Redebuch 2011 Initiative Bremer Montagsdemo: Beiträge 2004 – 2005 – 2006 – 2007 – 2008 – 2009 – 2010 – 2011 – 2012 – 2013 – 2014 – 2015 – 2016 – 2017 www.Bremer-Montagsdemo.de Zusammengestellt und laufend ergänzt von G. D. Brettschneider Typeset with Markup Shredder www.Gerolf.org Meine Kindheit war nicht auf Rosen gebettet Meine Herbstzeit wird mit Dornen bespickt Ich habe mich immer aus der Not gerettet Und noch gehofft auf ein besseres Rentnerglück Ursula Gatzke Bremer Montagsdemo 2011 Grundsätze Januar: 310. 311. 312. 313. 314. Februar: 315. 316. 317. 318. März: 319. 320. 321. 322. April: 323. 324. 325. Mai: 326. 327. 328. 329. 330. Juni: 331. 332. 333. Juli: 334. 335. 336. 337. August: 338. 339. 340. 341. 342. September: 343. 344. 345. 346. Oktober: 347. 348. 349. 350. November: 351. 352. 353. 354. Dezember: 355. 356. 357. Kontakt Flugblatt Bremer Montagsdemo Grundsätze 1. Die Montagsdemonstration ist eine überparteiliche Aktion der Bevölkerung und trägt entstehende Kosten aus deren Spenden. Die Gelder werden or- dentlich verwaltet. Es gibt eine regelmäßige Kassenprüfung. 2. Alle Teilnehmer(innen) haben das Recht auf Vertretung ihrer Standpunkte. Zur Diskussion steht ihnen das Offene Mikrofon zur Verfügung. Damit viele Menschen zu Wort kommen, sollen Redebeiträge nicht länger als drei Minu- ten dauern. 3. Alle Teilnehmer(innen) sollen einen Beitrag für das gemeinsame Anliegen leisten, also ihre Diskussion gleichberechtigt, solidarisch und sachlich füh- ren. Wir grenzen uns entschieden von Faschisten ab: Sie haben auf der Montagsdemo nichts zu suchen! 4. Auf einem Vorbereitungstreffen wird eine Koordinierungsgruppe gewählt, deren Zusammensetzung die Montagsdemo repräsentiert und die für Ein- heit und Selbständigkeit der Bewegung eintritt. Diese Gruppe hat keine Wei- sungsbefugnis und muss sich spätestens nach einem Jahr zur Wahl stellen. 5. Die Koordinierungsgruppe fördert gegenseitige Hilfe im sozialen Netzwerk, pflegt Erfahrungsaustausch und unterstützt gemeinsame Aktivitäten. Sie ar- beitet auch mit Gewerkschaften, Organisationen und Initiativen sowie der bundesweiten Koordinierungsgruppe zusammen. 6. Die Koordinierungsgruppe organisiert Vorbereitungstreffen der Montagsde- mo und schlägt Themenschwerpunkte vor. Sie ist für Presse- und Öffentlich- keitsarbeit zuständig und betreibt eine eigenständige Homepage für die Bre- mer Montagsdemo. 7. Die Moderatoren nehmen Manuskripte gehaltener Reden zur Veröffentli- chung im Internet entgegen. Erbeten wird Maschinenschrift; außerdem An- gabe von Datum, Name, (Email-)Adresse, Parteizugehörigkeit; weiterhin Ge- nehmigung redaktioneller Überarbeitung. Beschlossen am 14. Februar 2005 von den Teilnehmern der 26. Bremer Montagsdemo 5 Bremer Montagsdemo Kurzvorstellung Wie in zahlreichen anderen Städten Deutschlands findet in Bremen seit Mitte Au- gust 2004 jeden Montag um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz eine Demonstration gegen die Hartz-Gesetze statt. Sie hat in den ersten fünfzehn Wochen durchweg dreistellige Teilnehmerzahlen erreicht und wird von einem festen Kern „neuer Po- litiker“ entschlossen weitergeführt. DennHartzIVheißt:Massenarmutund Zwangsarbeit!DieRegierungistdazu übergegangen, nicht mehr die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen zu be- kämpfen! Löhne und Gehälter werden abgesenkt und gleichzeitig mit Ein-Euro- Jobs weitere Arbeitslose produziert! Dagegen steht unser Schlachtruf: „Weg mit Hartz IV! Das Volk sind wir!“ Auf der Montagsdemo gibt es ein „Offenes Mikrofon“, an dem jede Frau, jeder Mann und jede(r) Jugendliche, ob mit oder ohne Job, die eigene Meinung frei sagen kann. Nur für Neonazis gibt es kein Rederecht! Eingereichte Manuskripte werden auch im Internet dokumentiert. Die Bremer Montagsdemo, anfangs vom „Bündnis gegen Sozialkahlschlag und Bildungsabbau“, seit Mitte Januar 2005 von der Initiative Bremer Montags- demo organisiert, ist bundesweit vernetzt mit anderen Montagsdemos. Auf de- mokratischer Grundlage finden Aktionskonferenzen nach dem Delegiertenprinzip statt, auch eine Koordinierungsgruppe ist gebildet worden. Die Montagsdemo ist überparteilich, und alle Entscheidungen treffen die Teil- nehmer selbst. In unserer Bewegung sind bedeutsame Formen unmittelbarer De- mokratie und solidarischer Streitkultur entstanden. Wir lassen uns nicht vor den Karren einer Partei spannen! Wir sehen politische Tätigkeit nicht mehr nur darin, am Wahltag ein Kreuzchen zu machen, sondern nehmen unsere Sache in die ei- gene Hand! Initiative Bremer Montagsdemo www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz 6 310. Bremer Montagsdemo am 03. 01. 2011 Es gab kaum Anlass, die Jahreswende groß zu feiern Am Silvesterabend wurden bundesweit über 100 Mil- lionen Euro verballert. Aber eigentlich gab es für zu vieleMenschernkaumAnlass,dieJahreswendegroß zu feiern! Mit Ausnahme der Ackermänner dieser Re- publik und deren Vasallen in den Regierungspartei- en gab es fürs Volk und erst recht für die in die Armut getriebenen Menschen nur Katastrophen. Auch die SPD, der wir letztlich die neoliberale Kahlschlagspo- litik zu verdanken haben, hat sich in Sachen Rückbe- sinnung auf „sozialdemokratische Grundwerte“ weiß Gott nicht mit Ruhm bekleckert. Noch mehr Grundrechte wurden abgebaut, die AKW-Laufzeiten unerträglich verlängert, der Überwachungsstaat ausgebaut, der Krieg am Hindukusch ausge- weitet und weiter verschärft. Nachvollziehbare Abzugsperspektive: Fehlanzeige! Die Armen wurden immer ärmer, Elend und Drangsal immer größer, die Hetze zu- nehmend unverschämter, und schon manch ein Mensch sah als einzigen Flucht- weg aus dieser Vorhölle nur den Weg in den Tod! In der Charta der Menschenrechte von 1948 steht geschrieben, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind, dass Sklaverei, Folter und erniedrigende Strafen verboten sind, und dass Anspruch auf Schutz des Privatlebens sowie Recht auf Freizügigkeit bestehen. Die Bundesregierung tritt all dies mit Füßen! Für sie ist die Charta das Papier nicht wert, auf dem sie steht.Nichtsdeutetdaraufhin,dassindiesemJahretwasbesserwerdenkönnte– ganz im Gegenteil. Es geht nicht nur um die miese, heuchlerische Fünf-Euro-Regelsatzerhöhung und die Farce des Kinder-„Bildungspakets“. Es geht auch um die damit ein- her schleichenden neuen Schikanen und Demütigungen gegen die Hartz-IV- Betroffenen, was von den Mainstream-Medien geflissentlich falsch dargestellt oder totgeschwiegen wird. Letztlich geht es um die restlose und endgültige Zer- störung unserer demokratischen und sozialen Wertesysteme, wobei ein Großteil 7 der etablierten Medien untertänigst Schützenhilfe leistet! Auf den Montagsdemos haben wir im letzten Jahr auf all das kommende Unheil bereits hingewiesen. Apropos Montagsdemo: Wir werden auch weiterhin dem zynischen Treiben der Herrschenden nicht tatenlos zusehen und hoffen, dass sich immer mehr Men- schen den kommenden Protestaktionen anschließen. Wir werden unseren Wi- derstand noch weiter verstärken und um neue wirkungsvolle Varianten berei- chern. Ein Beispiel ist die geplante Massenklage gegen die unsäglichen Hartz IV- Regelsätze. Wir werden uns nicht unterkriegen lassen! Für uns, für die Friedens- und Anti-Atom- sowie für die Stuttgarter Anti-„S21“-Bewegung gilt jetzt erst recht: „Oben bleiben! Proteste verstärken! Widerstand verbreitern!“ Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“) Danke für die Eingangsbestätigung: Aber fünf Euro Nachzahlung machen noch keine verfassungsgemäße Regelsatzhöhe („Jobcenter Bremen“) Schottern und Kies gewinnen! Die besten Wünsche für 2011! War das nicht ein herrliches Winterwetter – mit Schnee zu Weihnachten? Doch nun zum Alltag: Die gesetzliche Grundlage für die Regelsatzhöhe ist seit dem 1. Januar 2011 außer Kraft. Die Politik hat bisher keine verfassungsgemäße Regelsatzhö- he ermittelt. Die angebotenen fünf Euro wurden zurechtgeschummelt und erge- ben bestimmt nicht die verfassungsge- mäße Regelsatzhöhe! Daher die Anträge „Hiermit beantrage ich die Bewilligung von Sozialleistungen in verfassungsgemäßer Höhe“ runterladen und ausgefüllt – auch mit dieser langen Namensnennung – gegen Stempel abgeben (siehe Gerolfs Beiträge auf den vorherigen Bremer Montagsdemos). Die Langsamkeit der Politik hat auch einen Vorteil: Die geplanten Verschlech- terungen im Kleingedruckten sind noch nicht in Kraft und auch noch nicht verab- schiedet. Der Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X kann somit zurzeit noch vier Jahre rückwirkend gestellt werden, bis zum 1. Januar 2007, somit für ein Jahr weniger als noch vor einer Woche. Die Gründe und die Anleitung stehen auf den vorherigen Bremer Montagsdemos. Lesen und nachdenken! Es werden dort be- reits viele Gründe genannt, aber die Aufzählung ist nicht vollständig! Zum Jahresausklang wurde vom Bundessozialgericht die Praxis der pauscha- len Berechnung für die Warmwasserkosten und die damit verbundene Kürzung 8 rückwirkend verworfen und die Kürzung bei stationärem Klinikaufenthalt für un- rechtmäßig erklärt. Der von einigen Krankenkassen erhobene Zusatzbeitrag ist von den Jobcentern zu übernehmen, wenn kein weiteres Einkommen erzielt wird. Dies ändert sich mit den geplanten Änderungen eventuell ebenfalls. Ein Antrag auf Überprüfung kann nicht zu einer Leistungskürzung führen; auch dies wird mit den geplanten Änderungen erwogen. Nicht einmal für ihre ei- genen Fehler wollen und sollen die Jobcenter einstehen! Geplant ist auch eine erweiterte Antragspflicht für die Zahlung von Leistungen. So sollen die Teilhabe- leistungen bei Hartz IV für Kinder nur aufgrund eines Extraantrags gezahlt wer- den. Zusätzlich ist geplant, diese Leistungen anteilig monatlich verfallen zu las- sen, falls ein solcher Antrag nicht vorliegt. Die Extraleistungen für Kinder sind eine Begründung zur Beibehaltung der bisherigen Regelsatzhöhen für sie. Daher sind diese Leistungen rückwirkend ab 1. Januar 2011 zu zahlen. Mit einer Einigung rechne ich nicht vor dem März, einer Auszahlung somit nicht vor Mai. Sie sollte eigentlich rückwirkend erfolgen, nur mangelt es eventuell an der Antragstellung. Daher Antrag stellen: „Hiermit beantrageichdiezusätzlichenLeistungenzurTeilhabeundBildungsowiefüreine Klassenfahrt und andere Schulveranstaltungen und Sonderbedarfe für die Kinder meiner Bedarfsgemeinschaft.“ So weit ein möglicher Text. Falls bereits eine Mitgliedschaft in einem Verein besteht, Nachhilfeunterricht oder Klassenfahrt oder anderes bereits gezahlt wird oder kurz bevorsteht, so beantragt diese Ausgabe. Wie dies geht? Wir gehen mit! Zum Schottern und Kies gewinnen einfach den Kugelschreiber zücken und machen! Bis zum nächsten Montag um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz! Hans-Dieter Binder („Die Linke“) Ersatzdebatte: Wie viel Kommunismus ist in der Linkspartei? („Spiegel-Online“) Sollen sich ALG-II-Bezieher nicht mehr gegen das ihnen angetane Unrecht zur Wehr setzen können? 1. Nun gehen wir mit frischem Elan ins neue Jahr! Während der „Aufschwung“ Bourgeoisie und Bundesregierung erreichte, werden die lohnabhängigen Bürger im kommenden Jahr weniger im Portemonnaie haben, und Hartz-IV-Beziehende mussten bereits zum sechsten Mal ein Weihnachtsfest in absoluter Bescheiden- heit verbringen, da solche Anlässe im Regelsatz nicht vorgesehen sind. Martin 9 Behrsing, der Sprecher des „Erwerbslosenforums Deutschland“, brachte es auf den Punkt: „Während Erwachsene sich eventuell damit arrangieren können, wird den Kindern aus Hartz-IV-Haushalten besonders drastisch gezeigt, dass sie un- serem Staat nichts wert sind.“ Die siebenfache Mutter, Bundesarbeitsministerin von der Leyen, die es eigentlich besser wissen müsste, erdreistete sich Ende Sep- tember zu der Behauptung, es gebe für Kinder keinen Cent mehr, weil ihr Eckre- gelsatz eigentlich „viel zu hoch“ sei. Schlimmer geht Verhöhnung nimmer! Natürlich durften auch Kinder von Hartz-IV-Beziehern über den Weih- nachtsmarkt in ihrer Stadt gehen und sich vom Duft gebrannter Mandeln locken, von den Karussells zum Mit- fahren anziehen und an den Buden von Spielzeug reizen lassen. Aber mehr als gucken und schnuppern war für sie sicher nicht drin! Dennoch wünscht sich Ursula von der Leyen, dass alle Kinder „mit Musik aufwach- sen“ mögen. Sie will zwar nicht mit der SPD um eine Erhöhung des Satzes „um fünf Euro feilschen“, doch will sie mit ihrem unsäglichen „Bildungspaket“ den Kindern sowohl „Lernförderung“ in der Schule als auch „Teilhabe“ im Alltage ermöglichen. Das „Bildungspaket“ ist im Schnitt 320 Euro pro Kind und Jahr wert. Darin enthalten sein sollen Mitglied- schaft in Sportvereinen wie dem Schwimmklub, Teilnahme an Musikunterricht, Nachhilfe und last not least noch das Mittagessen an der Schule. Die Chipkarte lenkt ganz nebenbei davon ab, dass die Bundesregierung die Kinder im Stich lässt. Sie werden mit Sachleistungen stigmatisiert, wenn einzig und allein eine billige Lösung „nach Kassenlage“ gesucht wird. Mit der Debatte um Geld- und Sachleistungen drückt sich von der Leyen um die Frage, wie hoch die Regelsätze tatsächlich liegen sollen. Es ist wirklich herzal- lerliebst anrührend, wenn die Supermutterpowerfrau findet, dass alle Kinder „mit Musik aufwachsen“ sollten, mit Sport und Gemeinschaftserfahrung, aber sie kann doch nicht ernsthaft annehmen, dass dies alles für 320 Euro im Jahr, also für 26,66 Euro pro Monat je Kind zu haben sei! Wenn Klein-Elise Hunger hat, be- kommt sie dann einfach einen Gutschein, eine halbe Stunde auf dem Klavier „Für Elise“ zu spielen? Danach ist sie bestimmt pappsatt! Mir fehlt auch eine vernünf- tige Erklärung, wie davon der Musikunterricht, der Sportverein, das Instrument, die Sportbekleidung, die Fahrkarten und die Begleitung durch einen Elternteil fi- nanziert werden können. Das ist selbstverständlich alles im eigentlich zu hohen Eckregelsatz für Kinder enthalten! Ich kann verstehen, dass Frau von der Leyen gern zum Mond fliegen möchte und würde es ihr sogar von Herzen gönnen, wenn sie es sich dort oben ein bisschen gemütlich machte! 10
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