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89 Pages·2016·0.99 MB·German
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Nr. 50 Juni 2016 ISSN 1439-2011 Bevor Angst die Seele aufisst Über Bedrohungen und friedenspolitische Alternativen in unserer krisenhaften Zeit Herausgeber: Bund für Soziale Verteidigung e.V. Die Veranstaltung wurde ge- fördert von der Rosa Luxem- burg Stiftung Sachsen-Anhalt. Dokumentation einer Tagung vom März 2016 Herausgeber: Bund für Soziale Verteidigung Schwarzer Weg 8 32423 Minden Hintergrund- und Diskussionspapier Nr. 50 Juni 2016 ISSN 1439-2011 5,- Euro Grafik auf Titelseite: Frits Ahlefeldt. HikingArtist.com Fotos und Erstellung: Christine Schweitzer Aquarell auf Titelseite: Frits Ahlefeldt. HikingArtist.com 2 Inhalt Vorwort .................................................................................................................................. 5 1. Einleitung Elise Kopper ......................................................................................................................... 7 2. Bedrohungen und Herausforderungen: Kriege, Neoliberalismus, Medien und Fremdenfeindlichkeit Gert Sommer ........................................................................................................................ 9 2.1 Bedürfnisse ................................................................................................................... 9 2.2 Bedrohter Frieden, Kriegsgefahr, Krieg .........................................................................11 Kriegsgefahr als Herausforderung - Versuch eines positiven Ausblicks ..............................15 2.3 Bedrohte Demokratie ...................................................................................................15 Bedrohte Demokratie: Neoliberalismus ............................................................................15 Neoliberalismus als Herausforderung - Versuch eines positiven Ausblicks .........................19 2.4 Bedrohte Demokratie: Medien, die ihrer Rolle als „vierte Macht“ nicht gerecht werden .20 Friedensnobelpreis an die IPPNW ....................................................................................20 Jugoslawien-Kosovo-Krieg ..............................................................................................20 Ukrainekonflikt ..............................................................................................................21 Medienkritik als Herausforderung - Versuch eines positiven Ausblicks ..............................23 2.5 Fremdenfeindlichkeit als Bedrohung und Herausforderung ............................................24 Fremdenfeindlichkeit als Herausforderung – Versuch eines positiven Ausblicks .................27 2.6 Schlussanmerkungen ...................................................................................................27 Literatur ............................................................................................................................28 3. Angst und Bedrohung – eine psychologische Perspektive Georg Adelmann ................................................................................................................ 29 3.1 Bedrohung und Angst - Grundlagen .............................................................................29 Die konkrete Bedrohungssituation ..................................................................................29 Subjektive Situationsbewertung ......................................................................................30 Körperliche und psychische Reaktionen auf Angst und Bedrohung ..................................30 Soziale Reaktionen auf Angst und Bedrohung .................................................................31 Geschlecht, Gender und Angst .......................................................................................32 3.2 Der Umgang mit Ängsten und Bedrohungen ................................................................32 Umgang mit Ängsten Anderer ........................................................................................33 Umgang mit eigenen Ängsten ........................................................................................35 Vom Militär lernen? .......................................................................................................36 3.3 Abschließende Bemerkungen .......................................................................................37 Literatur ............................................................................................................................38 4. Widerstand gegen Rechtsextremismus Christine Böckermann ......................................................................................................... 39 4.1 Begriffe .......................................................................................................................39 4.2 Bedrohungen durch Rechtsextremismus und Rassismus: „Gemeint sind wir alle“ ...........39 Die „Mitte der Gesellschaft“ als Teil des Problems ...........................................................40 Rechte Strategien lassen die Grenzen zwischen „rechts“ und „links“ verschwimmen .......40 Schwierigkeiten von anderer Seite ..................................................................................41 4.3 Strategien im gewaltfreien Widerstand gegen Rechtsextremismus .................................42 4.4 Und „die Friedensbewegung“? ....................................................................................45 4.5 Dialog? ........................................................................................................................45 4.6 Nachwort ....................................................................................................................46 5. Aktuelle Krisen und Kriege Karl Grobe .......................................................................................................................... 47 5.1 Kriegsverschleierungen .................................................................................................47 5.2 Moderne Kriegsführung ...............................................................................................48 3 5.3 Kriegslügen .................................................................................................................48 5.4 Cyberwar .....................................................................................................................49 5.5 Wirtschaftssanktionen ..................................................................................................50 5.6 Bunte Revolutionen und NATO-Erweiterung .................................................................50 5.7 Neue Qualitäten der Kriegsführung ..............................................................................51 5.8 Flucht vor Krieg ............................................................................................................52 5.9 Rechte Gefahren ..........................................................................................................52 6. Cyberpeace: Bedrohungen durch Cyberwarfare und Voraussetzungen für die friedliche Nutzung des Internets Stefan Hügel ...................................................................................................................... 53 6.1 Bedrohungen durch Cyberwarfare ................................................................................53 Überwachung ................................................................................................................54 Drohnenangriffe ............................................................................................................55 Schadsoftware ...............................................................................................................55 Manipulation .................................................................................................................55 6.2 … und Deutschland mittendrin ....................................................................................56 6.3 Völkerrechtliche Bewertung ..........................................................................................56 6.4 Folgerungen: Ein Rahmen für Cyberpeace .....................................................................57 Vertrauen wiederherstellen .............................................................................................57 Gewaltfreie Konfliktlösung statt offensive militärische Aktionen ......................................58 Sichern lebenswichtiger Infrastruktur ..............................................................................59 Demokratische politische Kontrolle .................................................................................61 Die Cyberpeace-Kampagne des FIfF ................................................................................61 7. Warum Gewaltfreiheit auch unter schwierigsten Bedingungen erfolgreich sein kann Jan Stehn ........................................................................................................................... 63 7.1 Erfolgsbilanzen ............................................................................................................63 7.2 Warum sind gewaltfreie Aufstände erfolgreich? ............................................................65 8. Soziale Verteidigung Roland Vogt ....................................................................................................................... 67 8.1 Beispiele ......................................................................................................................67 8.2 CSSR 1968 ..................................................................................................................68 Gewaltloser Systemwandel Januar – August 1968 ...........................................................71 Kapitulation nach gewonnener Schlacht .........................................................................72 Charta 77 und gewaltlose Sezession ...............................................................................73 8.3 Neue Aktualität der Sozialen Verteidigung nach Überwindung der Blockkonfrontation? .73 8.4 Neue Herausforderungen für das Konzept der Sozialen Verteidigung .............................76 9. Schlusspanel: Gewaltfreier Widerstand und die Überwindung von Angst Ingrid Fröhlich-Groddeck, Renate Wanie, Andreas Dieterich ................................................. 79 4 Vorwort Christine Schweitzer Dieses Papier dokumentiert eine Tagung, die der Bund für Soziale Verteidigung vom 11.-13. März 2016 in Magdeburg durchgeführt hat. Ihr Titel: „Bevor Angst die Seele aufisst - Über Bedrohungen und friedenspo- litische Alternativen in unserer krisenhaften Zeit“. Es ging uns in der Veranstaltung darum, uns mit dem Phänomen „Bedrohung“ genauer auseinanderzuset- zen und dabei verschiedene „Bedrohungsszenarien“ zu betrachten. Besonderes Gewicht legten wir dabei darauf, was Bedrohungsängste mit uns selbst machen und wie wir verhindern können, dass sie uns zu destruktiven Verhaltensweisen bringen. Neben den Fragen nach den Funktionen, Wirkungsweisen und Instrumentalisierungen von Bedrohungen standen in der Tagung die Alternativen im Vordergrund – Gewaltfreie Alter- nativen zu militärischen Bedrohungen, Widerstand gegen Krieg, Umgang mit Rechtsextremismus u.a.m. Diese Dokumentation beginnt mit einer Zusammenfassung des Ablaufs der Tagung von Elise Kopper. Danach folgen die beiden Vorträge, die am Freitagabend und Samstagmorgen im Ple- num gehalten wurden. Gert Sommer nimmt uns mit auf eine Reise durch die ganz unterschiedli- chen politischen Bedrohungen. Georg Adelmann befasst sich damit, was Angst und Bedrohung aus psychologischer Sicht mit uns machen, und wie wir sie konstruktiv erleben und auf sie rea- gieren können. Es schließen sich Texte zu den verschiedenen Arbeitsgruppen an: Christine Böckmann schreibt über Rechtsextremismus, Karl Grobe über neue Kriege, Stefan Hügel über Cyberwar und Cyberpeace, Jan Stehn fasst neue Studien zu zivilem Widerstand zusammen und Roland Vogt befasst sich mit der Sozialen Verteidigung.1 Den Abschluss macht eine Dokumenta- tion des Schluss-Panels mit Renate Wanie und Ingrid Fröhlich-Groddeck. In einem Vorwort darf natürlich der Hinweis nicht fehlen, dass allein die AutorInnen für die Aus- sagen und Thesen in ihren Aufsätzen verantwortlich sind und nicht notwendigerweise Positio- nen des BSV darstellen. Unser herzlicher Dank gilt allen Referentinnen und Referenten, die sich die Mühe gemacht ha- ben, ihre Vorträge im Nachhinein zu überarbeiten und uns zur Verfügung zu stellen. Wir bedan- ken uns auch bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt für die Hilfe bei der Finanzierung der Tagung. Und last not least möchten wir unseren beiden Praktikantinnen Julia Hermes und Angela Vasiljevic danken, die uns nicht nur während der Tagung unterstützt haben, sondern hinterher die Tonaufnahme des Schlusspanels verschriftlicht haben. 1 Es fehlt die Arbeitsgruppe zu Medien. Dieser von Elvira Claßen verfasste Text wird voraussichtlich als ei- genes Hintergrund- und Diskussionspapier herausgegeben werden. 5 6 1. Einleitung Elise Kopper Als wir im vergangenen Jahr die Jahrestagung planten und ihren Titel an Rainer Werner Fassbinders berühm- tes Melodram „Angst essen Seele auf“ anlehnten, ahnten wir noch nicht, dass die darin behandelten Themen - Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - auch in Magdeburg am Wochenende des 11.-13. März 2016 eine so zentrale Rolle spielen würden. Denn am gleichen Wochenende fanden auch die Landtagswah- len in Sachsen-Anhalt statt - und so fanden wir uns in der Landeshauptstadt im Zentrum all der Diskussionen über AfD, Pegida, die sogenannte „Neue Rechte“ & Co wieder. Das ging auch an den Tagungsinhalten nicht spurlos vorüber. Während draußen die Presse ihre Kameras und Mik- rofone aufbaute, um für den Wahlsonntag gerüstet zu sein, diskutierten drinnen die Teilnehme- rInnen darüber, wie mit der Bedrohung von rechts und anderen Bedrohungsszenarien umzuge- hen sei - politisch, gesellschaftlich, aber auch persönlich. Wahrscheinlich warf die Tagung dabei mehr Fragen auf, als sie beantworten konnte. Einige da- von waren besonders schwierig und wurden kontrovers debattiert: Müssen wir auch die Bedro- hungsgefühle der jeweils „anderen Seite“ ernst nehmen, sie aufgreifen und den Dialog suchen - auch wenn wir sie eigentlich nicht nachvollziehen können? Ist ein Dialog mit der anderen Seite hilfreich, möglich, notwendig? Inwieweit verletzt, entmutigt oder überfordert das wiederum die Menschen, die von rechts physisch und psychisch, mittelbar und unmittelbar bedroht werden und die unseren Schutz und unsere Solidarität verdienen: Menschen mit Migrationshintergrund, Geflüchtete, AktvistInnen, die sich überall in Deutschland und anderswo öffentlich den Rechten und Rechtsextremen entgegenstellen? Fast alle der knapp 50 TeilnehmerInnen aus ganz Deutschland, darunter auch viele „Lokalmata- dorInnen“ aus dem Raum Magdeburg und aus dem Umfeld der Bürgerinitiative OFFENe HEIDe (http://www.offeneheide.de/), sind und waren selbst aktiv in der politischen Arbeit und in der Friedensbewegung und brachten ihre eigenen Erkenntnisse, Erlebnisse und Zweifel mit ein. So kam es zu einem reichhaltigen Erfahrungsaustausch. Über den Themenkomplex Rechtsextre- mismus und Rechtspopulismus hinaus wurden viele weitere Fragen aufgeworfen, die uns als Friedensbewegung und als Friedensbewegte beschäftigen: Wie gehe ich mit meinen eigenen Ängsten im Friedensengagement um? Wie bewältige ich die Angst vor der Polizistin, die mir bei einer Aktion des zivilen Ungehorsams mit einer Waffe gegenübersteht? Wie vor den Neonazis, die mich nachts auf meinem privaten Handy anrufen und bedrohen? Wie vor dem Verlust von FreundInnen und Familienmitgliedern, die mein politisches Engagement nicht verstehen oder in seinen Ausmaßen nicht akzeptieren wollen? Und inwiefern sind auch wir als Friedensbewegung ein Teil der „Bedrohungsindustrie“, wenn wir z.B. vor den furchtbaren Folgen eines alles ver- nichtenden Atomkriegs warnen und sie zu diesem Zwecke bildlich und sprachlich ungeschönt darstellen? Wenn wir vom „Cyberkrieg“, von Computerviren und Hackerangriffen reden, die uns unsere elektronischen Daten stehlen und unsere Infrastruktur lahmlegen? Oder wenn wir bei Aktionen und Demonstrationen - möglicherweise unabsichtlich - die engen Grenzen der Gewaltfreiheit oder der Sachbeschädigung überschreiten und damit für andere Menschen be- drohlich wirken - auch wenn wir es gar nicht wollen? Der Mensch kennt unterschiedlichste Wege und Methoden, mit Angst und Bedrohungsgefühlen umzugehen: Er läuft weg, wird gelähmt, kämpft, igelt sich ein, kapituliert vor ihnen, konfrontiert sich absichtlich mit ihnen, um sie abzubauen, leugnet sie, akzeptiert sie, setzt sich rational mit ihnen auseinander, nimmt manchmal auch Medikamente dagegen ein. Wir als Friedensbewe- 7 gung sollten achtsam damit umgehen und bereit sein, eigene Ängste und die anderer immer wieder zu reflektieren. Erst am Sonntagabend, nachdem alle TeilnehmerInnen längst abgereist waren, wurden die Er- gebnisse der Landtagswahlen bekannt: Die AfD, die sogenannte „Alternative“ für Deutschland, bekam bei ihrem ersten Wahlantritt in dem Bundesland auf Anhieb 24,3 % der WählerInnen- stimmen und wurde damit zweitstärkste Kraft hinter der CDU. Eine Partei, die mit den Ängsten der Menschen vor dem Anderen, dem Fremden, dem sozialen Abstieg spielt und sie aktiv schürt. Diese Entwicklung nach rechts kann Angst machen. Umso wichtiger muss es sein, Wege zu fin- den, mit diesem und anderen Bedrohungsszenarien konstruktiv umzugehen. Wer auf der Ta- gung dabei war oder die Tagungsdokumentation liest, hat dafür hoffentlich ein paar Ideen mehr. Elise Kopper ist Vorstandsmitglied beim BSV. 8 2. Bedrohungen und Herausforderungen: Kriege, Neoliberalismus, Medien und Fremdenfeindlichkeit Gert Sommer Das Thema Bedrohungen ist kaum einzugrenzen. Da- zu können zählen: individuelle Bedrohung durch Un- fall, lebensbedrohende Krankheit, Verlust des Part- ners, Verlust des Arbeitsplatzes. Mit dem letzten Beispiel geschieht schon der Übergang zu ge- sellschaftlichen Bedrohungen wie Arbeitslosigkeit, Überwachung der Bürger durch den Staat, Altersarmut; schließlich weltweite Bedrohungen durch Kriege und Kriegsgefahr, Terrorismus, Vertreibung und Flucht, Hunger oder Klimawandel. Meine Auswahl muss daher ausgeprägt subjektiv sein. Ich werde mich mit den folgenden The- men befassen: (1) Bedrohung durch Kriegsgefahr, (2) Bedrohung durch Neoliberalismus, (3) Be- drohung durch Medien und (4) Bedrohung durch Fremdenfeindlichkeit. Am Ende jedes der vier Themen werde ich die Bedrohungen als Herausforderungen interpretieren und – stichwortartig – Lösungsversuche und Lösungsansätze skizzieren. Dabei orientiere ich mich konzeptionell an der psychologischen Forschung zu kritischen Leben- sereignissen; sie verweist darauf, wie mit lebensverändernden Ereignissen erfolgreich umgegan- gen werden kann: • Belastungen nicht als Bedrohungen, sondern als Herausforderungen konzipieren; • individuelle Bewältigungsressourcen aktivieren; • soziale Bewältigungsressourcen aktivieren: emotionale und praktische Unterstützung sowie soziale Integration: Zum Beispiel Mitglied werden in Organisationen, die sich für ein menschenwürdiges Leben einsetzen; Teilnahme an Aktivitäten, z.B. Petitionen, Ta- gungen, Demonstrationen. • Über diesen psychologischen Ansatz hinausgehend, müssen bzw. sollten gesellschaftli- che und politische Lösungsversuche benannt werden. 2.1 Bedürfnisse Bevor ich mich dem Thema Bedrohungen zuwende, möchte ich zunächst auf menschliche Be- dürfnisse eingehen; denn diese – bzw. deren Befriedigung - sind es wesentlich, die bedroht werden. Ein bedeutender Vertreter der humanistischen Psychologie, der US-Psychologe Abraham Maslow (1954), hat mit seiner Bedürfnispyramide wesentliche menschliche Bedürfnisse thematisiert, die alle Menschen teilen. Er bringt sie in eine Hierarchie, beginnend mit existentiellen Bedürfnissen und endend mit Transzendenz2. Dabei ist durchaus von fließenden Übergängen und Wechsel- wirkungen auszugehen. 2 https://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bed%C3%BCrfnishierarchie In einer späteren Arbeit erweiter- te Maslow diese Pyramide um Transzendenz, also eine das eigene Selbst überschreitende Dimension. - Der chilenische Ökonom Manfred Max-Neef (1990), UN-Mitarbeiter und Träger des Alternativen Nobelpreises 9 (1) An unterster Stelle stehen physiologische Grund- und Existenzbedürfnisse, wie z. B. ausrei- chend Nahrung, Wärme, Schlaf, Bewegung etc. (2) Die zweite Stufe nennt Sicherheitsbedürfnisse, also Schutz, Stabilität, Geborgenheit, körperli- che Unversehrtheit, Freiheit von Angst, auch das Verlangen nach Strukturen, Ordnung und Re- geln. (3) Die dritte Stufe thematisiert soziale Bedürfnisse, also Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, Zuneigung, Freundschaft und Liebe. (4) Auf der vierten Stufe geht es um Anerkennung, Wertschätzung, Achtung, Ansehen. (5) Die nächste Stufe nennt Selbstverwirklichung, also das Realisieren des eigenen Potenzials, der Einzigartigkeit des Individuums, Streben nach einem erfüllten Leben. Die UN-Dekade für eine Kultur des Friedens beinhaltet u.a. die folgenden zentralen Elemente, die sich ebenfalls auf (Grund-)Bedürfnisse beziehen (Boehnke, Christie, & Anderson, 2004): • Die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse wie Sicherheit, positive personale und Gruppenidentität, Kontrollerleben, soziale Gerechtigkeit, eine sichere Umwelt ein- schließlich Zugang zu Nahrung, Wohnung und Gesundheitsdiensten; • Außengruppen als unterschiedlich, aber gleichwertig und mit identischen Grundbedürfnis- sen wahrnehmen. Einige dieser Überlegungen sind auch in die psychologische Friedensforschung eingegangen. Danach ist die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse bedeutsam für ein friedli- ches Zusammenleben. Hier werden insbesondere genannt: positive persönliche und soziale Iden- tität, Kontrollerleben, Sicherheit, (soziale) Gerechtigkeit, Wohlbefinden, aber auch eine sichere Umwelt und angemessener Zugang zu Nahrung und Unterkunft (Tropp, 2012). Die Verletzung grundlegender menschlicher Bedürfnisse ist eine bedeutsame Quelle für mensch- liches Leiden; sie kann aber auch Quelle für Gewalt und Krieg sein (Staub, 2003). Wichtige Vo- raussetzungen für die Bereitschaft und die Entscheidung, Gewalt anzuwenden, sind auf indivi- dueller und kollektiver Ebene u.a. das Erleben von Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, das sub- jektive Empfinden von Benachteiligung, fehlendem Respekt, Ungerechtigkeit und fehlender Zu- gehörigkeit. Dies hat bereits während des zweiten Weltkrieges US-Präsident Roosevelt (1941) erkannt. Er forderte in seiner Ansprache an die Nation 1941 die Verwirklichung der folgenden vier Frei- heiten als Grundlage für eine friedliche Welt nach Beendigung des von Deutschland verursach- ten faschistischen Weltkriegs: (1) Rede- und Meinungsfreiheit, (2) Religionsfreiheit, (3) Freiheit von Not - d.h. wirtschaftliche Sicherheit - sowie (4) Freiheit von Furcht - d.h. Sicherheit vor mili- tärischen Angriffen. Diese Gedanken sind wesentlich in die Charta der Vereinten Nationen (1945) sowie in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR; Vereinte Nationen, 1948) eingegangen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen, 1948) ist ein höchst bedeut- samer Ansatz, der u.a. die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse zum Ziel hat. Dazu werden in der AEMR u.a. genannt: Würde der Person, Verbot von Folter, Schutz vor will- kürlicher Justiz, Schutz der Privatsphäre; Partizipation u.a. durch Empfangen und Verbreiten von Informationen, Wahlen, Versammlungsfreiheit und Bildung von Gewerkschaften; Sicherung von Nahrung, Wohnung und gesundheitlicher Versorgung, schließlich Teilhabe an kulturellen Errun- genschaften. (Right Livelihood Award) entwickelte –z.T. überschneidend, aber auch ergänzend – neun Grundbedürfnis- se, die er zentral für eine Entwicklung nach menschlichem Maß ansieht: (1) Subsistenz (materielle Lebens- grundlage), (2) Schutz, (3) Zuwendung, (4) Verständnis, (5) Partizipation, (6) Muße, (7) Kreativität), (8) Identität und (9) Freiheit. (http://www.gluecksarchiv.de/inhalt/grundbedarf.htm) 10

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