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Kunst und Sexualität PDF

97 Pages·1962·2.873 MB·German
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Kunst und Kommunikation Schriften zur Kunstsoziologie und Massenkommunikation Herausgegeben von Prof. Dr. Alphons Silbermann, Sydney-Koln Band 7 Maryse Choisy Kunst und Sexualitat Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Obersetzung in die deutsme Sprame: Guy de Mazieres und Helmut Jensen ISBN 978-3-322-97956-8 ISBN 978-3-322-98531-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-98531-6 043602 © 1962 by Springer Fachmedien Wiesbaden UrsprUngJich erschienen bei Westdeutscher Verlag . Koln und Opladen 1962 Alle Rechte vorbehalten Inhalt I. Kapitel Die Befreiung der sexuellen Triebe in der Kunst. . . . . . . . . . .. 7 II. Kapitel Das Problem der Sdlopfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 III. Kapitel Der Weg zur Erotik .................................. 24 IV. Kapitel Von den Besessenheitstanzen zur griedlisdlen Tragodie ...... 39 V. Kapitel Odipus .............................................. 48 VI. Kapitel Die Kunstformen im Lidlte psydlosexueller Stadien .......... 62 VII. Kapitel Der Engel des Sdlonen ................................ 82 Erstes Kapitel Die Befreiung der sexuellen Triehe in der Kunst Die Kunst stellt heute das letzteBetatigungsgebiet des Mensmen dar, auf dem er seine erotismen Bediirfnisse nom zum Ausdruck zu bringen wagt. Gegen eine solme Ansimt wird vielfam Einsprum erhoben. Wenn im jedom ein Bum aufsmlage oder ein Bild betramte, wenn im ins Kino oder ins Theater gehe, so wird mir in den meisten Fallen ein Lie besdrama geboten - wie immer aum die Handlung, der asthetisme Rahmen, der soziale Hintergrund oder die Philosophie besmaffen sei, die man uns dabei aufzudrangen versumt. Wenn ein Marsbewohner plotzlim auf unseren Planeten fiele, so konnte er anhand unserer Lite ratur zu der Vorstellung gelangen, daB unsere einzige Sorge die Liebe sei. Aber ist denn die Kunst etwas anderes als unser Anteil am Traum? Wissen wir dom seit Sigmund Freud, daB in den Triiurnen, selbst wenn sie den aktuellen Begebenheiten entrUckt zu sein scheinen, unsere ge heimsten Wiinsche zurn Ausdruck kommen, die auf diese Weise zwi schen den Regentropfen der Verbote hindurchgleiten. Wer die Hiero glyphen der Traume zu entziffern weiB, dem entschleiert sich das UnbewuBte, ohne die Zensur zu alarmieren. Wenn aber der Kiinstler fUr andere traumt, dann mUssen wir wohl zugestehen, daB die My then - diese groBen Traurne der Menschheit -, so wie wir sie aus Romanen, Theaterstiicken oder Filmen kennen, auf tiefe Beweggrunde hinweisen, die hinter unseren auBerlich sichtbaren Angsten irgendwo auf sexu ellem Gebiet liegen. Man konnte daraus wie Juliette Boutonier1 schlieBen, daB "die Beses senheit von der Liebe, die Literatur und Kunst in unserer Kultur wi derspiegeln, vor allem die Unfahigkeit verdeutlicht, einen Grundtrieb unsererGattung zu befriedigen" und ebenso das latente Unbehagen, das sich aus dieser U nbefriedigtheit ergibt. Hier sollte nicht sofort von N eu rose oder Besessenheit gespromen werden, denn das hieBe, wie Juliette Boutonier, zu dem SchiuB gelangen, daB "die Besessenheit von der Liebe in unserer Gesellschaft nur beweist, daB wir hier vor einem ungelosten Problem stehen ... und daB es unsere Zivilisation dem Menschen nicht erlaubt, eine Befriedigung zu finden, nach der er verlangt und deren er sich im erwachsenen Alter als einer verschwommenen Liebessehnsucht bewuBt wird", urn dann noch hinzuzufiigen: "Zweifellos besteht fUr 1 Juliette Boutonier, Exploration de l'imaginaire, in Psyche, Paris 1948, No 16, S.161. 7 ihn gleichzeitig das Bedurfnis zu lieben und die Schwierigkeiten zu lie ben, aber das ist sicher eine Folge und nicht eine Ursache. Der Grund fur das Unbehagen liegt anderswo." 1st es denn fUr einen modernen Psychoanalytiker unmoglich, sich vorzustellen, daB das Verlangen nach Liebe uber sein Objekt hinausreichen kann? Offenbar hat Juliette Bou tonier das Verhalten der Tiere vergessen, ist nicht mit den Arbeiten der Ethnographie vertraut oder hat keine Ahnung von der Kunst. Die Psychiater haben sich zu sehr daran gewohnt, den BewuBtseins inhalt als Grundlage fUr eine Diagnose zu nehmen, so daB sie letzten Endes im Kunstwerk nur mehr eine Sammlung von Symptomen sehen. Freud hat seine SchUler vor dieser Falle in seiner Abhandlung uber Leonardo da Vinci gewarnt. Er selbst naherte sich der Kunst mit der Beklemmung einer Mutter.Da Freud seine atheistische Einstellung nicht aufgeben wollte und konnte, fand er nur eine Moglichkeit, urn den traurigen menschlichen Zustand - im hegelianischen Sinne - aufzu heben: die Kunst. "Das Leben, wie es uns auferlegt ist, ist zu schwer fUr uns, es bringt uns zuviel Schmerzen, Enttauschungen, unlosbare Aufgaben. Urn es zu ertragen, konnen wir Linderungsmittel nicht ent behren ... Soldier Mittel gibt es vielleicht dreierlei: machtige Ablen kungen, die uns unser Elend gering schatzen lassen, Ersatzbefriedigun gen, die es verringern, Rauschstoffe, die uns fur dasselbe unempfindlich machen. Irgend etwas dieser Art ist unerlaBlich. Auf die Ablenkungen zielt Voltaire, wenn er seinen ,Candide' in den Rat ausklingen laBt, seinen Garten zu bearbeiten2." "Die Ersatzbefriedigungen, wie die Kunst sie bietet, sind gegen die Realitat Illusionen." Aber, fUgt er hin zu, "darum nicht minder wirksam dank der Rolle, die die Phantasie im Seelenleben behauptet hat3". 1m Gegensatz zu anderen Psychologen geht Freud dabei den Dingen auf den Grund und stoBt auf die metaphysische Frage nach dem Zweck des menschlichen Daseins. Er stellt fest, daB sie noch niemals eine be friedigende Antwort gefunden hat und eine solche vielleicht uberhaupt nicht zulaBt. Freud sieht darin nur den menschlichen Hochmut. Nie mals, so bemerkt er, spricht man vom Lebenszweck der Tiere, auBer daB man sie als dazu bestimmt ansieht, dem Menschen zu dienen. Das ist eine unhaltbare Ansicht. Denn es gibt viele Tiere, mit denen der Mensch nichts anzufangen weiB, auBer daB er sie beschreibt und untersucht. Deshalb ersetzt Freud dieses unlosbare Problem durch ein anderes: "Was fordern die Menschen vom Leben?" Die Antwort lautet: Das Gluck. Jedoch, so zieht Freud die SchluBfolgerung: "Die Absicht, daB der Mensch glucklich sei, ist im Plan der Schopfung nicht enthalten4." 2 Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur. Frankfurt 1953, S. 103 ff. 3 ibid. S. 104. 4 ibid. S. 105. 8 Es ist interessant, daB unter den Versuchen, das Gluck zu erreich.en, Freud der Kunst einen Ehrenplatz eingeraumt hat. Zu seiner Zeit kannte man noch. nicht den mystischen Ursprung der Kunst und das BemUhen, jenseits der Dinge, die sie darstellt, zu gelangen. Man kannte die Kunst nur als eine der Moglichkeiten, dem Mensch.en zur Befriedigung seiner religiosen BedUrfnisse zu verhelfen, ohne daB er sich. dabei jenem MiBtrauen aussetzt, mit dem die Kirchen jeder auf geschlossenen Geistigkeit begegnen. Und daher schreibt Freud vollig unbefangen: "Hier kann man den interessanten Fall anschlieBen, daB das LebensglUck vorwiegend im Genusse der Schonheit gesucht wird, wo immer sie sich unseren Sinnen und unserem Urteil zeigt, der Schon heit mensch.lich.er Formen und Gesten, von Naturobjekten und Land sch.aften, kUnstlerischen und selbst wissenschaftlichen Schopfungen. Diese asthetische Einstellung zum Lebensziel bietet wenig Schutz gegen drohende Leiden, vermag aber fUr vieles zu entschadigen. Der GenuB an der Schonheit hat einen besonderen, milde berauschenden Empfin dungscharakter. Ein Nutzen der Schonheit liegt nich.t klar zutage, ihre kulturelle Notwendigkeit ist nicht einzusehen, und doch konnte man sie in der Kultur nicht vermissen5." Doch weder Wissensch.aft noch. 1\sthetik haben uns Uber den Ursprung der Schonheit AufschluB geben konnen. "Leider weiB auch die Psychoanalyse Uber die Schonheit am wenigsten zu sagen", gesteht Freud. "Einzig die Ableitung aus dem Gebiet des Sexualempfindens scheint gesichert; es ware ein vorbildliches Beispiel einer zielgehemmten Regung. Die ,Schonheit' und der ,Reiz' sind ursprUngliche Eigenschaften des Sexualobjekts8." Wenn dies zutrifft, die Kunst also ein Mittel zur Umgehung der sexuellen Verbote darstellt, so ist es unverstandlich, weshalb sich. ein Psychoanalytiker wundern konnte, daB die Liebe das Lieblingsthema unserer Literatur ist, und unverstandlich auch, warum die Sozialpsy ch.ologie sich hier in Scham hUllt und diesen Punkt meistens schweigend zu Ubergehen versucht. Freud unterstreicht: " ... die Befriedigung wird aus Illusionen gewonnen, die man als solche erkennt, ohne sich. durch. deren Abweichung von der Wirklichkeit im GenuB storen zu lassen. Das Gebiet, aus dem diese Illusionen stammen, ist das des Phantasie lebens; es wurde seinerzeit, als sich die Entwicklung des Realitatssinnes vollzog, ausdriicklich den AnsprUch.en der Realitatspriifung entzogen und blieb fUr die Erfiillung schwer durchsetzbarer WUnsche bestimmt. Obenan unter diesenPhantasiebefriedigungen steht der GenuB an Wer ken der Kunst, der auch dem nicht selbst Schopferischen durch. die Vler mittlung des KUnstlers zuganglich. gemacht wird. Wer fUr den EinfluB fi ibid. S. 114. e ibid. 9 der Kunst empfanglich ist, weiB ihn als Lustque11e und Lebenstrostung nicht hoch genug einzuschatzen1." Der Psychoanalytiker, der die wertvo11e Hilfe nicht erkennt, die die Meisterwerke der Kunst in dem Irrgang des UnbewuBten bieten, ver steht sein Handwerk reichlich schlecht. Sehr eindrudtsvo11 berichtet TheodorReik hierzu: "EinesTages fragte mich ein jungerPsychoanaly tiker, was ich unter der Behauptung verstiinde, daB eine reiche Kennt nis der Werke groBer Autoren fUr die Ausbildung von jungen Schiilern unserer Wissenschaft niitzlicher ware als das Nachdenken iiber die ge samte psychoanalytische Literatur ... Dies lieB mich plotzlich an eine bezeichnende Anekdote iiber Gustav Mahler denken. Der beriihmte Komponist befand sich einmal bei Arnold Schonberg inmitten dessen Schiiler. 1m Laufe des Gespraches bemerkte Mahler, daB diese jungen Musiker niemals Dostojewski gelesen hatten. In seiner impulsiven Art wandte er sich an Schonberg: ,Was sol1 das heiBen? Zwingen Sie Ihre Schiiler, Dostojewski zu lesen. Das ist wichtiger als der Kontrapunkt.' Betretenes Schweigen herrsc:hte. Dann stand Anton von Webern auf und antwortete wie in der Sc:hule: ,Entsc:huldigen Sie, mein Herr, wir haben Strindberg!' Diese kleine Gesc:hic:hte beleuc:htete meine erste Empfehlung. Das Lesen der Werke Dostojewskis ste11t nicht unbedingt einen tec:hnisc:hen Beitrag fUr die Komposition einer Suite oder einer Symphonie dar, wohl aber eine Bereic:herung des GefUhlslebens des Komponisten. In den Werken dieses Autors kann er seine Beriihrung mit der wahren Substanz musikalisc:her Traume empfinden. Die Per sonen aus der Welt von Dostojewski, so fremd und doc:h so merkwiir dig vertraut, iiben einen gewissen EinfluB auf den jungen Kiinstler und dementsprechend auf seine Schaffenskraft aus8." Urn die Geheimnisse der Kunst zu ergriinden, ist vie11eic:ht eine Ge samterfassung besser geeignet als die kurzsic:htige Psyc:hiatrie, als die Gesc:hichte ohne den Faden der Ariadne, als die Kritik mit ihren gro ben Pfoten, als das Automatengedachtnis der Gelehrten oder auch als die Spitzfindigkeiten der stilistisc:hen Goldschmiede. Wir haben uns zu sehr mit den Mitteln befaBt und dabei Zwedt und Sinn iibersehen. Wir ha ben die Seele vergessen und vie11eicht auc:h die Sexualitat. Selbst wenn man die Liebe nur unter rein physiologischem Aspekt betrac:htet, gibt eine Tatsache zu denken: die besondere Eigenschaft des sexue11en Ge nusses. Diesen kann man nic:ht mit der Freude, seinen Hunger oder Durst zu stillen, vergleichen, auc:h nicht - urn das beriihmte Beispiel von Aristophanes zu nehmen - mit dem Vergniigen, sic:h zu kratzen. Die Gastronomie hat noc:h niemanden bis an die Grenzen des BewuBt- 7 ibid. S. 111. 8 Theodor Reik, Shakespeare visits a psycho-analyst, in Complex, New York 1950, No.6. 10 seins gefUhrt. Die sexuelle Wollust erscheint jedoch von Anfang an als eine Aufhebung und nahert sich einer Suche nach dem Unendlichen, einem Versuch, die Grenzen des Erlebten hinauszuriicken. Man muB sich fragen, ob die Liebe, selbst in ihren niedrigen, abwei chenden, entarteten Formen, ja selbst die sexuelle Ziigellosigkeit mit all ihren Ausschweifungen, nicht immer ein atemloses Suchen nach etwas Erhabenem ist, ein Versuch, den Rahmen der wirklichen Vorstel lungswelt zu sprengen. Ekstase heiBt nicht mehr und nicht weniger als "aus sich herausgehen" - der Zustand, auBer sich zu sein. Man kann es psychologisch erklaren: Der Mensch kann sich den wahren Inhalt der Verbindung mit einem anderen erst von dem Augenblick an vorstellen, wo er seine erste Liebesbeziehung erlebt hat. Der sexuelle Symbolismus ist weder ein rhetorisches Bild noch eine Erotisierung des Denkens, son dern die Konstante des Verhaltens, die erste Formgebung eines Schick sals. Und schlieBlich ist die Sexualitat eine Verhaltensweise gegeniiber der sozialen Umwelt. Man kann auch eine metaphysische Interpretation bevorzugen. Die Liebe wurde von Gott geschaffen, und wir folgen diesem Urbild in allen unseren menschlichen Beziehungen. Henri Bergson hat in seinem bedeutenden Werk "Les deux sources de la morale et de la religion"9 als erster darauf hingewiesen, daB, wenn man dem Mystizismus den Vorwurf macht, sich in der Weise der Liebesleidenschafl: auszudriicken, man vergiBt, daB es die Liebe ist, die das Mystische nachzuahmen be gann, die ihm seine Inbrunst, sein Feuer und seine Ekstasen entlieh. SchlieBlich auch kannte man behaupten, daB jedesmal, wenn der Mensch seine narziBtische Schale durchbricht, sein Feuer, wem immer es sich zuwenden mage - Gott oder Kreatur -, in denselben Arche typen zum Ausdruck kommt. Es ist sicher kein Zufall, daB die schan sten Briefe sinnlicher Liebe von einer Nonne geschrieben wurdenlO• Die Umwege, in die sich die Triebe verirren, reichen weit iiber den Bedarf fUr die Fortpflanzung hinaus. 1m Friihjahr, wenn die Zeit der Liebe naht, singen die Vogel und bauen ihre schanen Nester. Die Biologie erklart dies so, daB das Mannchen singt, urn das Weibchen zu seinem vorgezeichneten Schicksal zu verfiihren: zur Paarung, zum Eierlegen, zum Oberleben. 1st das nicht schon eine finalistische Aus legung? Warum nicht die Vorgange umkehren? Was beweist mir D Paris 1932. 10 Gemeint sind hier die Liebesbriefe der Soror Mariana Alcoforado an Noel Bouton de Chamilly, der 1663 als Offizier in portugiesismen Diensten stand. Diese beriihmtesten Liebesbriefe der Weltliteratur sind nur in fran zosismer Dbersetzung erhalten unter dem Titel Lettres d'une religieuse portugaise. 1669 (Anm. d. Hrsg.) 11 denn, daB die Absichten der Spezienentwicklung nicht das Entstehen einer Rasse von Sangern und Architekten vorgesehen hat? Vielleicht konnte dies am besten durch die Integration des Wunsches zu singen und zu bauen in die machtige Anziehung der Geschlechter erreicht werden. Sowie man aber von Mitteln und Zweck spricht, denkt man an eine Weltanschauung. Seit Millionen von Jahren ist die Kunst mit der Sexualitat ver bunden. Urn seiner Auserwahlten zu gefallen, baut der in Australien und Neuguinea vorkommende Ptilinorhyncus - ein kleiner Vogel von der GroBe einer Amsel - ein richtiges Landhaus. Er legt ofl mehr als einen Meter lange Aste zusammen und biegt sie zu einem Gewolbe zurecht. Den Boden bestreut er mit Blattern, Blumen, roten Friichten, gebleichten Knochen, glitzernden Steinen, Metallstiicken und mit von Menschen gestohlenen Schmuckstiicken. Noch zahlreiche andere Beispiele dieser Art lieBen sich anfiihren, doch die wertvollsten Aufschliisse in dieser Hinsicht werden uns von der Zucht der anthropoiden Affen auf Teneriffa geliefert. Dort hat man fiir wissenschaflliche Beobachtungszwecke eine Anzahl von Schimpansen aufgezogen, die vorher keinerlei Beriihrung mit Men schen hatten. Wolfgang Kohler, der Leiter dieser Station, hat in seinen Berichtenll darauf hingewiesen, daB die anthropoiden Affen tanzen. Er spricht von einem Affenweibchen, das mit merkwiirdiger Erregung von einem Bein auf das andere hiipfle. Man ist geneigt, ja sogar gezwungen, diese Beobachtung mit Forschungsberichten zu ver gleichen, die uns wissen lassen, daB, sob aid der Eingeborene den Wei Ben kommen sieht, er in groBter Aufregung von einem Bein auf das andere zu tanzen beginnt. In beiden Fallen handelt es sich urn die gleiche Reaktion auf einen Zustand angstlicher Spannung, die sich in Tanzbewegungen auBert. Auch schnelle Drehbewegungen mit kreuz formig ausgebreiteten Armen, ein Drehen urn ihre eigene Achse und gleichzeitig eine Vorwartsbewegung wurde bei den Affen beobachtet und schlieBlich ein wirklicher Rundtanz. Bei dies em Rundtanz, so be richtet Kohler, zeigen die Affen ein Schauspiel munterer Lebendig keit und Freude. Jeden Augenblick sind Variationen zu sehen: einmal sucht einer der Affen den ihm folgenden mit einer komischen Bewe gung zu haschen, beginnt in verkehrter Richtung zuriickzugehen; ofl konnte man sehen, wie einige sich bei dem Rundlauf urn ihre eigene Achse zu drehen begannen. Die Schimpansen schmiickten sich fiir sol che Tanze gern mit Gegenstanden, vorzugsweise mit Faden, Schling pflanzen und Tuchstiicken. Auf die Verwandschafl zwischen den kiinstlerischen Ausdruckswei sen der Affen sowie der Musik und den Tanzen einiger primitiver Vol- 11 Wolfgang Kohler, Intelligenzprufungen an Menschenaffen. 1917. 12

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