser mag sie, falls ihn dieses Buch zu weiterer Lektiire historischer Art anregen sollte, auf seine Weise erganzen und manches Urteil, von dem er abweicht, aus seiner Sicht kor ngleren. Man kann Geologiegeschichte systematisieren, periodisieren oder unter Gesetze, z. B. der Dialektik, fassen. Man kann zu ihrer Betrachtung aber auch einfach in der Landschaft und den Garten des Geistes wandem. Dabei wird man in jener der miiglichst unmittelbaren, aber dennoch immer wechselnden Aufnahme der natiirlichen Erscheinungen nachsinnen, in den ,Garten< aber den sie ordnenden Theorien und ihrem Wandel. Das vorliegende Buch mag als Bericht solchen Wand ems und Schweifens verstan den werden. Das Wegemuster ist freilich zu ausgebreitet, als daB es umfassend, zu dicht, als daB es liickenlos, zu vemetzt, als daB v es ohne Wiederholung begangen werden k6nnte. Eine >groBe Linie< gibt es in keiner Geschichte. Wissenschaftsgeschichte »entspringt dem einfachen Wunsch des BewuBtwerdens uber die Herkunft und Entwicklung unseres heutigen Wissens« (e.G.AMSTUTZ), bedarf also eigentlich keiner weiteren Begriindung. Und doch sei eine solche gegeben: Sie lehrt uns, daB neue Theorien selten so neu sind, daB sie uns nicht auch in der Vergangenheit in anderem Kleide begegneten, und alte selten so veraltet, daB sie nicht eine Renaissance in neuem Kleide erfahren k6nnten. Sollte es gelungen sein, nicht nur - punktuell und abriBhaft - zu einem wissenschaftsgeschichtlichen Gang zu ermutigen, sondem den Leser auch mit Geist und Geistem der geologisch paHiontologischen Forschung etwas vertraut zu machen, dann ware die Absicht dieses Buchs erreicht. Fur freundliche Beratung auf mir femerliegenden Gebieten (Geophysik, Geochemie) danke ich den Professoren B.GRAUERT, W. HOFFMANN und J. UNTIEDT, fUr Gesprache palaontologischer Thematik Professor F. STRAUCH (aile an der Universitat Munster), fUr briefliche Auskunfte Dr. W. BLEI und Dr. H. JAEGER (Berlin) sowie Dr. O. WAGENBRETH (Freiberg), fUr die sachkundige Abfas sung des Kapitels 22 Dr. P. P. SMOLKA (Munster). Dem Verlag KARL ALBER Freiburg/Munchen danke ich fur die Erlaubnis zur Wiedergabe einiger Passagen aus H. HOLDER (1960). Munster, Fruhjahr 1989 HELMUT HOLDER VI Inhalt Geleitsatze STENO: Geologisch-palaontologische Schliissel erfahrung 5 2 Beispiele der Naturspiel-Deutung der Fossilien 11 3 Organisrnische Fossildeutung vor STENO 14 4 Friihe Geologie vor STENO 1 6 5 Schopfung, Sintflut, Zerfall Z 1 6 Spekulative Erdhistorien z 7 7 Friihe Stratigraphie 32 8 Erstrnals: Erfassen der Gebirgsstruktur 34 9 Neptunisrnus - Plutonisrnus - Vulkanisrnus 36 9.1 Einflihrender Vergleich 36 9.2 Der Neptunisrnus 38 9.3 Der Streit urn den Basalt 41 9.4 Abkehr vorn Neptunisrnus - Hinkehr zurn Plutonisrnus 46 9.5 GOETHE zwischen Neptunisrnus und Vulkanisrnus 5 () 10 Kataklysrnen-und Katastrophentheorien 55 I I Aktualistische Erdgeschichte 6 z II.I HUTTONS Theorie der Erde 62 11.2 Zeiten statt l{rijfte - VON HOFF und LYELL 68 12 Nochrnals: WERNER und HUTTON 73 13 Gebirgsbildung durch Hebung 75 14 Kontraktion, Isostasie, Erdalter 80 15 Alpen - Erforschung 83 15.1 Abwendung von der Kontraktionstheorie 89 15.2 Das Gebirge irn exogenen Zerfall 94 15·3 Das ]uragebirge 95 16 Wasser und Geologie 97 16.1 Herkunft des Wassers 97 16.2 Meeresgeologie 99 16.3 Meer und Land 104 16-4 Landschaftsrnorphologie 106 VII 17 Glazialgeologie 11 6 18 Geologie der Tiefe seit 1800 126 18.1 Aktivitat und Passivitat des Magmas 126 18.2 Salztektonik 132 18.3 Metamorphose, Granitisierung 133 18·4 Deutungsgeschichte einer Oberschiebung 137 18.5 Gebirgsbildung: Phasen und Vorland 139 18.6 Kontinentalverschiebung und Plattentektonik 141 18.7 Die Erdkruste in neuer Sicht 151 18.8 Schweigende Kontinente - redende Ozeane 154 18.9 Die mediterrane Oberraschung 156 19 Meteoritenkrater 159 20 Die Zeichensprache des fossil iiberlieferten Lebens 165 20.1 Natur der Fossilien - Katastrophismus - Evolutionismus 165 20.2 Leitfossilien, relatives Alter cler Gesteine 177 20.3 Schichtung, Biostratigraphie, Fazies 180 20.4 MikropaHiontologie 187 20.5 Deszendenztheorie und PaHiontologie 188 20.6 Der fossile Mensch und seine Herkunft 199 2 I Gegenwartsaspekte der PaHiontologie 202 22 Hilfsmittel Computer 204 SchluBwort 211 Anmerkungen 213 Literatur 233 Namenverzeichnis 239 Topographisches Verzeichnis 243 VIII Geleitsatze »Wenn der Mensch lemen will, muE es in der Menschheit verschiedene Meinungen geben. Es ist das Vorrecht des einzelnen, sich seine Meinung zu bilden, die aber oft, ja in der Regel, auf Irrtiimem beruht. Da sie aber in der Regel korrigiert werden, ist damit der Weg zur Wahrheitsfindung gegeben .• a.HU1TON 1795) »In der Hektik des heutigen Wissenschaftsbetriebs bietet die Wissen schaftsgeschichte Zuflucht und Trost. Das gilt besonders fUr die Geschichte der Ideen. Sie verleiht dem zu seiner Zeit schwankenden, epi sodischen, umstrittenen und dann vergessenen Gedankengut Dauer. Auch die Personen sind ... meist vergessen; ihr Werk aber blieb, auch wenn es niemand mehr kennt. Die Flamme des Geistes wurde jedoch weitergetra gen, manchmal klar und leuchtend in beriihmten Biichem, oder aber bescheidener als nur miindlich und gleichsam hinter vorgehaltener Hand weitergegebenes altes und neues Gedankengut. Fast alles freilich, was sich in Gesprach und Briefwechsel abgespielt hat, ist fUr uns verloren. Nur das Wissen urn soleh vielfach verflochtenen und lebendigen geistigen Aus tausch offnet uns aber das Tor zu wirklichem Verstandnis der GroBen unter den Autoren und ihrer Werke, die sich einsam wie besonnte Gipfel tiber das Nebelmeer erheben, das die niedrigeren Gebirge verhtillt.. »Wissenschaftsgeschichte hat nicht zu richten, sondem zu verstehen .• (ELLENBERGER 1976 und 1978) »Wie stets, wenn wir Geschichte genau betrachten, lemen wir die Ver nunft in solehen Fragestellungen und Vorurteilen erkennen, die uns heute femliegen, und wir begreifen unsere eigenen Fragestellungen und Vorur teile besser, indem wir sie aus denen unserer Vorganger unter dem Druck jeweils neuer Erfahrungen und neuer Argumente sich herausbilden sehen. • (C.F.V.WEIZSACKER 1972). »Die Aufgabe des Wissenschaftshistorikers erfordert, daB er auch der Gegenseite gerecht wird und sich aus dem Gefecht der Meinungen her aushalt. Er genieBt den Vorteil, auf mehr als einem Klavier spielen zu dtirfen .• (RHoOYKAAS 1963) ». .. begegnen wir hier einer Erscheinung, die in der Geschichte der Geo logie vielleicht haufiger auftritt als bei anderen naturwissenschaftlichen 1 Fachem: daB Hypothesen urn so leichter aufzustellen und urn so glanzen der sind, je weniger Tatsachen zur Verfugung stehen; etwas, was GOEfHE in einem Brief an KARL FRIEDRICH ZELTER einmal in die tiefsinnigen Worte kleidete: )Man weiB eigentlich nur, wenn man wenig weiR,« (M.SCHWARZBACH 1959) »Die geschlossenen Systeme sind fUr viele Geologen nicht eine Frage der Annaherung an die Bedingungen der Natur, sondem eine des wissen schaftlichen Geborgenseins .... Man kann von den Anhangem geschlosse ner Systeme nicht erwarten, daB sie das, was sie nicht sehen und nicht begreifen konnen, berucksichtigen; sie waren aber der Dankbarkeit Andersdenkender sicher, wenn sie nicht ausdrucklich das vemeinen wiir den, was ihnen verborgen bleibt.« (E. WEGMANN 1958) »An der Fortsetzung meiner Geologie finde ich wenig Freude, da ich mir tagtaglich sagen muB, daB ich weder genug gesehen noch genug gelesen und gelemt habe, urn der mir gestellten Aufgabe gewachsen zu sein. Die Wogen der Literatur schlagen mir iiber dem Kopf zusammen, und die meisten erreichen mich nicht einmal, so daB ich nur ihr femes Brausen vemehme, ohne einen Tropfen von ihnen schlucken zu konnen. Bei so bewandten Umstiinden ist es wirklich miBlich, ein Lehrbuch Gber Geo gnosie zu schreiben .• (c. F. NAUMANN in einem Brief 1859) »Induktiv und deduktiv, durch Beobachtung und durch Theorie, empi risch und aprioristisch, analytisch und synthetisch, mit Skepsis und mit Glauben, verstandesmaBig und intuitiv, mit Postulaten und Dogmen und mit Kritik haben die Menschen in vieltausendjahriger Anstrengung ver sucht, an die, wie wir nicht zweifeln, gesetzmaBige Anordnung der Ein heit der physischen Natur heranzukommen, indem sie auf aile Art all mahlich ihre Auffassungsprinzipien vervollstandigten .... Dazu muB man versuchsweise - aber nur versuchsweise - einseitig sein, urn einen der vielen moglichen Wege gehen zu konnen ... « (E.HAARMANN 1935) ),Es ware ein Irrtum anzunehmen, jede Ara sei jeweils nur von einem einzigen Zeitgeist beherrscht ... 1m 18.Jahrhundert z.B. unterschied sich der geistige Rahmen von LINNAEUS in nahezu jeder Hinsicht von dem seines Zeitgenossen BUFFON.« (E.MAYR 1984) Das letztere Zitat fUhrt zur Frage der Beziehung von Erkenntnis, Zeit geist und Personlichkeit. Der franzosische Biologe F. JACOB (1972) schreibt: »Man mag sich lange fragen, was aus dem wissenschaftlichen Denken geworden ware, wenn NEWTON Apfel gepflGckt hatte, DARWIN Hochseekapitan gewesen ware und EINSTEIN den Bemf seiner resignierten Traume, namlich Klempner zu sein, ausgeiibt hatte. 1m schlimmsten Faile hatten ihre Theorien einige Jahre Verspatung gehabt ...• 2
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