Heidelberger betriebswirtschaftliche Studien Thomas Schildbach JahresabschluB und Markt Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo Prof. Dr. Thomas Schild bach Lehrstuhl fOr Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Investitions- und Unternehmensrechnung Universitat Passau InnstraBe 27, 0-8390 Passau CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Biblio1hek. Schild bach, Thomas: Jahres abschluss und Markt 1 Thomas Schildbach. - Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo: Springer, 1986. (Heidelberger betriebswirtschaftliche Studien) ISBN-13: 978-3-540-16728-0 e-ISBN-13: 978-3-642-71349-1 001: 10.1007/978-3-642-71349-1 Das Werk ist urheberrechtlich geschOtzt. Die dadurch begrOndeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder Ilhnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die VergOtungsan sprOche des § 54, Abs. 2 UrhG werden durch die "Verwertungsgesellschaft Wort", MOnchen, wahrgenommen. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1986 2142/3140-543210 Vorwort 1m Rahmen der Betriebswirtschattslehre wird der JahresabschluB immer wieder in Frage gestell.t. Derzeit scheinen einige Ergebnisse der modernen Finanzierungstheorie AniaB zu der Vermutung zu geben, der JahresabschluB sei uberflussig oder schiidlich. Da der Ka pitalmarkt aile offentlich verfi.igbaren Informationen unmittelbar und vollstiindig im Kurs berucksichtige, bedurfe es bei borsennotierten Unternehmen keines Jahresabschlusses als Informationsinstrument mehr. Ais Instrument der Ausschuttungsbemessung behindere der JahresabschluB sogar den FluB des Kapitals in die beste Verwendung. Bevor weiter uber Detailprobleme der JahresabschluBgestpltung nachgedacht wird und neue Generationen von Studenten womoglich unsinnigerweise mit den zahlreichen Vor schriften zum JahresabschluB belastet werden, sollten die Zweifel auf ihre Berechtigung uberpruft werden. Bedarf es eines Jahresabschlusses oder lost der Markt die anstehenden Probleme besser? Die im folgenden priisentierten Ansiitze zur Beantwortung dieser Frage wurden wiihrend eines Forschungssemesters in Ruhe zu Papier gebracht. Den Kollegen, die meine Freistel lung ermoglicht haben, danke ich sehr. Besonderen Dank schulde ich meinem Mitarbeiter, Herrn Dr. Ralf Ewert, mit dem ich die Ansiitze diskutieren konnte und der mir viele Anre gungen gab. Die Last der Schreibarbeit und des Korrekturlesens lag vor allem bei Frau Gudrun Reicheneder und Frau Claudia ABberger. Ihnen danke ich ebenso herzlich wie Herrn Dipl.-Kfm. Jurgen Schmid, der mir sein FuBnotenverwaltungsprogramm zur Textverarbei tung zur Verfi.igung gestellt hat. Thomas Schildbach Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel: Kapitalmarkteffizienz und Informationsfunktion des Jahresabschlus ses 5 I. Problemstellung 5 II. JahresabschluB und Informationsfunktion 6 A. Nachricht, Information und "Echo" 6 B. Zur Informationsfunktion des Jahresabschlusses 7 III. Zur Informationseffizienz des Kapitalmarktes 10 A. Was ist Informationseffizienz des Kapitalmarktes? 10 1. Fair-game-Eigenschaft und Formen der Informationseffizienz 10 2. Grundlagen der Informationseffizienz 11 3. Problematik der Definition 13 B. Was briichte Kapitalmarkteffizienz? 15 1. Informationseffizienz und Kapitalbildung 15 2. Zum Unterschied zwischen Informations- und Allokationsef fizienz 16 C. Wie konnte ein informationseffizienter Kapitalmarkt zustande kommen? 18 1. Problemstellung 18 2. Theoretische Erkliirungen fUr Informationseffizienz auf Kapi talmiirken 19 a) Die klassischen Priimissen fUr Informationseffizienz 19 b) Das Modell von Grossman auf der Grundlage heterogener Information 20 c) Das Modell von Verrecchia 21 d) Der Beweis Samuelsons fUr das zufiillige Schwanken rich tig antizipierter Kurse 22 e) Modelle zur Erkliirung von Informationseffizienz auf lange Sicht Uber Reichtumsverlagerungen 24 3. Theoretische Grundlagen fUr Zweifel an der Informationseffi zienz des Kapitalmarktes 25 a) Heterogene Information der Marktteilnehmer 25 2 b) Das Informationsparadoxon 26 a) Darstellung 26 S) Das Gegenargument von Neumann und Klein 27 y) Einschrankung der Informationseffizienz auf kostenlos verfUgbare Informationen 29 0) Die Illusion der Ineffizienz als Ursache der Effizienz und der Auflosung des Paradoxons 30 E) Bemuhungen um ein zielentsprechendes Portefeuille von Anlagen 31 D. 1st der Kapitalmarkt tatsachlich informationseffizient? - Ergeb nisse und Probleme empirischer Tests der Effizienzthese 33 1. Uberblick uber die Testergebnisse und Problemstellung 33 2. Grundsatzliche Probleme der empirischen Tests der Informa tionseffizienz 35 a) Normalverteilung der Daten 35 b) Effizienztests testen die Effizienz allenfalls indirekt 35 a ) Hypothesenbindung der Effizienztests 35 S ) Zur Problematik der Informationswirkungs- oder Han delshypothese 36 y ) Zur Problematik des Gleichgewichtsmodells 39 c) Probleme der zeitlichen Fixierung von Informationen bei Effizienztests 41 3. Eine alternative Erklarung: "der SchuB aus der Hufte" 43 IV. Folgen der These von der halbstrengen Informationseffizienz des Kapitalmarktes fur die Informationsfunktion des Jahresabschlusses 45 A. Einleitung 45 B. Gibt es auf einem in halbstrenger Form informationseffizienten Kapitalmarkt noch eine Informationsfunktion des Jahresab schlusses? 46 1. Zum Verhaltnis von Informationseffizienz des Marktes und Informationsgehalt des Jahresabschlusses 46 2. JahresabschluB und Umfang der dem Markt verfugbaren In formationen 49 3 c. WeLche FoLgen hatte Informationseffizienz fUr den Aufbau eines JahresabschLusses aus der Sicht seiner Informationsfunktion? 50 1. Substance over form 50 2. Nebenrechnungen 51 3. "Richtige" GewinnermittLung 52 4. WahLrechte 53 5. Zeitgerechte Information 54 D. Was bringt die These von der Informationseffizienz des Kapi taLmarktes fUr die Suche nach geeigneten Informationssyste men? 54 Zweites Kapitel: Ausschuttungsbemessung mit Hilfe des Jahresabschlusses und Kapitallenkung 57 I. ProbLemsteLLung 57 II. Ausschuttungsrestriktionen im Eigner--GLaubiger KonfUkt bei Un ternehmungen, deren GLaubigern nur das GeseLlschaftsvermogen haftet 61 A. Der Eigner-GLaubiger KonfUkt 61 B. Instrumente zur MiLderung des Eigner-GLaubiger KonfUkts 64 1. Der JahresabschLuB aLs Ausschuttungssperre 64 2. Der UmsatzuberschuB aLs Ausschuttungssperre 66 3. Andere Instrumente zur MiLderung des Eigner-GLaubiger Kon fUkts 67 4. Ein "Sicherungs-Mix" zur Milderung des Eigner·-GLaubiger KonfLikts 69 C. Zur Bedeutung von ausschuttbaren RuckLagen aus der Sicht des Eigner-GLaubiger KonfLikts 70 III. Ausschuttungsrestriktionen im Eigner-Manager und im Eig ner-Eigner KonfLikt 72 A. GrundLagen 72 1. Einfuhrung 72 2. Der Eigner-Manager KonfUkt 72 3. Der Eigner-Eigner KonfLikt 74 4 B. Zur Notwendigkeit eines finanziellen Dispositionsrahmens des Managements 75 c. Probleme der Lenkung zusatzlichen Kapitals Uber den Markt 78 1. EinfUhrung 78 2. Die Storung der Kapitalallokation bei asymmetrischer Infor-· mation: der Ansatz von Myers und Majluf 79 a) Kernaussage der Untersuehung von Myers und Majluf 79 b) Implikationen fUr die Finanzierungspolitik 80 e) Zu den Pramissen der Untersuchung von Myers und Majluf 81 3. Zur SehUtt-aus-hol-zurUek-Politik 83 D. Zur Beurteilung von aussehUttbaren RUcklagen aus der Sieht des Eigner-Manager Konfliktes 86 IV. Ergebnis 87 Drittes Kapitel: Reohnungslegung naoh gesetzliohen Vorsohritten oder naoh Verein barung der Wirtsohaftssubjekte 89 I. Problemstellung 89 II. Reehnungslegung als Element eines umfassenden Systems von gesetzliehen MaBnahmen und vertragliehen Vereinbarungen zur Abgrenzung individueller Reehte und Pfliehten 90 III.Zur Problematik gesetzlieher Eingriffe in die betriebliehe Reeh nungslegung 91 A. Mogliche GrUnde fUr Eingriffe des Gesetzgebers in die betrieb liehe Rechnungslegung 91 B. Schwierigkeiten, die mit gesetzlichen Eingriffen in das betrieb liehe Reehnungswesen verbunden sind 92 IV. SehluBfolgerungen 94 Litera turverzeichnis 99 Erstes Kapitel Kapitalmarideffizienz und Informationsfunidion des Jahresabschlusses I. Problemstellung Der traditionelle JahresabschluB war und ist weltweit das zentrale Instrument externer betrieblicher Rechnungslegung. Trotz dieser in der Praxis fast unumstrittenen Stellung wurde in der Betriebswirtschaftslehre immer wieder nicht nur sehr kontrovers Uber den Zweck und die zweckmaBige Gestaltung des Jahresabschlusses diskutiert(1), sondern es wurden auch wiederholt ganz grundsatzliche Zweifel dar an geauBert, daB der Jahresab schluB materielle Funktionen erfUllen kann, ja daB er Uberhaupt noch gebraucht wird(2). Nach dem Stand bilanztheoretischer Diskussion, der bis vor wenigen Jahren gesichert erschien, erfUllt der handelsrechtliche JahresabschluB zwei zentrale Funktionen, die AusschUttungs'bemessungs-und die Informationsfunktion.(3) - Der JahresabschluB bemiBt speziell bei Kapitalgesellschaften den aus dem Unternehmen an die Eigner maximal ausschUttbaren Betrag, ohne daB RUcklagen aufgeldst oder gar Vorschriften Uber eine Kapitalherabsetzung wirksam werden.(4) (1) Um angesichts des beschrankten Raumes aus der FUlle der Beitrage nicht auswahlen zu mUssen, sei nur auf die Aufarbeitung der Ideen bei Moxter, Adolf: Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl., Wiesbaden 1984 und Schneider, Dieter: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2., neubearbeitete und erweiterte· Auflage der "Geschichte betriebswirtschaftlicher Theorie" , MUnchen 1985, S. 405 - 458, verwiesen. (2) Vgl. etwa Busse von Colbe, Walther: Aufbau und Informationsgehalt von KapitalfluB rechnungen, in: ZfB, 36. Jg., 1966, Erganzungsheft 1, S. 82 ff.; Moxter, Adolf: Die Grundsatze ordnungsmaBiger BuchfUhrung und der Stand der Bilanztheorie, in: ZfbF, 18. Jg., 1966, S. 28 ff.; Schneider, Dieter: AusschUttungsfahiger Gewinn und das Minimum an Selbstfinanzierung, in: ZfbF, 20. Jg., 1968, S. 1 ff.; Leffson, Ulrich: Ent wick lung der Lehre vom JahresabschluB in den letzten zwei Jahrzehnten - eine Bilanz, in: UnternehmensfUhrung aus finanz- und bankwirtschaftlicher Sicht, Bericht von der wissenschaftlichen Tagung des Verbandes der Hochschullehrer fUr Betriebswirtschaft e. V. in ZUrich 1980, hrsg. von Edwin RUhli und Jean-Paul Thommen, Stuttgart 1981, S. 333 f. (3) Vgl. Baetge, Jdrg: Rechnungslegungszwecke des aktienrechtlichen Jahresab schlusses, in: Baetge, Jdrg/Moxter, Adolf/ Schneider, Dieter (Hrsg.): Bilanzfragen, Festschrift zum 65. Geburtstag von Ulrich Leffson, DUsseldorf 1976, S. 21 ff.; Egner, Henning: Bilanzen, MUnchen 1974, S. 24 ff.; Schildbach, Thomas: Analyse des betrieblichen Rechnungswesens aus der Sicht der Unternehmungsbeteiligten, darge stellt am Beispiel der Aktiengesellschaft, Wiesbaden 1975. (4) Zu einer kritischen Analyse dieser Funktion des Jahresabschlusses vgl. Ewert, Ralf: Die AusschUttungsbemessungsfunktion der extern orientierten Unternehmensrechnung im Lichte der Theorie fremdfinanzierungsbedingter Agency-Probleme, Dissertation, Passau 1985, Erscheinen in Vorbereitung. 6 - Der Jahresabschlul3 informiert die nicht zur Geschaftsleitung zahlenden, aber am Unter- nehmen interessierten Personen. Gestutzt auf die Ergebnisse der modernen Finanzierungs- und Kapitatmarkttheorie werden derzeit wieder ganz entschiedene Zweifel laut, ob der Jahresabschlul3 diese beiden ihm bisher zugeschriebenen Aufgaben Uberhaupt erfUllen kann, ob nichl zumindest ein erheb liches Umdenken erforderlich ist.(5) 1m folgenden mochte ich den Zweifeln nachgehen, die an der Informationsfunktion des Jahresabschlusses vor dem Hintergrund der These von der halbstrengen Informationseffi zienz des Kapitalmarktes geaul3ert werden. Zu diesem Zweck werde ich zunachst die In formationsfunktion des Jahresabschlusses kurz erlautern. Nach einer anschliel3enden Darstellung der These von der Informationseffizienz des Kapitalmarktes sollen die mogli chen GrUnde fUr das Vorliegen eines effizienten Marktes und die empirischen Untersu chungen Uber Markteffizienz analysiert werden. Am Schlul3 sollen die Konsequenzen fUr den Jahresabschlul3 aufgezeigt werden. II. Jahresabschlul3 und Informationsfunktion A. Nachricht, Information und "Echo" Da speziell im Blick auf den Jahresabschlul3 die Informationsfunktion als "inhaltsleer" kriti siert wird(6), ist zunachst zu prazisieren, was unter Information und Informationsfunktion verstanden werden solI. Jede mehr oder weniger umfangreiche, Empfangern zugehende und fUr sie aufzunehmende Sammlung von Zeichen oder Signalen wird als Nachricht be zeichnet, ganz unabhangig davon, welchen Einflul3 diese Zeichen oder Signale auf den Empfanger haben. Wenn Nachrichten in der Lage sind, bei ihrem Zugang die bisherigen Erwartungen des Empfangers Uber die kUnftigen Konsequenzen von Entscheidungsalter- (5) Vgl. etwa Schmidt, Reinhard, H.: Rechnungslegung als Informationsproduktion auf nahezu effizienten Kapitalmarkten, in: ZfbF, 34. Jg., 1982, S. 728 ff.; Schneider, Die ter: Investition und Finanzierung, 5. Aufl., Wiesbaden 1980, S. 555 ff., derselbe: Ka pitalmarkteffizienz durch Jahresabschlul3reformen?, Schriften des Verbandes offent licher Banken, Heft 8, Gottingen 1981; Wagner, Franz, W.: Zur Informations- und AusschUttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses auf einem organisierten Kapitalmarkt, in: ZfbF, 34. Jg., 1982, S. 749 ff. (6) Vgl. Schneider, Dieter: Kapitalmarkteffizienz durch Jahresabschlul3reformen?, a. a. O. (FN 5), S. 15.