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Jacques Rancière: Pädagogische Lektüren PDF

288 Pages·2019·3.14 MB·German
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Ralf Mayer Alfred Schäfer Steffen Wittig Hrsg. Jacques Rancière: Pädagogische Lektüren Jacques Rancière: Pädagogische Lektüren Ralf Mayer · Alfred Schäfer · Steffen Wittig (Hrsg.) Jacques Rancière: Pädagogische Lektüren Hrsg. Ralf Mayer Alfred Schäfer Institut für Erziehungswissenschaft Institut für Pädagogik, Martin-Luther- Universität Kassel Universität Halle-Wittenberg Kassel, Deutschland Halle (Saale), Deutschland Steffen Wittig Institut für Erziehungswissenschaft Universität Kassel Kassel, Deutschland ISBN 978-3-658-24782-9 ISBN 978-3-658-24783-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-24783-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhaltsverzeichnis Jacques Rancière – zum Anfang ................................. 1 Ralf Mayer, Alfred Schäfer und Steffen Wittig Vom ‚Hass der Pädagogik‘ zum ‚Unvernehmen‘ der Generationen – Überlegungen zur systematischen Bedeutung von Streit für Theorien der Erziehung ............................ 45 Ole Hilbrich und Norbert Ricken Formexperimente als Theoriepolitik. Zu den Schreibstrategien Jacques Rancières ............................................. 71 Christian Grabau und Markus Rieger-Ladich Vom repräsentativen zum ästhetischen Regime – Für eine andere Empirie ............................................... 91 Frank Beiler Die Gleichheit des Vergleichs. Pädagogische Gleichheitsfiguren zwischen Ökonomie und Politik .................................. 113 Florian Heßdörfer The Matter with/of School. Storylines of the Scholastic Fable ......... 135 Jan Masschelein, Maarten Simons and Jorge Larrosa Anpassung und Zensur in der Universität. Bildungstheoretische Irritationen .................................................. 155 Christiane Thompson Was heißt, an einer Universität emanzipiert zu lehren? Ein Versuch über Umwege und Bilder zum Film ....................... 173 Olaf Sanders V VI Inhaltsverzeichnis Durchkreuzte Fabeln. Jacques Rancières Filmästhetik im Spiegel von Colossal Youth ...................................... 197 Sebastian Mühl Aufteilungen des Sinnlichen in der TV-Serie The Wire. Eine Rancière’sche Lesart ...................................... 217 Peter Thomas Ästhetisch Lernen und Lehren unter Gleichen: Warum ein unwissender Lehrmeister nicht genug ist ................ 243 Ines Kleesattel Politisch erscheinen und emanzipiert zuschauen. Jacques Rancière und das Theater der Politik ...................... 267 Marina Martinez Mateo Verzeichnis der Autorinnen und Autoren .......................... 289 Jacques Rancière – zum Anfang Ralf Mayer, Alfred Schäfer und Steffen Wittig ‚Einsatz‘ – das meint mindestens dreierlei: a) einsetzen im Sinne von Anfangen, etwas beginnen in einem Geschehen, das bereits angefangen hat […]. Das ‚Worin‘ des Ein- satzes ist dabei ein Feld bereits bestehender Elemente, Relationen und Regeln, in das etwas Neues hinein- bzw. dazukommt und dort Veränderungen, Unterbrechungen, Differenzen oder gar Störungen eingespielter Abläufe, Ordnungen und Grenzen bewirkt. Einsatz meint aber auch b) […] das, worum es in einem Spiel, einer Wette, einem Streit oder einem Kampf geht. […] Und schließlich geht es auch c) um einen Einsatz für etwas, für ein Ziel, für etwas, was man nicht hat. (Masschelein und Wimmer 1996, S. 7) 1 Die Schwierigkeit, eine Auseinandersetzung mit einem Werk zu beginnen, liegt unter anderem darin, dass streng genommen kein unvermittelter ‚Referenzpunkt Null‘ existiert, der den einen Anfang bezeichnen und darüber die Koordinaten R. Mayer (*) · S. Wittig Universität Kassel, Kassel, Deutschland E-Mail: [email protected] S. Wittig E-Mail: [email protected] A. Schäfer Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 1 R. Mayer et al. (Hrsg.), Jacques Rancière: Pädagogische Lektüren, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24783-6_1 2 R. Mayer et al. privilegierter Rezeptionsweisen, Anschlüsse und Kompilationen1 zu buch- stabieren vermag. Einen derartigen Anspruch an den Beginn zu setzen, grün- det sich nicht nur in Bezug auf das Denken Jacques Rancières unhintergehbar auf den Streit um differente Lesarten und Imaginationen. Jeden Ausgangs- punkt kennzeichnet die Kontingenz von Entscheidungen und (Vermittlungs-) Kanälen, die an Stimmen Anderer anschließen: inmitten von Diskursen, die uns „immer schon voraus war[en]“ (Foucault 2000, S. 9) und sich selbst gleich- sam als exzessiv und unzählbar erweisen. Das Anfangen – können, sollen, wollen oder müssen – artikuliert in der Lesart Gerhard Gamms (2014) ebenso eine machtvolle Ambition moderner Theoriebildung und Praxis wie auch die Ungesichertheit oder „Verlegenheit“ (Hegel 1969, S. 64) des eigenen Schreibens in Bezug auf die Zufälligkeit, den Status und die Positionierung des Behaupteten und der Behauptenden. Die Formulierung eines Anfangs könne daher weder dem Prinzip des Erklärens folgen noch der Vorstellung einer Reflexion, die etwa im Anschluss an Kant (1998, S. B 316 ff.) die vielgestaltigen Bedingungen, Stra- tegien und konkreten Gegenstände eines Werks auf die Form eines abstrakten, sich vom Sinnlichen2 abhebenden ersten oder letzten Begriffs bringt (vgl. Gamm 2014, S. 202). Wenn das Inmitten folglich jeden Einsatzpunkt unhintergehbar durchzieht, lässt sich unser Beginnen stets als Differenz(en) bildende Intervention in zeitlich wie räumlich unterschiedlich kontextualisierten Auseinandersetzungen verstehen: als Ein- oder Dazwischentreten, durch das bestimmte Diskurse auf- sowie aus- genommen3 werden. Letztlich gilt dies nicht nur für die Rezeption, sondern auch für das Werk: Es bildet kein eingangs oder abschließend identifizierbares Ganzes; es (re-)präsentiert keine in sich geschlossene Organisation von Wörtern, Namen und Schriften. Diese Anmerkungen zur Ambivalenz eines Beginnens, das über die dis- kursiven Ein- und Ausschlüsse nicht einfach verfügen kann, weil es selbst „Worte [gebraucht], die von woanders stamm[.]en“ (Rancière 2015b, S. 10), stehen nun in verschiedener Hinsicht nicht einfach in einem äußerlichen Zusammenhang zu 1Das lateinische ‚compilare‘ bringt hier eine durchaus ambivalente Wendung ins Spiel: den Akt des ‚(Aus-)Plünderns‘ und ‚Beraubens (der Haare)‘. 2Inwiefern Rancière den epistemologischen Horizont des Sinnlichen inmitten materieller und immaterieller gesellschaftlicher Auseinandersetzungen situiert und dabei einen weiten Begriff des Aisthetischen verfolgt, wird in diesem Band an verschiedenen Stellen Thema sein. 3Auch hier ließe sich durchaus die Mehrdeutigkeit des Wortes nutzen. Jacques Rancière – zum Anfang 3 Rancière(s Schreiben).4 Die Frage nach den Spezifika seiner theoretischen Profilie- rung verweist dabei auf die mehrfach herausgearbeitete Ablehnung von Ansätzen, die sich implizit oder explizit über den Primat eines souveränen Theorieverständ- nisses privilegieren. In dieser Hinsicht problematisiert Rancière wissenschaftliche Herangehensweisen, welche die Thematisierung politischer, ökonomischer, päda- gogischer etc. Praktiken auf ein Fundament zu gründen oder in Form eines ein- heitlichen Systems zu integrieren versuchen (vgl. Rancière 2006b). Ein solches, sämtliche Phänomene strukturierendes Theorieraster markiert für Rancière gleich- sam den Punkt, von dem sein eigenes Vorgehen sich radikal abzusetzen bemüht. So formuliert er in einem Interview: „Für mich ist das Schlimmste, was einem Denken passieren kann, dass ihm nichts widersteht.“ (Rancière 2014a, S. 84) Denn ein Ansatz, der jede Artikulation, Differenz und Dynamik einzupassen vermag, determiniere seine Gegenstandsbereiche streng genommen vorab über hierarchisie- rende Begriffe und Einteilungen, durch die eine durchgreifende Infragestellung der analysierten Realität von Macht und Herrschaft wie der eigenen theoretischen Mat- rix letzten Endes kaum mehr formulierbar sei. Ebenso weist er die Kehrseite einer solchen Position zurück, die Motive der Unsicherheit und Verlegenheit angesichts hegemonialer gesellschaftlicher Reglements hypostasiert und jedwedem Sprechen vorab die Form einer angepassten, kraftlosen oder resignierten Artikulation gibt. Rancière (2014a, S. 41 ff.) zufolge gilt es, alles vereinnahmende, insbesondere identitätspolitische An- und Einsprüche ebenso zu vermeiden, wie Authentizität beanspruchende Auffassungen.5 Gerade die „Abwesenheit eines Grundes“, welche 4Wie Antonia Birnbaum (1999, S. 193 ff.) oder das Eingangszitat aus Jan Masscheleins und Michael Wimmers Schrift Alterität Pluralität Gerechtigkeit (1996) nahelegen, ließen sich überdies die Kontroversen in Anbetracht der Unmöglichkeit eines selbst unvermittelten Anfangs (etwa in der prinzipiellen Problematisierung eines Denkens des ‚Ursprungs‘, mit- tels Begriffen wie Differenz, Diskurs usw.) als eine Art geteiltes Motiv im Feld der hierzu- lande rezipierten französischen Nachkriegsphilosophie diskutieren. 5Diese Problematik expliziert Rancière in Bezug auf unterschiedliche Theoriekontexte. Leitend erscheint dabei nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit der stets umstrittenen Beziehung zwischen Macht, Regierung und Wissen: Dazu zählt die Frage nach der Unter- scheidung, Legitimierung und Reglementierung sozialer Positionen und Kollektive und dies- bezüglich nach dem Möglichkeitsraum emanzipatorischer Kämpfe sowie der Funktion des Ideologiebegriffs. Unterschiedliche Fassungen dieser umstrittenen Beziehung verfolgt er etwa in seiner Kritik an Althusser (Rancière 2014b). Ferner diskutiert er den Streit in der Rück- führung auf das Primat des „Philosophenkönigs“ und des (idealen) Staatsverständnis bei Pla- ton, erörtert ihn im Kontext der Ambivalenzen in Marx‘ Bezugnahme auf die Proletarier und in Sartres (intellektueller) Parteinahme für die Arbeiter sowie in den Kontroversen mit Bour- dieus soziologischen Analysen zur Reproduktion sozialer Ungleichheit und zu Distinktions- praktiken (vgl. Rancière 2010a; Kastner und Sonderegger 2014; Davis 2014, S. 35 ff.). 4 R. Mayer et al. die „Kontingenz jeder sozialen Ordnung“ (Rancière 2002, S. 28) unterstreicht, öff- net die heterogenen, nicht vorab entscheidbaren Artikulationen und „Anordnungen von Körpern“ (Rancière 2015a, S. 68) inmitten gesellschaftlicher Einteilungen von Räumen und Zeiten. Das „Fehlen einer Arche“ (Rancière 2002, S. 28; kursiv i. O.) konfrontiert demnach gerade mit den materiellen und immateriellen Herkünften, die in ihrer Exzessivität den von zahlreichen Rezipient*innen, inklusive Rancière selbst, betonten Ausgangspunkt vieler seiner Überlegungen vor und nach der nicht nur in der pädagogischen Rezeption breit wahrgenommenen Schrift Der unwissende Lehrmeister (Rancière 2007) bezeichnen: „die Auseinandersetzung mit Althusser im Frankreich der 1960er Jahre.“ (Klass 2014, S. 118; vgl. Davis 2014, S. 15 ff.; Smith 2011; Wetzel und Claviez 2016, S. 27 ff.) Die Akzentuierung eines solchen Anfangs erscheint damit, wie Letztgenannter schon hinsichtlich der für ihn aus- schlaggebenden Schriften Marx‘ konzediert, „ebenso unvermeidlich und zugleich unmöglich wie jenes einzigartige Objekt, das Jarry zur Schau gestellt hat: ‚der Schädel Voltaires als Kind‘. Sie [die ‚ersten‘ Auseinandersetzungen; Hrsg.] sind unvermeidlich wie aller Anfang. Sie sind unmöglich, weil man sich seinen Anfang nicht aussucht.“ (Althusser 2011, S. 73; kursiv i. O.)6 Wenn man Rancière (2015b, S. 11) folgend die Heterogenität (s)eines Schrei- bens dezidiert im Kontext komplexer materieller wie literarischer, insbesondere zeit- und sozialgeschichtlicher Bedingungen zu lesen versucht, gilt es also reduk- tionistische Identifikationsmodi zu vermeiden. Wie man mit Oliver Davis (2014, S. 11 ff.) betonen kann,7 bleibt jede Darstellung auf die Herausforderung eines paradoxen Anfangs verwiesen, der zwar unvermeidlich bindet, aber kein souve- ränes und eindeutig identifizierbares Bild des Autors, ‚seines‘ Werks und ‚seiner‘ Zeit zu entwerfen vermag. Dass Althusser in dieser Hinsicht als „Ausgangspunkt“ (Rancière 2012a, S. 131), als wiederkehrender Name und sich verschiebende 6Da es uns einleitend primär um die Skizzierung einiger für uns systematisch ent- scheidender Konzepte, Frage- und Problemstellungen geht, verweisen wir für Ein- führendes zu seinem Werk wie zu bio- und historiografischen Stationen auf: Davis 2013, 2014; Hebekus und Völker 2012, S. 129ff.; Klass 2016; Krasmann 2010; Muhle 2011; Wetzel und Claviez 2016. 7Während der 2010 erschienene Band von Davis international die erste kompakt ein- führende Monografie in Rancières Denken bildet, lassen sich die bis heute erschienenen Aufsätze, Sammelbände und Auseinandersetzungen in unterschiedlichen (disziplinären) Zusammenhängen wie der Politik und Sozialphilosophie/Soziologie, der Kunst- und Film- theorie, der Pädagogik wie auch den Kultur-, Literatur- und Geschichtswissenschaften kaum mehr zählen.

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