Springer-Lehrbuch Springer Berlin Heidelberg NewYork Barcelona Budapest Hongkong London Mailand Paris Santa Clara Singapur Tokio Christian Blatter Ingenieur Analysis 1 Zweite Auflage Mit 190 Abbildungen und 137 Aufgaben , Springer Professor Dr. Christian Blatter ETH Zürich Departement Mathematik CH-8092 Zürich Schweiz e-mail: [email protected] Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Blatter, Christian: Ingenieur-Analysis / Christian Blatter. - Berlin ; Heidelberg ; New York ; Barcelona; Budapest ; Hongkong ; London ; Mailand ; Paris; Santa Clara ; Singapur ; Tokio: Springer. Früher im Verl. der Fachvereine, Zürich 1. - 2. Aun. - 1996 ISBN 3-540-60438-3 Mathematics Subject Classification (1991): 00A05, 00-01, 00A06, 26-01, 26A06, 26815,26820 ISBN-13: 978-3-540-60439-6 e-ISBN -13: 978-3-642-61056-1 DOI: 10.1007/978-3-642-61056-1 1. Auflage vdf Verlag, Zürich Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk sendung der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Ver vielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechts gesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1996 Reprint ofthe original edition 1996 Satz: Reproduktionsfertige Vorlage vom Autor SPIN 10519572 44/3143-543210 - Gedruckt auf säurefreiem Papier Vorwort Was bewegt einen Autor dazu, den unzähligen Analysiskursen für angehende Ingenieure einen weiteren hinzuzufügen? Die zu behandelnden Themen sind ja gegeben: Funktionenlehre, Differential- und Integralrechnung in einer und in mehreren Variablen, Differentialgleichungen, Vektor analysis - und die Kollegen von den Fachdisziplinen können sich darauf verlassen, daß alles da ist. Die Vorstellung war lange verbreitet, Ingenieur-Analysis sei im wesentlichen eine Sammlung von Rezepten zur Lösung von gewissen Standardaufgaben, und dem Dozenten obliege es in erster Linie, seinen Studenten diese Rezepte auf möglichst schonende Art beizubringen. Die betreffenden Skripten wurden dann von den Studenten als "Kochbücher" bezeichnet. Demgegenüber wird hier das didaktische Konzept vertreten und durchgezogen, daß die Ingenieur Analysis in erster Linie einen ungeheuren Vorrat von kraftvollen Begriffen zur Verfügung stellt, die zur Modellierung und nachfolgenden Analyse von realen (physikalischen, technischen, biologischen, ... ) Situationen herange zogen werden können. Dem Leser muß dabei jederzeit bewußt sein, daß das mathematische Universum in der Tiefe offen ist: Die hier behandelten Formeln, Sätze und Beispiele sind nicht der abschließende Analysisbericht, sondern das Ergebnis eines ersten Ausflugs. Welchen Niederschlag hat nun die Ankunft von Systemen wie Maple oder Mathematica in diesem Buch gefunden? Es ist wahr: Diese Systeme haben unseren mathematischen Alltag grundlegend verändert; wir benutzen sie mit Selbstverständlichkeit fürs numerische Rechnen und zum Rechnen mit For meln, zum Disponieren und zum Experimentieren. Mit dem Begreifen ist es aber eine andere Sache; hier helfen nur treffende Begründungen und Bilder, zum andern sorgfältig gewählte Bezeichnungen und suggestive Formeln. Was nun den vorliegenden Analysiskurs betrifft, so steht eben das Geometrisch Begriffliche im Vordergrund (nein, nicht c und 8); und gerade, weil uns der Computer langweilige Rechenarbeit abnimmt, haben wir nun mehr Zeit dafür. Zum Lösen der eingestreuten Aufgaben aber soll der Student mit Lust den Computer verwenden - sofern natürlich die betreffende Ausrüstung zur Verfügung steht. Aufgaben, die sich zur Behandlung mit Maple oder mit Mathematica eignen, sind mit dem Zeichen @ markiert; Tutorials für diese Systeme werden allerdings nicht mitgeliefert. Es genügt, hier festzuhalten, daß Aufgaben, wie sie in dieser Analysis vorkommen, sowohl für Maple wie für Mathematica ein leichtes sein sollten. Nocheinmal von vorn: Dieser Text handelt im wesentlichen von den Metho den und Möglichkeiten der Differential- und Integralrechnung auf der reellen Achse, in der Ebene und im dreidimensionalen Raum. Dabei geht es weniger VI Vorwort um Mathematik "an sich" als darum, einen Apparat bereitzustellen, mit dem sich Zustände und Vorgänge in der Außenwelt, speziell in der Mechanik, in der Technik, aber auch in der Ökonomie, rational beschreiben oder, modern ausgedrückt: modellieren lassen. Hierzu benötigen wir unter anderem einen reichhaltigen Begriffsvorrat, geometrisches Vorstellungsvermögen, einen Strauß von Sätzen, Sicherheit im Rechnen mit Formeln, Gewandtheit im Herbeiziehen und Anpassen von gelernten Methoden und Beispielen, das Gespür für die im Einzelfall erforderliche mathematische Präzision: welche Effekte ohne Schaden vernachläßigt werden können, die Bereitschaft, im Prinzip irgendeine Sache auf neue Weise zu betrach ten und ehrlich zuende zu denken. Im Zentrum unserer Bemühungen stehen also nicht Beweise, sondern Vorla gen zur mathematischen Beschreibung von Situationen, die sich letzten Endes (und damit kommen wir auf die Analysis) mit Hilfe von reellen Funktionen begreifen lassen, sowie Lösungsstrategien für die Probleme, die dabei zum Vorschein kommen. Zürich, im Oktober 1995 Christian Blatter Hinweise zum Gebrauch dieses Buches Das ganze Werk (zwei Bände) ist eingeteilt in sechs Kapitel, und jedes Kapitel ist weiter unterteilt in Abschnitte. Formeln, die später nocheinmal benötigt werden, sind abschnittweise mit mageren Ziffern numeriert. Innerhalb eines Abschnitts wird ohne Angabe der Abschnittnummer auf Formel (1) zurück verwiesen; 3.4.(2) hingegen bezeichnet die Formel (2) des Abschnitts 3.4. Neu eingeführte Begriffe sind am Ort ihrer Definition halbfett gesetzt; eine weitergehende Warnung ("Achtung, jetzt kommt eine Definition") erfolgt nicht. Definitionen lassen sich vom Sachverzeichnis her jederzeit wieder auffinden. Sätze (Theoreme) sind kapitelweise numeriert; die halbfette Signatur (4.3) bezeichnet den dritten Satz in Kapitel 4. Sätze werden im allgemeinen ange sagt; jedenfalls sind sie erkenntlich an der vorangestellten Signatur und am durchlaufenden Schrägdruck des Textes. Die beiden Winkel I und -1 bezeichnen den Beginn und das Ende eines Beweises. Eingekreiste Ziffern numerieren abschnittweise die erläuternden Beispiele und Anwendungen. Der Kreis 0 markiert das Ende eines Beispiels. Jeder Abschnitt wird abgeschlossen durch eine Serie von Übungsaufgaben. Aufgaben, die zu einem wesentlichen Teil mit einem System wie Maple oder Mathematica behandelt werden können (und sollen!), sind mit dem Zeichen @ versehen. Von Anfang an bezeichnen: N die (Menge der) natürlichen Zahlen 0,1,2,3, ... , Z die ganzen Zahlen, Q die rationalen Zahlen, lR die reellen Zahlen, <C die komplexen Zahlen, lB (für "Bits") die Menge {O, I}. Von diesen Zahlensystemen wird im Text noch ausführlich die Rede sein. Inhaltsverzeichnis Ingenieur-Analysis 1 Kapitel1.Grundstrukturen 1 1.1. Logik . . . . . 1 1.2. Mengen . . . . 10 1.3. Natürliche Zahlen 15 1.4. Reelle Zahlen. . 22 1.5. Koordinaten in der Ebene und im Raum 32 1.6. Vektoralgebra 43 1. 7. Komplexe Zahlen . 64 Kapitel 2. Funktionen 77 2.1. Erscheinungsformen 77 2.2. Eigenschaften von Funktionen 105 2.3. Grenzwerte. . . . . . 124 2.4. Folgen und Reihen 138 2.5. Die Exponentialfunktion 157 Kapitel 3. Differentialrechnung 169 3.1. Grundbegriffe, Rechenregeln 169 3.2. Extrema . . . . . . . . . 180 3.3. Der Mittelwertsatz der Differentialrechnung 190 3.4. Taylor-Approximation . . 200 3.5. Differentialgleichungen I . 220 3.6. Differentialgleichungen II 236 Sachverzeichnis . . . . . . . 258 Inhaltsverzeichnis Ingenieur-Analysis 2 Kapitel 4. Integralrechnung 1 4.1. Der Integralbegriff 1 4.2. Hauptsätze. . . . . . 27 4.3. Technik des Integrierens 36 4.4. Uneigentliche Integrale 68 4.5. Mehrfache Integrale . . 77 4.6. Differentialgleichungen III 102 Kapitel 5. Mehrdimensionale Differentialrechnung 127 5.1. Grundbegriffe .............. . 127 5.2. Höhere partielle Ableitungen, Taylorsche Formel 152 5.3. Implizite Funktionen 164 5.4. Die Funktionalmatrix . . . 178 5.5. Extrema . . . . . . . . . 193 5.6. Kurvenscharen in der Ebene 214 Kapitel 6. Vektoranalysis ... 234 6.1. Vektorfelder, Linienintegrale 234 6.2. Die Greensche Formel für ebene Bereiche 254 6.3. Der Satz von Gauß 275 6.4. Der Satz von Stokes 299 Sachverzeichnis . . . . 316 1. Grundstrukturen 1.1. Logik Die sogenannte mathematische Logik ist ein Kalkül, d.h. ein Gebäude von Rechenregeln, dessen Variable A bzw. A(x) nicht Zahlen, sondern Aussagen bzw. Aussageformen (zum Beispiel über reelle Zahlen x) sind. Eine Aussage ist eine Behauptung oder eine Formel, die so, wie sie da steht, entweder wahr ist oder falsch. Bsp: "Die Basiswinkel von gleichschenkligen Dreiecken sind gleich", "10100+1 ist eine Primzahl", "Camel ist eine Automarke" . Gegebene Aussagen A, B können durch ==} hat zur Folge ~ gilt genau dann, wenn V oder (gemeint ist: oder/und) 1\ und ..., nicht zu komplizierteren Aussagen verbunden werden. Es geht dann zum Beispiel darum, den "Wahrheitswert" eines so erhaltenen Ausdrucks zu berechnen, wenn die Wahrheitswerte der darin auftretenden Variablen gegeben sind. Ein derartiger logischer Kalkül wird zum Beispiel beim Aufbau eines Systems, das komplizierte mathematische Sachverhalte verarbeiten soll, dringend benötigt. Eine Aussageform ist ein Text oder eine Formel mit einer freien Variablen x, die für jeden Wert x eines vereinbarten Grundbereichs in eine wahre oder in eine falsche Aussage übergeht. Bsp: Die folgenden Aussageformen beziehen sich auf reelle Zahlen x, y und natürliche Zahlen n: x2 - 5x + 6 = 0, x2 + y2 < 1, 1- xn 1 + x + x2 + ... + xn- 1 = -- I-x Im Zusammenhang mit Aussageformen benötigt man die folgenden Zeichen: V für alle 3 es gibt 3! es gibt genau ein ~ es gibt kein