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Hansische Geschichtsblätter (Jahrgang 1954) PDF

240 Pages·1954·27.766 MB·German
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HANSISCHE GESCHICHTSBLÄTTER H E R A U S G E G E B E N VOM H A N S I S C H E N G E S C H I C H T S V E R E IN 72. J A H R G A N G 1954 BÖHLAU-VERLAG • MÜNSTER/KÖLN HANSISCHE GESCHICHTSBLÄTTER H E R A U S G E G E B E N V O M H A N S I S C H E N G E S C H I C H T S V E R EI N 72. JAHRGANG 1954 B Ö H L A U - V E R L A G • M Ü N S T E R / K Ö L N SCHRIFTLEITUNG: Universitätsprofessor Dr. Paul Johansen, Hamburg, und Universitätsprofessor Dr. Ludwig Beutin, Köln. Zuschriften, die den Aufsatzteil betreffen, sind an Herrn Professor Johansen, Historisches Seminar der Universität, Hamburg 13, zu richten; auf Besprechungen und Umschau bezügliche an Herrn Professor Beutin, Universität Köln, Seminar für Wirtschaftsgeschichte. Manuskripte werden in Maschinenschrift erbeten. Korrekturänderungen, die mehr als zwei Stunden Zeitaufwand für den Bogen erfordern, werden dem Verfasser berechnet. Die Verfasser erhalten von Aufsätzen, Mitteilungen und selbständigen Buchbesprechungen 20, von Beiträgen zur Hansischen Umschau 5 Sonderdrucke unentgeltlich, weitere gegen Erstattung der Unkosten. Die Schriftleitung behält sich vor, dem Verein unaufgefordert zugegangene Schriften nach ihrem Ermessen selbständig oder nur in der Hansischen Umschau zu besprechen. Bezugsnachweis für die vom Hansischen Geschichtsverein früher heraus­ gegebenen Veröffentlichungen auf Anfrage durch die Geschäftsstelle. Zuschriften in geschäftlichen Angelegenheiten des Hansischen Geschichts- Vereins sind an die Geschäftsstelle des Vereins, Lübeck, St. Annen-Straße 2, zu richten. Der Mitgliederbeitrag beträgt zur Zeit für Vereine und Anstalten mindestens DM 10,— für Einzelpersonen mindestens DM 6,— ; Städte-Beiträge nach besonderer Vereinbarung. Die Veröffentlichung dieses Bandes in vorliegendem Umfang wurde durch eine dankenswerte größere Beihilfe der Possehl-Stiftung zu Lübeck ermöglicht. Druck der Asdiendorffschen Buchdrucker ei, Münster (Westf.) \ INHALT Aufsätze Deutschland und die Tuchindustrie Nordwesteuropas im Mittelalter (mit 12 Karten). Von Hektor Ammann (A a ra u ).......................................1 Bemerkungen zum Hanse-Norwegen-Problem. Von Johan Schreiner (Oslo). Mit einem Nachwort von Maria W e t k i .....................................64 Hansische Geschichtsforschung und Geschichtslehre in den U. S. A. Mit einer Bibliographie. Von William L. Winter (West Hartford, Gönn.) 79 Miszellen Bevölkerungsverluste der Hansestädte durch den Schwarzen Tod 1349/50. Von Heinrich Reineke.........................................................................................88 Grenzen und Möglichkeiten einer hansischen Gesamtgeschichte. Be­ merkungen zu dem Buch von Karl Pagel: Die Hanse (1952). Von Ahasver von Brandt (Lübeck)............................................................ . 9 1 Der wendisch-sächsische Städtetag vom 28. Januar 1517 in der Reihe anderer Hansetage zu Lüneburg. Von Klaus Friedland (Göttingen) 101 Besprechungen 1. Städtewesen und Bürgertum als geschichtliche Kräfte. Gedächtnis­ schrift für Fritz Rörig. Herausgegeben von Ahasver v. Brandt und Wilhelm Koppe. Von Ludwig Beutin (K ö ln )...................................104 2. Francois Ganshof, Le Moyen Age. Histoire des Relations..Inter­ nationales. Von Ludwig Beutin (K öln)................................................. 106 3. Edith Ennen, Frühgeschichte der europäischen Stadt. Von Otto Brunner (Hamburg)...............................................................................................108 4. Niedersächsisches Städtebuch. Herausgegeben von Erich Keyser. Von Heinrich Reineke (H am burg).................................................................111 5. Hamburgisches Urkundenbuch; III: Register zum zweiten Band (1301— 1336). Von Paul Johansen (Hamburg)...........................................112 6. Vera Jammer, Die Anfänge der Münzprägung im Herzogtum Sach­ sen (10. und 11. Jahrhundert). — Gert Hatz. Die Anfänge des Münzwesens in Holstein. Die Prägungen der Grafen von Schauen­ burg bis 1325. — Emil Waschinski, Die Münz- und Währungs­ politik des Deutschen Ordens in Preußen. Ihre historischen Probleme und seltenen Gepräge. Von Wilhelm Jesse (Braunschweig) . . 1 1 4 7. Emil Waschinski, Währung, Preisentwicklung und Kaufkraft des Geldes in Schleswig-Holstein von 1226— 1864. Von Albert Düker (B r e m e n )..............................................................................................................116 8. Gisela Vollmer, Die Stadtentstehung am unteren Niederrhein. Von Edith Ennen (Bonn) . . 119 9. Gustav Engel, Die Stadtgründung im Bielefelde und das Mün- stersche Stadtrecht. Von Paul Johansen (Hamburg)...................................121 10. Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter. — Derselbe, Mittelalterliche Rechtsquellen der Stadt Wildeshausen. Von Walter Barkhausen (Düsseldorf) . . . . 1 2 2 11. Walter Schlesinger, Die Anfänge der Stadt Chemnitz. Unter­ suchungen über Königtum und Städte. Von Viktor Achter (Köln) 125 12. Wilhelm Ebel, Lübisches Kaufmannsrecht nach Lübecker Ratsurteilen des 15./16. Jahrhunderts. Von Joachim Gernhuber (Bonn) . . . 1 3 0 33. Gösta Hasselberg, Studier rörande Visby stadslag och dess källor. Von Bernhard Rehfeldt (K öln).......................................................................131 14. Geschichte der Stadt Posen. Herausgegeben von Gotthold Rhode. Von Paul Johansen (Hamburg).......................................................................133 35. Michel Mollat, Le Commerce Maritime Normand ä la Fin du Moyen Age. Von Ludwig Beutin ( K ö ln ) .................................................134 16. Henri-E. de Sagher, Recueil de Documents relatifs ä l’Histoire de l’Industrie Drapiere en Flandre. — G. de Poerck, La Draperie Medievale en Flandre et en Artois. Von Hektor Ammann (Aarau) 136 17. Oskar de Smedt, De Engelse Natie te Antwerpen in de 16e Eeuw. Von Erich Weise (H annover)........................................................................138 18. Kjell Kumlien, Sverige och hanseaterna. Von Paul Johansen (H am burg).............................................................................................................140 19. Nils Ahnlund, Stockholms historia före Gustav Vasa. Von Wilhelm Koppe ( K i e l ) .....................................................................................................144 20. Vilho Niitemaa, Der Binnenhandel in der Politik der livländisdien Städte im Mittelalter. Von Karl-Heinz Sass (Lübeck) . . . 147 21. Götz Freiherr von Pölnitz, Fugger und Hanse. Ein hundertjähriges Ringen um Ostsee und Nordsee. Von Ludwig Beutin (Köln) . . 1 4 9 22. Friedrich Bruns, Das Frachtherrenbuch der Lübecker Bergenfahrer. Von Ludwig Beutin (K öln)...............................................................................150 23. Klaus Friedland, Der Kampf der Stadt Lüneburg mit ihren Landes­ herren. Stadtfreiheit und Fürstenhoheit im 16. Jahrhundert. — Hans Jürgen Querfurth, Die Unterwerfung der Stadt Braunschweig im Jahre 1671. Von Heinrich Reineke (H am burg).................................. 151 Hansische Umschau 1952/53 In Verbindung mit Ahasver von Brandt, Paul Johansen, Erich von Lehe, Friedrich Prüser und Gotthold Rhode bearbeitet von Ludwig Beutin Autorenregister für Besprechungen und Umschau..........................................353 1. Allgemeines und hansische Gesamtgeschichte..........................................155 2. Vorhansische Z e i t ..............................................................................................166 3. Zur Geschichte der einzelnen Hansestädte und der niederdeutschen L andschaften......................................................................................................171 4. Westeuropäische Städte und L ä n d e r.........................................................184 5. Der skandinavische N o r d e n ........................................................................189 6. O steu ropa.............................................................................................................195 7. Zur Übersee- und Kolonialgeschichte.........................................................219 Jahresbericht 1952/53 227 Jahresbericht 1953/54 229 DEUTSCHLAND UND DIE TUCHINDUSTRIE NORDWEST­ EUROPAS IM MITTELALTER * VON HEKTOR AMMANN Die Anfänge einer Fernausfuhr von Tuch aus Nordwesteuropa S. 1. — Hoch­ blüte um 1200 S. 5. — Beherrschende Stellung vom 13. bis 15. Jahrhundert S. 9. — Die großen Teilgebiete waren gleichberechtigt S. 11. — Das Bild des Industriebezirks im Spätmittelalter: Vielfalt in der Einheit S. 15. — Die räum­ liche Gliederung im einzelnen S. 19. Das deutsche Wirtschaftsgebiet und der Tuchbezirk S. 22. — Die Anfänge der Beziehungen im 12. Jahrhundert S. 24. — Das 13. Jahrhundert: Flandern und Nordfrankreich S. 29. — Das 14. Jahrhundert: Brabant und Flandern S. 38. — Das 15. Jahrhundert: Flandern und Brabant, England und Holland S. 49. — Die Beziehungen zwischen dem Tuchbezirk und dem deutschen Wirtschaftsgebiet waren für beide Teile durch das ganze spätere Mittelalter gleich wichtig S. 59. Verzeichnis der Tuchlandschaften und Tuchstädte S. 62. Im Jahre 1158 führten Kaufleute aus Genua ein Tuch von Saint- Riquier, in der Grafschaft Ponthieu nicht weit vom Kanal gelegen, übers Meer nach Messina aus. 1160 gingen dann 11 Stück von St. Riquier zusammen mit 20 Stück Sayen von Genua ebenfalls nach Sizilien, und im selben Jahre wird in Genua von der Ausfuhr von Tüchern von St. Riquier irgendwohin gesprochen. Damit ist zum ersten Male nordwesteuropäisches Tuch und noch dazu solches aus einer bestimmten Stadt am Mittelmeer nachgewiesen. Enthalten sind diese Angaben im frühesten in Genua und überhaupt am Mittelmeer erhaltenen Notariatsregister, dem des Johannes Scriba aus den Jahren 1154— 11641. Wie steht es nun mit dieser so bemerkenswert hervortretenden Tuch­ stadt St. Riquier? Heute ist sie ein bedeutungsloses Landstädtchen nicht weit von Abbeville, das man etwa wegen seiner bemerkenswerten spät­ gotischen Klosterkirche besucht2. Die Stadt verdankt ihre Entstehung und Entwicklung der um 700 gegründeten Abtei Centula. Zur Zeit Karls des Großen spielte diese eine ziemliche Rolle, und es entstanden in ihr große Klosterbauten. Von 831 besitzen wir ein Einkünfteverzeichnis der Abtei, nach dem der Ort eine Reihe von Straßen, bewohnt von Kaufleuten * Nach einem Vortrag zur Pfingsttagung des Hansischen Geschichtsvereins in Höxter 1952. 1 Die zuerst im „Liber jurium rei publicae Genuensis“, Aosta 1854/57, ver­ öffentlichten, also schon lange bekannten und verwendeten Notariatsakten des Johannes Scriba liegen nun in einer schönen und wesentlich vollständigeren Neuausgabe von Mario Chiaudano und Mattia Moresco vor: II cartolare di Giovanni Scriba, Turin 1935. St. Riquier = Nr. 415. 641 und 692. 2 Georges Durand: L’eglise de Saint-Riquier. Paris 1933. Hier weitere Litera­ turangaben. Eine richtige Geschichte der Stadt fehlt. — A. Le Seur: La ville de Saint-Riquier. Son origine, son extension, son declin (Bulletin de la Societe d’Emulation d’Abbeville 1944) ist unbedeutend. 1 Hansische Geschichtsblätter 2 Hektor Ammann (negotiantes) und verschiedenen Handwerkern, auf gewiesen haben muß*. St. Riquier nahm also teil an der wirtschaftlichen Blüte des Karolinger­ reiches, wurde aber dann von dem Normannensturm schwer getroffen und 879 völlig verwüstet. Aus dem 11. Jahrhundert haben wir Kenntnis vom Neubau der Kirche und 1100 ist die Rede vom oppidum Centula und vom forum Sancti Richarii. St. Riquier muß also frühzeitig von dem neuen wirtschaftlichen Aufschwung in Nordwesteuropa ergriffen worden sein und war spätestens um 1100 bereits ein richtiger Marktort. 1126 wurde ihm als erster Stadt in Ponthieu durch König Ludwig VI. eine Commune verliehen, die 1189 von Philipp August bestätigt wurde. Danach steht es fest, daß St. Riquier zu Anfang des 12. Jahrhunderts eine ansehnliche Stadt war. Ihre Wirtschaft muß auf der Tuchindustrie aufgebaut gewesen sein, wie gerade das Vorkommen ihrer Tuche in Genua 1158/60 belegt. Wir begegnen dann dem Tuch von St. Riquier noch einmal 1190 und 1204 im Handel der Genuesen auf den Messen von Frejus in der Provence, also wiederum im Mittelmeergebiet4. Von da an verschwindet es jedoch aus dem internationalen Handel, wenn auch St. Riquier sicher weiter Tuch hergestellt hat. Dieses ging nun aber unter dem Namen der weit größeren und ansehnlicheren Nachbarstadt Abbeville, die sich 1249/54 bereit­ erklärte, die draperies von St. Riquier in ihren Handel aufzunehmen und das 1302 noch einmal bestätigte5. Gegen Ende des Mittelalters ist die Stadt St. Riquier stark zurückgegangen und hat jede wirtschaftliche Bedeutung verloren. Das blieb bis zum heutigen Tage so. Aber einmal in der Frühzeit der mittelalterlichen Wirtschaftsblüte Europas hat St. Riquier etwas bedeutet und hat dem internationalen Handel Erzeug­ nisse von Ruf geliefert. Natürlich ist der Fall St. Riquier im 12. Jahrhundert kein Ausnahme­ fall gewesen, sondern nur einer von sehr vielen gleichartigen, den uns der Zufall der Quellenerhaltung gerade deutlich erkennen läßt. Das be­ weisen eine Reihe von weiteren Tuchhandelsnachrichten aus demselben Genueser Notariatsregister des Johannes Scriba: 1163 werden 7 Stück Tuch von St. Quentin nach Pisa ausgeführt, und 1164 begegnet ein ganzer Ballen Tuch von Paris in einem Nachlaß zu Genua, übrigens neben anderm, braunem Tuch (bruneta). Damit sind zwei weitere nordfran­ zösische Städte mit ihren Erzeugnissen am Mittelmeer nachgewiesen. Außerdem aber finden wir bei Scriba Nachrichten über den Handel mit farbigen Tüchern, grünen und wie eben erwähnt braunen, dann mit Sayen (sagie) und mit Scharlach; alle diese Sorten aber lernen wir nur wenige Jahre später als bezeichnende Erzeugnisse Nordwesteuropas kennen. So dürfen wir in den folgenden Fällen die Herkunft der Waren aus dem 3 Chronique de Saint-Riquier, ed. Lot. Paris 1894. S. 306. 4 Liber jurium rei publicae Genuensis 1/360 und 512. 5 A. Thierry: Recueil des monuments inedits de l’histoire du tiers etat. Bd. IV (Paris 1870) 69. Deutschland und die Tuchindustrie Nordwest-Europas im Mittelalter 3 Norden annehmen: 1156 gehen 8 Stück Saye von Genua nach Salerno, 1157 grünes Tuch (viridis) und Scharlach nach Übersee (Ultramare), d. h. nach dem genuesischen Sprachgebrauch des 12. und 13. Jahrhunderts nach Syrien, und schließlich 1160 ein Stück Scharlach nach Salerno6. Das alles sind kostbare Nachrichten! Sie zeigen, daß um die Mitte des 12. Jahrhunderts die Erzeugnisse der nordwesteuropäischen Tuchindustrie in Italien das Mittelmeer erreicht haben und über den italienischen Fern­ handel sogar die Levante. Nordwesteuropäische Tuche müssen damals im italienischen Binnen- und Außenhandel eine durchaus gängige Ware ge­ wesen sein. Sie war so wohlbekannt, daß die Italiener sogar -die Her­ kunft aus den verschiedenen Tuchstädten des Nordens durchaus kannten und die Tuche danach unterschieden. Es bestand also damals im euro­ päischen Nordwesten und zwar nach den Mittelmeerquellen besonders in Nordfrankreich eine Tuchindustrie mit Fernabsaty Sie hatte eine so weit­ gehende Differenzierung und Spezialisierung erreicht, daß der Kaufmann in dem 800 Kilometer entfernten Genua die Herkunftsorte völlig geläufig unterschied. Wir haben es in Nordwesteuropa um 1150 mit einer aus­ gedehnten, in einer zweifellos erheblichen Anlaufzeit groß gewordenen Industrie zu tun. Diese klaren Erkenntnisse aus dem ersten Genueser Notar erlauben es nun, mancherlei bisher in ihrer Vereinzelung schwer zu verwertende Nach­ richten in die neu erkannten Zusammenhänge einzugliedern. Wir sind jetzt berechtigt, auch in den von jenseits der Alpen kommenden Tuchballen (torselli lanei) des Genueser Zolltarifs um 1128, der aber wesentlich ältere Zustände widerspiegeln muß, Tuche aus Nordwesteuropa zu vermuten7. Dasselbe gilt von den weißen und blauen Tuchen, die 1153 Lucca von den jenseits der Alpen abgehaltenen Messen heimführt8. Und nicht anders wird es mit den farbigen Tuchen (panni de colore) und Sayen stehen, die 1174 im Handel der Italiener in Konstantinopel Vorkommen9. Wir können also die Tuche Nordwesteuropas im Mittelmeerhandel allgemein im 12. Jahrhundert feststellen; mancherlei aber spricht dafür, daß die Ein­ fuhr schon im 11. Jahrhundert begonnen haben muß. Bestimmt nach­ gewiesen sind dabei im Mittelmeerbecken bis zum Beginn des letzten Vier­ tels des 12. Jahrhunderts nur nordfranzösische Sorten. Diejenigen Flan­ 0 Scriba Nr. 1073 und 1212, ferner 73, 198 und 675. 7 Liber jurium rei publicae Genuensis I 23. — Grundlegende Erläuterungen dazu bei A. Schaube: Handelsgeschichte der romanischen Völker des Mittel­ meergebiets bis zum Ende der Kreuzzüge. München 1906. S. 65. 8 Godice diplomatico della republica di Genova I (1936) 238. Ed. Bautier nimmt in seiner aufschlußreichen Untersuchung über die Messen der Cham­ pagne (Recueils de la Societe Jean Bodin V: La Foire, Brüssel 1953. S. 105) an, daß diese Urkunde erst von 1253 stamme. Die Konsuln des Stücks stim­ men jedoch durchaus zu denen der ändern im Godice diplomatico zu 1153 abgedruckten Stücke, darunter auch solchen mit originaler, nicht kopialer Überlieferung. • Codice diplomatico I 96. l * 4 Hektor Ammann derns begegnen in den wenigen überlieferten genauen Nachrichten ebenso­ wenig wie die Englands, und das trot$ des Verkehrs der Italiener auf den Messen von Ypern bereits 1127. Ob das nur Zufall ist, kann nicht ent­ schieden werden; ich halte es aber für wahrscheinlich. Gerade die am Mittelmeer auf tauchenden Scharlache und ebenso die Sayen stammen wohl aus Flandern, die ersteren aus Douai oder Arras, Ypern oder Gent, die letzteren aus Brügge oder Tournai. Eine Umschau über die freilich herzlich wenigen Aufschlüsse über den Tuchhandel im Gebiet der Nord- und Ostsee im 12. Jahrhundert unter­ streicht diese Wahrscheinlichkeit. Eine umstrittene Nachricht führt viel­ leicht 1137 nach Nowgorod, dem großen Handelsplatj in Nordwestnißland; die dortigen Kauf leute verpflichteten sich damals zur alljährlichen Schen­ kung eines Tuches von Ypern an ihre Kirche10. Damit tritt nun auch die Tuchindustrie von Flandern in unseren Gesichtskreis, und zwar ebenso fortgeschritten, da auch hier die Tuchsorten nach den einzelnen Städten unterschieden werden. Im gleichen Jahre 1137 sind übrigens die Leute aus Arras und Flandern auf den Messen der Champagne in Provins nachzu­ weisen, offenbar schon als gewohnte Gäste. In einer weiteren Messestadt, in Troyes, besitzen 1164 die Kaufleute von Hesdin und Eu — beide übrigens nicht weit von St. Riquier entfernt! — eine besondere Halle zum Verkauf ihrer Tuche. Das flandrische Tuch geht also auch nach dem zen­ tralen Austauschplatze Frankreichs n. Wir begegnen ihm ferner auf dem Wege nach Osten, nach Deutschland. 1173 errichtete Friedrich Barbarossa Märkte in Aachen und Duisburg für die Flandrer, wo der Handel mit Tuch sich ähnlich wie bisher schon in Köln ab wickeln sollte. Tatsächlich hat auch schon 1169 der Erzbischof von Köln vorgesehen, daß seine Dienst­ leute für eine Romfahrt mit dem Kaiser je 40 Ellen Scharlach erhalten sollten12. Weiter hören wir 1130 von der Anwesenheit von Kaufleuten (mercatores) des Grafen von Provins am Zoll zu London; diese Kaufleute aus der Champagne sind zweifellos nur durch die Tuchindustrie der Champagne nach London geführt worden, sei es zum Einkauf von Wolle, sei es zum Verkauf ihrer Tuche oder für beides zusammen1S. Schließlich liegt von 1171 eine Nachricht vor, nach der norwegische Seeräuber zwei englische Schiffe mit Tuchladungen weggenommen haben. Auch die eng­ lische Tuchindustrie ist also dadurch mit Ausfuhrware belegt14. Damit haben wir um die Mitte, ja teil v/eise schon in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts und selbst noch früher (Genua!) die Erzeugnisse der 10 Pirenne und Eck in der Revue Beige de Philologe et d’Histoire IX/563, bzw. X/591. — Über die Zuverlässigkeit dieser Nachricht vgl. Anm. 48. 11 H. Laurent: Choix de documents inedits pour servir ä l’histoire de l’expansion commerciale des Pays-Bas en France. Bulletin de la Commission Royale d’Histoire 98 (1934)/341 und 343. 12 Hansisches UB I 13. — Regesten EB Köln II 914. 13 The Pipe Roll of 31 Henry I. (1130). London 1929. S. 144. 14 E. Carus-Wilson in Cambridge Economic History II (1952)/370.

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