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Hochschule als Organisation PDF

367 Pages·2012·3.13 MB·German
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Organisationssoziologie Herausgegeben vom Vorstand der Sektion Organisationssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Vertreten durch U. Wilkesmann, Dortmund, Deutschland S. M. Wilz, Hagen, Deutschland M. Apelt, Potsdam, Deutschland I. Bode, Kassel, Deutschland V. v. Groddeck, München, Deutschland K. Senge, Hamburg, Deutschland P. Wehling, Bochum, Deutschland M. Wilkesmann, Dortmund, Deutschland Organisationen stellen einen Theorie- und Forschungsgegenstand „sui generis“ dar, der einer differenzierten Gegenstandsbetrachtung und spezifischer Analyseansätze bedarf. Neben der ganzen Breite von Organisationstypen rücken für die Herausgeberinnen und Herausgeber auch spezifische empirische Methoden der Organisationsforschung sowie differenzierte theoretische Zugänge zur Analyse des Organisationsgeschehens in den Vordergrund. Die Bände dieser Reihe werden vor allem drei Dinge im Blick haben: Erstens die gesell- schaftliche Bedeutung von Organisationen; zum Zweiten die disziplinäre nationale und internationale Verortung innerhalb der Soziologie; und zum Dritten die trans- und inter- disziplinäre Perspektive. Hier wird insbesondere die gewachsene Breite und Interdiszipli- narität der Organisationsforschung integrativ aufgegriffen. Der Vorstand der Sektion Organisationssoziologie in der Deutschen Gesellschaft für S oziologie, der diese Buchreihe herausgibt, wird vor allem herausragende Beiträge der Sektionsveranstaltungen in dieser Reihe versammeln, um den jeweils aktuellen Forschungsstand der Organisationssoziologie zu dokumentieren. Herausgegeben vom Vorstand der Sektion Organisationssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Vertreten durch Prof. Dr. Uwe Wilkesmann Dr. Victoria v. Groddeck Dortmund München Prof. Dr. Sylvia M. Wilz Dr. Konstanze Senge Hagen Hamburg Prof. Dr. Maja Apelt Dr. Pamela Wehling Potsdam Bochum Prof. Dr. Ingo Bode JProf. Dr. Maximiliane Wilkesmann Kassel Dortmund Uwe Wilkesmann • Christian J. Schmid (Hrsg.) Hochschule als Organisation Herausgeber Uwe Wilkesmann. Christian J. Schmid. Technische Universität Dortmund, Deutschland ISBN 978-3-531-18769-3 ISBN 978-3-531-18770-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-18770-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus- drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandabbildung: Maximiliane Wilkesmann Einbandentwurf: KünkelLopka GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Inhalt Vorwort – Uwe Wilkesmann/Christian J. Schmid ................................................................. 7(cid:3) Konzeptualisierungen der Hochschule als Organisation ................................................ 15(cid:3) Hochschulen als besondere und unvollständige Organisationen? - Neue Theorien zur ‚Organisation Hochschule’ – Barbara M. Kehm ........................... 17(cid:3) Hierarchie ohne Macht? Karriere- und Beschäftigungsbedingungen als ‚vergessene’ Grenzen der organisatorischen Umgestaltung der deutschen Universitäten – Otto Hüther/Georg Krücken ......................................................................................... 27(cid:3) Zwischen Interessenorganisation und Arbeitsorganisation? Wissenschaftsfreiheit, Hierarchie und Partizipation in der ‚unternehmerischen Hochschule‘ – Lothar Zechlin ...................................................................................... 41(cid:3) Gelehrtenrepublik und staatliche Anstalt - Verfassungsrechtliche Grundlagen und systemischer Kontext der Organisation Hochschule – Helmut Fangmann .................. 61(cid:3) Zeitgenössische Hochschulreform und unternehmerischer Aktivitätsmodus – Anna Kosmützky/Michael Borggräfe ............................................................................ 69(cid:3) Hochschulleitungsorgane ................................................................................................... 87(cid:3) Academic Capitalism? - Wirtschaftsvertreter in Hochschulräten deutscher Universitäten. Eine organisationstheoretisch fundierte empirische Analyse – Werner Nienhüser .............. 89(cid:3) Hochschulräte in der Universitäts-Governance - Was bestimmt ihre Rolle und Wirkmächtigkeit? – Peter M. Kretek/Zarco Dragsic ................................................. 113(cid:3) Hochschulleitung und Forscher: Von wechselseitiger Nichtbeachtung zu wechselseitiger Abhängigkeit – Enno Aljets/Eric Lettkemann ................................... 131(cid:3) ‚Möglichst keine Konflikte in der Universität‘ - Qualitative Studien zu Reformprojekten aus der Sicht von Universitätspräsidenten – Nadja Bieletzki ......... 155(cid:3) Varianten der Messung von Organisationsführung - Das Beispiel des Effekts von Anreizsteuerung auf den Formalitätenaufwand der Hochschullehrer – Andres Friedrichsmeier ............................................................... 165(cid:3) Zur Professionalität von Hochschulleitungen im Hochschulmanagement: Organisationstheoretische Erklärungsversuche zu einer Interviewserie – Fred G. Becker/Wögen Tadsen/Elke Wild/Ralph Stegmüller ..................................... 191(cid:3) 5 Governance der Forschung ............................................................................................. 207(cid:3) ‚New Public Management‘ versus ‚Gelehrtenrepublik‘ - Rankings als Instrument der Qualitätsbeurteilung in der Wissenschaft? – Margit Osterloh ............................. 209(cid:3) ‚Es ist höchstens eine Kollegenschelte möglich, aber die bringt nichts.‘ - Kontingente und strukturelle Handlungsbeschränkungen der intrauniversitären Forschungsgovernance – Thimo von Stuckrad/Jochen Gläser ................................... 223(cid:3) Steuerung durch LOM? Eine Analyse zur leistungsorientierten Mittelvergabe an Medizin-Fakultäten in Deutschland – René Krempkow/Uta Landrock/Patricia Schulz ................................. 245(cid:3) Mechanismen der Forschungssteuerung an deutschen und österreichischen Universitäten – Nicolas Winterhager ......................................................................... 261(cid:3) Engere Kopplung von Wissenschaft und Verwaltung und ihre Folgen für die Ausübung professioneller Rollen in Hochschulen – Sigrun Nickel ............................ 279(cid:3) Wissenschaft im Wettbewerb? Institutsinterne Interpretation von Wettbewerbslogiken in Evaluationsverfahren – Silke Gülker .................................... 293(cid:3) Governance der Lehre ..................................................................................................... 309(cid:3) „Der Ball muss dezentral gefangen werden.“ - Organisationssoziologische Überlegungen zu den Möglichkeiten und Grenzen hoch- schulinterner Steuerungsprozesse am Beispiel der Qualitätssicherung in der Lehre – Katharina Kloke/Georg Krücken ............................................................................... 311(cid:3) Zur Einführung einer neuen ‚Kunstwährung‘ an den Hochschulen - Die Vergleichs- und Tauschfunktion von ECTS-Punkten – Stefan Kühl ................... 325(cid:3) Die institutionelle Neuausrichtung der wissenschaftlichen Management- weiterbildung - Ein Beitrag zur Entwicklung des organisationalen Feldes der wissenschaftlichen Weiterbildung in Deutschland – Jutta Zastrow ........................... 345(cid:3) Auf dem Weg vom Gelehrten zum abhängig Beschäftigten? Zwei deutschland- weite Surveys zur Lehrmotivation von Professoren – Uwe Wilkesmann ................... 363(cid:3) Autorenverzeichnis .......................................................................................................... 383(cid:3) 6 Vorwort 1 Organisationssoziologie der Hochschule versus Hochschul- Organisationssoziologie Anlass für diesen Band war die Tagung der Sektion Organisationssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS), die wir an zwei sonnigen Tagen im Juni 2011 in Dortmund abgehalten haben. Titel der Veranstaltung war: „Die Hochschule als Organi- sation“. Die Hochschule ist also eine Organisation? Wie trivial, könnte man meinen. Dieser simplifizierende, aber durchaus programmatisch intendierte Titel war so gewählt, dass auch jene Organisationssoziologen1 im Speziellen und Organisationswissenschaftler im Allge- meinen nach Dortmund gelockt werden, welche eben nicht zu den üblichen Verdächtigen der ‚Hochschulforscher‘ zählen. Trotz der interdisziplinären Heterogenität der Hochschul- forschung sowie ihrer vielfältigen Themengebiete (Teichler 2008) gibt es doch so etwas wie eine etablierte Hochschulforscher-Szene. Die Kohärenz von derartigen wissenschaft- lichen in-groups hat zwar ihre institutionellen Vorteile, bedingt aber auch eine intellektuelle Schließung und Redundanz. Wird der Blick auf die internationale Community der Organisationsforschung er- weitert, so fällt auf, dass nur wenige Theorieangebote zur Hochschule dominieren, welche mitunter schon vor Jahrzehnten entwickelt wurden. Hochschulen sind als „organized anarchies“ (Cohen/March 1974) und „professional bureaucracies“ (Mintzberg 1979) be- schrieben oder mit dem „garbage can“-Modell (Cohen et al. 1972) modelliert worden. Alle diese Konzeptionen rekurrieren dabei im Wesentlichen auf die Besonderheit des Orga- nisationstyps Hochschule (vgl. Huber 2012). Hier ist also eine Engführung zu konstatieren, die mittlerweile durchaus legitimations- bzw. hinterfragungsbedürftig ist. In unserem Editorial zu diesem Sammelband wollen wir in aller Kürze zwei Aspekte beleuchten: (1) Mit dem scheinbar so inhaltsleeren Titel „Hochschule als Organisation“, sollen gerade aufgrund seiner Unbestimmtheit, grundsätzlichere Fragen nach der Vergleichbarkeit der Hochschule mit anderen Organisationstypen provoziert werden. (2) Gleichzeitig bzw. danach gilt es, die bisherige theoretische Fundierung dieses organisationalen Settings neu zu überdenken, um die Hochschulorganisationssoziologie in Richtung einer Organisations- soziologie der Hochschule zu öffnen. 1.1 Ist die Hochschule tatsächlich so spezifisch? Das Kontinuum der konzeptionellen Verortung der Hochschule als Organisationskonfigu- ration reicht von „spezifische Organisation“ (Musselin 2007) an dem einen Pol, bis zur Gleichsetzung von Hochschulen und Unternehmen am anderen Pol. Wir sind mittlerweile sehr gut darüber informiert, was die Universität als Organisationstyp bisher so unvergleich- lich macht. Die Annahme von Hochschul-Unternehmens-Homologien dagegen, wird erst in 1 Nachfolgend wird ausschließlich das männliche Geschlecht genannt. Gemeint sind immer sowohl die männli- chen, als auch die weiblichen Personen. 7 dem Maße bedeutend, in welchem die Invasion von Management-Methoden in den Bereich der Wissenschaft gerade die Spezifität dieser Hochschulorganisation verneint. Gemeint sind Management-Trends (Abrahamson/Fairchild 1999) oder „management fads“ (Birnbaum 2001), welche von Unternehmen auf Hochschulen übergreifen. Die Ökonomisierung der Gesellschaft (Schimank/Volkmann 2008) hat mittlerweile sogar das Wissenschaftssystem erreicht und Manager und Unternehmer scheinen zunehmend verbindlichere Leitbilder dieser neuen unternehmensförmigeren Universitäten zu werden. Einerseits lassen sich Hochschulen also als spezifische Organisationen verstehen. Professoren stilisieren sich mitunter gerne als distinktive Gruppe von Devianten, welche nicht mit Managern oder sonstigen Berufsgruppen verglichen werden wollen. Akademische Forschung und Lehre werden als einzigartige Formen von Arbeitserledigung unter den höchst spezifischen Bedingungen der doxa und Organisationsweisen des wissenschaftlichen Feldes inter- pretiert. Darum entzieht sich die Hochschulorganisation einer vergleichenden Organi- sationsforschung. Dabei gilt prinzipiell: Je genauer ein Organisationstyp in den Blick genommen wird, desto spezifischer wird er. Um Musselins (2007) Fragestellung „Are Universities Specific Organisations?“ aufzugreifen, könnte man bejahen, dass jede Organisation spezifisch ist. Da sind Hochschulen keine Ausnahme sui generis. Jeder Organisationstyp kann als singuläre Spezies bestimmt werden: Das Militär, die Schule, die Polizei, kriminelle Organisationen usw. lassen sich über distinkte Wesensmerkmale voneinander abgrenzen (Apelt/Tacke 2012). Gleichzeitig können wir Hochschulen aber immer auch als Arbeitsorganisationen wie viele andere privatwirtschaftlich operierende Unternehmen begreifen, so provokant das dem ersten Anschein nach auch klingen mag. Gerade das New Public Management ist ein interessantes Experiment, denn es ignoriert zum einen diese scheinbaren Inkommensurabilitäten zwischen dem Feld der Wissenschaft und dem der Ökonomie, zum anderen betreibt es eine aktive Angleichung von Hochschulen mit Profit-Unternehmen trotz aller kritischen Einwände (z.B. Wissenschafts-Adäquanz) und Reaktanzen. Da man die Hochschule aber bisher in der Organisationsforschung als so besonders akzeptiert hat, vergaß man systematisch jene Forschung zu rezipieren, die z.B. die Mängel und Begrenztheit von Steuerungskonzepten wie leistungsorientierter Bezahlung und Mittelvergabe sowie Zielvereinbarungen in Unternehmen schon untersucht haben. Andersherum hat die Hypostasierung des Organisationstyps Hochschule auch verhindert, in die entgegengesetzte Richtung zu fragen: Was kann die Privatwirtschaft von den Universitäten lernen? Hochschulen können z.B. als Prototyp der Organisation wissens- intensiver Arbeit gesehen werden. Je nachdem, wie man Effektivität und Effizienz definiert, ist die Hochschule ein richtiggehendes Erfolgsmodell. Zumindest hat die Hoch- schule trotz ihres vielfach bemängelten Ideen- und Strukturkonservatismus eine unver- gleichliche Überlebensfähigkeit bewiesen. Es könnte sogar behauptet werden, dass die Hochschulen angesichts zunehmender Studierendenzahlen bei sinkenden Personal- und Sachmitteln schon überraschend effizient und effektiv organisiert sind. Um alle diese Vergleiche zwischen Hochschulen und Profit-Unternehmen empirisch beantworten zu können, muss man sich für eine prinzipielle Vergleichbarkeit öffnen, um dann nach kontextrobusten, reliablen und validen Bewertungskriterien zu suchen. Das impliziert die Frage, mit welchem Unternehmenstyp der Vergleich vorgenommen werden soll. Unserer Meinung nach ist es unzulässig vereinfachend, die Gestaltvielfalt aller anderen Organisationskonfigurationen und -populationen in Sammelkategorien wie ‚Wirtschafts- Unternehmen‘, ‚Konzerne‘ oder ‚Normal-Modell der Organisation‘ zusammenzufassen. Nicht zuletzt darum gibt es keine vergleichende Forschung zwischen Hochschulen und anderen Organisationstypen, die ihren Namen verdient hat. Dazu müsste man z.B. Hoch- 8 schulrektoren mit Vorstandsvorsitzenden von Konzernen vergleichen, indem beide Populationen gleichwertig in einem kohärenten Forschungsdesign berücksichtigt werden. Sind Hochschulverwaltungen im konkreten Vergleich mit Verwaltungsabteilungen eines DAX-Unternehmens wirklich dilettantischer? Und wenn ja, im Bezug auf welche Kri- terien? Desgleichen sind Annahmen über den spezifischen Leistungs- und Motivations- haushalt von Professoren im Unterschied zu Managern in der Privatwirtschaft zwar plau- sibel, aber nicht oder nicht methodologisch zufriedenstellend empirisch erforscht. Aus dem Blickwinkel einer aufgeklärten Organisationssoziologie wird es auch nicht verwundern, dass es auch an Universitäten ein Verfügungs-Aushandlungs-Dilemma der Personalführung (Pongratz 2002) gibt. Sogar in militärischen Bürokratien müssen Entscheidungsprozesse und Anordnungs-Erledigungs-Schemata von oben nach unten erst einmal, wider der Dialektik der Machtausübung, etabliert und fortlaufend reproduziert werden. Die Analyse interessegeleiteten Handelns in Universitäten sollte berücksichtigen, wie welche Änder- ungen der Wettbewerbsstruktur und damit einhergehende Machtverschiebungen auf der mikropolitischen Ebene der Leistungserbringer verhandelt werden. Im Kräfte- und Kampffeld der Hochschule wird neben der Konkurrenz um intellektuelles Reputations- kapital auch das inner-universitäre politische Sozialkapital zunehmend virulent (Braun 2001). Dem Burgfrieden gemäß dem ‚Kollegialitätsimperativ‘ oder ‚Nichtangriffspakt‘ in der Wissenschaftswelt sollte man nicht mehr zu sehr Glauben schenken. Wie in jeder anderen Organisation auch, sorgen turbulentere Zeiten dafür, dass die in Strukturen sedimentierten Aushandlungsordnungen an unhinterfragter Stabilität verlieren. So kann der bisherige Verteilungsschlüssel der Sach- und Personalmittel zur Disposition stehen, das Rektorat eine strategische Neuausrichtung initiieren, eine Auflösung oder Fusion von Fakultäten und Instituten anordnen. Derartige Konstellationen sind vergleichbar mit der Konkurrenz zwischen Forschungs-, Design-, Marketing- oder Controlling-Abteilung in einem Unternehmen. Dabei gibt es immer Gewinner und Verlierer, die sich darüber be- stimmen, wer es am besten versteht, seine jeweilige Praxis als die von der Unternehmens- führung bzw. Rektorat wertgeschätzte zu definieren (vgl. Hallett 2003). In vergleichbarer Weise intrigieren auch an Universitäten organisationale Subkulturen und deren Agenten (Institute, Lehrstühle, Fachbereiche, Strategieabteilungen). Zuletzt könnte man Rektoren und Professoren, die in projektförmiger Forschung als „manager academics“ (Deem/ Hillyard 2002) arbeiten, auch als Personalführungskräfte analysieren. Lehrstuhlinhaber, Dekane und Rektoren sind Führungskräfte, die sich analog zu vielen Karriereverläufen in privatwirtschaftlichen Unternehmen weg von der Fachkompetenz, hin zur Führungs- kompetenz entwickeln müssen. Genau wie der Ingenieur, der in das Management aufsteigt, verändert sich die Arbeitsanforderung an den Professor in Richtung Wissenschaftsmanager, sobald er größere Forschungsprojekte leitet oder hochschulpolitische Funktionen wahr- nehmen will. Hochschulen investieren in letzter Zeit auch viel in Branding-Initiativen, indem sie z.B. mittels teilweise extrem kostenintensiver Corporate Designs versuchen, Distinktionsgewinne und Identifikationsmöglichkeiten zu generieren. Kurz: Die Gestalt- und Habitusformen an Hochschulen und in Unternehmen mögen verschieden sein, die grundsätzlicheren sozialen Mechanismen und Problemkonstellationen sind aber gleichartig. 1.2 Theoretische Zugänge zur Hochschule als Organisation Die Frage nach der Vergleichbarkeit der Hochschule mit anderen Organisationstypen hängt dabei eng mit deren theoretischer Verortung zusammen; d.h. dem erkenntnistheoretisch- 9

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