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In die Illegalität gedrängt. Zur Flucht gezwungen. Ermordet. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter unter nationalsozialistischer Herrschaft PDF

123 Pages·2022·5.499 MB·German
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broschüre A5 GKG märz 2020_ DRUCK-neu.qxp_Layout 1 27.04.20 17:53 Seite 2 DGB / Archiv der sozialen Demokratie (Hrsg.) In die Illegalität gedrängt. Zur Flucht gezwungen. Ermordet. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter BEITRÄGE AUS DEM ARCHIV unter nationalsozialistischer Herrschaft DER SOZIALEN DEMOKRATIE HEFT 9 Friedrich-Ebert-Stiftung Archiv der sozialen Demokratie und DGB ISBN 978-3-96250-534-9 BEITRÄGE AUS DEM ARCHIV DER SOZIALEN DEMOKRATIE | HEFT 9 ISSN 1431-6080 DGB / Archiv der sozialen Demokratie (Hrsg.) In die Illegalität gedrängt. Zur Flucht gezwungen. Ermordet. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter unter nationalsozialistischer Herrschaft Beiträge aus dem Archiv der sozialen Demokratie Heft 9 Friedrich-Ebert-Stiftung Archiv der sozialen Demokratie Bilder (Umschlag): Gruppenaufnahme: Besetzung des Berliner Gewerkschaftshauses am Engelufer durch SA (Reproduktion, 02.05.1933). Gebäudeaufnahme: Plünderung des Volkshauses Leipzig durch SA-Jugend (Reproduktion, 09.03.1933). Bildnachweise dieser Broschüre: Zum Teil liegen die Bildrechte beim AdsD, zum Teil sind die Rechteinhaber jedoch nicht ermit- telbar. Letztere sind uns trotz eingehender Recherche nicht bekannt. Wenn Sie Hinweise auf den Inhaber des Urheberrechts von einem der Bilder haben, bitten wir um Mitteilung. Wir stel- len die Bilder unter der Bedingung zur freien Verfügung, dass wir von den eventuellen Ansprü- chen Berechtigter freigestellt werden. Beiträge aus dem Archiv der sozialen Demokratie herausgegeben von Anja Kruke Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung Godesberger Allee 149 53175 Bonn Online recherchierbar unter: https://www.fes.de/bibliothek/fes-publikationen Eine gewerbliche Nutzung der von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustimmung der Herausgeberin nicht gestattet. 2., durchg. Aufl., 2022 (c) 2020 by Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn Redaktion: Ursula Bitzegeio, Dieter Pougin, Jenny Schiemann Gestaltung und Satz: PAPYRUS – Lektorat + Textdesign, Anja Rosenthal, Buxtehude Umschlag: Maya Hässig, Köln Druck: bub Bonner Universitäts-Buchdruckerei Printed in Germany 2022 ISBN 978-3-98628-191-5 ISSN 1431-6080 3 Inhalt Reiner Hoffmann Zum Geleit ............................................................................ 5 Michael Schneider Anpassung. Verfolgung. Widerstand Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter unter national sozialistischer Herrschaft. ............................................................................. 9 Klaus Mertsching In der Haft ermordete, an deren Folgen gestorbene oder in den Tod getriebene Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ....................... 55 Zu den Autoren ...................................................................... 122 5 Zum Geleit Vor 75 Jahren endete mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehr- macht am 8. Mai 1945 die selbst verschuldete Unmündigkeit der Deutschen – und mit ihr die soziale und kulturelle Unterdrückung, die von der nationalsozialisti- schen Diktatur über die Welt gebracht worden ist. Vor allem aber bedeutet der 8. Mai 1945 das Ende eines sechsjährigen Angriffs- und Vernichtungskrieges mit über 60 Millionen Toten, einer zwölfjährigen Gewalt- und Terrorherrschaft und des in der Menschheitsgeschichte einmaligen industriellen Massenmordes an den europäischen Juden. Am 8. Mai 1945 endete auch die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma, Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern, Kriegsgefangenen, po- litisch und religiös Andersdenkenden, von Menschen wegen ihrer sexuellen Orien- tierung, von als asozial, psychisch oder physisch krank stigmatisierten Menschen und sogenannten »Berufsverbrechern«. Gerade weil der Kreis der noch lebenden Opfer und Täter immer kleiner wird, muss weiterhin kontinuierliche Erinnerungsarbeit an die grausame, menschen- verachtende, mörderische Politik des nationalsozialistischen Terrorstaats geleis- tet werden. Kontinuierlich muss auch an diejenigen Menschen erinnert werden, die auf vielfältige Weise versucht haben, Widerstand gegen das totalitäre Regime zu leisten und dies mit Verfolgung, Folter, Ermordung oder Exil bezahlen muss- ten. Bedauerlicherweise wird in der öffentlichen Erinnerungskultur nur unzureichend darauf hingewiesen, dass bereits bis 1939 rund 150.000 Regimegegnerinnen und -gegner in Konzentrationslager gesperrt wurden und 40.000 ins Exil gingen. Eben- so muss auch heute noch festgestellt werden, dass in der Öffentlichkeit weiterhin mangelndes, wenn überhaupt vorhandenes Interesse am und Wissen vom Wider- stand besteht. Liegt es daran, dass die durch einen totalitären Überwachungsstaat bedingte, oftmals nur spurenlos mögliche Arbeit des Widerstandes medial nicht interessant genug ist? Oder daran, dass es eine Erfolgsgeschichte des Widerstands nicht zu erzählen gibt? Oder dass Widerstand nur in Gestalt spektakulärer Aktio- nen, wie das gescheiterte Attentat des 20. Juli 1944, öffentlich wahrgenommen 6 wird? Wie auch immer die Antworten auf diese Fragen ausfallen mögen, so be- deutet eine anhaltende erinnerungspolitische Ignoranz gegenüber dem wider- ständischen Verhalten von Frauen und Männern die Entwürdigung ihres lebens- gefährlichen Eintretens für einen demokratischen Rechtsstaat, für den viele unter ihnen nach dem Ersten Weltkrieg gekämpft hatten. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Ende des Zweiten Weltkriegs und damit zur NS-Diktatur droht die Gefahr, dass der Widerstand und seine Akteu- rinnen und Akteure gänzlich in Vergessenheit geraten. Dies gilt vor allem für den vielfältigen Widerstand von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern. Auch ist bis heute einer breiten Öffentlichkeit unbekannt, dass während der national- sozialistischen Diktatur tausende Gewerkschaftsmitglieder in Zuchthäuser und Konzentrationslager gesperrt, gefoltert, ermordet, in den Tod und in die Emigra- tion getrieben wurden. Gewerkschaften neigen nicht zur Heldenverehrung, zum Personenkult oder zur ikonographischen Überhöhung. Auch geht es nicht darum, an gewerkschaftli- chen Widerstand zu erinnern, um damit die Notwendigkeit einer kritischen his- torischen Auseinandersetzung mit Handlungsoptionen der Gewerkschaften nach dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 in Frage zu stellen. Allerdings wäre es auch sachlich falsch und darüber hinaus moralisch unlauter, der weltanschau- lich gespaltenen deutschen Arbeiterbewegung ein komplettes Versagen gegen- über dem nationalsozialistischen Terror-Regime vorzuwerfen. Uns geht es mit der Publikation der vorliegenden Broschüre vor allem darum, die Namen der Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die ihren Widerstand ge- gen das NS-Regime mit dem Leben bezahlen mussten, in die öffentliche Erinne- rung zu rufen – und dies über den 75. Jahrestag des Ende des Zweiten W eltkrieges hinaus. An jede Einzelne und jeden Einzelnen zu erinnern und auch der immer noch un- zähligen Namenlosen zu gedenken, ist für den Deutschen Gewerkschaftsbund mehr als ein erinnerungspolitscher Auftrag und ein bloßes gewerkschaftshisto- risches Vermächtnis. Das Leben dieser Widerstandskämpferinnen und -kämpfer zeugt – jenseits von Ideologien und Parteipolitik – von einer demokratisch ethi- schen Grundhaltung, die uns mit Achtung und Demut erfüllt. Auch mehrfache 7 Verhaftungen, Gewalterfahrungen, Schikanen und ständige Todesdrohungen konnten sie nicht davon abhalten, für ihre Überzeugungen und Werte einzutre- ten. Ihr Vorbild macht auf eine dramatische Weise deutlich, dass eine gelebte Soziale Demokratie nicht voraussetzungslos ist. Für die deutsche Arbeiterbewegung war es die Schaffung der Einheitsgewerkschaft als Grundlage der demokratischen Ge- staltung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, die dabei im Vordergrund stand. In diesem Gestaltungsprozess spielten die Erfahrungen und politischen Vorstel- lungen aus dem Widerstand und auch aus dem Exil eine prägende Rolle – und prägen Politik und Wirtschaft in der Sozialpolitik, im Arbeitsrecht oder in der Mitbestimmung bis heute. Gerade die zunehmende Politikverdrossenheit und die gegenwärtige politische Situation, in der Rechtspopulisten und -extremisten in den Parlamenten sitzen und Rechtsradikale Morde begehen, Anschläge verüben und Todesdrohungen gegen Politikerinnen und Politiker aussprechen, verlangen nach einem aufrech- ten Gang und nach mutigem Handeln, um die gewerkschaftlichen Werte Freiheit, Solidarität und soziale Gerechtigkeit gegen die Feinde unserer Demokratie zu verteidigen. Es sind diese Werte, für die die in dieser Broschüre genannten Frauen und Män- ner und viele mehr gestorben sind. Reiner Hoffmann Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes 9 Michael Schneider Anpassung. Verfolgung. Widerstand Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter unter national- sozialistischer Herrschaft Schon vor der Machtübertragung an Adolf Hitler hatten die Nationalsozialisten angekündigt, sie würden, kaum an die Macht gekommen, den »Marxismus« in all seinen Schattierungen ausrotten. Gemeint waren die Arbeiterparteien, vor al- lem die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die mit dem verhassten »Weimarer System« identifiziert wurde, und die Kommunistische Partei (KPD), die als Verkörperung des »russischen« bzw. »asiatischen Bolschewismus« galt. Und die Gewerkschaften aller Richtungen und selbst die Verbände der Katholi- schen Arbeiterbewegung fielen unter das Verdikt des »zerstörerischen Klassen- kampfes«. Dass mit der politischen Arbeiterbewegung auch die Gewerkschaften, besonders die sozialdemokratisch orientierten Freien Gewerkschaften des Allge- meinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), sofort nach dem 30. Januar 1933 zu einem zentralen Angriffsziel der neuen Machthaber wurden, kann ange- sichts dieser Vorgeschichte kaum verwundern: Die Anhänger- und Führerschaft der Arbeiterparteien und der Gewerkschaften galten in den Augen der National- sozialisten als gefährliche Gegner, die eben deswegen als erste »ausgeschaltet« wurden. Neben der grundsätzlichen Ablehnung jeder Klassenkampf-Organisation dürften es vor allem Gesichtspunkte der Machtsicherung gewesen sein, die im Frühjahr 1933 die Schläge des NS-Regimes gegen die Gewerkschaften lenkten: Von wem, wenn nicht von den Gewerkschaften, hätte ein Generalstreik organisiert werden sollen, um die neue Regierung – wie 1920 die Kapp-Putschisten – zu Fall zu brin- gen? Demoralisierung und Schwächung der Gewerkschaften waren Ziele der Na- tionalsozialisten, die mit äußerster Brutalität im Frühjahr 1933 verfolgt wurden. Mit den Gewerkschaften und den politischen Parteien der Arbeiterbewegung sollten von vornherein die Kraftzentren einer etwaigen Oppositionsbewegung

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