LINDNER· KERN- UND RADIOCHEMIE KERN- UND RADIOCHEMIE GR UNDLAG EN . PRAKTI SCHE METH 0 DEN UND TECHNISCHE ANWENDUNG VON ROLAND LINDNER LEHRSTUHL UNO INSTITUT FUR KERNCHEMIE DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE GOTEBORG/SCHWEDEN MIT 140 ABBILDUNGEN S PRIN G ER-VER LAG BERLIN GOTTINGEN· HEIDELBERG 1961 ISBN-13: 978-3-642-87163-4 e-ISBN-13: 978-3-642-87162-7 DOl: 10.1007/978-3-642-87162-7 Aile Reehte. insbesondere das der tJbersetzung in fremde Spraehen. vorbehalten Ohne ausdriiekliehe Genehmigung des Verlages ist es aueh nieht gestattet. dieses Bueh oder Teile damus auf photomeehanisehem Wege (Photokopie Mikrokopie) zu vervielfiiltigen © by Springer-Verlag OHG / Berlin' Gottingeu' Heidelberg 1961 Softcover reprint of the hardcover 15t edition 1961 Die Wiedergabe von Gebrauehsnamen. Handelsnamen. Warenbezeiehnungen usw. in diesem Werk bereehtigt aueh ohne besondere Kennzeiehnung nieht zn der Annahme. daB solehe Namen im Sinn der Warenzeiehen- und lIIarkensehutz-Gesetzgebung als frei zu betraehten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften Vorwort Vorliegendes Buch gibt den Inhalt unserer zweisemestrigen Vor lesung in Kernchemie und Radiochemie an der hiesigen Technischen Hochschule wieder. Der entsprechende Unterricht galt ursprunglich Horern der Fachabteilungen Chemie, Elektrizitatslehre und Mechanik sowie Medizinern der hiesigen Universitat, hat sich aber in den letzten Jahren hauptsachlich auf Chemiker und Technische Physiker be schrankt. Der Mangel an zusammenfassenden Darstellungen des umfangreichen Gebietes in einer Schrift fuhrte zunachst zu einem Manuskript in schwe discher Sprache, dann zur Dbersetzung ins Deutsche. Seit der Fertig stellung des ursprunglichen Manuskriptes hat sich der Mangel an deutsch sprachiger Literatur auf unserem Arbeitsgebiet verringert [so sind u. a. inzwischen Bucher uber die kernchemischen Grundlagen, uber die Ana lyse des zu radiochemischen Trennungen so oft verwendeten Ionenaus tauschverfahrens, uber Einzelheiten der Kernbrennstoffaufbereitung und uber die Berucksichtigung des Strahlenschutzes bei Arbeiten mit hochradioaktiven Stoffen erschienen, vgl. Literaturhinweise Kap. 1-3: 4, Kap. 7: 20 und Kap. 9: 9 und 14]. Dennoch haben wir von dem ursprunglichen Plan einer zusammen fassenden Darstellung nicht Abstand genommen, da wir es fur wesent lich halten, den Studierenden eine im Umfang noch einigermaBen leicht zu bewaltigende Einfiihrung in das gesamte Fachgebiet in die Hande zu geben. Die Form einer Einfuhrung fuhrt mit sich, daB wir von dem ublichen System der Literaturhinweise in Form von Zitaten Abstand nehmen. Jedoch erwies es sich als zweckmaBig, zumindest die Namen einiger Verfasser an den entsprechenden Textstellen zu erwahnen. (Bei der gedrangten Auswahl sind moglicherweise fiihrende Forscher un genugend oder uberhaupt nicht erwahnt worden.) Ein Literaturanhang umfaBt die speziellen Monographien sowie die Zeitschriftenliteratur auf dem Fachgebiet, anhand welcher leicht zur Originalliteratur vorzudringen ist. V orlesung und Buch sollen: 1. die fur die Durchfuhrung experimenteller Arbeiten notwendigen Kenntnisse vermitteln; 2. die Horer mit den Moglichkeiten von Kernchemie und Radio chemie bei der Losung von Fragen, die fruher oder spater in ihrem Arbeitskreis auftauchen konnen, verlraut machen; VI Vorwort 3. eine erste Einfiihrung geben fiir Chemiker, Physiker und In genieure, die spater in der Kerntechnik arbeiten wollen. 4. SchlieBlich wendet sich das Buch an den Praktiker, der sich schnell einen Dberblick verschaffen will. Fiir Physiker diirften die Kapitel iiber kernphysikalische Grundlagen trivial sein, wahrend Hinweise auf analytische und physikalisch-che mische Grundlagen dem Chemiker nichts Neues bieten werden. Dies - wie auch stellenweise Dberschneidung mit dem Inhalt der hiesigen Kurse in Reaktortechnik - muBte in Kauf genommen werden, urn eine einigermaBen abgeschlossene Darstellung zu erreichen. Fiir Ratschlage bei der Durchsicht einiger Kapitel der Korrekturen danke ich den Herren Proff. Dr. H. NEUERT (Hamburg) und E. GLUECKAUF (Harwell). Von den Mitarbeitern des Institutes haben sich dankenswerter Weise die Herren Civ.ing. T. LAGERWALL, Dipl. Chern. W. KNOCH und Dipl.-Phys. HJ. MATZKE an Korrekturarbei ten beteiligt. Frl. C. DIRKSEN-SCHWANENLAND danke ich fiir die miihsame Arbeit beim Ausschreiben des Typoskriptes; dem Springer Verlag fiir das verstandnisvolle Entgegenkommen bei der Drucklegung_ Goteborg, Oktober 1960 R. LINDNER Inhaltsverzeichnis Seite Einleitung, N omenklaturfragen. . . . . . . . XI Kapitell Das Atom und der Atomkern 1. Ladung und Masse des Elektrons . . . . . . . . . . . . . . . . .. I 2. Einiges zur Entdeckung der Radioaktivitat und der Natur der ()(·Strahlen 3 3. ()(·Teilchen als Projektile; die Rutherfordsche Streuformel . 5 4. Nukleonen; Eigenschaften des Atomkerns. . . . . . . . 7 5. Massenspektroskopie und das Energieaquivalent der Masse. 9 6. Massendefekt und Bindungsenergie, das "Energietal" . 11 7. Die Struktur des Atomkerns, Kernmodelle . 14 8. Einiges zur Natur der Kernkrafte. . . . . . . . . . 19 Kapitel2 Radioaktivitiit 9. Energetik und Kinetik des radioaktiven Zerfalls 21 10. Die Zerfallsreihen natiirlicher Radionuklide . . 25 11. ()(.Strahlung und ()(-Umwandlung . . . . . . . 29 12. p·Umwandlung; das Positron; Elektroneneinfang . 36 13. p.Strahlen und ihre Absorption. . . . . . . . . 38 14. p.Spektren, das Neutrino, Zerfallsenergien und -konstanten 41 15. Kernanregung und Kernisomerie, y.Strahlung und innere Umwandlung 46 16. Absorption von y-Strahlung, y.Spektren. . . . . . . . . . . . . . . 49 Kapitel3 Kernreaktionen 17. Induzierte Kernreaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . 52 18. Der Zwischenkern; Kernenergieniveaus; Wirkungsquerschnitt 55 19. Beschleuniger fiir Kernumwandlungen .......... . 58 20. Kernreaktionen, hervorgerufen durch Ionen und y-Quanten . 64 21. Entdeckung und Eigenschaften des Neutrons; Neutronenquellen 69 22. Neutroneninduzierte Reaktionen . . . 71 23. Die Uranspaltung und ihre Entdeckung 75 24. Zur Theorie der Kernspaltung . . . . 77 Kapitel4 Kernkettenreaktionen und Kernreaktoren 25. Kernkettenreaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . 82 26. Einiges iiber Wahl und Anordnung von Brennstoff und Moderator 85 27. Mogliche Reaktortypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 VIII Inhaltsverzeichnis Seite 28. Forschungsreaktoren: Beispiele ........ . 88 29. Energiebedarf der Welt; Warme- und Kraftreaktoren 92 30. Stand der Kraft- und Brutreaktorentwicklung 99 31. Kernverschmelzung, kosmisches Vorkommen . 102 32. Kernverschmelzungsversuche. . . . . . . . 104 Kapitel5 Strahlengefiihrdung und Strahlenschutz 33. Einheiten der Bestrahlungsdosis; die als maximal zulassig betrachteten Werte .............................. 110 34. Natiirliche Strahlenbelastung; Einfliisse der Zivilisation ........ 114 35. Aufnahme und Abgabe radioaktiver Stoffe (Inkorporation und Dekorpo- ration) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 115 36. Einwirkung auBerer Strahlung; Strahlenschaden und ihre Behandlung 120 37. Strahlenschutz durch Abschirmung 122 38. Strahlungsiiberwachung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124 Kapitel6 Radioaktivitiitsbestimmungen 39. Allgemeines zur Technik radioaktiver Messungen 127 40. Gasionisations-Detektoren. . . . . . . . . 128 41. Szintillationsdetektoren . . . . . . . . . . . 136 42. Impulszahler, Aufbau und Hilfsanordnungen. . 139 43. Statistische Schwankungen radioaktiver MeBwerte 141 44. Der Wirkungsgrad von MeBanordnungen 144 45. Bestimmung der Energie radioaktiver Strahlung 148 46. Kernphotoemulsionen und ihre Verwendung . . 156 Kapite17 Vbliche Verfahren der Radiochemie 47. Besonderheiten der Radiochemie und ihrer Trenn-und Herstellungsverfah- ren . . . . . . . . . . . . . . . . 159 48. Isotopenaustausch . . . . . . . . . 161 49. Fallung und Adsorption auf Fallungen 163 50. Radiokolloide . . . . . . . . . . . 170 51. Die Bedeutung von Redoxreaktionen fUr radiochemische Trennungen 175 52. Komplexbildungsreaktionen und ihre Verwendung in der Radiochemie 177 53. Extraktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . 180 54. Ionenaustauschgleichgewichte . . . . . . . . . 185 55. Ionenaustauschkinetik; Ionenaustauschcrkolonnen 194 56. "Kombinierte" Trennverfahren. . . . . . • . . 200 57. RiickstoBeffekte von Kernumwandlungen als Trenn- und Darstellungs- methode ftir Radionuklide . . . . . . . . . . 205 58. Hilfsmittel bei radiochemischen Arbeiten 214 59. Weiteres zur Identifikation von Radionukliden . 215 60. Zur Praxis in radiochemischen Laboratorien . . 217 Inhaltsverzeichnis IX Kapite18 Wichtige Systeme der Radiochemie Seite 61. Radionuklidproduktion (Anderung der Kernladungszahl) 224 62. Radionuklidproduktion ohne Anderung der Kernladungszahl . 227 63. Einiges zur Chemie der Radioelemente. . . . . . 229 64. Zur analytischen Chemie von Uranspaltprodukten 232 65. Transurane: Neptunium und Plutonium. 239 66. Transurane: Americium bis Californium 247 67. Transcaliforniumelemente . 251 Kapite19 Chemische Kerntechnik (Reaktorchemie) 68. Besondere Gesichtspunkte bei der Arbeit mit hochradioaktiven Stoffen 256 69. Kernbrennstoffaufbereitung, Allgemeines 262 70. Trennungen aus wiU3rigen LOsungen . 264 71. Hochtemperaturtrennverfahren. . . . . 273 72. Reaktorwerkstoffchemie. . . . . . . . 276 73. Fragen der Betriebs-und Strahlenchemie des Kernreaktors 283 74. Radioaktive Abfalls- und Nebenprodukte . . . . . . . . 290 KapitellO Anwendnng von Kernstrahlang and Leitisotopen in Technik and Wissenschaft 75. Technische und industrielle Verwendung von Radionukliden 296 76. Die Verwendung von Radionukliden in der Medizin 301 77. Terrestrische und kosmische Altersbestimmung ..... 306 78. Einige Beispiele aus chemischer Forschung. . . . . . . 312 79. Verwendung von Radionukliden in der Festkorperchemie 318 80. Angewandte Strahlenchemie . . . . . . . . . . . . . 325 81. Aktivierungsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . 328 82. Neutronenabsorptionsanalyse; Isotopenverdiinnungsanalyse 334 Tabellenzusammenstellung. . . . . . . 339 Liste einiger Symbole und Abkiirzungen 349 Literatur ..... 352 Namenverzeichnis 362 Sachverzeichnis . 364 Einleitung Zum lnhalt: Die vorliegende Darstellung umfaBt folgende Kapitel: Zunachst kurze Hinweise auf fiir den Chemiker wichtige Kenntnisse des Atomkerns. Danach werden die "spontanen" Kernreaktionen, also die natiirliche und kiinstliche Radioaktivitat und die dabei ausgesandten Strahlen behandelt. Von induzierten Kernreaktionen werden hauptsach lich die durch Bestrahlung mit Neutronen hervorgerufenen und die technisch nutzbaren Kernkettenreaktionen besprochen. Soweit das Gebiet der Kernchemie im engeren Sinne. Auch der Chemiker braucht heutzutage Kenntnisse der technischen Ausnutzung der Kernreaktionen, der "Kerntechnik". Hierbei beschrankt sich die Darstellung hauptsachlich auf eine Angabe iiber konventionelle Spaltreaktoren. Strahlenschutz und M ef3technik bilden den LTbergang zur "Radio chemie", d. h. der Wissenschaft yom chemisehen Arbeiten mit radio aktiven Atomarten. Dieser Teil beriihrt zwangslaufig die durch Wechselwirkung mit der Radiochemie erzielten Fortschritte der anorganischen und analytischen Chemie, insbesondere auf dem Gebiet der Komplexbildungsreaktionen und des Ionenaustausches und ihre Verwendung fUr radiochemische Trennverfahren. Als Systeme werden wichtige Leitisotope, Uranspalt produkte und Transurane naher besprochen. Die LTberfllhrung radiochemischer Methoden in die Skala der "Che mischen Kerntechnik" diirfte in Zukunft eine groBere Anzahl spezial ausgebildeter Chemiker erfordern und wird ebenfalls behandelt. Hierbei erfolgt als natiirliche LTberleitung von der Radiochemie die Besprechung der Kernbrennstoff-Aufbereitungsverfahren und der bei dem Aufbau und dem Betrieb von Kernreaktoren auftretenden chemischen Fragen. AbschlieBend wird die zunehmende Verwendung der radioaktiven Atomarten in Technik nnd Forschung mit einigen Beispielen illustriert. Nur am Rande behandelt wird die Strahlenchemie, die sich offenbar zu einem eigenen groBen Arbeitsgebiet entwickelt. Die Radiochemie hat bisher hauptsachlich zwei Aufgaben erfiillt: Einerseits hat sie entscheidende Beitrage zur Erforschung der Kern reaktionen geliefert, andererseits vielen Zweigen der Naturwissenschaft, XII Einleitung besonders der Chemie, wichtige neue Methoden gegeben, die bald zum festen Bestand der entsprechenden Forschungsrichtungen gehoren werden. Neue Aufgaben werden von der Kerntechnik gestellt. Grundlegende chemisehe Untersuchungen im Zusammenhang mit der wirtschaftliehen Gewinnung der Kernenergie stehen zur Zeit im Vordergrund radio ehemiseher Forschung. Bisher verwendete Verfahren sind oft nicht opti mal; auch kleine Laboratorien konnen wichtige Betrage zu ihrer Ver besserung geben. Zu N omenklaturfragen: Die Bezeichnungen Kernchemie und Radiochemie werden haufig nebeneinander benutzt, wobei Bedeutungsinhalt und -umfang sowie die Grenzziehung gegenuber der Kernphysik Schwankungen unterworfen sind. Wahrend in der Fruhzeit der Radioaktivitat nur der Ausdruck Radiochemie existierte, wurde vor etwa 30 Jahren die Bezeichnung Kernehemie eingefuhrt, urn - in Analogie zur Kernphysik einerseits und zur konventionellen Chemie andererseits - das Gebiet der Reak tionen der Atomkerne zu kennzeichnen. Der Ausdruck Kernchemie hat spater an Boden gewonnen und wird von manchen Verfassern benutzt, urn aIle "chemisehen Aspekte" der Atomkernforsehung zu bezeichnen. Kernchemie als Sammelbegriff hat sieher Vorteile praktischer Art, jedoch hat dies auch zu fragwurdigen Begleiterscheinungen gefUhrt: Einerseits werden neuerdings Dinge, die mit Reaktionen des Atomkerns nichts mehr zu tun haben, in den Rahmenbegriff "Kernehemie" einbezogen (wie z. B. Isotopentren nungen), andererseits ist auch versucht worden, den Begriff Radio chemie weiter einzuengen und nur auf die Anwendung radioaktiver Atomarten zur Losung chemischer Probleme zu beziehen (eigentlich "angewandte Radiochemie"). Die Entwicklung des Gesamtgebietes der Atomkernforschung fuhrt in neuerer Zeit im angelsachsischen Sehrifttum dazu, den Ausdruck Kernchemie nur fur Untersuchungen von Kernreaktionen und insbeson dere neuer Reaktionstypen zu benutzen. Infolgedessen muBte, urn eine einigermaBen zutreffende Bezeichnung des Inhalts vorliegender Dar stellung zu finden, der Titel: "Kern- und Radiochemie" gewahlt werden, ein sprachlich unschoner KompromiB, zu dem auch seinerzeit FRIED LANDER und KENNEDY bei der Benennung ihres amerikanischen Stan dardw erkes : "Nuclear and Radiochemistry" gelangt sind.