HANSISCHE GESCHICHTSBLÄTTER HERAUSGEGEBEN VOM HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN 110. JAHRGANG 1992 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN Zuschriften, die den Aufsatzteil betreffen, sind zu richten an Herrn Prof. Dr. Klaus Fried land, 2305 Heikendorf, Kreienhok 1. Besprechungsexemplare und sonstige Zuschriften wegen der Hansischen Umschau an Herrn Dr. Volker Henn, Universität Trier, Fachbe reich DI, Postfach 3825, 5500 Trier. Manuskripte werden in Maschinenschrift erbeten. Korrekturänderungen, die einen Neu satz von mehr als einem Zehntel des Beitragsumfanges verursachen, werden dem Verfasser berechnet. Die Verfasser erhalten von Aufsätzen und Miszellen 20, von Beiträgen zur Hansischen Umschau 5 Sonderdrucke unentgeltlich, weitere gegen Erstattung der Unko sten. Die Lieferung der Hansischen Geschichtsblätter erfolgt auf Gefahr der Empfänger. Ko stenlose Nachlieferung in Verlust geratener Sendungen erfolgt nicht. Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Eintritt in den Hansischen Geschichtsverein ist jederzeit möglich. Der Jahresbeitrag be läuft sich z. Zt. auf DM 40 (für in der Ausbildung Begriffene auf DM 20). Er berechtigt zum kostenlosen Bezug der Hansischen Geschichtsblätter. — Weitere Informationen gibt die Geschäftsstelle im Archiv der Hansestadt Lübeck, Mühlendamm 1-3, 24 Lübeck. HANSISCHE GESCHICHTSBLÄTTER HERAUSGEGEBEN VOM HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN 110. JAHRGANG 1992 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN REDAKTION Aufsatzteil: Prof. Dr. Klaus Friedland, Kiel Umschau: Dr. Volker Henn, Trier Für besondere Zuwendungen und erhöhte Jahresbeiträge, ohne die dieser Band nicht hätte erscheinen können, hat der Hansische Geschichtsverein folgenden Stiftungen, Verbänden und Städten zu danken: Possehl-Stiftung zu Lübeck Freie und H ansestadt H amburg Freie H ansestadt Bremen FJansestadt Lübeck Stadt K öln Stadt Braunschweig Landschaftsverband Westfalen-Lippe Landschaftsverband Rheinland ISSN 0073-0327 Inhalt Eröffnungsrede und Schlußwort zur letzten Tagung der Hansischen Arbeitsgemeinschaft in der DDR. Von Eckhard Müller-Mertens (Berlin) .................................. V Aufsätze Musik an Bord im hansischen Raum. Von David V. Proctor (Rochester) ................................................................................................... 1 Zur Bildung des Kaufmanns und Seefahrers in Nordeuropa. Zwei Texte des 13. Jahrhunderts. Von Gerhard Rösch (Kiel) ............ 17 Wismar, Rostock und Heinrich II. von Mecklenburg 1310/4 nach der Reimchronik Ernst von Kirchbergs (1378). Von Werner Knoch (Preetz) .......................................................................................... 43 Bericht Zur Rückführung der Lübecker Archivbestände aus der ehemali gen DDR und UdSSR 1987 und 1990. Von Antjekathrin Graß mann (Lübeck) .......................................................................................... 57 Hansische Umschau In Verbindung mit Norbert Angermann, Detlev Ellmers, Antje kathrin Graßmann, Rolf Hammel-Kiesow, Elisabeth Harder- Gersdorff, Erich Hoffmann, Petrus H.J. van der Laan, Herbert Schwarzwälder, Hugo Weczerka und anderen bearbeitet von Volker Henn. Allgemeines ................................................................................................. 71 Schiffahrt und Schiffbau ........................................................................ 88 Vorhansische Zeit ................................................................................... 100 Zur Geschichte der niederdeutschen Landschaften und der be nachbarten Regionen ............................................................................... 109 Westeuropa ................................................................................................. 153 Skandinavien ............................................................................................... 161 Osteuropa ................................................................................................... 172 Autorenregister für die Umschau ......................................................... 187 IV Inhalt Mitarbeiterverzeichnis für die Umschau ......................................... 188 Für die Hanseforschung wichtige Zeitschriften (Abkürzungsver zeichnis) ....................................................................................................... 193 Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein Satzung des Hansischen Geschichtsvereins .................................... 195 Jahresbericht 1991 ................................................................................... 198 Aussprache über die Vorträge bei der 107. Jahresversammlung 201 Liste der Vorstandsmitglieder des Hansischen Geschichtsvereins 203 ERÖFFNUNGSREDE UND SCHLUSSWORT ZUR 35. (LETZTEN) JAHRESTAGUNG DER HANSISCHEN ARBEITSGEMEINSCHAFT IN DER DDR1 ZUGLEICH DER ERSTEN GESAMTDEUTSCHEN HISTORIKERTAGUNG NACH FALL VON MAUER UND GRENZEN von ECKHARD MÜLLER-MERTENS ERÖFFNUNG Geehrte und liebwerte Teilnehmer der Hansischen Tagfahrt 1990 nach Magdeburg, meine Damen und Herren! Die 35. Jahrestagung der Hansischen Arbeitsgemeinschaft steht unter dem Generalthema „Hanse — Verfassung und Recht“. Sehr herzlich begrü ße ich den Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg, Herrn Dr. Polte. Ein besonderer Gruß gilt unseren ausländischen Gästen, Vortragenden und Teilnehmern aus Lettland, den Niederlanden, Österreich, Norwegen, Polen und Schweden. Mit Freude begrüße ich Teilnehmer aus ganz Deutschland, insbesondere Vorstandsmitglieder und Mitglieder des Hansischen Ge schichtsvereins. Die 35. Jahrestagung ist die erste Hansetagung oder die erste Tagung von Historikern überhaupt, auf der sich Historiker aus dem ganzen Deutsch land ohne Mauer und ohne staatliche Grenzen begegnen und zusammen das wissenschaftliche Programm einer Tagung gestalten. Mit der Beendigung der Zweistaatlichkeit Deutschlands entfallen die Be dingungen, Erfordernisse, Zwänge für eine gesonderte Organisation für hansische Geschichte in der DDR, wie sie in der Hansischen Arbeitsge meinschaft seit 1955 bestanden hat bzw. besteht. Im Umstand der neuen staatlichen Einheit Deutschlands nach 45 Jahren, des deutschen Vereinheit lichungsprozesses und des Prozesses der europäischen Einigung stellt sich die Frage und hat sich die Frage gestellt nach einer entsprechenden Wieder herstellung, einer entsprechenden Erneuerung und Neugestaltung der han segeschichtlichen Vereinstätigkeit in ganz Deutschland, mit einem inzwi schen traditionellen, zu forcierenden europäischen Bezug. 1 Die Tagung fand vom 31. Oktober bis 2. November 1990 in Magdeburg statt. VI Die Hansische Arbeitsgemeinschaft war zuletzt 1980 in Magdeburg ver sammelt. Sie handelte über die progressiven Wirkungen der städtischen Au tonomie und ihre Grenzen, ein Thema, das mit dem diesjährigen korre spondiert. Verfassungs- und rechtsgeschichtlichen Fragen waren seitdem die Tagungen 1982 in Berlin „Hansestädtisches Bürgertum — Landstände - Reichsstände“ und 1988 in Rostock „Städtehanse — Territorialfürstentum — Reichsgewalt im Mittelalter und früher Neuzeit“ gewidmet. Magdeburg war 1965 Schauplatz der 81. Jahresversammlung des Hansi schen Geschichtsvereins. Die gesamtdeutsche PfingstVersammlung 1965 in Magdeburg wird wahrscheinlich künftig in viel stärkerem Maße oder über haupt erst als ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte der deutschen Geschichtsvereine und historischen Verbände erscheinen, als es gegenwärtig im Bewußtsein ist. Ich wüßte nicht, daß nach dem Mauerbau 1961 irgendei ne historische Vereinigung eine gesamtdeutsche Tagung in einem gemeinsa men organistorischen Rahmen und im wissenschaftlichen Konsens durch geführt hätte. Der Hansische Geschichtsverein hat in seiner Geschichte vorher nur ein einziges Mal in Magdeburg getagt. Das war im Jahre 1903. Ich möchte die Tagung mit dem Wunsch eröffnen, daß der Hansische Geschichtsverein alsbald wieder eine Pfingstversammlung in Magdeburg durchführt und in der alten Hansestadt und neuen Landeshauptstadt einen freundlichen Gast geber und Partner findet. Magdeburg, am 31. Oktober 1990 Eckhard Müller-Mertens SCHLUSSWORT Verehrte Damen, meine Herren! Die 35. Jahrestagung wird die letzte Jahresversammlung der Hansischen Arbeitsgemeinschaft gewesen sein. Mit der Auflösung der Historiker-Ge sellschaft der DDR wird die Hansische Arbeitsgemeinschaft aufhören zu bestehen. Nach dem Umbruch in der DDR und der staatlichen Vereini gung Deutschlands wird der traditionelle, 1870 gegründete Hansische Ge schichtsverein allen Interessenten offen stehen, wird der Hansische Ge schichtsverein auf der Vereinsebene die deutsche Hanseforschung bzw. han sische Vereinstätigkeit wieder insgesamt repräsentieren. Was seitens der Hansischen Arbeitsgemeinschaft als Substanz, als Innovation, Struktur oder als Empfehlung eingebracht werden kann oder könnte, darüber wird abschließend noch zu verhandeln, zu beraten und zu vereinbaren sein. Es ist unter den immer schwerer und bedrückender werdenden politi schen Umständen der Jahre 1968 bis 1970 nicht gelungen, die gesamtdeut sche Vereinsstruktur zu wahren oder den gesamtdeutschen Zusammenhalt mittels einer gemeinsamen internationalen Organisation zu erhalten. Die schließlich am 17. März 1970 durch Dekret erzwungene Trennung* — si cher nicht zufällig zwei Tage vor dem Treffen von Willi Brandt und Willi Stoph in Erfurt — war mit einer Verletzung der Partner im Hansischen Geschichtsverein durch uns verbunden, die ich sehr bedauere. Sie war zu gleich verbunden mit der eigenen, mit unserer Demütigung, Verletzung, Maßregelung, so lange an der besonderen innerdeutschen Beziehung festge halten, immer weiter ein gesamtdeutsches Vereinsverhältnis vertreten zu haben. Die Hansische Arbeitsgemeinschaft, die 1955 bis 1970, also fünfzehn Jah re, im Rahmen und als Glied des Hansischen Geschichtsvereins bestand, sich seit 1970, also zwanzig Jahre, als Fachverband der Historiker-Gesell schaft fortsetzte, bedarf ihrer künftigen forschungsmäßigen Darstellung und Würdigung. Unter den deutschen historischen Vereinen und Gesell schaften der Nachkriegszeit nimmt sie eine besondere, jedenfalls zeitweise, wenn nicht im ganzen einzigartige Stellung ein. Diese stellt sich komplex und differenziert dar, insbesondere auch, weil die Hansische Arbeitsge meinschaft in ihrer Tätigkeit und ihren Verhältnissen von 1955 bis 1990 von sehr verschiedenen gleichzeitigen, sich sowohl überschneidenden wie einander entgegengesetzten politischen Intentionen, Interessen und Motiva tionen bestimmt erscheint. * Vgl. die „Dokumentation“ HGbll. 89, 1971, 266 ff. (Hinweis der Red.) VIII Es liegt mir bei der Verabschiedung am Herzen, über Aspekte und In tentionen zu sprechen, die meiner eigenen Tätigkeit als Vorsitzender in den letzten beiden Jahrzehnten zugrunde lagen, über persönliche Aspekte und Intentionen, die sich im übrigen in der gehandhabten Praxis wie in der Positionierung und Präsentation der Hansischen Arbeitsgemeinschaft äußern, verfolgen und feststellen lassen. In der zwanzigjährigen Tätigkeit im Rahmen der Historiker-Gesellschaft wurde die Hansische Arbeitsgemeinschaft in Distanz zur Historiker-Gesell schaft gehalten. Es wurde bewußt und gewollt Distanz praktiziert, Autono mie in Anspruch genommen und in einem entscheidenden Maße behaup tet und betrieben. Das führte wiederholt zu Auseinandersetzungen mit dem Büro, das heißt der Leitung, dem Präsidenten und zuständigen Vize präsidenten der Historiker-Gesellschaft, zum Teil heftigen Streitfällen und Behauptungskämpfen. Es bestanden dauerhafte Unstimmigkeiten in der Sa che. Nachdrücklich wurde auf eine vereinsrechtlich demokratische Verfassung der Arbeitsgemeinschaft Wert gelegt. Die Hansische Arbeitsgemeinschaft hatte eine eigene Satzung, sie hatte eine Mitgliederversammlung, welche den Vorstand wählte, welcher die Tagungsvorhaben und die Veröffentlichungen zur Beschlußfassung vorgelegt wurden und welcher der Vorstand alljährlich Rechenschaft ablegte. Diese Prozedur und die in den achtziger Jahren nur wenig besuchte Mitgliederversammlung mochten in den gegebenen Um ständen viele als formalen Akt und Floskel verstanden haben. Sie waren für mich und für andere Vorstandsmitglieder unverzichtbare Akte der un abdingbaren demokratischen Legitimation. Darüber wurde wiederholt ei gens und entschieden auf Mitgliederversammlungen und auf Vorstandssit zungen gehandelt. Entschieden und unablässig war die Hansische Arbeitsgemeinschaft auf Internationalität bedacht. Sie wurde in ständigen Auseinandersetzungen und Reibereien durchgesetzt und behauptet, da die Hansische Arbeitsge meinschaft den bestehenden Organisationsstrukturen nach nicht für die internationale Arbeit zuständig war und sein sollte. So war von Tagung zu Tagung die internationale Beteiligung, die Beteiligung auch aus der Bun desrepublik neu zu verhandeln. Die Beteiligung aus der Bundesrepublik wurde überhaupt erst 1979 wieder genehmigt und von da an kontinuierlich Jahr für Jahr in stark zunehmenden Maße praktiziert. Auf den zwanzig Tagungen der Jahre 1970 bis 1989 wurden nach Programm 224 Vorträge gehalten. Davon wurden 107 von Referenten aus der DDR erbracht, 117 — also mehr als die Hälfe — von Vortragenden von außerhalb der DDR bestritten. 64 von ihnen kamen aus sozialistischen Ländern, 53 aus dem westlichen Ausland und der Bundesrepublik. Internationalität und offener West-Ost-Dialog bestimmten das geistige und wissenschaftliche Klima der Tagungen. Einbezogen in die Tagungen wurden Studenten, ganz wesentlich mit der erzieherischen Absicht, sie an diesem Klima teilhaben zu lassen.