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Ich schreib Dir morgen wieder PDF

1008 Pages·2010·1.28 MB·German
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Cecilia Ahern ICH SCHREIB DIR MORGEN WIEDER Roman Aus dem Englischen von Christine Strüh Für Marianne, die sich so leise bewegt und trotzdem für so viel Wirbel sorgt. Für meine Leser. Danke, dass ihr mir vertraut. KAPITEL 1 Knospenfeld Von einer Geschichte geht bei jedem Erzählen etwas verloren, sagt man. Wenn das stimmt, ist meine Geschichte noch vollständig, denn ich erzähle sie zum ersten Mal. Bestimmt werden manche Leute skep- tisch reagieren, und wenn ich nicht alles selbst erlebt hätte, würde es mir vermut- lich genauso gehen. Viele jedoch werden kein Problem damit haben, meine Geschichte zu glauben, und zwar aus dem einfachen Grund, weil sich ihr Bewusstsein irgend- wann geöffnet hat, weil sie im wahrsten 5/1008 Sinn des Wortes aufgeschlossen sind, so, als hätte ein Schlüssel etwas in ihnen aufgesperrt – wobei der Schlüssel alles sein kann, was den Betreffenden dazu bringt, an etwas zu glauben. Entweder sind diese Menschen schon so geboren, oder sie wurden als Babys, solange das Bewusstsein noch einer Knospe ähnelt, so umsorgt, dass die Blüte sich langsam öffnen und Schritt für Schritt darauf vorbereiten konnte, sich irgendwann an der Essenz des Lebens selbst zu nähren. Solche Menschen wachsen, ganz gleich, ob das Schicksal ihnen Sonnenschein oder Regen beschert, sie wachsen und gedeihen, sie entwickeln sich, und ihr Bewusstsein ist so weit und frei, dass sie achtsam und aufnahmebereit durchs Leben gehen, das Licht im Dunkeln 6/1008 sehen, die verborgenen Chancen in jeder Sackgasse erkennen, den Erfolg schmecken in dem, was andere für Versagen halten, und hinterfragen, was andere als unabänderlich hinnehmen. Sie sind weniger abgestumpft, weniger zynisch als die Mehrheit. Nicht so leicht bereit, die Flinte ins Korn zu werfen. Bei manchen Menschen öffnet sich das Bewusstsein auch erst später im Leben, durch eine Tragödie oder ein großes Glück, denn beides kann als Schlüssel wirken, der die bis dahin fest verschlossene Alleswisser-Kiste auf- schließt. Dann springt der Deckel auf, das Unbekannte wird akzeptiert, sture Logik und Scheuklappendenken werden über Bord geworfen. 7/1008 Doch dann gibt es auch diejenigen, deren Bewusstsein wie ein Büschel von Halmen ist, die zwar Knospen treiben, wenn der Mensch etwas Neues lernt – eine Knospe für jede neue Information –, aber diese Knospen öffnen sich nicht, sie blühen niemals auf. Solche Menschen kennen Großbuchstaben und Punkte, aber keine Fragezeichen und keine Leerstellen … Zu diesen Menschen gehörten auch meine Eltern. Zu denen, die immer alles wissen. Zu der Art, die gern Sprüche von sich geben wie: »Das hab ich ja noch nie gehört, wie kommst du denn darauf? Dafür gibt’s keinerlei Beweise, also mach dich nicht lächerlich.« Auch mal um die Ecke zu denken, kam für sie nicht in Frage, und sie hatten den Kopf 8/1008 zwar voller bunter, hübsch gepflegter und auch wohlriechender Knospen, aber sie gingen nicht auf, so dass sie leicht und anmutig im Wind tanzen konnten, sondern verharrten aufrecht, stocksteif und nüchtern – und blieben Knospen bis zum Tag ihres Todes. Na ja, meine Mutter ist ja eigentlich gar nicht tot. Noch nicht. Nicht im medizinischen Sinn zumindest, aber obwohl sie nicht tot ist – lebendig ist sie ganz sicher auch nicht. Sie ähnelt eher einer wandelnden Leiche, die hin und wieder einen Laut von sich gibt, als wollte sie überprüfen, ob sie noch lebt. Aus der Ferne denkt man, alles ist in Ordnung mit ihr. Aber von nahem sieht man, dass ihr grellrosa Lippenstift verwischt ist und ihre Augen 9/1008 müde und seelenlos in die Gegend star- ren – ein bisschen wie diese TV-Kulissen- häuser auf dem Studiogelände, nur Fas- sade, nichts dahinter. So wandert sie im Haus herum, von einem Zimmer zum an- deren, in einem Bademantel mit flap- penden Glockenärmeln, wie eine nachdenkliche Südstaatenschönheit in einer Kolonialvilla aus Vom Winde ver- weht. Ihr Geschlender wirkt von außen graziös und schwanengleich, doch unter der Oberfläche sieht es ganz anders aus, denn dort brodelt es, dort ringt sie verz- weifelt um Fassung und strengt sich an, den Kopf nicht sinken zu lassen. Aber das panische Lächeln, mit dem sie uns gelegentlich anblitzt, damit wir wissen, dass sie noch da ist, überzeugt keinen von uns. 10/1008 Oh, ich mache ihr keine Vorwürfe. Sie nimmt sich ja nicht aus Bosheit den Lux- us heraus, sich einfach so in sich selbst zurückzuziehen und es den anderen zu überlassen, die Sauerei auszubaden und zu retten, was aus dem Scherbenhaufen unseres Lebens noch zu retten ist. Aber jetzt seid ihr wahrscheinlich alle etwas verwirrt, weil ich noch gar nicht richtig angefangen habe zu erzählen. Also: Mein Name ist Tamara Goodwin. Goodwin. Eine dieser grässlichen Wortkombinationen, die ich zutiefst ver- achte. Entweder man gewinnt oder man verliert. Aber ein »good win« – ein guter Gewinn? Das ist wie »schmerzlicher Ver- lust«, »warme Sonne« oder »endgültig tot«. Zwei Wörter, die völlig unnütz zusammengepackt werden, um etwas

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