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Gustav Adolf ZWANZIGER PDF

18 Pages·2008·8.45 MB·German
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©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at Carinthia II 183./103. Jahrgang S. 303-320 Klagenfurt 1993 Gustav Adolf ZWANZIGER (1837-1893) Naturwissenschafter und Bohemien Von Marianne KLEMUN Mit 7 Abbildungen Gustav Adolf ZWANZIGER (1837—1893)1) — Mooskundler, Paläobotani- ker, Journalist, Übersetzer und Gartenbaufachmann, Darwinist, Antikle- rikaler, Lebenskünstler und Original, Junggeselle und Genießer - war eines ganz besonders, Botaniker mit „Leib und Seele", und das alles mit einem unverwechselbaren Humor, der uns in seinen nachgelassenen Papieren immer wieder begegnet. Das reichhaltige, aber heterogene, heute in der Bibliothek des Kärntner Landesmuseums aufbewahrte Quellenmaterial2), bestehend aus Aufzeichnungen, Exzerpten, Familien- dokumenten, Tagebüchern3) und Abschriften von ZWANZIGERS Brie- fen4), macht es dem Biographen nicht leicht. Abgesehen von der kaum zu bewältigenden Fülle bleibt man, wegen der Faszination, die ZWANZI- GERS unkonventionelle Persönlichkeit ausstrahlt, nur allzu gerne am bio- graphischen Detail hängen. Dieser Aspekt ist aber insofern von besonde- rem Interesse und steht auch im Mittelpunkt der folgenden Ausführun- gen, weil ZWANZIGER als Außenseiter des damaligen Wissenschaftsbetrie- bes, als labile, gleichzeitig aber als produktive und kreative Wissenschaftspersönlichkeit, mit seiner Abneigung gegen jede Konfor- mität und Hierarchie einen Weg beschritt, der ihn sozial und materiell an den Rand jener Gesellschaft drängte, an deren geistiger Elite er eigent- lich hätte teilhaben sollen. Künstlern wird eine derartige Existenz als Klischee eher zugeschrieben, für den Naturwissenschafter scheint sie in der Regel unvorstellbar oder unbekannt. Gustav Adolf ZWANZIGER „erblickte", wie er seine „Selbstbiographie" ironisch eröffnet, im Schloß Neuhof bei Neustadtl (Krain, Slowenien) „am 29. Juli 1837 zum ersten Male (!) das Licht der Welt"5). Sein Va- ter, Johann Georg, entstammte einer Erlanger Bierbrauersfamilie und war als Beamter der k. k. vereinigten Hofkanzlei zunächst bei der nieder- österreichischen Steuerregulierungskommission und ab 1832 als „Cata- stral-Schätzungs-Commissär"6) unter anderem in Krems, Wien und Krain tätig. Im Jahre 1821 vermählte er sich mit Rosina PETER, der Tochter eines „Militär-Verpflegs-Oberbackmeisters" aus Wiener Neu- stadt7), und hatte drei Kinder, Ignaz, Josef und Gustav. Gustavs Vater, der einen überdurchschnittlichen Bildungsgrad aufwies 303 ©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at Abb. 1: Foto aus „Gedenk- buch der Tafelrunde des Naturh. Museums in Klagenfurt mit 63 Porträts v. Mitglie- dern aus der Zeit um 1900", Naturwissen- schaftlicher Verein für Kärnten. und von dem auch eine publizierte Arbeit über die „vorteilhafteste Benüt- zung öder, bis jetzt unkultivirt gelegener Gründe"8) erhalten ist (ein Beispiel für dessen Profilierung im Rahmen seines Berufes), konnte auf Gustavs geistige Entwicklung kaum mehr prägend wirken, da er zu früh, im Jahre 1842, gestorben war. Entscheidenden Einfluß übte auf Gustav sein um 15 Jahre älterer Bruder Ignaz aus. Ignaz (1822-1853)9) war von Beruf Beamter, interessierte sich sehr für die Naturwissenschaften und hatte sogar ein „Handbuch der Schmetterlingskunde, der vaterländi- schen Jugend gewidmet"10), das mehrmals aufgelegt wurde. Gustav ZWANZIGER erinnert sich an seine Schulzeit: „Ich hatte niemals Freude an den Spielereien, mit denen sich die Anderen beschät- tigtcn, und die mir zu kindisch schienen. Dafür hatte ich eine ganze Menagerie von hölzernen Thieren, die mir meine Mutter noch und noch zusammenkaufte /. . ./ Vor meinem Bruder Ignaz hatte ich überhaupt eine gewaltige Ehrfurcht, die er mir schon durch sein Alter und theilweise durch seine mannigfaltigen Kenntnisse einflößte. Er hatte einen Kasten voller Bücher, in die ich mich oft ganz vergrub, beschäftigte sich mit Käfern und anderen Insecten, von der er : eine hübsche Sammlung zusammenbrachte. /. . ./ Auch ich legte mir meine Käfer- sammlung an u. sammelte besonders fleissig auf der Tirkcnschanze (!), und dem Gallizinberge, /. . ./ Es ist beachtenswert, daß ich die Namen der Insecten, ob- wohl ich mich späterhin nicht mehr damit befaßte, doch nicht vergessen konnte, was mir offenbar sehr zu Gute kam und meinen Blik für natürliche Verwandt- schaft schärfte."") Nach dem Tode des Vaters war Gustavs Mutter mit ihren drei Kindern von Neustadt in Krain zu ihren Eltern nach Wien gezogen, wo Gustav in der Josefstadt die Trivialschule und ab 1847/48 das Piaristengymnasi- 304 ©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at um besuchte. Auch in dieser Zeit sorgte der ältere Bruder Ignaz für eine über die Schule hinausgehende Förderung Gustavs: „Afein Bruder Ignaz wohnte in der Luftschützgasse, wo ich ihn oft besuchte. Dort waren vor den Fenstern eines Hauses vergittert Käfige mit Schlangen und Reptilien aller Art, die ich stets wieder mit Staunen betrachtete. Es war Hrn ERBKRS lebende Amphibiensammlung. Weisse Mäuse, die mir gar gut gefielen, fehlten auch nicht dabei. /. . ./ Ignaz unterrichtete mich im Deutschen (nach ; HEYSE), Französischen (nach MACHAT), Tirkischen (nach der franz. Sprachlehre . :. v. PFIZMAIER), und auch im Sanskrit nach BOPP, das ich vollkommen fließend las und auch teilweise verstand, aber gänzlich vergessen habe. Er plagte sich über- haupt ziemlich mit mir und es ist zu bedauern, daß wir stehts nur wenig Zeit beieinander sein konnten. Den Keime der Lernlust legte er aber offenbar in mir.'"2) i Gustav Adolf ZWANZIGERS Aufgeschlossenheit für die schöne Literatur — er las später unter anderem besonders gerne GOETHE, SCHOPENHAUER, PLATEN, FREILIGRATH und HACKLÄNDER — wurde ebenfalls schon früh, nämlich in der Bibliothek seines Vormundes, geweckt: ,,/m hintersten Zimmer standen zwei Bücherkästen, aus denen ich meine erste Kenntnis der schöngeistigen Schriftstellerei schöpfte. Es waren zwar meist Schrif- ten von Vereinen zur Verbreitung guter katholischer Schriften, gedruckt bei den Mechitaristen, die mir schon damals zu langweilig zu lesen waren. Dafür gab es den ganzen KOTZEBUE, die Geheimnisse von Paris, die ich schon in so zartem Alter las, und, wie ich glaube, mit geringem Schaden für meine Sittlichkeit /. . ./ •:'•''• Ich las ungeheuer viel und verschlang Alles, ohne Auswahl, was mir eben unter die Hände kam."") Abb. 2: Tagebuch G. A. ZWANZIGERS (Nachlaß ZWANZIGER, Bibl. des Landesmuseums für Kärnten). 305 ©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at Gustavs Mutter konnte sich nach dem Tode ihrer Eltern das Leben in der Großstadt nicht mehr leisten, sie zog von Wien weg, und Gustav mußte das „Studium" abbrechen und sich eine Arbeit suchen. Seinen bereits stark ausgeprägten Interessen folgend entschied er sich für die Gärtnerlehre, die er 1851-1854 im gräflich HARRACHSchen Garten zu Aschach in Oberösterreich absolvierte14). Als „Gärtnergehilfe" im „k. k. Pflanzengarten zu Schönbrunn"15), der wohl bedeutendsten Ausbil- dungsstätte für Gärtner, arbeitete er weitere zwei Jahre und beim Han- delsgärtner Ludwig ABEL sieben Monate16). Bereits zu dieser Zeit verfaß- te ZWANZIGER einen ersten Aufsatz über die „Dreissigste Ausstellung der k. k. österr. Gartenbaugesellschaft in Wien" (1855), bei der sein Chef den ersten Preis erlangt hatte.17) In der Hoffnung auf eine intellektuell anspruchsvollere Tätigkeit bemüh- te er sich um eine berufliche Veränderung. Durch Vermittlung von Bekannten erhielt er im Jahre 1857 den Posten eines „Diurnisten" bei der Polizeidirektion in Salzburg. Was ZWANZIGER von der Polizei hielt, illustriert ein an BARTSCH gerichteter Brief, in dem er auf Überschwem- mungen Bezug nimmt: „Du bist also nicht ersoffen. Schade! Ich freute mich schon so auf Deine auf mich übergehenden Moose! u. nun schreibt der Kerl wieder daß ihm das Wasser nichts gemacht. Ich hoffte schon zuversichtlich darauf, bei deiner so außerordent- lichen Fristversäumnis / betrifft den Pflanzentausch /. Jetzt weil ich so genau einhalte, ergibst Du dich der Liederlichkeit. - Hier hat das Wasser nichts ge- macht, obwohl das Flußbett zum Überlaufen voll war u. das hat die Polizei ver- hindert! weil der Hr. Regierungsrat in der gefährlichsten Nacht die Überwa- chung des Flusses durch die Polizei anordnete, worüber natürlich der Fluß es nicht mehr wagte, seine vorgeschriebenen Grenzen zu überschreiten, in der Pro- vinz herrscht noch Achtung vor uns, sogar die Elemente gehorchen. ~"18) Die Aufgabe, Meldezettel auszustellen, brachte ZWANZIGER nicht die er- wartete berufliche Erfüllung19), aber sie bot ihm doch hinlänglich einen Freiraum, sich ganz seiner Lieblingsbeschäftigung zu widmen. Existenz- sorgen, die ihn sein ganzes Leben begleiten sollten, stellten sich aller- dings sogleich ein, denn mit dem kärglichen Gehalt von 10 Gulden monatlich konnte er kein Auslangen finden. Diesbezüglich notiert er beispielsweise in sein Tagebuch: „Der heutige Tag fangt gut an. In aller Frühe bekomme ich einen Mahnbrief vom Schneider HOFFMANN U. ich habe kein Geld ihn zu bezahlen. Daß gepaart mit Husten und Schnupfen, versetzt mich in eine ungeheuer liebenswürdige Laune, die durch die interessante Arbeit des Meldezetteleintragens noch gestei- gert wird."20) Der Umstand, daß sich ZWANZIGER anläßlich einer Exkursion seine einzi- ge Hose zerriß21), zeigt wie sich eine Banalität zu einem wirklich prekä- ren Ereignis entwickeln konnte. Er schreibt an seinen Freund HOLZINGER: „Bester Freund! Sie haben mich durch Ihre Sendung freudigst überrascht, /. . ./ Die Hose taugt mir prächtig u. Sie haben mir dadurch wieder Ausflüge ermög- licht, deren Früchte natürlich auch Sie mitgeniessen. Lieber Freund! Ich bin kein Liebhaber von Lamentos u. gehe selten näher auf das Detail meines Elends ein, wenn ich auch meinen nächsten Bekannten im Allgemeinen andeute, daß es mir nicht glänzend geht. Doch Ihnen muß ich sagen, daß es gewiß traurig ist, wenn man in seinem 25. Jare nicht einmal im Stande ist sich eine Hose zu verdienen u. eine Menge Esel (die in aller Bescheidenheit, nicht würdig sind mir die Schuh- 306 ©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at riemen aufzulösen u. denen ich an Wissen, Kenntniß, Geschicklichkeit u. Geist tausendmal überlegen bin) vor mir sehe u. ich es auch noch nicht zum gering- sten Teile eines ordentlichen Menschenlebens gebracht habe. Ich weis wol, wo- ran das liegt, da ich eben ganz allein in der Welt stehe u. sich Niemand um mich bekümmert. /. . ./Im Anfange hatte ich 10 ß, dann 15. u. bin jetzt auf dem Culmi- nationspunct von 20 ß. ö. W. angelegt, wie man also damit leben kann, können Sie sich ein Bild entwerfen, da die Billigkeit in Salzburg schon eine längst ver- klungene Sage ist, gleich der von dem Untersbergmandle. Letzten Mai erhielt ich also meine 20 ß. u. mußte, wo ich wohne 18 ß. für Wohnung und Kost za- len (übrigens sehr billig), was also für Kleidung u. anderwertige Bedürfnisse übrigbleibt, können sie sich ausrechnen. Bei obiger Kost ist selbstverständlich daß ich früh und Abends nur Brod fresse u. von Cigarren, Bier u. dgl. Eitelkei- ten der Welt keine Rede sein kann. Monatlich rauche ich 4 Pakel Tabak, mehr kann ich doch nicht sparen? täglich Abends eine Pfeife. Ich kann auch für Staats- öconomen als Beispiel dienen, da ich (Sagen Sie es Niemandem, denn Armut ist das größte Verbrechen der Welt) drei Vierteljahre ununterbrochen ausschliesslich von Brod und Wasser gelebt u. zwar im Winter in einem ungeheizten Zimmer ohne Veränderung meines Wohlbeßndens. Es hat mich nur moralisch aber nicht besonders physisch angegriffen. /. . ./ Doch genug hiervon, ich glaubte nur Ih- nen ein kleines Bild meiner Lage entwerfen zu müssen, damit Sie mich nicht für einen schlechten Wirtschafter halten. Der Gulden, den Sie mir in Ihrter Güte schickten, ist dazu bestimmt, das Porto für die nächste Woche ankommenden lezten Centurien von SCHULTZ Herbar.norm. zu decken."22) Im Tagebuch dieser Zeit finden sich dieselben Angaben. So heißt es unter anderem „Abends wieder zu Hause, das Sparen beginnt23) oder „Einen ganzen Strutzen gefressen, es wird nicht mehr lange gehen ohne Fleisch, ich werde schon ziemlich schwach"24). Einige Monate später meint ZWANZIGER resümierend: ,,16/XII. Brief an BARTSCH. Nachmittags zu Hause. Die Laubmoose Salzburgs für das Museum sind auf 110 Blätter aufgeklebt. Es ist merkwürdig mit wie Abb. 3: Tagebuch G. A. ZWANZIGERS (Nachlaß ZWANZIGER, Bibl. des Landesmuseums f. Kärnten). 307 ©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at wenig Narung man sich erhalten kann, ich kann dieß bei mir am besten beobach- ten, früher brauchte ich täglich einen Strutzen, jezt kann ich nur mehr einen halben erzwingen, besonders ekelt mir schon vor dem ewigen Brote, weil es fast ungesalzen ist. Es heißt wol, der Mensch lebt nicht allein vom Brote, sondern auch von jedem Worte das aus dem Munde Gottes kommt, doch kommt mir lezteres nicht sehr nahrhaft vor, ich möchte lieber Fleisch haben. Trotzdem mei- ner schmälichen Kost fange ich an viel Fleiß zu entwikeln u. machte mir heute einen Plan über die künftig von mir auszuarbeitende Moosflora Salzbgs. "25) In den Tagebuchaufzeichnungen ZWANZIGERS spielen Notizen über seine Ausgaben eine große Rolle, weil die schlechte finanzielle Situation sein ganzes Handlungsfeld bestimmte und ihn stark einschränkte. Da er ger- ne über die Stränge schlug, war sie eine Methode, sich zum Sparen zu disziplinieren. Hatte er sich durch den Verkauf von Herbarien zusätzlich einmal Geld verdient, so wurden zwar die Schulden getilgt, aber der Rest sofort ausgegeben: „SCHLEIDEN'S Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik um 11 f 12 Xer ge- kauft. Dann einen Meerschaumspiz um 3 il als Geschenk für KEIL. Abends bei SAUTER U. beim HIRSCHEN"26) „Brief an BARTSCH. Abends beim Loisl. An Neujahr Trinkgelder ausgegeben: 4 Viertelgulden an die Kellnerin Fanni zur Kugel, jeder meiner zwei Schachteln einen Zwanziger und Schenner 1/4 fl. Ziemlich liederlich gewesen. "") Unzählige weitere Beispiele könnten angeführt werden, jedenfalls sollte er sich sein Leben lang aus diesem Dilemma nicht mehr befreien können. Was ZWANZIGER in Salzburg hielt, waren sein Freundeskreis und die Tatsache, daß er es im Büro mit seinen Dienstpflichten und Anwesen- heitszeiten nicht so ernst nehmen mußte: „Aus Anlaß, daß ich mir gestern Abends von meinen ohnehin zerlumpten linken Stiefel den Absatz wegriß, zu Haus geblieben, Halsweh vorschützend. Meine neuen Stifletten bekommen. Nachmittags bei SCHWARZ, er bekam die Bryolog. von RABENHORST."28) „Vormittags auch noch nicht in die Kanzlei gegangen, jedoch nachmittags. Die Sendungen für SCHWARZ an MII.DE und JURATZKA auf die Post gegeben.'™) oder: „Bedeutender Katzenjammer. Um dem abzuhelfen bei der HOLLE vormit- tags."30) Seiner laxen Auffassung vom Einsatz im Büro ist ein gewissenhaftes, kontinuierlich diszipliniertes Arbeiten an seinem Herbar gegenüberzu- stellen. Ansporn dazu hatte er besonders von den bald zu seinen Freun- den zählenden Salzburger Botanikern Anton SAUTER und Cornelius SCHWARZ erhalten. Durch beide wurde ZWANZIGERS Interesse für Laub- moose geweckt31). Die mit dem Jahre 1858 beginnende Abschrift seiner Korrespondenz beweist die Tatsache, daß ZWANZIGER bereits zu diesem Zeitpunkt in Beziehung zu den verschiedensten Botanikern seiner Zeit, besonders zu international bedeutenden Mooskundlern, stand; zu ARNOLD in Eich- stätt, SCHIMPER in Straßburg, KREMPELHUBER in München, HEUFLER, FRAU- ENFELD und JURATZKA in Wien, MILDE in Breslau, DE NOTARIS in Genua, um nur einige zu nennen. Später korrespondierte er mit amerikanischen Wissenschaftern (wie etwa zu HENRY in Washington, SULLIVANT in Ohio, ASA GRAY in Cambridge), er war der erste Botaniker in Kärnten, der außereuropäische Kontakte pflegte. Dieser Austausch förderte seine 308 ©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at Arbeit und natürlich auch seinen Herbarzuwachs. Zu diesem Zeitpunkt hatte ZWANZIGER bereits ein Herbar mit folgendem Umfang: „Es sind 14 Pake! jeder 1 Schuh hoch! in grossem Formate u. alles auf Sedez- Octav-Quartblättern u. halbe Bögen aufgeklebt u. was für Exemplare! Du kannst dir davon einen Begriff machen, da du weißt, daß die schönsten Ex. von SCHWARZ in meine Sammlung wanderten. Von den Arten der Synopsis fehlen mir 50.iC3Z) Das Lob eines Kollegen, ZWANZIGER habe die prächtigsten Herbarbele- ge, veranlaßte ihn, seine Technik des Pflanzeneinlegens zu erläutern: „Meine Art des Trocknens ist die Einfachheit selbst. Ich mache vom dicken Fluß- papier Lagen von 4—6 Bogen (auch dicker, je nach den Pßanzen), auf diese kommt ein halber Bogen Zeitungspapier, auf dem die Pflanzen so natürlich als möglich ausgebreitet werden, dann wieder ein halbes Zeitungsblatt u. eine Lage Flußpa- pier u.s. f. Wenn ein ziemlicher Stoß beisammen ist, kommt ein Brett, dann wie- der eine Pflanzenlage, dann wieder ein Brett u. darauf ein schwerer Stein, damit die Geschichte die Elasticität nicht verliert; beileibe keine Presse, die die Pflan- v ih Abb.4: Selbstporträt (Nach- laß ZWANZIGHR, Bibl. des Landesmuseums fürKärnten). 309 ©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at zen zerquetscht u. - malmt, dann handelt es sich durum fleissig zu überlegen, je öfter desto besser u. stets vollständiges Wechseln des Papieres. Meist überlege ich 1 mal tglch, wenn ich Zeit gewinne u. die Sachen ser saftig od. naß sind auch 2-3-mal. Das 2.mal Umlegen werden die Blätter, Blüten u.s.w. gerichtet, was das 3.mal schon seine Schwierigkeiten hat."33) Anfang des Jahres 1861 erhielt ZWANZIGER von dem Frankfurter Licheno- logen METZLER das Angebot34), ihn auf einer Heiligenblut-Exkursion zu begleiten. Nach Erfolg der Reise berichtete er darüber: „Ich habe heuer vier glückliche Wochen zugebracht, in denen ich den Qualen des Lebens einigermassen zu vergessen vermochte, wenn dieselben nach der Rückkehr auch mit erneuter Gewalt auf mich eindrangen, habe Menschen ken- nen gelernt, neue Landschaftsbilder u. großartige Naturscenen vor meinen Au- gen sich aufrollen u. wieder mit anderen wechseln gesehen u. endlich, was der Hauptgenuß war, mich vier Wochen frei und unabhängig gefült. In moosiger Hinsicht war die in Heiligenblut erwartete grosse Ausbeute nicht so ser beträcht- lich, woran teilweise der dürre Sommer u. dann die abschrekend zunemende Ausrottung der Wälder schuld sind"33). Seiner Begeisterung über die Landschaft um Heiligenblut, dem „oesterr. Chamony mit seinem Montblanc"36), gab er mehrfach Ausdruck in sei- nen Briefen, wobei es ihm wichtig schien, sich von Modetrends abzuhe- ben: „ Über diese Glanzpunkte einer Landschaft, welche schon so oft beschrieben, so wie abgebildet sind, viel Worte zu verlieren, wäre Verschwendung. Aber so viel will ich bemerken, daß ich in Heil. Stellen besuchte, wo sonst kein Tourist hin- tritt, z. B. den Ochsenkopf. . Z07) Die Reise-Ergebnisse publizierte er in den Verhandlungen der zoolo- gisch-botanischen Gesellschaft38), deren Mitglied er im März 185939) geworden war. Immer mehr arbeitete in ZWANZIGER der Gedanke, eine neue berufliche Tätigkeit zu ergreifen, die mehr mit seinem wissenschaftlichen Interesse zu tun haben sollte. Er wollte seine Arbeitsstelle bei der Polizei verlas- sen, nicht zuletzt auch deshalb, weil sein Chef jegliche Exkursionstätig- keit wegen Beeinträchtigung der Würde des Amtes ablehnte. ZWANZIGER erhielt Ende 1863 die mit 315 Gulden jährlich dotierte Stelle eines Amanuensis an der Studienbibliothek in Klagenfurt40). Voller Zuver- sicht übersiedelte ZWANZIGER an seinen neuen Aufenthaltsort, der für ihn bis zu seinem Tode bestimmend werden sollte. Dank einiger Empfehlungsschreiben an Kärntner Naturwissenschafter fand er auch sofort Zugang zu den wichtigsten Persönlichkeiten im Bereich der beschreibenden Naturwissenschaften. ZWANZIGER war von Klagenfurt beeindruckt: , „In Klagenfurt war mir gleich geholfen, indem man mich mit offenen Armen empfing, ich gleich im naturhist. Museum Beschäftigung erhielt u. mir der Cu- stos dafür 25 fl. Vorschuß gab, ohne daß ich darum bat. Ich vermute daß es mir hier gut gefallen wird, die Gegend ist gar nicht übel u. es sind auch Moose da, die fruchten. Auf dem Kreuzberg, einem niederen, langstreckten, mit Pin. silv. bewachsenen Hügel hielt ich Inspection u. ich glaube, sie ist verheißungsvoll. /. . ./ Sie sollten sehen was die Klgftr Gelehrtenwelt für eine Freude darüber hat, daß einmal ein Moosmann da ist, was zum 1. Male der Fall ist."41) Bereits während der ersten Tage seines Aufenthaltes in Kärnten formu- lierte ZWANZIGER die Erforschung „der Moosflora des Kreuzberges" als 310 ©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at Abb. 5: ZWANZIGERS Entwurf seines Scherzwappens (Nachlaß ZWANZIGER, Bibl. des Landesmuse- ums f.Kärn ten). ein Vorhaben, das er auch tatsächlich verwirklichte und 1868 publizier- te42). Mit dem sicheren Blick für Forschungslücken teilt er sich in einem Brief dem Wiener Kryptogamologen HEUFLER mit: „Ich trage mich mit dem Gedanken, wenn ich länger hier bleibe u. Ge/egenheit habe, etwas im Lande herum zu kommen, eine Moosflora Kärntens zusammenzu- stellen j. ./ Es ist noch gar nichts über die Moose Kärntens veröffentlicht, nur Heiligenblut ist etwas abgesucht u. muß ich mir das was HOPPE, HORNSCHLCII, L.URER u.s.w. darüber geschrieben haben, zu verschaffen suchen"43). Die Kärntner Wissenschafter entdeckten offenbar schnell ZWANZIGERS schriftstellerische Fähigkeiten und verhalfen dem jungen Bibliothekar zu Nebenbeschäftigungen, die ihm auch tatsächlich Freude machten und ihm zudem ein zusätzliches Salär einbrachten. So verfaßte ZWANZIGER Berichte von den am naturhistorischen Landesmuseum öffentlich gehal- tenen populären Vorträgen für die Klagenfurter Zeitung und später auch Carinthia, überarbeitete Texte von Kollegen (wie jenen von Pfar- rer Paul KOHI.MAYR) und berechnete Mittelwerte für die vom Metereolo- gen Johann PRETTNER erstellten Meßwerte seiner Beobachtungsreihen. Auch die gesellschaftliche Aufnahme in Klagenfurt gefiel ZWANZIGER. Er wurde von den am Museum tätigen Wissenschaftern eingeladen. Beispielsweise zeigte UI.I.KPITSCH ZWANZIGER dessen Schnecken- und Muschelsammlung, und dabei gab es „Tabak, Salami und gekochte Kastanie"44). Auch in Klagenfurt bekam ZWANZIGER bald zu spüren, daß 311 ©Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Austria, download unter www.biologiezentrum.at ihm seine materielle Situation so manche Einschränkung auferlegte und er mit seinen Forscherkollegen gesellschaftlich nicht mithalten konnte: „Mein Zimmer, ein kleines Loch, in dem ich mich kaum umdrehen kann und wo für mein Herbar kaum ein Plaz ist, kostet 5 fl 50 Xr, das Essen lasse ich mir aus dem Gasthause holen, ist immer viel zu wenig, kostet aber doch 7 fl, zum Frühstück Milch zu 3 Xr u. 1 Semmel zu 2 Xr, macht schon 14 fl, bleiben noch 7, davon soll ich die Wäsche, Holz, Licht, Brod, Essenabend u. Bekleidung, von botanicis nicht zu reden bestreiten. Dazu komt noch, daß ich hier von den Mit- gliedern des naturhistorischen Landesmuseums als Bryologe mit Freuden empfan- gen worden bin. Diese Herren haben jeden Freitag in der Museumsbibliothek beim Custos CANAVAL eine Abendversammlung, wobei bis 12-1/2 1 Cafe Nachts gegessen und getruncken wird u. dabei ich mich nicht ausschliessen konnte, den Subscriptionsbogen ebenfalls zu unterschreiben. So angenehm es auch dort ist, so theuer kommt die Geschichte aber, da man unter einem Gulden nicht weg- kommt, woher ihn aber nehmen?"45) Aus dieser Notiz geht jedenfalls hervor, daß der sogenannte runde Tisch der „Gelehrten" des naturhistorischen Landesmuseums, neben dem wissenschaftlichen und geselligen Austausch auch eine kulinarische Sei- te pflegte. So wurde in den Räumen des Kustos unter anderem „Gol- lasch mit Macaroni"46) serviert! In einem Brief an seinen Freund BARTSCH erzählt ZWANZIGER: „Am 29.1. Vortrag von CANAVAL über Trichinen, welche schöne Mistvieher sind. Nichts desto weniger frassen wir gleich nach der Vorstellung Geselchtes unter höchst appetitlichen Gesprächen von allem möglichen Gewürmern. Vor 1 Uhr gehen wir Freitag nie auseinander."47) Mit Unterstützung des Museums bereiste ZWANZIGER im Sommer 1864 das obere Gailtal bis Luggau48). Mehr Ausbeute erbrachte seine Exkur- sion auf den Obir. Aus der Umgebung Klagenfurts stellte er für das Museum ein Moosherbar von 106 Blättern zusammen.49) Der anfänglich gewonnene positive Eindruck des Klagenfurter Wissen- schaftsklimas veränderte sich zum Negativen, da ZWANZIGER erfahren mußte, daß er kaum in einen wissenschaftlichen Diskurs eintreten konn- te. Nach einigen Jahren kam er zu folgendem kritischen Urteil: „Von Flechte, Algen, Pilzen u.s.w. ist aus Kärnten gar nichts bekannt. Was wäre das für ein reiches Feld! Wer kann aber diese Schätze heben? /. . ./ Niemand thut hier etwas für die Erforschung des Landes in naturwiss. Hinsicht, CANAVAL ist zu beschäftigt mit Handelskammer und Landtag, die Ausschußmitglieder des Museums sind, abges. v. PRETTNER, lauter Dilletanten, von dem sich keiner mit einem Zweige derNaturgesch. ernstlich beschäftigt/.. ./Ich unterschätze keines- wegs die Bereitwilligkeit, mit welcher Dilletanten Zeit und Kosten aufopfern, um die Anstalt in Bestand zu erhalten, nur der Mangel an forschenden Männern ist es, den ich lebhaft bedaure. Es beschäftigen sich zu wenig mit Sammeln und A hfzeichnung der Thatsachen, um ein möglichst vollständiges Bild von Naturver- hältnissen des Landes zu erhalten, wobei nach einem gewissen System vorgegan- gen werden sollte /. . ./ So ist aber die Botanik gänzlich aus den .Räumen des Museums verbannt, weil Niemand da ist, den etwas daraus interessiert. Ich bin da, habedie Fähigkeiten und den besten Willen, etwas zu leisten, Fleiß und Ausdauer, bringe aber nichts zuwegen, da mir Hände und Füsse gebunden sind. Man verlangt freilich, ich solle etwas thun; von meinem Zimmer aus kann ich aber die Gegenden Kärn- tens nicht untersuchen. '<50) Zermürbend wirkte erneut die Tatsache, daß sich seine materielle Situa- tion nicht verbessert hatte. 312

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Naturwissenschafter und Bohemien. Von Marianne KLEMUN. Mit 7 Abbildungen. Gustav Adolf ZWANZIGER (1837—1893)1) — Mooskundler,
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