Nils C. Bandelow · Florian Eckert · Robin Rüsenberg (Hrsg.) Gesundheit 2030 Nils C. Bandelow · Florian Eckert Robin Rüsenberg (Hrsg.) Gesundheit 2030 Qualitätsorientierung im Fokus von Politik, Wirtschaft, Selbst- verwaltung und Wissenschaft Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. . 1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Frank Schindler VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes istohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson - dere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein- speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16804-3 Inhalt Vorwort 9 1. Einleitung Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg Qualitätsorientierung als „Megathema“ der Zukunft? 13 2. Positionen der Akteure Ulla Schmidt Gesundheitspolitik im Widerschein der Interessen – Ein Rück- und Ausblick 29 Jens Spahn Gesundheit 2030 – Wie lässt sich das deutsche Gesundheitssystem für die Zukunft gestalten? 34 Carola Reimann, Timo Trefzer Qualitätssicherung im Gesundheitswesen: Bewährtes weiterentwickeln, Transparenz erhöhen, neue Anreize setzen 42 Konrad Schily Muss Solidarität staatlich organisiert werden? 55 Frank Spieth, Pascal Detzler Umfassend ist gerecht! 62 Biggi Bender Bürgerversicherung und Qualitätswettbewerb – zur Gesundheitspolitik von Bündnis 90/Die Grünen 73 Hartmut Reiners Wettbewerb, Regierung, Selbstverwaltung: Wer stellt die medizinische Versorgung sicher? 84 6 Inhalt Stefan Etgeton Perspektiven der Sicherung und Entwicklung von Qualität und der Einbezug der Patientensicht – ein Zukunftsmodell? 97 Rainer Hess Herausforderungen an ein qualitätsorientiertes Gesundheitssystem – die Rolle des Gemeinsamen Bundesausschusses 107 Klaus Koch, Peter T. Sawicki Qualität im Gesundheitswesen basiert auf Wissenschaft 122 Doris Pfeiffer Herausforderungen an ein qualitätsorientiertes Gesundheitssystem der Zukunft aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes 128 Frank Schulze Ehring, Christian Weber „Zwei-Klassen-Medizin“: Zur Diskussion von Leistungs- und Qualitätsunterschieden im deutschen Gesundheitswesen 135 Ulrich Zorn Zukunft eines qualitätsorientierten Gesundheitswesens aus Sicht der Ärzteschaft 150 Richard Zimmer Krankenhaussektor – Kernbereich der Gesundheitswirtschaft 164 Joachim M. Schmitt Stärkere Qualitätsorientierung in der MedTech-Versorgung 177 Heinz-Günter Wolf Unabhängigkeit und persönliche Verantwortung garantieren pharmazeutische Qualität und Verbraucherschutz in Apotheken 190 Cornelia Yzer Den medizinischen Fortschritt zum Menschen bringen 200 Henning Fahrenkamp Perspektiven des Arzneimittelmarktes in Deutschland: Aktuelle Politik und strategische Optionen 209 Inhalt 7 Peter Schmidt Generika: Garanten einer hochwertigen und kosteneffektiven Arzneimittelversorgung 217 Generika Wolfram-Arnim Candidus Die Zukunft des Gesundheitswesens 229 Andrea Fischer, Anja Jakob Die Zukunft wird von den Patienten entschieden – im Wissen über Qualität 237 Ellen Paschke Solidarität und Qualität 245 Annelie Buntenbach Gute und bezahlbare Gesundheitsversorgung für alle 258 3. Politik und Kommunikation in der Analyse Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg Parteienherrschaft oder Bürokratisierung? 275 Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg Interessenvertretung bei 82 Millionen Gesundheitsministern 286 4. Ausblick Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg, Kristina Viciska Gemeinsam für mehr Qualität? Idealtypische Perspektiven und mögliche Koalitionen für ein Gesundheitswesen 2030 299 Abkürzungsverzeichnis 329 Autorenverzeichnis 331 Vorwort Vorwort Das Politikfeld Gesundheit gilt als hochkomplex und wenig transparent. Vor diesem Hintergrund stellt der vorliegende Band das Ergebnis einer in dieser Form noch seltenen Kooperation zwischen politischer Arena und sozialwissen- schaftlicher Analyse des Gesundheitswesens dar. Er soll dazu beitragen, die Vernetzung und das Verständnis zwischen beiden Perspektiven zu verbessern. Anders als andere politikfeldanalytische Arbeiten wagt das Projekt eine auf die Zukunft gerichtete Perspektive. Das Thema „Gesundheit 2030“ ermöglicht es, jenseits der aktuellen tagespolitischen Konflikte und Machtkonstellationen grundlegenden Ziele und Strategien für das deutsche Gesundheitswesen für eine Phase von über zwanzig Jahren herauszuarbeiten. Zentrale Idee ist dabei, dass zumindest in der öffentlichen politischen Kommunikation das Ziel der Qualitäts- orientierung im Gesundheitswesen einen wachsenden Stellenwert einnehmen könnte. Der Band konnte nur entstehen, weil fast alle führenden Akteure des deut- schen Gesundheitswesens bereit waren, einen Beitrag auf Grundlage der vorge- gebenen Leitfragen beizusteuern und Qualität und Zukunft des Gesundheitssys- tems in Deutschland aus ihrer jeweiligen Perspektive zu skizzieren. Unser be- sonderer Dank geht daher an alle Autorinnen und Autoren. Wir danken außer- dem Jan Dzieciol, Markus Grunenberg, Heike Martin, Carina Vallo und beson- ders Kristina Viciska, die wesentlichen Anteil an der Umsetzung des Vorhabens hatten. Der Band zielt nicht nur darauf ab, die gesundheitspolitische Debatte weiter voranzutreiben, sondern hofft auch, einen Beitrag zur Transparenz von gesund- heitspolitischen Zielen und Strategien zu leisten. Der Erfolg eines solchen Ziels hängt vor allem von der Leserschaft ab. Wir freuen uns daher über Reaktionen und Vorschläge, wie im Anschluss an den Band die öffentliche Reflektion über gesundheitspolitische Strategien und damit die demokratische Legitimation in diesem bisher so schwer zu überblickenden Politikfeld verbessert werden kann. Braunschweig und Berlin im Mai 2009 Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg 1. Einleitung Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg Qualitätsorientierung als „Megathema“ der Zukunft? 1 Gesundheit – ein komplexes Politikfeld Das deutsche Gesundheitssystem gilt als eines der besten der Welt. Die Struktu- ren der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und das ihr zugrunde liegende Solidarprinzip genießen dabei starken Rückhalt in der Bevölkerung. Auch die gegenwärtige Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems wird als generell gut bewertet. Dennoch wird die Zukunftsfähigkeit des Systems in Frage gestellt: Auf den ersten Blick konzentriert sich die Kritik an der zukünftigen Finanzierbarkeit. Aber auch jenseits der Finanzierungsfrage gerät das Gesundheitswesen in Kritik: Mehr als die Hälfte der Bundesbürger und der Ärzte beklagt eine zurückgehende Qualität in der Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig schwindet in beiden Grup- pen das Vertrauen in die Zukunft des Gesundheitssystems (TK Meinungsimpuls Gesundheit 2008, MLP Gesundheitsreport 2008). Auch in der im Herbst 2009 beginnenden 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags wird die Gesund- heitspolitik deshalb wieder eines der zentralen Themen der Reformagenda sein. Gesundheitspolitische Entscheidungen betreffen jeden Menschen existen- ziell. Spätestens im Krankheitsfall wird die Ausgestaltung des Gesundheitswe- sens zur wichtigsten Frage. Diese Sicht der Patienten wird ergänzt durch die wachsende Rolle des Gesundheitswesens als Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber. Diesem Umstand ist verschiedentlich durch die Begrifflichkeit eines „regulierten Gesundheitsmarktes“ (Böckmann 2007) Rechnung getragen worden, also einer parallelen Akzentverschiebung zu mehr Markt und mehr Staat. Politische Ent- scheidungen und Reformbemühungen im Politikfeld Gesundheit betreffen dem- nach nicht nur die physische, sondern auch die wirtschaftliche Existenz eines großen Teils der Bevölkerung. Nicht zuletzt deshalb ist Gesundheitspolitik ein hochgradig konfliktträchtiges Politikfeld mit multiplen Interessenlagen unter- schiedlicher Akteure im Falle strukturverändernder Reformvorhaben (Bandelow 1998, 2004). Gleichzeitig sind sowohl die politischen Prozesse als auch die Komplexität der Materie selbst für Experten und unmittelbar Beteiligte kaum zu durchschauen. So soll Horst Seehofer (CSU) mit Blick auf den durch ihn als Bundesgesundheitsminister 1994 eingeführten Risikostrukturausgleich (RSA) zwischen den gesetzlichen Krankenkassen freimütig bekannt haben: „Den Risi- 14 Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg kostrukturausgleich verstehen nur drei Leute, ich gehöre nicht dazu“ (zitiert nach Guzek 2008: 62). Gesundheitspolitik verbindet zudem Umverteilungspolitik und regulative Politik. So tragen politische Entscheidungen zur Umverteilung von über zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei (Destatis 2008a). Anders als etwa in der Renten- und Steuerpolitik ist Gesundheitspolitik aber nicht allein durch Vertei- lungsfragen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen geprägt. In der poli- tischen Auseinandersetzung wird auch über die Form der Leistungen entschie- den. Dabei muss ständig neues Wissen etwa aus der Pharmakologie, der Medi- zin, der Psychologie oder auch aus den Sozialwissenschaften verwertet werden. Die Gesundheitsbranche ist als großer Wirtschaftssektor gleichzeitig auch von Entwicklungen etwa im Finanzmarkt oder im Arbeitsmarkt betroffen. Auch de- mografische Entwicklungen, der medizinisch-technische Fortschritt und sich wandelnde gesundheitliche Einstellungen der Bevölkerung führen zu veränderten Herausforderungen, die nicht nur Finanzierungsfragen betreffen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Gesundheitssystem – ungeachtet der Einführung wettbe- werblicher Elemente seit den 1990er Jahren (zuletzt Böckmann 2009) – nach wie vor einer umfassenden politischen Regulierung unterworfen ist. Regelmäßige Gesundheitsreformen – wie jüngst das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) von 2007 –, also gesetzliche Eingriffe in Strukturen, Prozessabläu- fe und Leistungsangebote, sind damit fast unvermeidlich, da eine vergleichbare Strukturanpassungsleistung durch den Markt – wie in anderen Politikfeldern möglich – nicht erfolgen kann (z. B. Reiners 2009). Vor diesen Hintergrund handelt es um ein ausgesprochen dynamisches Politikfeld, das sich durch die Gleichzeitigkeit von hoher Komplexität, hohem Wissensbedarf, multiplen Inte- ressenlagen, eingeschränkter Steuerungsfähigkeit der Bundesregierung sowie fehlender Information bei hoher Sensibilität in der Bevölkerung auszeichnet. 2 Qualitätssicherung im gesundheitspolitischem Zielkonflikt Die Komplexität der Gesundheitspolitik hat dazu geführt, dass in der öffentli- chen Debatte nur ein kleiner Ausschnitt der relevanten Politikprozesse abgebildet wird. Dabei spielen wenige Schlagworte eine zentrale Rolle, zuletzt etwa „Pra- xisgebühr“, „Kopfpauschale/Prämienmodell“, „Bürgerversicherung“ oder „Ge- sundheitsfonds“. Auffällig ist, dass dabei in hohem Maße Finanzierungsfragen im Zentrum der öffentlichen Debatten stehen. Für die politischen Entscheidun- gen sind aber andere Fragen mindestens ebenso bedeutsam. So besteht Einigkeit zwischen allen gesundheitspolitischen Akteuren, dass Gesundheitspolitik nicht allein eine Frage des Geldes ist. Vielmehr geht es um die Sicherstellung optima-
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